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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 08.12.2008
Aktenzeichen: S2 B 538/08
Rechtsgebiete: SGB II


Vorschriften:

SGB II § 7 Abs. 5 Satz 1
SGB II § 7 Abs. 5 Satz 2
SGB II § 22 Abs. 7
1. Der Leistungssauschluss des § 7 Abs. 5 SGB II greift bereits dann, wenn die Ausbildung nur dem Grunde nach dem BAföG förderungsfähig ist (Anschluss an BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R = FEVS 59, 289).

2. Ein besonderer Härtefall i. S. von § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II liegt vor, wenn Umstände gegeben sind, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, d. h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen lassen. Er ist aber auch dann anzunehmen, wenn wegen einer Ausbildungssituation ein Bedarf an Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts entstanden ist, der nicht durch BAföG oder Ausbildungsbeihilfe gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit, verbunden mit weiter bestehender Hilfebedürftigkeit (Anschluss an BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R = FEVS 59, 289).

3. § 22 Abs. 7 SGB II setzt den tatsächlichen Bezug von Leistungen nach dem BAföG voraus.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: S2 B 538/08

In dem Rechtsstreit

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat für Sozialgerichtssachen - durch Richterin Meyer, Richter Dr. Grundmann und Richterin Dr. Jörgensen am 08.12.2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 1. Kammer für Sozialgerichtssachen - vom 14.10.2008 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren nach dem SGB II höhere Unterkunftskosten für die Antragstellerin zu 1) und anteilige Unterkunftskosten für den Antragsteller zu 2).

Die Antragsteller sind zum 01.08.2008 nach Bremen verzogen. Der Antragsteller zu 2) studiert seit dem Sommersemester 2008 (7. Fachsemester) Mathematik an der Universität Bremen im Diplomstudiengang. Mit Bescheid vom 14.07.2008 lehnte das Studentenwerk Bremen einen Antrag des Antragstellers zu 2) auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG mit der Begründung ab, dass der Antragsteller zu 2) bereits über ein abgeschlossenes, in Deutschland voll anerkanntes Studium der Mathematik an der Universität Bagdad mit dem Abschlussdiplom "Bachelor" verfüge.

Am 12.08.2008 beantragten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Am 08.09.2008 haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin zu 1) unverzüglich laufende Leistungen nach dem SGB II und dem Antragsteller zu 2) anteilige Unterkunftskosten zu gewähren.

Mit Bescheid vom 11.09.2008 bewilligte die BAgIS der Antragstellerin zu 1) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und erkannte als Unterkunftskosten die Hälfte der Mietkosten abzüglich einer Warmwasserpauschale in Höhe von 6,24 € an.

Mit Beschluss vom 14.10.2008 lehnte das Verwaltungsgericht Bremen - 1. Kammer für Sozialgerichtssachen - den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, soweit die Antragsteller ihn hinsichtlich der Gewährung anteiliger Unterkunftskosten für den Antragsteller zu 2) und höherer Unterkunftskosten für die Antragstellerin zu 1) aufrechterhalten haben, ab. Der Antragsteller zu 2) habe nach § 7 Abs. 5 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, da sein Studium dem Grunde nach förderungsfähig sei. Ein besonderer Härtefall nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II liege nicht vor. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses zu den Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 7 SGB II lägen ebenfalls nicht vor, weil der Antragsteller zu 2) tatsächlich keine Leistungen nach dem BAföG erhalte.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Mit ihr machen die Antragsteller geltend, dass dem Antragsteller zu 2) nach einer entsprechenden Auskunft der ARGE Hamburg ein Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II zustehe. Der Abzug der Warmwasserpauschale sei rechtswidrig, weil die Wassererwärmung durch einen Durchlauferhitzer erfolge.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist erforderlich, dass mit dem Antrag sowohl ein Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) als auch ein Grund für eine vorläufige Regelung durch das Gericht (Anordnungsgrund) i. S. des § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht werden.

Der Antragsteller zu 2) hat einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller unterliegt dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Bei dem von dem Antragsteller zu 2) seit dem Sommersemester 2008 betriebenen Diplomstudium der Mathematik an der Universität Bremen handelt es sich um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 BAföG. Allein die Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach führt zu dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Insoweit kommt es lediglich auf die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung an. Individuelle in der Person des Auszubildenden liegende Gründe, die ihn im Verhältnis zum Träger der Förderungsleistung von den Förderleistungen nach den BAföG ausschließen, bleiben außer Betracht (BSG, Urteile vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 6 und FEVS 59, 289-298 und B 14/7b AS 28/06 R -SozR 4-4200 § 7 Nr. 8).

Die Voraussetzungen für die Ausnahme von dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 6 SGB II liegen hier nicht vor. Der Antragsteller zu 2) ist nicht auf Grund der in § 7 Abs. 6 SGB II genannten Vorschriften des BAföG von Leistungen ausgeschlossen, sondern weil er die Anforderungen des § 7 Abs. 2 BAföG nicht erfüllt.

...

Der Antragsteller zu 2) hat auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II als Darlehen gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II. Nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden. Bei dem Begriff des besonderen Härtefalls handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Ein besonderer Härtefall liegt vor, wenn Umstände gegeben sind, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, die Sozialhilfe von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung freizuhalten, als übermäßig hart, d. h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen lassen (BSG, Urteile vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 6 und FEVS 59, 289-298 298 und B 14/7b AS 28/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 8 in Anschluss an BVerwGE 94, 224). Ein besonderer Härtefall im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II ist aber auch dann anzunehmen, wenn wegen einer Ausbildungssituation ein Bedarf an Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts entstanden ist, der nicht durch BAföG oder Ausbildungsbeihilfe gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit, verbunden mit weiter bestehender Hilfebedürftigkeit.

Danach liegen die Voraussetzungen für einen Härtefall nicht vor. Das Studium des Antragstellers zu 2) ist von vorneherein nicht nach dem BAföG förderungsfähig, weil er über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt, die ihm den Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet und einem deutschen Studiumsabschluss vergleichbar ist. Es ist dem Antragsteller daher zuzumuten, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit ausschließlich oder neben dem Studium zu sichern.

Der Antragsteller zu 2) hat auf Grund des fehlenden Bezugs von Leistungen nach dem BAföG auch keinen Anspruch auf einen Zuschuss zu seinen ungedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 7 SGB II. § 22 Abs. 7 SGB II setzt den tatsächlichen Bezug von Leistungen nach dem BAföG voraus. Betreibt ein Student ein Studium, ohne dass er die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung erfüllt, hat dies nicht zur Konsequenz, dass ihm während dieses Studiums Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren wäre, ohne dass er dem Gesamtsystem des SGB II unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 6 und FEVS 59, 289-298).

Die Antragsteller haben schließlich nicht glaubhaft gemacht, dass es zur Abwendung wesentlicher Nachteile für sie nötig erscheint, über den Abzug der Warmwasserpauschale im Eilverfahren zu entscheiden. Der Abzug beträgt 6,24 € und damit rund 1,3 % der der Antragstellerin zu 1) bewilligten Regelleistungen in Höhe von 489,82 €. Bei dieser Differenz fehlt es an einem für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Anordnungsgrund. Den Antragstellern ist zuzumuten, das Widerspruchsverfahren abzuwarten (vgl. Beschlüsse des Senats vom 22.12.2006 - S2 B 402/06; S2 S 403/06 und vom 03.07.2008 - S2 B 105/08; S2 B 167/08).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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