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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 03.12.2008
Aktenzeichen: S3 A 415/07
Rechtsgebiete: SGG, SGB I, BSHG


Vorschriften:

SGG § 54 Abs. 4
SGB I § 66
BSHG § 40 Abs. 1 S. 2
BSHG § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
BSHG § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
BSHG § 38 Abs. 3
BSHG § 38 Abs. 6
1. Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft, wenn das Vorliegen aller Leistungsvoraussetzungen behauptet wird oder die Beteiligten über die richtige Anspruchsgrundlage streiten, die Beklagte aber das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die von dem Kläger in Anspruch genommene Anspruchsgrundlage anerkennt.

2. Für medizinische Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG gilt gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 BSHG und § 38 Abs. 6 i. V. mit § 38 Abs. 3 BSHG eine absolute Anbindung an das Leistungserbringungsrecht des SGB V. Für Eingliederungshilfeleistungen nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit § 43 Abs. 2 Nr. 5 BSHG, die eine stationäre Unterbringung erfordern, bedeutet dies, dass sie vom Sozialhilfeträger nur dann zu gewähren sind, wenn sie von Leistungserbringern erbracht werden, die von den gesetzlichen Krankenkassen nach § 111 Abs. 2 i. V. mit § 107 Abs. 2 SGB V zur Leistungserbringung zugelassen sind.


Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Im Namen des Volkes! Urteil

OVG: S3 A 415/07

Verkündet am 03.12.2008

In dem Rechtsstreit

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 3. Senat für Sozialgerichtssachen - durch Richterin Meyer, Richter Dr. Lohmann und Richterin Dr. Jörgensen sowie die ehrenamtlichen Richter M. Burmeister und W. Dürr aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 5. Kammer für Sozialgerichtssachen - vom 29.08.2007 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme des Eigenanteils, der ihm durch mehrere Aufenthalte in Kinderhospizen entstanden ist.

Der 1992 geborene Kläger leidet an einer metachromatischen Leukodystrophie. Er hielt sich in der Zeit vom 11.10.2003 bis 19.10.2003, vom 27.12.2003 bis 04.01.2004, vom 10.07.2004 bis 17.07.2004 und vom 09.10.2004 bis 23.10.2004 im Kinderhospiz Löwenherz in Syke sowie in der Zeit vom 27.03.2004 bis zum 07.04.2004 im Kinderhospiz Balthasar in Olpe auf.

Mit mehreren Schreiben beantragte der Kläger die Kostenübernahme des Eigenanteils in Höhe zwischen 54,- € und 101,64 € pro Tag "als Hilfe zur Pflege".

Daraufhin forderte das Amt für Soziale Dienste der Beklagten die Eltern des Klägers mit Schreiben vom 11.06.2004 und 11.10.2004 auf, unter Hinweis darauf, dass es sich bei der Unterbringung im Hospiz um Hilfe zur Pflege handele, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse bis zum 02.07.2004 bzw. 25.10.2004 offen zu legen. Die Eltern des Klägers wurden darauf hingewiesen, dass sie damit rechnen müssten, dass ihre Anträge gemäß § 66 Abs. 3 SGB I abgelehnt würden, sollten sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen.

Die Eltern des Klägers legten ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht dar. Mit Bescheiden vom 06.07.2004 und vom 01.11.2004 lehnte das Amt für Soziale Dienste die Anträge des Klägers wegen fehlender Mitwirkung ab.

Dagegen legte der Kläger am 20.07.2004 und am 06.12.2004 Widerspruch ein. Er und seine Eltern seien zur Darlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht verpflichtet. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 BSHG sei ihm die Aufbringung der Mittel nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen zuzumuten. Die Auskunftspflicht sei auf die für die Bestimmung der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen notwendigen Informationen begrenzt. Der Aufenthalt im Kinderhospiz stelle einen Fall der Eingliederungshilfe dar. Es handele sich um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation i. S. des § 40 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 i. V. m. § 43 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 5 BSHG. Die Inhalte dieser Hilfeform bestimmten sich nach § 26 SGB IX. Die Leistungen im Hospiz seien darauf ausgerichtet, seine Behinderungen sowie seine Pflegebedürftigkeit zu mindern und deren Verschlimmerung zu verhüten. Sein Aufenthalt im Kinderhospiz sei auf die Stabilisierung seiner psychischen, physischen und seelischen Verfassung als auch der seiner Eltern ausgerichtet. Vorrangiges Ziel sei die Stabilisierung der familiären Situation zur Vermeidung eines dauerhaften Heimaufenthalts gewesen. Hierzu seien seine Eltern beraten, psychisch und emotional gestützt und umfassend über die Behinderung und Krankheit informiert worden. Hinzu seien die Kontakte zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten i. S. d. § 26 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX getreten. Durch seine körperliche und pädagogische Stimulation werde ein Abgleiten in einen apathischen Zustand und die Verschlimmerung der Behinderung verhütet.

Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 16.02.2006, zugestellt am 08.03.2006, wies der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales die Widersprüche als unbegründet zurück. Aufgabe der Eingliederungshilfe sei, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehöre vor allem, den Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern oder ihn, soweit wie möglich, unabhängig von Pflege zu machen. Es bedürfe vorliegend einer Abgrenzung zur Hilfe zur Pflege, die Personen gewährt werde, die infolge Krankheit und Behinderung so hilflos seien, dass sie nicht ohne Wartung und Pflege bleiben könnten. Die Hilfe zur Pflege habe, ohne grundsätzlich auf eine Veränderung gerichtet zu sein, die Aufgabe, dem Pflegebedürftigen die nötige Wartung und Pflege zukommen zu lassen. Hingegen gehörten zur Eingliederungshilfe diejenigen Maßnahmen, die die Pflegebedürftigkeit wesentlich verminderten. Ausschlaggebend sei, ob der Gesichtspunkt der Eingliederungshilfe oder derjenige der Pflege überwiege. Die im Kinderhospiz geleistete Hilfestellung habe einen pflegerischen Charakter. Daher seien seine Eltern zu den Kosten heranzuziehen gewesen. Ihrer Mitwirkungsverpflichtung seien sie insoweit nicht nachgekommen.

Dagegen hat der Kläger am 04.04.2006 jeweils Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Verfahren durch Beschluss vom 17.07.2007 verbunden. Der Kläger hat ergänzend vorgetragen, die Leistungen des Hospizes seien insbesondere darauf ausgerichtet, seine Behinderung zu mindern, sowie seine Pflegebedürftigkeit abzumildern und eine Verschlimmerung zu verhüten. Der Leistungskatalog in § 26 Abs. 2 und 3 SGB IX sei nicht abschließend. Die Maßnahme sei erforderlich und geeignet, um ihn in seiner Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung zu stärken und ihm die Bewältigung der psychosozialen Problemlage zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Eingliederungshilfe solle heilpädagogische Eingliederungsmaßnahmen im frühen Kindesalter sowie in den Fällen ermöglichen, in denen von vorneherein ein späterer Schulbesuch oder eine spätere berufliche Ausbildung als ausgeschlossen angesehen werden müsse. Die Aufnahme in das Hospiz diene den Zielen des § 1 Satz 1 SGB IX. Pflegeleistungen würden medizinische Rehabilitationsleistungen nicht ausschließen. Hilfe zur Pflege komme als alleinige Hilfe auch nicht in Betracht, weil Hilfe bei Krankheit und zur medizinischen Rehabilitation vorliege. Der Gesetzgeber habe durch § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX die Gesundheitserziehung als ausdrückliche Aufgabe und Bestandteil der medizinischen Rehabilitation hervorgehoben. Zudem stelle § 26 Abs. 3 SGB IX klar, dass Leistungen nach Absatz 1 auch die medizinischen, psychologischen und pädagogischen Hilfen im Sinne der nachfolgenden, konkretisierenden, nicht abschließenden Aufzählung seien, wenn diese zur Erreichung oder Sicherung der in Absatz 1 genannten Ziele erforderlich seien. Auf die Mitwirkungspflicht sei nur bei Gelegenheit hingewiesen worden. Sanktionen wegen mangelnder Mitwirkung dürften aber nur unter Einhaltung strenger Formvorschriften ausgeübt werden. Die entsprechenden Schreiben enthielten auch nur einen Hinweis auf die möglichen Folgen der Nichtmitwirkung, ohne dass seine Eltern danach nochmals angehört worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Bescheide der Beklagten vom 06.07.2004 sowie vom 01.11.2004 und die Widerspruchsbescheide vom 16.02.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die beantragte Eingliederungshilfe auf Übernahme des Eigenanteils anlässlich der Unterbringung in der Zeit vom 11.10.2003 bis 19.10.2003, vom 27.12.2003 bis 04.01.2004 und vom 10. bis 17.07.2004 im Kinderhospiz Löwenherz in Syke und in der Zeit vom 27.03. bis 07.04.2004 im Kinderhospiz Balthasar in Olpe, sowie noch einmal in der Zeit vom 09. bis 23.10.2004 im Kinderhospiz Löwenherz zu erteilen,

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über die beantragte Eingliederungshilfe auf Übernahme des Eigenanteils anlässlich der Unterbringungen in der Zeit vom 11.10.2003 bis 19.10.2003, vom 27.12.2003 bis 04.01.2004 und vom 10. bis 17.07.2004 im Kinderhospiz Löwenherz in Syke und in der Zeit vom 27.03. bis 07.04.2004 im Kinderhospiz Balthasar in Olpe, sowie noch einmal in der Zeit vom 09. bis 23.10.2004 im Kinderhospiz Löwenherz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bei den Hospizen handele es sich ausschließlich um Einrichtungen zur Pflege und nicht um Einrichtungen zur Eingliederung oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Ein Kinderhospiz erbringe sach- und fachkundige umfassende Pflege. Gegenstand des Versorgungsvertrages des Kinderhospizes Löwenherz sei die Versorgung für Kinder und Jugendliche im Sinne des § 39a SGB V und die Erbringung von Leistungen der stationären bzw. teilstationären Pflege für Pflegebedürftige im Sinne des SGB XI. Kinderhospize seien daher anerkannte Pflegeeinrichtungen nach § 72 Abs. 4 SGB XI. In § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX sei ausdrücklich geregelt, dass die Krankenkassen für Leistungen der medizinischen Rehabilitation zuständig seien.

Das Verwaltungsgericht Bremen - 5. Kammer für Sozialgerichtssachen - hat die Klage mit Urteil vom 29.08.2007 abgewiesen. Die Leistungsversagung sei zu Recht nach § 66 Abs. 3 SGB I wegen fehlender Mitwirkung erfolgt. Die Versorgung im Kinderhospiz erfülle keine Aufgabe der Eingliederungshilfe. Der sachliche Umfang der Eingliederungshilfe könne nur aus der Aufgabe der Eingliederungshilfe erläutert werden. Es komme auf die Geeignetheit und Zweckbestimmung der jeweiligen Maßnahme im Rahmen des § 39 Abs. 3 Satz 1 BSHG an. Soweit ein Behinderter zugleich pflegebedürftig sei, komme es unter Berücksichtigung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse darauf an, ob die Hilfsmaßnahme nach ihrem Charakter in einer vorrangigen Beziehung zu dem Zweck stehe, der mit der einen oder anderen Hilfeart verfolgt werde. Die Unterbringung in einem Hospiz und der mit der Eingliederungshilfe verfolgte Zweck der Teilhabe in der Gesellschaft würden sich gegenseitig ausschließen. Die Hospizversorgung diene der würdevollen Unterbringung und Begleitung sterbender und sterbenskranker Menschen und ihrer Angehörigen. Nach dem Versorgungsvertrag sei Voraussetzung für eine Aufnahme im Kinderhospiz das Leiden an einer Erkrankung, die progredient verlaufe, bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativ-medizinische Behandlung notwendig und erwünscht sei und bei der lediglich eine begrenzte Lebenserwartung bestehe. Ziel des Hospizes sei gerade nicht, den pflegebedürftigen Menschen wieder so weit zu kurieren, dass er sich in die Gesellschaft eingliedern könne. Soweit der Kläger sich auf den Aspekt der Stabilisierung der familiären Situation zur Vermeidung eines dauerhaften Heimaufenthalts berufe, sei ihm entgegen zu halten, dass eine Entlastung der Pflegepersonen nicht den Zielen der Eingliederungshilfe diene, sondern eine klassische Maßnahme der Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege sei. Würde man die Hospizunterbringung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation ansehen, ergebe sich kein Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten, weil vorrangig leistungsverpflichtet die Krankenkasse des Klägers sei. Zudem sei für die Erbringung medizinischer Rehabilitationsleistungen des Sozialhilfeträgers das Leistungserbringungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend anzuwenden, so dass medizinische Rehabilitationsleistungen nur von solchen Leistungserbringern erbracht werden dürften, die auch von den gesetzlichen Krankenkassen zur Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zugelassen seien. Die Kinderhospize seien nach den Versorgungsverträgen aber nur zur stationären Hospizversorgung sowie als Pflegeeinrichtung nach § 72 Abs. 4 SGB XI zugelassen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien für die Leistungsbewilligung erheblich, da Hilfe zur Pflege nur gewährt werde, soweit die Aufbringung der erforderlichen Mittel nach den in § 79 BSHG genannten allgemeinen Einkommensgrenzen nicht zuzumuten sei.

Gegen das ihm am 11.09.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.09.2007 Berufung eingelegt.

Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unvollständig aufgeklärt. Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rahmenvereinbarung zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den Interessenvertretungen der Hospize sei für die Leistungen der Kinderhospize im Bereich der Eingliederungshilfe nicht einschlägig. Die Rahmenvereinbarung sei ausschließlich im Hinblick auf die Leistungen der Erwachsenenhospize verhandelt worden. Es gebe grundlegende Unterschiede in den Leistungsinhalten von Kinder- und Erwachsenenhospizen. Die Leistungsinhalte würden in der von der Trägerin des Kinderhospizes u. a. mit dem Niedersächsischen Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben abgeschlossenen Leistungs- und Qualitätsvereinbarung festgelegt. Nach deren § 6 Ziff. 3 sollten die Leistungen der sozialen Betreuung für die betroffenen Kinder einen Lebensraum gestalten, der ihnen die Führung eines möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebens ermögliche sowie zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft innerhalb und außerhalb der Einrichtung beitrage. Der der Eingliederungshilfe zuzuordnende "Besondere Bedarf an sozialer Betreuung" stehe gleichwertig neben den Bedarfen in der medizinischen Behandlungspflege und der Grundpflege. Die als Eigenanteil verbleibenden Kosten seien mindestens in dem Verhältnis zu übernehmen, das dem Verhältnis der Kosten der Eingliederungshilfeleistungen an den Kosten der Gesamtleistungen des Hospizes entspreche. Das Urteil lasse zudem eine Anwendung des Eingliederungshilfebegriffs auf den konkreten Einzelfall vermissen. Bei schwerst mehrfach behinderten Menschen erfolge die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auch und gerade in Einrichtungen wie dem Kinderhospiz durch die Gemeinschaft mit anderen betroffenen Kindern, deren Geschwistern und Eltern. Die sozialpädagogischen Hilfestellungen des Hospizes erfolgten nach einem regelmäßigen, pädagogischen Konzept, das mindestens zwei entsprechende längere Hilfsangebote am Tag plane, anbiete und evaluiere. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Entlastung und Erholung der Eltern keine Aufgabe der Eingliederungshilfe sei, verkenne die häusliche Situation schwerst mehrfach behinderter Kinder. Bei behinderten Kindern falle die Aufgabe der Eingliederungshilfe regelmäßig den Eltern zu, denn die Führung sozialer Kontakte sei ohne die Eltern schwer denkbar. Für die Beurteilung der Entlastung bedeute dies, dass eine Überlastung der Eltern primär zu einer drastischen Einschränkung der Teilhabe behinderter Kinder und Jugendlicher am Leben in der Gemeinschaft führe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Klageanträgen in erster Instanz stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihren bisherigen Vortrag und verweist auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils, die sie für zutreffend hält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, soweit ihr Inhalt in diesem Urteil verwertet worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme des ihm verbliebenen Eigenanteils der Kosten für seine Unterbringung im Kinderhospiz.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG statthaft ist. Zwar ist grundsätzlich gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung nur die reine Anfechtungsklage gegeben (BVerwG, Urt. vom 17.1.1985 - 5 C 133/81 = BVerwGE 71, 8; BSG, Urt. vom 17.02.2004 - B 1 KR 4/02 R -, juris), da bei mangelnder Mitwirkung des Betroffenen regelmäßig die Leistungsvoraussetzungen nicht nachgewiesen sein werden. Wird jedoch das Vorliegen aller Leistungsvoraussetzungen behauptet, ist es aus prozessökonomischen Gründen nicht sinnvoll und aus Rechtsschutzgründen nicht vertretbar, lediglich die Versagung wegen mangelnder Mitwirkung aufzuheben und den Betroffenen auf ein neu in Gang zu setzendes Verfahren zu verweisen (BSG, Urt. vom 24.11.1987 - 3 RK 11/87 - juris). Dies gilt auch dann, wenn die Beteiligten über die richtige Anspruchsgrundlage streiten, die Beklagte aber das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für den Fall anerkennt, dass die von dem Kläger in Anspruch genommene Anspruchsgrundlage zur Anwendung kommt.

Die Beteiligten streiten darum, ob es sich bei der Versorgung des Klägers im Kinderhospiz um Hilfe zur Pflege, die einkommensabhängig gewährt wird, oder um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 43 Abs. 2 BSHG in der bis zum 31.12.2004 geltenden und vorliegend maßgeblichen Fassung handelt, bei der dem Kläger gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 BSHG die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen zuzumuten ist. Zwar ist Ausgangspunkt für die häusliche Ersparnis auch das Einkommen der Eltern des Klägers, weil der Aufwand für den Lebensunterhalt eines Familienmitgliedes - dementsprechend die Ersparnis an Aufwendungen für den Lebensunterhalt bei Abwesenheit dieses Familienmitgliedes aus dem Haushalt - größer oder geringer sein wird, je nachdem, ob das Einkommen mehr oder weniger unter der Einkommensgrenze liegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.08.1972 - V C 49.72 - Buchholz 436.0 § 43 Nr. 2 und Urt. v. 08.02.1977 - V C 4.76 - BVerwGE 52, 51-56). Zwar bestreitet die Beklagte Leistungsverpflichtung für den Fall, dass es sich bei der Hospizunterbringung des Klägers um einen Fall der erweiterten Hilfe nach § 43 Abs. 2 BSHG handelt, nicht. Dies findet seinen Grund aber offensichtlich darin, dass die Beklagte die Kosten der häuslichen Ersparnis nach oben begrenzt hat.

Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Danach kann der Sozialleistungsträger, soweit die Voraussetzungen einer beantragten Sozialleistung nicht nachgewiesen sind, die Leistung ganz oder teilweise versagen, wenn der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen zutreffend ausgeführt, dass die formalen Voraussetzungen für die Versagung der Leistung wegen mangelnder Mitwirkung vorgelegen haben. Darauf wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 136 Abs. 3 SGG).

Ob der Kläger eine Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I verletzt hat, wonach der Antragsteller alle Tatsachen anzugeben hat, die für die Leistung erheblich sind, beurteilt sich danach, ob es sich bei der Unterbringung des Klägers im Kinderhospiz um Hilfe zur Pflege oder um Eingliederungshilfe nach § 43 Abs. 2 BSHG handelt, denn nach der gewährten Hilfeart entscheidet sich, ob und in welchem Umfang dem Hilfesuchenden zuzumuten ist, vorhandenes Einkommen zur Deckung seines sozialhilferechtlichen Bedarfs einzusetzen.

Wird Hilfe zur Pflege gewährt, ist das Einkommen und Vermögen einer Person leistungserheblich, weil dem minderjährigen und unverheirateten Hilfesuchenden und seinen Eltern die Aufbringung der Mittel innerhalb der in den §§ 79 ff. BSHG genannten Einkommensgrenzen zugemutet wird. Dies gilt auch für Hilfe bei Krankheit nach § 37 BSHG und für die Eingliederungshilfe, soweit nicht ein Fall der erweiterten Hilfe nach § 43 Abs. 2 BSHG vorliegt. Dem Kläger ging und geht es ersichtlich nicht darum, eine vorläufige Kostenübernahme der Beklagten im Rahmen einer nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BSHG denkbaren Vorleistungspflicht zu erreichen (vgl. dazu: BVerwG, Urt. v. 25.11.1982 - 5 C 13/82 - Buchholz 436.0 § 85 BSHG Nr. 7; andererseits nach BVerwG, Urt. v. 05.06.1975 - V C 5.74 -Buchholz 436.0 § 40 BSHG Nr. 7, keine Vorleistungspflicht, wenn den in § 28 BSHG genannten Angehörigen die volle Aufbringung der aufzuwendenden Kosten zuzumuten ist). Das hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.

Nach § 43 Abs. 2 BSHG ist dem Hilfesuchenden die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts und, wenn die Hilfe in einer Einrichtung gewährt wird, in den Fällen der Nummern 1 bis 6 des § 43 Abs. 2 BSHG nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen zuzumuten. Eine Beteiligung an anderen Kosten wird nicht gefordert. Die Vergünstigung setzt voraus, dass eine der in den Nummern 1 bis 8 aufgeführten Maßnahmen der Eingliederungshilfe vorliegt.

Eingliederungshilfe für behinderte Menschen erhalten nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger eingliederungsfähig ist. Keiner der Beteiligten schließt aus, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.

Bei der Versorgung des Klägers im Kinderhospiz handelt es sich aber nicht um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 43 Abs. 2 BSHG. In Betracht kommen allein Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BSHG. Die anderen Ziffern sind ersichtlich nicht einschlägig. Das gilt auch für § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BSHG, der erfasst Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll. Die Vorschrift erfasst vor allem schulpflichtige Kinder und Jugendliche, die nicht beschult werden können, weil ihre Behinderung eine Schulbildung voraussichtlich nicht zulassen wird oder nicht zulässt (Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 92 Rz. 12; BT-Drs. 14/5800 S. 34). Sie ermöglicht diesen Kindern und Jugendlichen, bei denen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nicht bereits durch den Schulbesuch erfolgt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft durch andere Hilfeleistungen. Im Hinblick auf das grundsätzlich geltende uneingeschränkte schulische Bildungsrecht ist die Hilfeart allerdings durch das SGB IX vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046) in die Hilfeart umbenannt worden, die hinsichtlich des Personenkreises noch nicht eingeschulte behinderte Menschen umfasst (BT-Drs. 14/5800 S. 34). Der Kläger hat verschiedene Schulen besucht und gehört daher nicht zu dem Personenkreis des § 43 Abs. 2 Nr. 3 BSHG.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BSHG i. V. mit § 26 Abs. 1 SGB IX werden zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen die erforderlichen Leistungen erbracht, um 1. Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder 2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern. Die Absätze 2 und 3 des § 26 SGB IX umschreiben die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ihre Bestandteile.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 BSHG entsprechen die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem BSHG jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit. Damit gilt für medizinische Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BSHG eine absolute Anbindung an das Leistungserbringungsrecht des SGB V (Schellhorn/Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Aufl., 2002, § 40 Rz. 11; vgl. auch: VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 24.05.2005 - 7 S 189/05 -; Bay. VGH, Beschl. vom 25.11.2004 - 12 CE 04.2263 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. vom 01.09.2004 - 12 A 10886/04 -; sämtlich juris). Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Träger der Sozialhilfe wegen der bedürftigkeitsunabhängigen Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation über die medizinischen Rehabilitationsleistungen der Krankenversicherungen hinaus keine Leistungen erbringen müssen (vgl. BT-Drucks. 14/5074 S. 124).

Des Weiteren sind nach § 38 Abs. 5 (bis 31.12.2003: Abs. 6) i. V. mit § 38 Abs. 3 BSHG bei der Erbringung von Leistungen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BSHG die für die gesetzlichen Krankenkassen nach dem Vierten Kapitel des SGB V geltenden Regelungen mit Ausnahme des Zweiten Abschnitts des Dritten Teils anzuwenden. Das Vierte Kapitel des SGB V regelt die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern. Anzuwenden sind danach die §§ 69 bis 140h SGB V in der in den Jahren 2003/2004 geltenden Fassung des SGB V mit Ausnahme der §§ 82 bis 87a SGB V.

Nach § 111 Abs. 1 SGB V dürfen die Krankenkassen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die eine stationäre Behandlung erfordern, nur in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen erbringen lassen, mit denen ein Versorgungsvertrag nach Absatz 2 besteht. Der Abschluss eines Versorgungsvertrages nach Absatz 2 i. V. mit § 107 Abs. 2 SGB V ist mithin Voraussetzung für die Erbringung medizinischer Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Für die stationäre Behandlung in anderen als vertraglichen Rehabilitationseinrichtungen dürfen die Krankenkassen keine Leistungen gewähren (vgl. Hauck/Noftz, SGB V, § 111 Rz. 10 u. 34). Für Eingliederungshilfeleistungen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BSHG, die eine stationäre Unterbringung erfordern, bedeutet dies, dass sie vom Sozialhilfeträger nur dann zu gewähren sind, wenn sie von Leistungserbringern erbracht werden, die von den gesetzlichen Krankenkassen nach § 111 Abs. 2 i. V. mit § 107 Abs. 2 SGB V zur Leistungserbringung zugelassen sind (Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 54 Rz. 13). Weder das Kinderhospiz Syke noch das Kinderhospiz Olpe sind als Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 Abs. 2 i. V. mit § 107 Abs. 2 SGB V zugelassen. Mit ihnen bestehen Versorgungsverträge nach § 39a SGB V und nach § 72 Abs. 4 SGB XI, mit denen sie zur stationären Hospizversorgung und gleichzeitig als Pflegeeinrichtung zur pflegerischen Versorgung der erkrankten Kinder und Jugendlichen zugelassen sind (§ 1 Abs. 3 des Versorgungsvertrages zwischen dem Träger des Kinderhospizes Löwenherz und den Landesverbänden der Pflegekassen).

Da die Kostenheranziehung des Klägers nicht nach § 43 Abs. 2 Satz 2 BSHG auf die für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen begrenzt ist, war die Beklagte berechtigt, die Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu verlangen, um zu überprüfen, in welchem Umfang der Kläger und seine Eltern zu den Kosten heranzuziehen waren.

Liegen die Voraussetzungen des § 66 SGB I vor, liegt die Entscheidung über die Versagung der Leistung im Ermessen des Leistungsträgers. Ermessensfehler liegen nicht vor. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Der Hilfsantrag ist aus den genannten Gründen ebenfalls unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 Satz 1 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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