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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: 1 L 19/04
Rechtsgebiete: KV M-V, KAG M-V


Vorschriften:

KV M-V § 15
KAG M-V § 6
1. Die Erhebung einer Benutzungsgebühr setzt die tatsächliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung voraus.

2. Ist der Anschluss- und Benutzungszwang rechtskräftig bzw. bestandskräftig angeordnet, kann im Gebührenprozess nicht mehr mit Erfolg gegen eine Abgabenfestsetzung eingewandt werden, das Grundstück sei nicht an die öffentliche Einrichtung (hier der Abfallbeseitigung) angeschlossen.

3. Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges führt zu einer widerlegbaren Vermutung, dass die öffentliche Einrichtung auch benutzt wird.

4. Eine tatsächliche Inanspruchnahme liegt schon dann vor, wenn Materialien aus dem Haushalt eines an die öffentliche Abfallentsorgung angeschlossenen Grundstücks über öffentliche Altlasten- oder Altpapiercontainer der Wiederverwertung zugeführt werden, die Sperrmüllentsorgung in Anspruch genommen wird oder wenn die auf dem angeschlossenen Grundstück angefallenen Restabfälle etwa über Abfallbehälter auf Nachbargrundstücken, auf öffentlichen Flächen oder Arbeitsstätten der öffentlichen Einrichtung zugeführt und entsorgt werden.

5. Bei bewohnten Hausgrundstücken besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass selbst bei größtmöglichem Bemühen um Abfallvermeidung Abfälle anfallen, die nur mithilfe der gebührenpflichtigen Einrichtung entsorgt werden können.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 1 L 19/04

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Abfallgebühren

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 25. August 2004 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 05. November 2003 - 3 A 932/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 137,88 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Erhebung von Abfallgebühren für das Jahr 2003.

Durch Gerichtsbescheid vom 05. November 2003 hat das Verwaltungsgericht eine diesbezügliche Klage der Kläger abgewiesen.

Die Kläger haben dagegen die Zulassung der Berufung beantragt. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, ihr Grundstück sei tatsächlich nicht an die öffentliche Abfallentsorgung angeschlossen. Allein die Vorhalteleistungen reichten nicht aus, dass die Abfallgebühr entstehe. Eine Inanspruchnahme durch sie - die Kläger - finde nicht statt. Jedenfalls hätten sie einen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang.

II.

Der Senat kann es im vorliegenden Fall offen lassen, ob der Antrag auf Zulassung der Berufung fristgerecht gestellt worden ist und ob gegebenenfalls Wiedereinsetzungsgründe eingreifen. Jedenfalls hat das Begehren der Kläger in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 124 Abs. 2 VwGO ist die Berufung nur zuzulassen, wenn einer der dort genannten Zulassungsgründe zu bejahen ist. Dies ist indes nicht der Fall.

Der von den Klägern geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Der Senat schließt sich der Bewertung des Verwaltungsgerichts im Grundsatz an. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 13Ob VwGO auf die Gründe des Gerichtsbescheides verwiesen.

Der Gerichtsbescheid unterliegt keinen ernstlichen Zweifel, weil - wie den Beteiligten bereits mit gerichtlicher Verfügung vom 23. Juni 2004 mitgeteilt worden ist - durch Bescheid des Beklagten vom 20. September 1999 der Anschlusszwang für das Grundstück der Kläger dahingehend konkretisiert worden ist, dass mit Wirkung vom 01. Oktober 1999 die Anfallentsorgung über einen 80-1-Abfallbehälter erfolgt. Die Abschlusspflichtigen, d.h. die Kläger, haben den Abfallbehälter zum Abfuhrtag an der befestigten Straße, ca. 600 Meter von ihrem Grundstück entfernt, zur Entleerung bereitzustellen. Dieser Bescheid vom 20. September 1999 ist Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Klage gewesen, die das Verwaltungsgericht Greifswald durch Urteil vom 25. September 2002 - 3 A 2530/99 - abgewiesen hat. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist von dem erkennenden Senat durch Beschluss vom 24. Juni 2003 - 1 L 316/02 - verworfen worden. Daher ist der Inhalt des Anschlusszwanges für das streitige Grundstück - unabhängig davon, inwieweit das verwaltungsgerichtliche Urteil diese Frage vertieft hat - bestandskräftig konkretisiert. Eine Befreiung ist nicht erteilt worden und ist auch offensichtlich nicht zu erteilen gewesen.

Ist der Anschluss- und Benutzungszwang rechtskräftig bzw. bestandskräftig angeordnet, hat dies unmittelbare Wirkung für die Rechtmäßigkeit einer Gebührenerhebung. Der betreffende, dem Anschlusszwang Unterliegende, kann im Gebührenprozess nicht mehr mit Erfolg gegen eine Abgabenfestsetzung einwenden, sein Grundstück sei nicht an die öffentliche Einrichtung (hier der Abfallbeseitigung) angeschlossen.

Andererseits genügt die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges (§ 15 KV M-V) allein für die Gebührenerhebung nicht (OVG Lüneburg, Urt. vom 7. Mai 1981 - 3 A 3/81 -, NJW 1983, 411, 412; Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 4 Erl. 3.8.3; anderer Auffassung wohl OVG Schleswig, Urt. vom 18. November 1997 - 2 L 374/95 -, NordÖR 1998, 262, wonach der Anschluss- und Benutzungszwang für die Abfallbeseitigung die Entsorgung der regelmäßig auf dem anschlusspflichtigen Grundstück angefallenen Abfälle umfasse. Insoweit werde die gebührenpflichtige Leistung willentlich in Anspruch genommen; auf einen entgegenstehenden individuellen Willen beim einzelnen Entsorgungsvorgang komme es insoweit nicht an). Denn nach Auffassung des Senates setzt die Erhebung einer Benutzungsgebühr die tatsächliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung voraus.

Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges führt aber zu einer widerlegbaren Vermutung, dass die öffentliche Einrichtung auch benutzt wird (OVG Lüneburg, a.a.O.). Damit wird in der Praxis der Bürger mit seinem Vorbringen, er benutze die öffentliche Einrichtung trotz Anschluss- und Benutzungszwang nicht, kaum durchdringen (Aussprung a.a.O.).

Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Auch hier haben die Kläger mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht hinreichend dargelegt, dass sie in keiner Weise die öffentliche Einrichtung der Abfallbeseitigung benutzen.

Eine tatsächliche Inanspruchnahme liegt schon dann vor, wenn Materialien aus dem Haushalt eines an die öffentliche Abfallentsorgung angeschlossenen Grundstücks über öffentliche Altlasten- oder Altpapiercontainer der Wiederverwertung zugeführt werden (OVG Schleswig, Urt. vom 24. Juni 1998 - 2 L 22/96 -, NordÖR 1998, 351; vgl. Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 4 Erl. 3.8.2). Hierzu haben die Antragsteller weder Ausführungen gemacht, noch erscheint es lebensnah, dass sie z.B. die Entsorgung von Papier- und Pappeabfällen, die gemäß § 7 der Satzung über die Abfallwirtschaft des Landkreises Nordvorpommern den Angeschlossenen zur Verfügung steht, nicht benutzen.

Ferner haben die Kläger nicht substanziiert dargelegt, dass sie z.B. die Glasentsorgung, die den Angeschlossenen nach § 7 Abs. 6 der Satzung über die Abfallwirtschaft des Landkreises Nordvorpommern geboten wird, nicht in Anspruch nehmen. Gleiches gilt für die Entsorgung von Sperrmüll.

Eine Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung liegt ferner i.d.R. auch dann vor, wenn die auf dem angeschlossenen Grundstück angefallenen Restabfälle nicht über den zur Verfügung gestellten Abfallbehälter, sondern auf andere Weise der öffentlichen Einrichtung zugeführt und entsorgt werden, etwa über Abfallbehälter auf Nachbargrundstücken, auf öffentlichen Flächen oder Arbeitsstätten (OVG Schleswig, Urt. vom 24. Juni 1998 - 2 L 22/96 -, NordÖR 1998, 351 f.). Denn bei bewohnten Hausgrundstücken besteht - so das OVG Schleswig weiter - eine tatsächliche Vermutung dafür, dass selbst bei größtmöglichem Bemühen um Abfallvermeidung Abfälle anfallen, die nur mithilfe der gebührenpflichtigen Einrichtung entsorgt werden können (OVG Schleswig, Urt. vom 24. Juni 1998 - 2 L 22/96 -, NordÖR 1998, 351, 352; vgl. Aussprung, a.a.O.).

Dem ist zu folgen. Das Vorbringen der Kläger, sie würden die diesbezüglichen Abfälle in Stralsund entsorgen lassen, ist zum einen zu pauschal geblieben, um die oben genannte Vermutung zu widerlegen. Es ist zudem durch keinerlei Entsorgungsnachweise verifiziert. Daher sieht der Senat die generelle Vermutung für eine Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung des Beklagten durch die Kläger nicht als widerlegt an.

Das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet gewesen, im Wege der Amtsermittlung den Sachverhalt weiter aufzuklären. Wegen der aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwanges bestehenden Vermutung der Inanspruchnahme ist es vielmehr ausschließlich Obliegenheit der Kläger, durch entsprechende Nachweise darzulegen, dass sich ihr Fall als atypische Ausnahme darstellt.

Aus diesen Gründen hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124a Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wie die Kläger zu Unrecht in ihrer Zulassungsbegründung meinen. Vielmehr richtet sich die Entscheidung der Fragen, ob das Grundstück der Antragsteller an die öffentliche Abfallbeseitigung angeschlossen ist und diese in Anspruch nimmt, nach den konkreten Umständen des Einzelfalles.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 3 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG n.F.

Mit der Ablehnung des Antrages auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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