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Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 20.05.2003
Aktenzeichen: 1 L 137/02
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 240 Abs. 1 Satz 1 a.F.
1. Ob und inwieweit einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Rückwirkung zukommt, ist grundsätzlich von ihrem Ausspruch, gegebenenfalls auch von der Auslegung der tragenden Gründe der Entscheidung abhängig.

2. In den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels/Rechtsbehelfs betreffend die Erhebung einer § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO unterfallenden Abgabe ohne zeitliche Einschränkung angeordnet wurde, tritt die aufschiebende Wirkung in Hinblick auf die Entstehung von Säumniszuschlägen erst mit dem Zeitpunkt der Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages bei Gericht ein.

3. Zu den Anforderungen für die ausnahmsweise Prüfung eines Erlasses im Rahmen einer Anfechtungsklage (Bestätigung von OVG Greifswald, Beschluss vom 14.08.2002 - 1 M 29/02 -).


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 1 L 137/02

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Erhebung von Säumniszuschlägen

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2003 in Greifswald

für Recht erkannt:

Tenor:

Soweit der Kläger begehrt, den Beklagten zu verpflichten, ihn hinsichtlich des Erlasses von Säumniszuschlägen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu bescheiden, wird die Sache an das Verwaltungsgericht Schwerin zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt einer Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen.

Mit Bescheid vom 24. September 1996 hat der Beklagte gegenüber dem Kläger Erschließungsbeiträge in Höhe von 13.198,43 DM festgesetzt. Dagegen hat der Kläger Widerspruch erhoben und beantragt, die Vollziehung des Bescheides auszusetzen, was der Beklagte am 28. Oktober 1996 abgelehnt hat. Mit Widerspruchsbescheid vom 04. November 1996 hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger Klage erhoben und am 15. Oktober 1997 um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 12. Dezember 1997 hat das Verwaltungsgericht Schwerin die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und zugleich bestimmt, dass soweit der Beitrag bereits beigetrieben wurde, dieser unverzüglich zurück zu zahlen ist. Mit Urteil vom 11. Juni 1999 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Beitragsbescheid auf Grund eines Satzungsfehlers aufgehoben.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 07. Oktober 1999 gegen den Kläger für die Zeit vom 31. Oktober 1996 bis zum 15. Oktober 1997 (Tag des Eingangs des einstweiligen Rechtsschutzantrages bei Gericht) Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 1.572,00 DM festgesetzt. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 1999 zurückgewiesen und darin auch "festgestellt, dass Billigkeitsgründe für den Erlass nicht gegeben sind".

Am 25. November 1999 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat: Die geforderten Säumniszuschläge seien aufgrund des Beschlusses vom 12. Dezember 1997, mit dem das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung seiner Klage angeordnet habe, rückwirkend entfallen. Ferner habe es der Beklagte unterlassen, die Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Sein Ermessen habe sich insoweit auf Null reduziert. Der Beklagte habe über den gegen den Bescheid vom 07. Oktober 1999 eingelegten Widerspruch durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - entscheiden müssen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 07. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1999 aufzuheben,

die Kosten der Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er geltend gemacht: Einmal verwirkte Säumniszuschläge würden durch nachträglich eintretende Ereignisse in keiner Weise berührt. Die Stadtvertretung habe am 08. September 1999 über einen Erlass der Säumniszuschläge beraten und im Ergebnis in der gerichtlichen Aufhebung des Beitragsbescheides keinen hinreichenden Billigkeitsgrund gesehen.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2001 - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17. April 2002 zugestellt - hat das Verwaltungsgericht Schwerin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger sei verpflichtet, die von ihm geforderten Säumniszuschläge zu leisten. Er habe die seit dem 31. Oktober 1996 fällige Beitragsforderung aus dem Erschließungsbeitragsbescheid des Beklagten jedenfalls bis zum 15. Oktober 1997, dem Tag der Stellung seines Antrages auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes, nicht gezahlt. Die mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides vom 24. September 1996 eingetretene Fälligkeit sei - jedenfalls für den hier allein interessierenden Zeitraum, für den der Beklagte Säumniszuschläge fordert - auch nicht rückwirkend entfallen. Dies gelte sowohl hinsichtlich des den Beitragsbescheid aufhebenden Urteils als auch im Hinblick auf den Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, mit dem die aufschiebende Wirkung der gegen den Beitragsbescheid gerichteten Klage angeordnet worden sei.

Aus § 240 Abs. 1 Satz 4 AO ergebe sich, dass die Verwirkung der geltendgemachten Säumniszuschläge nicht durch das stattgebende Urteil der Kammer rückwirkend entfallen sei. Die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung der Säumniszuschläge sei auch nicht durch die mit Beschluss vom 12. Dezember 1997 angeordnete aufschiebende Wirkung der gegen den Beitragsbescheid vom 24. September 1996 gerichteten Klage erloschen. Zwar sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die mit gerichtlichem Beschluss gem. § 80 Abs. 5 VwGO angeordnete aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels auf den Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides zurück wirke. Auch eine solche zeitliche Rückwirkung führe jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtsgerichts nicht dazu, dass einmal entstandene Säumniszuschläge entfielen, weil der Beitragsschuldner auf Grund der nachfolgend rückwirkend ausgelösten aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels (nachträglich) die Abgabe nicht hätte leisten müssen. Dabei könne dahinstehen, ob sich dieses Ergebnis bereits daraus ergebe, dass anderenfalls der Beitragspflichtige im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mehr erreichen könne als im Hauptsacheverfahren, in dem § 240 Abs. 1 Satz 4 AO den rückwirkenden Wegfall bereits verwirkter Säumniszuschläge ausschließe. Maßgebend sei jedenfalls, dass sich der Eintritt der aufschiebenden Wirkung des gegen einen Leistungsbescheid erhobenen Rechtsmittels auf die bereits eingetretene Fälligkeit der im Bescheid konkretisierten Forderung nicht auswirke. Die bereits eingetretene Fälligkeit werde auch durch die Rückwirkung der aufschiebenden Wirkung auf den Erlass des angefochtenen Leistungsbescheides nicht wieder beseitigt. Sie beeinträchtige die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht, da ihr keine rechtsgestaltende Wirkung zukomme. Bis zum Eintritt der aufschiebenden Wirkung bereits entstandene Rechtswirkungen blieben bestehen. Damit wirke sich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Beitragsbescheid erhobenen Rechtsmittels auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 240 AO (unter anderem die Fälligkeit der Beitragsforderung) und damit auf die Entstehung (beziehungsweise einen rückwirkenden Wegfall) von Säumniszuschlägen nicht aus. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bewirke lediglich, dass Säumniszuschläge mit Wirkung für die Zukunft nicht mehr anfielen. Sei die Pflicht zur Leistung des Beitrages aufgeschoben, so entfalle die Druckmittelfunktion der Säumniszuschläge. Druck zur Zahlung auf den Beitragspflichtigen auszuüben mache keinen Sinn, wenn dieser aufgrund der aufschiebenden Wirkung von der Pflicht zur Zahlung befreit sei. Insofern komme die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Verschiebung der Fälligkeit der Beitragsforderung in der praktischen Wirkung nahe.

Zu einer dem entsprechenden rückwirkenden Verschiebung der Fälligkeit durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels komme es im Hinblick auf die Verwirkung von Säumniszuschlägen hingegen nicht. Dafür bestehe kein den erst ab Anordnung der aufschiebenden Wirkung entstehenden Säumniszuschlägen vergleichbarer Anlass. Im Gegensatz zu letzteren lasse die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Druckmittelfunktion der Säumniszuschläge für vergangene Zeiträume nicht entfallen. Der Beitragspflichtige habe bis zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung unter dem Druck des "Zwangsmittels" Säumniszuschläge gestanden und seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuwidergehandelt. Ihn nachträglich von den Folgen dieser Zuwiderhandlung zu befreien, wenn die aufschiebende Wirkung seines gegen die Beitragsforderung gerichteten Rechtsmittels angeordnet werde, sei nicht zwingend geboten. Im Gegenteil entspräche allein das Bestehenbleiben einmal verwirkter Säumniszuschläge trotz Anordnung der aufschiebenden Wirkung dem Rechtsgedanken des § 240 Abs. 1 Satz 4 AO, einmal entstandene Säumniszuschläge trotz Aufhebung des Beitragsbescheides unberührt zu lassen.

Unzutreffend sei die Auffassung des Klägers, der Beklagte habe nicht durch Leistungsbescheid über die Säumniszuschläge entscheiden dürfen, sondern hätte zunächst ein Leistungsgebot erlassen sowie über dagegen erhobene Einwendungen durch Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 2 AO entscheiden müssen, gegen den dann wiederum Einspruch hätte erhoben werden können. Im vorliegenden Fall sei der Erlass eines Abrechnungsbescheides nicht erforderlich gewesen, weil der Beklagte über die Frage, ob Säumniszuschläge entstanden seien, bereits durch den hier angefochtenen Bescheid entschieden habe. Es sei kein Grund ersichtlich, warum er auf den Widerspruch des Klägers nochmals - und in Abkehr von §§ 68 ff. VwGO - durch Abrechnungsbescheid hätte entscheiden sollen. Dem Kläger seien durch die gewählte Vorgehensweise erst recht keine Rechtsschutzmöglichkeiten genommen worden. Er habe auf seinen Widerspruch entsprechend den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung einen Widerspruchsbescheid erhalten, den er - ebenso wie einen Leistungsbescheid - mit der Klage angefochten habe.

Schließlich könne der Kläger dem angefochtenen Bescheid keinen Anspruch auf Erlass der geforderten Säumniszuschläge entgegenhalten. Es könne offen bleiben, ob ein solcher Anspruch aus der Tatsache folge, dass der Beklagte den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung des Erschließungsbeitragsbescheides trotz dessen Rechtswidrigkeit abgelehnt habe. Selbst wenn der Kläger einen solchen Anspruch hätte, ließe dies die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides vom 07. Oktober 1999 unberührt. Es handele sich bei der Frage eines Erlasses aus Billigkeitsgründen um ein gesondertes Verfahren, in dem gesondert und unabhängig von der Frage des Entstehens der Säumniszuschläge nach § 240 AO entschieden werde. Das Gericht habe den Kläger darauf hingewiesen, dass er dieses Begehren im Wege des Verpflichtungswiderspruches bzw. der Verpflichtungsklage geltend zu machen hätte.

Gegen die geforderten Säumniszuschläge bestünden auch der Höhe nach keine Bedenken.

Auf Antrag des Klägers vom 09. Mai 2002 hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Beschluss vom 07. Januar 2003 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 20. Dezember 2001 zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung wiederholt der Kläger im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt darüber hinaus vor: Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, verwirkte Säumniszuschläge blieben immer und in jeden Fall bestehen, finde in der Rechtsprechung - insbesondere in der des Bundesfinanzhofes - keine Stütze. Es entspreche der herrschenden Meinung, dass in dem Fall der rückwirkenden Aufhebung der Vollziehung die Fälligkeit ex tunc wieder beseitigt werde, sodass die zunächst entstandenen Säumniszuschläge ebenfalls rückwirkend entfielen. Unabhängig davon seien in der vorliegenden Fallkonstellation die festgesetzten Säumniszuschläge ganz zu erlassen. Das dem Beklagten zustehende Ermessen sei auf Null reduziert.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 20. Dezember 2001 den Bescheid des Beklagten vom 07. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1999 aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, die Klägerseite hinsichtlich des Erlasses von Säumniszuschlägen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und wiederholt sein bisheriges Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat mit dem Hauptantrag keinen und mit dem Hilfsantrag nur insoweit Erfolg, als der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Schwerin zurückverwiesen wird.

I. Die Berufung des Klägers hat mit dem Hauptantrag keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht Schwerin hat insoweit die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 07. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1999 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides betreffend die Erhebung von Säumniszuschlägen steht der Umstand, dass das Verwaltungsgericht Schwerin mit Beschluss vom 12. Dezember 1997 (Az.: 2 B 1286/97) die aufschiebende Wirkung der Klage 8 A 3229/96 des Klägers gegen den Erschließungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 24. September 1996 angeordnet und - soweit der Beitrag bereits beigetrieben worden ist - den Beklagten zur unverzüglichen Rückzahlung an den Kläger verpflichtet hat, nicht entgegen.

Die Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen liegen hier dem Grunde nach unstreitig vor. Denn der Kläger hat den Beitrag nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet. Daher war für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins von Hundert des rückständigen auf hundert Deutsche Mark nach unten abgerundeten Steuerbetrags zu entrichten (vgl. § 240 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung a.F., AO).

Die Säumnis des Klägers ist in der vorliegenden Fallkonstellation aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 12. Dezember 1997 jedoch rückwirkend auf den Zeitpunkt der Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages bei dem Verwaltungsgericht Schwerin entfallen.

Ob und inwieweit einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO Rückwirkung zukommt, ist grundsätzlich von ihrem Ausspruch, gegebenenfalls auch von der Auslegung der tragenden Gründe der Entscheidung abhängig. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache u.a. die aufschiebende Wirkung in dem Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht kann somit die Rückwirkung im Rahmen seiner Ermessensausübung zeitlich einschränken (vgl. BayVGH, Beschluss vom 02.04.1985 - 3 CS 25 A. 361 - NvWZ 1987, 63) oder ausschließen und die Wirkungen einer Entscheidung etwa nur für die Zukunft (ex nunc) eintreten lassen. Im vorliegenden Verfahren hat das Verwaltungsgericht Schwerin in dem Beschluss vom 12. Dezember 1997 weder ausdrücklich im Tenor noch ausweislich des Inhalts der Gründe der Entscheidung von dieser ihm zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht; der Ausspruch, dass der Beitrag, soweit er bereits beigetrieben ist, unverzüglich an den Antragsteller zurückzuzahlen ist, reicht hierfür nicht aus.

In welchem Umfang mit dem Erfolg des einstweiligen Rechtsschutzantrages die Säumnis rückwirkend in den Fällen entfällt, in denen das Gericht der Hauptsache - wie hier - von einem möglichen rückwirkenden Ausspruch betreffend die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels/Rechtsbehelfs absieht, ist streitig.

Nach einer Ansicht, der sich der Kläger anschließt, soll ein gerichtlicher Beschluss grundsätzlich zurückwirken bis zum Erlass des angefochtenen Bescheides (ex tunc), weil hierdurch der Zustand hergestellt werden solle, der normalerweise mit der Einlegung eines Rechtsbehelfes nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO eintrete (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 14.03.1989 - 9 A 57/88 -, NVwZ 1990, 270; OVG Münster, Urteil vom 16.06.1983 - 4 A 2719/81 -, DÖV 1983, 1024; BayVGH, Beschluss vom 02.04.1985 - 23 CS 85 A 361 u.a. -, NVwZ 1987, 63; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 13. Auflage, § 80 Rdnr. 59; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage, § 80 Rdnr. 54 m.w.N.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, Rdnr. 871; Magnussen, Der Säumniszuschlag im Erschließungsbeitragsrecht, VBlBW 1989, 121; vgl. Tipke/Kruse, AO, Kommentar, § 240 Rdnr. 24 m.w.N.). Die Säumnisfolgen würden dann - jedenfalls im Ergebnis - für die Vergangenheit beseitigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.07.1998 - 8 C 31/96 -, NVwZ-RR 1999, 193; OVG Lüneburg, Urteil vom 14.03.1989, a.a.O.; BayVGH, Urteil vom 25.08.1989 - 23 CS 89.02090 - NVwZ-RR 1990, 328; Klein, AO, 7. Auflage, § 240 Rdnr. 19; Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG, § 12 Anm. 75.3).

Nach Ansicht namentlich der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wirkt eine Aussetzungsentscheidung grundsätzlich nur ex nunc und können dabei Säumnisfolgen für die Vergangenheit nur durch Aufhebung der Vollziehung des Bescheids beseitigt werden (vgl. BFH, Beschluss vom 10.05.2002 - VII B 244/01 - BFH/NV 2002, 1125 - zit. nach juris). Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann offen bleiben. Das Verwaltungsgericht hat nämlich in seinem Beschluss vom 12.12.1997 nicht die Vollziehung allgemein aufgehoben, sondern die Rückzahlung der - unterstellten - Zahlung angeordnet. Damit hat das Verwaltungsgericht - entsprechend der Wertung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - nicht zum Ausdruck gebracht, dass es den Kläger nicht - zunächst - verpflichtet sah, den geschuldeten Betrag - vorläufig - zu entrichten.

Nach Auffassung des Senates tritt in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels/Rechtsbehelfs betreffend die Erhebung einer § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO unterfallenden Abgabe ohne zeitliche Einschränkung angeordnet wurde, die aufschiebende Wirkung in Hinblick auf die Entstehung von Säumniszuschlägen erst mit dem Zeitpunkt der Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages bei Gericht ein (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 08.11.1988 - 6 A 118/87 - NVwZ-RR 1989, 324 = AS 22, 313, 316; Lauenroth/Sauthoff in: Driehaus, Kommunal abgabenrecht, § 12 Rdnr. 82; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Auflage, § 24 Rdnr. 61). Denn § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ordnet ausdrücklich an, dass für Abgaben der Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO nicht gilt und damit durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch nicht der Zustand wieder hergestellt wird, den § 80 Abs. 1 VwGO aufstellt. Zudem ist die Stellung eines einstweiligen Rechtsschutzantrages nicht fristgebunden, sodass es - solange nicht vollstreckt wird - in der Hand des Abgabenpflichtigen liegt, wann er einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellt. Dabei ist es nach Auffassung des Senates unbillig, die Zeit, die bis zur Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages durch den Abgabepflichtigen bei Gericht verstreicht, im Rahmen der Erhebung von Säumniszuschlägen zu dessen Gunsten zu bewerten. Bis zu diesem Zeitpunkt ist auch im Falle eines späteren Obsiegens im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die mit der Erhebung von Säumniszuschlägen (auch) verfolgte Ausübung von Druck gerechtfertigt. Dies steht letztlich auch in Einklang mit dem in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Andererseits ist es aber auch nicht sachgerecht, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung von der Zufälligkeit der Dauer eines gerichtlichen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und gegebenenfalls vor dem Oberverwaltungsgericht abhängig zu machen (a.A. möglicherweise VG Schwerin).

Danach bestehen gegen die Festsetzung der Säumniszuschläge keine Bedenken.

Im vorliegenden Fall ist auch im Rahmen des Hauptantrages unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern nicht ausnahmsweise das Vorliegen eines Erlasses zu prüfen. Danach kommt im Rahmen einer Anfechtungsklage ein Erlass nur dann in Betracht, wenn der Beklagte bereits bei der Festsetzung der Säumniszuschläge und nicht erst aufgrund eines gesondert zu stellenden Antrages offensichtlich erkennbare sachliche Härtegründe hätte berücksichtigen müssen, d.h. solche Gründe, die ein derartiges Gewicht haben, dass sie ein gesetzlich vorgesehenes Entscheidungsermessen auf Null reduziert haben und allein die Gewährung eines - auch teilweisen - Erlasses der Rechtslage entspricht (OVG Greifswald, Beschluss vom 14.08.2002 - 1 M 29/02 - m.w.N.). Eine solche Ermessensreduzierung auf Null liegt hier nicht vor. Zwar hat der Kläger sowohl mit seinem gegen die Erschließungsbeitragsforderung gerichteten einstweiligen Rechtsschutzantrag als auch mit der diesbezüglichen Klage Erfolg gehabt - das Verwaltungsgericht hat die zugrunde liegende Satzung für fehlerhaft gehalten; andererseits ist nicht ersichtlich, dass es dem Kläger weder möglich noch zumutbar gewesen wäre, früher als am 15. Oktober 1997 bei dem Verwaltungsgericht Schwerin einen Aussetzungsantrag zu stellen, zumal in diesem Zusammenhang auch die verschiedenen Zwecke der Säumniszuschläge (Druckmittel eigener Art, das zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll; Finanzierungsfunktion; Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Abgaben; Abgeltung von Verwaltungsaufwendungen, die bei dem Abgabegläubiger durch die Säumnis entstehen) mit einzustellen sind.

II. Soweit Gegenstand der Berufung der Hilfsantrag des Klägers ist, ist die Sache gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Das erkennende Gericht ist gehindert über den Hilfsantrag zu entscheiden, weil das Verwaltungsgericht noch nicht über das Begehren des Klägers entschieden hat, den Beklagten zu verpflichten, ihn hinsichtlich des Erlasses von Säumniszuschlägen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu bescheiden; hierzu wäre das Verwaltungsgericht jedoch bei sachgerechter Auslegung des Klagebegehrens verpflichtet gewesen. Denn im vorliegenden Verfahren hat der Beklagte "von Amts wegen" erstmals in dem Widerspruchsbescheid einen Erlass der festgesetzten Säumniszuschläge abgelehnt. Der Beklagte hat in seinem Widerspruchsbescheid für sich in Anspruch genommen, über das Vorliegen von Erlassgründen verbindlich entschieden zu haben. Auch gegen diese Entscheidung hat sich der Kläger ausweislich des Inhalts seiner Klagebegründung mit seiner Klage gewandt (Rechtsgedanke aus § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), auch wenn er zunächst ausdrücklich nur einen Aufhebungsantrag gestellt hat.

Die Kostenentscheidung bleibt einer Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. § 132 VwGO).

Ende der Entscheidung

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