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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 13.10.2009
Aktenzeichen: P A 63/07.PVL
Rechtsgebiete: BremPersVG


Vorschriften:

BremPersVG § 58 Abs. 4
BremPersVG § 59 Abs. 1
BremPersVG § 65 Abs. 1
Nach dem BremPersVG hat der Personalrat ein Initiativrecht auch bei korrigierenden Höhergruppierungen.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: P A 63/07.PVL

In der Personalvertretungssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - Fachsenat für Personalvertretungssachen - durch den Richter Göbel, die ehrenamtliche Richterin Adomeit, den ehrenamtlichen Richter Dunkhorst und die ehrenamtlichen Richterinnen Hölscher und Grunert am 13.10.2009 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Personalvertretungssachen - vom 04.01.2007 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Personalrat das Recht hatte, einen Initiativantrag zur Höhergruppierung der Mitarbeiter A., B., C., D. und E. sowie der Mitarbeiterin F. zu stellen.

Gründe:

A.

Der Personalrat von X - Antragsteller - streitet mit dem Intendanten der Anstalt - Beteiligter - über ein Initiativrecht zur korrigierenden Höhergruppierung von sechs früheren Angestellten aus dem Bereich der Ton- und Bildtechnik.

Das Direktorium der Anstalt beschloss am 21.06.2005, dass fünf Erste Tontechniker der Gehaltsgruppe VI mit Wirkung vom 01.06.2005 für das Aufgabengebiet eines Toningenieurs der Gehaltsgruppe VII qualifiziert werden und nach erfolgreicher Einarbeitung sowie dem Vorliegen der entsprechenden tariflichen Voraussetzungen eine widerrufliche Funktionszulage für die Dauer der Übernahme höherwertiger Tätigkeit in Höhe einer Stufensteigerung erhalten sollten. Für einen weiteren Angestellten, einen Ersten Bildtechniker der Gehaltsgruppe V, wurde ein entsprechender Beschluss hinsichtlich einer Qualifizierung zum Ersten Bildtechniker der Gehaltsgruppe VI gefasst. Mit Schreiben vom 27.07.2005 bat der Beteiligte den Antragsteller um Zustimmung; in dem Schreiben hieß es, dass die tarifliche Eingruppierung in die Gehaltsgruppe VII nach erfolgreicher Einarbeitung "vorerst" durch Zahlung der widerruflichen Funktionszulage erfolgen solle. Der Antragsteller stimmte den Beschlüssen mit Schreiben vom 22.08.2005 zu, bei den Tontechnikern jeweils mit dem Zusatz:

"Der Personalrat hat der Zahlung der Funktionszulage zugestimmt, weil dem Kollegen das Geld zusteht.

Wir weisen aber darauf hin, dass dem Kollegen dem Tarif entsprechend eine Höhergruppierung zusteht, die Radio Bremen ihm rechtswidrig verweigert."

Mit Schreiben vom 21.10.2005 beantragte der Antragsteller beim Beteiligten, die tarifwidrige Zulage der Tontechniker dahingehend zu korrigierend, dass diese rückwirkend zum Zeitpunkt der jeweiligen Bewilligung der Funktionszulage in die Gehaltsgruppe VII eingruppiert würden.

Mit Schreiben vom 02.11.2005 teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit, das Direktorium habe den Initiativantrag aus zwei Gründen abgelehnt. Zum einen sei der Antrag missbräuchlich, weil das Verfahren über die Eingruppierung der Tontechniker durch die Zustimmung des Personalrats zum Beschluss des Direktoriums vom 21.06.2005 abgeschlossen worden sei. Zum anderen stehe dem Antragsteller das geltend gemachte Initiativrecht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu.

Für den Bildtechniker stellte der Antragsteller am 04.11.2005 einen entsprechenden Initiativantrag. Auch diesen Antrag lehnte das Direktorium ab.

In allen sechs Fällen beschloss der Antragsteller am 10.11.2005 die Nichteinigung festzustellen und die Einigungsstelle anzurufen. Der Beteiligte lehnte die Einberufung mit Schreiben vom 22.11.2005 mit der Begründung ab, dem Antragsteller stünde ein Initiativrecht nicht zu.

Im Zuge der Privatisierung des Aufgabenbereichs Produktion/Fernsehtechnik wurden die sechs Angestellten zum 01.04.2006 in die neugegründete Tochtergesellschaft Y GmbH übergeleitet.

Bereits am 28.03.2006 hatte der Antragsteller das Verwaltungsgericht angerufen. Er hat beantragt, festzustellen, dass er berechtigt war, einen Initiativantrag zur Höhergruppierung der sechs Angestellten zu stellen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 04.01.2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar sei der Initiativantrag nicht schon deshalb unzulässig, weil der Antragsteller den Direktoriumsbeschlüssen vom 21.06.2005 zugestimmt habe, denn die Durchführung einer Maßnahme nach einer vorherigen Einigung bewirke keine Sperre für neue Entscheidungen hinsichtlich derselben Personen. Dem Antragsteller stehe aber kein Initiativrecht für Höhergruppierungen zu. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, an der festzuhalten sei. Die gegen sie vorgebrachte Kritik überzeuge nicht. Zwar sei richtig, dass der Personalrat prinzipiell für alle Maßnahmen, die seiner Mitbestimmung unterlägen, auch ein Initiativrecht habe. Eine nach Sinn und Zweck der Regelung fragende teleologische Interpretation des Gesetzes führe für die Höhergruppierung aber zu einem anderen Ergebnis, denn es hätte systemwidrige Konsequenzen, würde dem Personalrat ein solches Initiativrecht zugebilligt. Es liege auf der Hand, dass dann Arbeitnehmer, die eine Höhergruppierung erstrebten, nicht mehr selbst vor den Arbeitsgerichten klagten, sondern sich des Personalrats bedienten, um ihr Ziel zu erreichen. Lehne der Personalrat es ab, entsprechende Initiativanträge zu stellen, riskiere er einen Konflikt mit seiner Wählerschaft und gefährde dadurch seine eigene Position. Das könne auch nicht im Interesse des Personalrats liegen.

Gegen den Beschluss, der ihm am 15.01.2007 zugestellt worden ist, hat der Antragsteller am 13.02.2007 Beschwerde erhoben.

Zur Begründung trägt er vor: Der Versuch des Verwaltungsgerichts, sich mit Hilfe einer so genannten teleologischen Interpretation über den eindeutigen Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes hinwegzusetzen, sei methodisch verfehlt.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - Fachkammer für Personalvertretungssachen - Az. PK 783/06.PVL aufzuheben und festzustellen, dass der Personalrat das Recht hatte, einen Initiativantrag zur Höhergruppierung der Mitarbeiter A., B., C., D. und E. sowie der Mitarbeiterin F. zu stellen.

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und beruft sich zur Begründung auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1976. Danach sei für ein Initiativrecht des Personalrats kein Raum, wenn der einzelne Mitarbeiter selbst über die rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Interessen verfüge. An dieser Ansicht habe das Bundesverwaltungsgericht auch in der Folgezeit festgehalten.

B.

Die - zulässige - Beschwerde ist begründet.

I.

Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Zwar haben sich die Initiativanträge inzwischen dadurch erledigt, dass die betroffenen Angestellten nicht mehr bei der Dienststelle beschäftigt sind; die zwischen ihm und dem Beteiligten streitige Frage ist aber weiterhin klärungsbedürftig, weil sie sich jederzeit in vergleichbaren Fällen wieder stellen kann.

II.

Der Personalrat war nicht dadurch gehindert, die Höhergruppierung der sechs Angestellten zu beantragen, dass er zuvor einer Regelung zugestimmt hatte, nach der die Beschäftigten nur eine Funktionszulage erhalten sollten. Diese Zustimmung schloss eine weitergehende Regelung für die Zukunft nicht aus. Das hat die Fachkammer zutreffend ausgeführt, und auf diese Ausführungen, denen der Beteiligte im Beschwerdeverfahren nicht mehr entgegengetreten ist, kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

III.

Entgegen der Auffassung der Fachkammer steht dem Antragsteller ein Initiativrecht für die korrigierende Höhergruppierung von Angestellten zu.

1. Gemäß § 65 Abs. 1 Buchst. c) BremPersVG erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des Personalrats in personellen Angelegenheiten insbesondere auf die Höhergruppierung von Arbeitnehmern. Nach § 58 Abs. 4 Satz 1 BremPersVG kann der Personalrat von sich aus eine Maßnahme, die seiner Mitbestimmung unterliegt, beim Leiter der Dienststelle beantragen. Kommt es in einer Angelegenheit, die der Mitbestimmung unterliegt, zwischen dem Personalrat und dem Leiter der Dienststelle zu keiner Einigung und wird von einem der Beteiligten Nichteinigung festgestellt, kann die Einigungsstelle zur Entscheidung angerufen werden (§ 59 Abs. 1, Abs. 7 Sätze 2 bis 4, § 7 Abs. 1 Buchst. b) BremPersVG).

Diese gesetzliche Regelung ist eindeutig und lässt Lücken oder Interpretationsspielräume nicht erkennen. Gründe, sie auf die Beteiligten nicht anzuwenden, sind nicht ersichtlich. Dem Antragsteller steht daher von Gesetzes wegen das Recht zu, die Höhergruppierung von Angestellten zu beantragen und, wird ein solcher Antrag vom Beteiligten abgelehnt, die Einigungsstelle anzurufen.

2. Zu Unrecht meint die Fachkammer, das Initiativrecht gleichwohl aufgrund einer "nach Sinn und Zweck fragenden teleologischen Interpretation des Gesetzes" verneinen zu können.

Für eine teleologische Reduktion, wie sie die Fachkammer für angebracht hält, ist nur dann Raum, wenn eine Norm nach ihrem Wortlaut auch solche Lebenssachverhalte erfasst, für die sie nach Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gelten soll. Es muss also eine verdeckte Lücke in der Weise vorliegen, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung unterlassen hat, die er zur Verwirklichung seines gesetzgeberischen Ziels vorgenommen hätte, wenn er das Problem erkannt hätte (vgl. BVerfGE 35, 263 <279f.>; 51, 97 <110>; 88, 145 <167>; 97, 186 <196>; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 362, 375). Dafür ist hier aber nichts ersichtlich. Auch die Fachkammer zeigt eine solche verdeckte Lücke nicht auf. Sie legt nicht dar, dass der Zweck der gesetzlichen Regelung durch das Initiativrecht des Personalrats beeinträchtigt oder verfehlt würde.

Die Fachkammer stützt ihre Ablehnung des Initiativrechts im Wesentlichen auf die Befürchtung, es führe zu einer Verlagerung von Lohn- und Vergütungsstreitigkeiten in das Mitbestimmungs- und Beschlussverfahren. Ein solcher Einwand betrifft nicht nur das Initiativrecht, sondern die Mitbestimmung bei Höhergruppierungen generell. Er verkennt, wie schon das Bundesverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 13.02.1976 (VII P 4.75 - BVerwGE 50,186 <191ff.>; VII P 24.75 - Buchholz 238.33 § 58 BremPersVG Nr 1) ausgeführt hat, Sinn und Zweck des Mitbestimmungsverfahrens: Die Mitbestimmung bei Höhergruppierungen ermöglicht es der Personalvertretung, auf die Wahrung des Tarifgefüges in der Dienststelle zu achten und damit auch zur Wahrung des Friedens in der Dienststelle beizutragen. Im Interesse aller Bediensteten muss verhindert werden, dass durch eine unterschiedliche Beurteilung im Rahmen von Höhergruppierungen einzelne Angestellte bevorzugt, andere benachteiligt werden. Personalrat und Leiter der Dienststelle haben deshalb nicht nur das Interesse der von der Höhergruppierung unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer, sondern auch die berechtigten Interessen und Erwartungen aller anderen Bediensteten, soweit sie von dieser Maßnahme berührt werden können, und die dienstlichen Belange zu berücksichtigen. Das Mitbestimmungsverfahren hat also eine kollektivrechtliche Dimension, die durch die Möglichkeit individueller Klagen der unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer nicht ausgeschöpft wird. Soweit das dazu führt, dass auch tarifrechtliche Fragen im Mitbestimmungs- und evtl. im Beschlussverfahren von Bedeutung sein können, ist das eine auch sonst auftretende, ebenso unvermeidliche wie unschädliche Konsequenz des Mitbestimmungsrechts. Ein qualitativer Unterschied zwischen dem vom Leiter der Dienststelle eingeleiteten Zustimmungsverfahren und dem vom Personalrat initiierten Verfahren besteht insoweit nicht. Auch im Zustimmungsverfahren kann der Personalrat in Rechtfertigungszwänge gegenüber einzelnen Arbeitnehmern geraten, wenn er sich gegen deren Höhergruppierung ausspricht. Das Risiko, in Konflikt mit der Wählerschaft oder Teilen derselben zu geraten, weil nicht alle Entscheidungen des Personalrats den Beifall aller Arbeitnehmer finden, ist der Tätigkeit demokratisch gewählter Gremien immanent; es beeinträchtigt nicht den Zweck eines Mitbestimmungsgesetzes, sondern entspricht ihm.

Aus den Erwägungen der Fachkammer ergibt sich mithin kein Anhaltspunkt dafür, dass das Initiativrecht des Personalrat dadurch, dass es sich auch auf korrigierende Höhergruppierungen erstreckt, einen Lebenssachverhalt erfasst, der nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung nicht erfasst werden sollte. Die Auffassung der Fachkammer verwirklicht nicht den Zweck des Gesetzes durch die Berichtigung eines unbeabsichtigt zu weit gefassten Wortlauts, sondern versucht, den Zweck des Gesetzes selbst zu verändern, indem sie ihre Vorstellungen darüber, in welchem Umfang Mitbestimmungsrechte des Personalrats sinnvoll und wünschenswert sind, an die Stelle der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung setzt.

3. Zu Unrecht beruft sich die Fachkammer auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Zwar ist richtig, dass das Bundesverwaltungsgericht in den zitierten Beschlüssen vom 13.02.1976 entschieden hat, dass dem Personalrat nicht die Befugnis zusteht, im Wege eines Initiativantrags die Höhergruppierung eines nach seiner Auffassung unrichtig eingestuften Angestellten durchzusetzen. Diese Rechtsprechung hat es aber inzwischen aufgegeben:

a) In seinen Beschlüssen vom 13.02.1976 hatte das Bundesverwaltungsgericht Sinn und Zweck des Initiativrechts noch darin gesehen, dass Maßnahmen, die im Interesse der Bediensteten und der Dienststelle zu treffen seien, nicht deshalb unterbleiben sollten, weil niemand in der Dienststelle über die rechtliche Möglichkeit verfüge, sie notfalls gegen den Willen der Dienststelle durchzusetzen. Daraus ergebe sich eine Begrenzung des Antragsrechts: Habe der einzelne Bedienstete einen vor Gericht durchsetzbaren Anspruch auf eine bestimmte Regelung, fehle eine für die Schaffung des Initiativrechts wesentliche Grundlage (BVerwGE 50, 186 <196f.>).

Die Beschlüsse verzichteten nicht nur darauf, den angeblichen Sinn und Zweck aus den jeweiligen Gesetzen herzuleiten, die weiteren Ausführungen des Gerichts standen auch in einem nicht aufgelösten Widerspruch zu den oben zitierten Bemerkungen über Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts bei korrigierenden Höhergruppierungen. Sie sind deshalb zu Recht auf erhebliche Kritik gestoßen (vgl. z.B. für das bremische Recht ausführlich Großmann/Mönch/Rohr, BremPersVG, 1979, Rn 122ff. zu § 58).

b) In einem weiteren Beschluss vom 25.10.1983 (6 P 22.82 - BVerwGE 68,137 = DVBl 1984, 436) zum Berliner Personalvertretungsgesetz schloss sich der nunmehr zuständig gewordene 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts dieser Rechtsauffassung zunächst an. Zur Begründung führte er aus: Der Auftrag des Personalrats, die kollektiven Interessen der von ihm vertretenen Beschäftigten wahrzunehmen und auf die Erhaltung des Friedens in der Dienststelle hinzuwirken, schließe es "seinem Wesen nach" aus, dass sich die Personalvertretung in die Rolle des Sachwalters eines einzelnen Beschäftigten begebe, um dessen individuelle Belange mit seinen Mitteln durchzusetzen (BVerwGE 68, 137 <140>).

c) Mit Beschluss vom 24.10.2001 (6 P 13.00 - BVerwGE 115, 205 = NVwZ 2003, 109) entschied das Bundesverwaltungsgericht für das nordrhein-westfälische Personalvertretungsrecht - das hinsichtlich der hier interessierenden Fragen nicht über das BremPersVG hinausgeht -, dass das Initiativrecht des Personalrats sich auch darauf erstrecke, personelle Maßnahmen zu Gunsten einzelner Beschäftigter zu beantragen. Der Personalrat sei bei der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts nicht auf die Prüfung der kollektiven Interessen aller Beschäftigten der Dienststelle beschränkt, sondern vielmehr berechtigt, alle in Betracht zu ziehenden sachlichen Gesichtspunkte, insbesondere die einschlägigen Regelwerke, zu Gunsten der jeweils betroffenen einzelnen Beschäftigten in seine Überlegungen einzubeziehen; auch die Wahrnehmung der Interessen einzelner Beschäftigter gehöre zu den Aufgaben der Personalvertretung. Ebenso wie bei der Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen gehe es bei der Wahrnehmung des Initiativrechts stets darum, dass zu Gunsten der Beschäftigten ein Rechtszustand hergestellt werde, der mit Rücksicht auf die einschlägigen Regelwerke und den Gleichbehandlungsgrundsatz angezeigt sei (BVerwGE 115, 205 <212f.>).

Zum Verhältnis dieser Entscheidung zu den früheren Beschlüssen führte das Bundesverwaltungsgericht aus, diese seien nur begrenzt aussagefähig, denn sie hätten Gesetze betroffen, nach denen - anders als in Nordrhein-Westfalen - im Falle der Nichteinigung die Einigungsstelle verbindlich und abschließend entschieden habe. In solchen Fällen hätte die Anerkennung eines Initiativrechts dazu geführt, dass eine personelle Maßnahme gegen den Willen der Dienststelle hätte durchgesetzt werden können. Dies hätte zur Folge gehabt, dass das Mitbestimmungsrecht bei Initiativanträgen des Personalrats inhaltlich weiter gereicht hätte als bei Anträgen des Dienststellenleiters (BVerwGE 115, 205 <213f.>.

Nach dieser Auffassung war ein Initiativrecht des Personalrats in den Ländern gegeben, in denen das Mitbestimmungsrecht wegen des Letztentscheidungsrechts des Dienststellenleiters oder einer übergeordneten Dienstbehörde nur in abgeschwächter Form vorgesehen war, während die Personalvertretungen in den Ländern, in denen - wie in Bremen - ein uneingeschränktes Mitbestimmungsrecht mit verbindlicher Entscheidung der Einigungsstelle bestand, kein Initiativrecht hatten.

d) Diese - schwerlich überzeugende - Differenzierung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 24.04.2002 (6 P 3.01 - BVerwGE 116, 216 = NVwZ-RR 2003, 32) zum Hamburgischen Personalvertretungsrecht nunmehr ausdrücklich aufgegeben. Das Initiativrecht des Personalrats bestehe unabhängig davon, ob die beantragte Maßnahme der vollen oder eingeschränkten Mitbestimmung unterliege. Diese Frage werde erst dann erheblich, wenn darüber zu entscheiden sein sollte, ob ein Beschluss der Einigungsstelle verbindlich oder nur empfehlend sei (BVerwGE 116, 216 <223, 226>).

Diese Auffassung teilt der beschließende Senat. Sie entspricht der im Bremischen Personalvertretungsgesetz getroffenen Regelung, nach der - wie dargelegt - ein uneingeschränktes Initiativrecht des Personalrats in allen seiner Mitbestimmung unterliegenden Fragen besteht. Sie hat den Vorteil, dass auch dann, wenn das Mitbestimmungsrecht des Personalrats Einschränkungen unterliegen sollte, die sich nicht aus dem BremPersVG unmittelbar, sondern aus möglicherweise entgegenstehendem höherrangigen Recht ergeben, diese möglichst spät einsetzen und der Eingriff in die Entscheidung des Gesetzgebers damit auf das unbedingt Erforderliche begrenzt wird. Personalrat und Leiter der Dienststelle sind auch weiterhin gehalten, sich zunächst um eine einvernehmliche Regelung eines streitigen Problems zu bemühen. Erst wenn die Einigungsstelle gegen den Leiter der Dienststelle entscheiden und dieser sich vom Spruch der Einigungsstelle nicht überzeugen lassen sollte, stellt sich die Frage, ob das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus Gründen höherrangigen Rechts einer Einschränkung bedarf. Erst in einem solchen Verfahren wäre auch zu klären, ob die im Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 24.05.1995 (BVerfGE 93, 37 = NVwZ 1996, 574) aufgestellten, aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten Grundsätze auch dann Beachtung erheischen können, wenn der weisungsungebundene Leiter der Dienstelle seine Bestellung nicht einer auf Wahlen des Volkes zurückzuführenden ununterbrochenen Legitimationskette, sondern der Wahl durch einen im Wesentlichen von Verbänden beschickten Rundfunkrat (vgl. § 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 1 Satz 1 Radio-Bremen-Gesetz) verdankt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 BremPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 und § 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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