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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: S2 S 82/09
Rechtsgebiete: SGG, SGB II


Vorschriften:

SGG § 178 a
SGB II § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
1. Es ist nicht Sinn und Zweck der Anhörungsrüge nach § 178 a SGG, einem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, eine unzureichende oder unvollständig gebliebene Argumentation nachzubessern und die einmal getroffene Entscheidung einer erneuten Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu unterstellen.

2. Soweit eine Gegenvorstellung auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützt wird, ist sie als außerordentlicher Rechtsbehelf unzulässig, weil der Gesetzgeber die Anhörungsrüge nunmehr in § 178 a SGG ausdrücklich geregelt hat.

Soweit eine Gegenvorstellung auf die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte oder des Willkürverbots gestützt wird, ist sie weiterhin zulässig.

3. Zur Frage, ob ein Bausparvertrag ein für die Altersvorsorge bestimmt bezeichneter Vermögensgegenstand i. S. von § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II sein kann.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: S2 S 82/09

In dem Rechtsstreit

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat für Sozialgerichtssachen - durch Richterin Meyer, Richter Dr. Bauer und Richter Dr. Grundmann am 24.04.2009 beschlossen:

Tenor:

Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 14.01.2009 wird zurückgewiesen.

Die Gegenvorstellung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Antragstellers sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

Nach § 178 a Abs. 1 S. 1 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfG, B. v. 29.11.1983 - 1 BvR 1313/82 - BVerfGE 65, 305 m. w. N. und B. v. 10.07.1997 - 2 BvR 1291/96 -). Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Vielmehr ist ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG erst dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist und das Vorbringen auch nicht ausnahmsweise aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts außer acht bleiben musste oder konnte (vgl. BVerfG, B. v. 26.10.1983 - 1 BvR 614/80 - BVerfGE 63, 80, 85).

Hiernach ist nicht festzustellen, dass der Senat den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Der Antragsteller sieht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör zunächst darin, dass er mehrfach "auf das Gesetzgebungsverfahren zur erweiterten Einbeziehung selbstgenutzter Wohnimmobilien in die Riesterförderung durch das Eigenheimrentengesetz und dessen Bedeutung für den Streitgegenstand hingewiesen" habe und der Senat darauf in seinem Beschluss vom 14.01.2009 nicht eingegangen sei.

Dazu ist anzumerken, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör - wie erwähnt - keine Pflicht der Gerichte begründet, jedes Vorbringen der Verfahrensbeteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerwG, B. v. 13.01.2009 - 9 B 64.08 m. w. N.). Der Senat sah keine Veranlassung, auf das - nach Auffassung des Senats nicht entscheidungserhebliche - Vorbringen des Klägers zu den Regelungen über Bausparverträge im Eigenheimrentengesetz im Beschluss näher einzugehen, zumal den im Beschwerdeverfahren eingereichten Schriftsätzen nicht zu entnehmen war, dass es dem Antragsteller auf dieses Vorbringen wesentlich ankam. Auch entspricht die Argumentation, die der Antragsteller im Anhörungsverfahren aus den Vorschriften des Eigenheimrentengesetzes für sein Begehren herleitet, nicht derjenigen im Beschwerdeverfahren. Es ist nicht Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens, einem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, eine unzureichende oder unvollständig gebliebene Argumentation nachzubessern (BSG B. v. 23.12.2008 - B 12 KR 2/08 C -).

Unabhängig davon vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass die Regelungen zu den Bausparverträgen im Eigenheimrentengesetz (EigRentG vom 29.07.2008, BGBl. I 1509; vgl. die Regelung in Art. 3 EigRentG) eine abweichende Entscheidung tragen könnten. Der Antragsteller ist nicht "riesterberechtigt". Soweit er unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG meint, Bausparverträge ohne Riesterförderung müssten zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen als Mittel der Altersvorsorge von Rentenversicherungsbefreiten dem Schutz nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II unterliegen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwischen Personen, die der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterstehen und solchen, die - wie der Antragsteller - von der Versicherungspflicht befreit sind, bestehen Unterschiede, die eine differenzierende Behandlung von zur Altersversorgung bestimmtem Vermögen durchaus rechtfertigen können.

Der Senat hat im angegriffenen Beschluss vom 14.01.2009 ausgeführt, weshalb es sich nach seiner Auffassung beim Bausparvertrag des Antragstellers nicht um einen für die Altervorsorge bestimmt bezeichneten Vermögensgegenstand im Sinne von § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SBG II handelt. Soweit der Antragsteller sich gegen diese Begründung wendet und unter anderem ausführt, die Kommentierung von Brühl passe für Bausparverträge begrifflich nicht, auch riestergeförderte Bausparverträge seien mit den vom Senat angeführten erheblichen Unsicherheiten verbunden und Zusatzvereinbarungen würden von "Riestersparern" nicht verlangt, wendet er sich in Wahrheit gegen die rechtliche Beurteilung seines Falles durch den Senat. Die Anhörungsrüge soll aber nicht dazu dienen, die einmal getroffene Entscheidung einer erneuten Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu unterstellen (BSG, B. v. 03.12.2007 - B 12 KR 3/07 C -). Der - auch in diesem Zusammenhang vorgebrachte - Hinweis des Antragstellers, sein Vorbringen zum Eigenheimrentengesetz sei insoweit nicht berücksichtigt worden, ändert nichts. Der Senat hat dieses Vorbringen zur Kenntnis genommen, sah aber aus den erwähnten Gründen keinen Anlass darauf in seinem Beschluss vom 14.01.2009 einzugehen.

Soweit der Antragsteller meint, der Senat hätte Veranlassung gehabt, eine besondere Härte nach § 12 Abs. 3 S. 1. Nr. 6 SGB II zu prüfen sowie zu untersuchen, ob das Vermögen bei Nichtanerkennung des Bausparvertrages dem Schutz nach § 7 Abs. 2 Alg II - V 2008 unterliegt, wendet er sich in Wahrheit ebenfalls gegen die rechtliche Beurteilung durch den Senat und macht keine Gehörsverletzung geltend.

Wenn der Antragsteller wiederholt ausführt, der Senat sei auf seinen Vortrag - etwa zum Hintergrund des kurzen Zeitabstandes zwischen Vertragsschluss und Antrag auf Grundsicherungsleistungen, zur Zuteilungsreife des Bausparvertrages oder in der eidesstattlichen Versicherung zum Zwecke seines Bausparvertrages - im Beschluss nicht eingegangen, so lässt er wiederum außer Acht, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör keine Pflicht der Gerichte begründet, jedes Vorbringen der Verfahrensbeteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerwG B. v. 13.01.2009 a.a.O).

Der Senat beschränkt sich hinsichtlich der Anhörungsrüge auf diese Begründung (§ 178 a Abs. 4 S. 4 SGG).

II.

Die Gegenvorstellung ist ebenfalls zurückzuweisen.

Soweit sie auf eine Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf rechtliches Gehör gestützt wird, ist sie als außerordentlicher Rechtsbehelf unzulässig, weil der Gesetzgeber die Anhörungsrüge in § 178 a SGG nunmehr ausdrücklich vorgesehen hat.

Die Erhebung von Gegenvorstellungen wegen der Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte oder des Willkürverbots ist nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich möglich (vgl. BSG, B. v. 28.09.2006 - B 3P 1/06 C - m w. N.)

Der Senat sieht jedoch aufgrund der Ausführungen des Antragstellers in den Schriftsätzen, mit denen er sich gegen den Senatsbeschluss vom 14.01.2009 wendet (einschließlich der Ausführungen zur Willkürrüge und zur Nichtgewährung effektiven Rechtschutzes im Eilverfahren) keine Veranlassung, den Beschluss vom 14.01.2009 abzuändern. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass sein Beschluss im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 22.10.1998 (Az. B 7 AL 118/97 R) steht. In diesem Urteil des BSG ging es nicht um eine Auslegung des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II, sondern um §§ 6 ff. AlhiVO (vom 07.08.1974, BGBl. I S. 1929 i. d. F. des Gesetzes vom 18.12.1992, BGBl. I S. 2044). Der Verordnungsgeber der AlhiVO hatte u. a. die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist, als unzumutbar (Schonvermögen) bezeichnet und damit von einer Verwertung ausgenommen (§ 6 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 3. Alt. AlhiVO). Zur Frage, wie Bausparverträge einzuordnen sind, hat das BSG in dieser Entscheidung nicht Stellung genommen. Das Landessozialgericht Saarland ist im Urteil vom 24.01.2006 (Az. LG AL 19/04) vor dem Hintergrund der von ihm ausdrücklich zitierten Rechtssprechung des BSG im erwähnten Urteil vom 22.10.1998 zu dem Ergebnis gekommen, dass bei Bausparverträgen, Sparkontenguthaben bzw. Sparbriefen mit allenfalls mittelfristiger Laufzeit bzw. Kündigungsfrist grundsätzlich nicht auf eine subjektive Zweckbestimmung zur Altersicherung beim Erhalt der Verfügungsgewalt über die Gelder geschlossen werden könne (vgl. Leitsatz des LSG Saarland i. a. Urt.). Auf diese Rechtssprechung hat der Senat im Beschluss vom 14.01.2009 verwiesen. Bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfall des Klägers (u. a. Einzahlung in einem Betrag wenige Tage vor Antragstellung) sah der Senat die Voraussetzungen für einen Vermögensschutz nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II als nicht erfüllt an. Der Senat hat dabei betont, dass es nach seiner Auffassung nicht schon ausreicht, dass ein Bausparvertrag nach der subjektiv vom Antragsteller getroffenen Zweckbestimmung für die Altersvorsorge vorgesehen ist, vielmehr die subjektive Zweckbestimmung in den objektiven Begleitumständen hinreichend Niederschlag gefunden haben müsse.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht schließlich der Senatsentscheidung auch nicht das Urteil LSG Baden-Württemberg vom 27.02.2009 (Az. L 12 AS 3486/08) entgegen. In jenem Fall ging es nicht um Bausparverträge, sondern um die Frage, ob Lebensversicherungen nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II geschütztes Vermögen sein können. Das LSG Baden-Württemberg hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die subjektive Zweckbestimmung werde auch durch die objektiven Begleitumstände gestützt. Dafür sprächen insbesondere die Wahl der Anlageform als Lebensversicherung und die langen Laufzeiten bis 01.09.2020 bzw. 01.12.2024. Vergleichbare objektive Begleitumstände vermag der Senat im Fall des Antragstellers nicht zu erkennen.

Auch die jüngsten Schriftsätze des Antragstellers vom 19., 20., 21. und 22.04.2009 geben dem Senat keine Veranlassung, seinen Beschluss vom 14.01.2009 abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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