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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 17.11.2004
Aktenzeichen: 1 L 303/04
Rechtsgebiete: KAG M-V, AO, GG, Verf M-V


Vorschriften:

KAG M-V § 2 Abs. 1
KAG M-V § 8 Abs. 1 Satz 1
KAG M-V § 8 Abs. 7 Satz 2
KAG M-V § 12
AO § 169
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 28 Abs. 2
Verf M-V Art. 72
1. Die gerichtliche Kontrolle, ob vom Ortsgesetzgeber ein zulässiger Anlagenbegriff gewählt wird, ist auf das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt.

2. Eine Verschärfung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes an dieser Stelle würde dazu führen, dass in das kommunale Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 72 Verf M-V) der die Anlage betreibenden Körperschaft in unzulässiger Weise eingegriffen würde.

Stichworte: Beitrag, Anlagenbegriff, öffentliche Einrichtung, Schmutzwasserbeseitigung, Großeinleiter, Bewertungsspielraum, Kontrolldichte, Organisationsentscheidung, öffentlich-rechtliche Vereinbarung, Beitragserhebungspflicht, atypischer Ausnahmefall, öffentlichrechtliche Vertrag, Kläranlage, Fördermittel, industrielle Abwässer, Festsetzungsverjährung.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 1 L 303/04

Verkündet am: 17.11.2004

wegen Anschlussbeiträgen

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der mündlichen Verhandlung am 17. November 2004 in Greifswald

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. April 2004 - 3 A 1184/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen vier Heranziehungsbescheide, die zwei ihm gehörende Grundstücke in M. betreffen.

Im Oktober 1997 erstellte der Beklagte eine Beitragskalkulation für die zentrale Schmutz- und Regenwasserbeseitigung.

Die Zweckverbandsversammlung des Beklagten beschloss in ihrer Sitzung am 11. Dezember 1997 sowohl die Satzung über die zentrale Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage vom 11. Dezember 1997 - AS 97 - als auch die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung - ABS 97 -. Die Anschlusssatzung 97 sieht in § 1 Abs. 1 eine Sonderregelung für die Fa. P. - im Folgenden: Fa. P. - vor.

Die Zweckverbandsversammlung des Beklagten fasste in nichtöffentlicher Sitzung am 30. November 1998 den Beschluss, eine Sondervereinbarung mit der Fa. P. zu schließen. Ein wesentlicher Inhalt der Vereinbarung sollte sein, dass die Fa. P. 4 Millionen DM für Investitionskosten zahle.

Am 07. Juli 1999 unterzeichnete der Beklagte die Sondervereinbarung mit der Fa. P.. Nach deren § 5 hat die Fa. P. einen Betrag von 4 Millionen DM als Fixkostenvorauszahlung für die Erweiterung der Kläranlage zu leisten.

Durch Bescheid vom 23. Oktober 2002 zog der Beklagte den Kläger für das Grundstück Flurstück 160/3 der Flur 34 in der Gemarkung M. (Größe 441 m2) zu einem Schmutzwasserkanalbaubeitrag in Höhe von 1631,70 EUR heran. Unter dem gleichen Tage veranlagte der Beklagte den Kläger für dasselbe Grundstück zu einem Niederschlagswasserbeitrag in Höhe von 379,70 EUR.

Unter dem 07. Oktober 2002 zog der Beklagte den Kläger für sein Grundstück Flurstück 160/4 der Flur 34 Gemarkung M. (Größe 2790 m2) zu einem Schmutzwasserkanalbaubeitrag in Höhe von 10323,- EUR heran. Unter dem gleichen Tage erging für dasselbe Flurstück ein Heranziehungsbescheid zu einem Niederschlagswasserbeitrag in Höhe von 3603,27 EUR.

Der Kläger erhob jeweils Widerspruch und trug vor: Per Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögen habe er die Grundstücke zurückübertragen erhalten. Der damalige Eigentümer habe ihm versichert, dass Erschließungsbeiträge bezahlt worden seien. Im Hinblick auf den Anschluss an den Niederschlagswasserkanal wurde geltend gemacht, dass eine solche Möglichkeit für die Grundstücke nicht bestehe.

Durch vier Widerspruchsbescheide vom 19. Mai 2003 wies der Beklagte die Widersprüche zurück.

Der Kläger hat am 18. Juni 2003 Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen die Definition der öffentlichen Einrichtung gerügt, wonach die Anlagen bzw. Anlagenanteile, die der Fa. P. dienten, aus der öffentlichen Einrichtung ausgeklammert würden. Ferner bestehe ein Widerspruch zwischen § 1 Abs. 1 Satz 3 AS 97 und § 2 Abs. 3b AS 97. Eine ordnungsgemäße Kalkulation habe nicht vorgelegen, da die Beitragssätze nur auf der Grundlage von repräsentativen Gebieten ermittelt worden seien. Das Klärwerk in S. sei allein für die Firma P. gebaut worden. Der Neubau sei nicht erforderlich gewesen; vielmehr wäre es möglich gewesen, das ursprünglich vorhandene Klärwerk zu sanieren. Es bestehe ein Widerspruch zwischen den Regelungen der §§ 4 und 9 der ABS 97.

Die klägerischen Grundstücke hätten von den Anlagen keinen Vorteil; sie seien bereits zu DDR-Zeiten an den Schmutzwasserkanal angeschlossen gewesen. Zudem seien die Beiträge verjährt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beitragsbescheid vom 07. Oktober 2002 zu der Bescheid-Nr. BB9600005781 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2003,

den Beitragsbescheid vom 23. Oktober 2002 zu der Bescheid-Nr. BB9600007148 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2003,

den Beitragsbescheid vom 23. Oktober 2002 zu der Bescheid-Nr. BB9600007168 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2003 sowie

den Beitragsbescheid vom 07. Oktober 2002 zu der Bescheid-Nr. BB9600005794 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2003 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Klage entgegengetreten.

Durch Urteil vom 07. April 2004 hat das Verwaltungsgericht durch die Einzelrichterin die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht sich eingehend mit dem Vorbringen des Klägers und ersichtlich auch mit dem Vorbringen von Klägern in vergleichbaren Fällen auseinandergesetzt. Ins Einzelne gehend ist insbesondere dargelegt worden, dass und aus welchen Gründen die öffentliche Einrichtung vom Beklagten in einer rechtlich zulässigen Weise definiert worden sei, dass die Abwasserbeitrags- und -gebührensatzung 97 die erste gültige Satzung sei und zudem auf einer Globalkalkulation beruhe. Weder das Satzungsrecht noch seine Anwendung wiesen im Ergebnis Rechtsfehler auf.

Das Urteil ist dem Kläger am 17. Mai 2004 zugestellt worden.

Mit seiner am 17. Juni 2004 erhobenen Berufung, die er mit am Sonntag, den 18. Juli 2004 eingegangenem Schriftsatz begründet hat, wiederholt und vertieft der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus der ersten Instanz. Ergänzend trägt er Folgendes vor:

Die Berufung sei zulässig; es sei durchaus rechtlich zulässig, dass der Einzelrichter die Berufung zulasse.

Die Berufung sei auch begründet. Die beitragsrechtliche P.-Exklave stelle einen rechtsdogmatischen Systembruch im Abwasserrecht dar. Die Satzung verstoße insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Firma P. werde ohne sachlichen Grund bevorteilt. Eine Ablösevereinbarung mit der Fa. P. sei nicht geschlossen worden. Die Aufteilung der Kosten zwischen der Firma P. und den übrigen Beitragspflichtigen sei zugunsten von P. vorgenommen worden. Den Gerichtsakten sei zu entnehmen, dass die Industrie 53 % der Abwassermenge einleite und die Abwasserfracht (CSB) sogar zu 82 % für die Industrie und zu 18 % für die kommunale Abwassermenge anzunehmen sei. Bei diesen krassen Verhältnissen könne auch rechtspolitisch die beitragsrechtliche Ausgrenzung des P.-Werksgeländes nicht gehalten werden. Im Lichte einer probaten verfassungsrechtlichen Betrachtung werde hier nicht Gleiches ungleich behandelt, sondern auch noch Ungleichgewichtiges zulasten der Solidargemeinschaft privilegiert.

Es sei nicht erforderlich gewesen, das ursprünglich vorhandene Klärwerk komplett außer Betrieb zu nehmen. Es habe sich nicht herausgestellt, dass es nicht hätte nachgerüstet werden können.

Eine wirksame Kalkulation liege nicht vor. Der Beklagte habe nämlich nicht die billigste Vergabelösung gewählt. Insoweit sei auf einen Schriftwechsel zwischen dem Staatlichen Amt für Umwelt und Natur Neubrandenburg und dem Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern hinzuweisen. Durch die Vergabe an die Firma L., die vergabefremde Leistungen als Nebengebot angeboten habe, seien vergabefremde Leistungen und damit nicht beitragsrelevante Mehrkosten von 4,8 Millionen DM verursacht worden. Dies seien immerhin ca. 10 % der kalkulierten Kosten. Das Angebot der Firma L. habe 43.703.385,28 DM betragen, während das günstigste Angebot sich auf 38.928.462,63 DM belaufen habe.

Zudem sei die Satzung zu unbestimmt. Schließlich sei daran festzuhalten, dass die Beiträge verjährt seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. April 2004 aufzuheben und nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte tritt dem Berufungsvorbringen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens 1 L 214/02 nebst den dazu vorgelegten Verwaltungsvorgängen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Der Senat ist an die Zulassung der Berufung gebunden, auch wenn die Zulassungsentscheidung durch den Einzelrichter erfolgt ist (BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2004 - 5 C 65.03 -).

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich als zutreffend. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Bedenken an der Wirksamkeit des Ortsrechtes des Beklagten sieht der Senat nicht. Die Beitrags- und Gebührensatzung - Abwasser - des Beklagten - ABS 97 - und die mit ihr korrespondierende Abwasserbeseitigungssatzung - AS 97 - bilden somit eine Rechtsgrundlage für den Erlass der streitigen Heranziehungsbescheide.

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Frage, ob das Ortsrecht des Beklagten sich im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Satz 3 AS 97 als wirksam erweist; diese Vorschrift, die den Begriff der öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 KAG M-V definiert, lautet:

Zu den öffentlichen Einrichtungen gehören nicht die Anlagen, Anlagenteile oder Anteile an Anlagen, die der Entsorgung des Schmutzwassers der Firma P.- S., gelegen auf den Grundstücken ..., Flur 5, Flurstücke 167/3 und 167/4, dienen.

Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass diese Regelung keinen unzulässigen Anlagenbegriff verwendet. Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald ist der Begriff der öffentlichen Einrichtung bzw. Anlage im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen ein rechtlicher. Er wird lediglich insoweit von technischen, d.h. tatsächlichen Gegebenheiten bestimmt, als sich eine vom Ortsgesetzgeber gewählte Umschreibung der öffentlichen Einrichtung dann als rechtsfehlerhaft, weil willkürlich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG darstellen kann, wenn technisch selbstständige öffentliche Einrichtungen zu einer rechtlichen öffentlichen Einrichtung zusammengefasst werden, obwohl sie in Arbeitsweise und Wirkung schlechthin nicht vergleichbar sind (so bereits OVG Greifswald, Urteil vom 15. März 1995 - 4 K 22/94 -, KStZ 1996, 114; zuletzt OVG Greifswald, Urteil vom 15. September 2004 - 1 L 214/02 -, zu einem Parallelfall; ferner OVG Magdeburg, Urteil vom 12. Februar 2004 - 1 K 516/02 -, DVBl 2004, 1050).

Die gerichtliche Kontrolle, ob vom Ortsgesetzgeber ein zulässiger Anlagenbegriff gewählt wird, ist somit auf das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt. Anders gesagt: Dem Ortsgesetzgeber steht ein sehr weites satzungsgeberisches Ermessen bei der Bestimmung der öffentlichen Einrichtung zu. Dieses ist hier nicht verletzt.

Soweit durch den Beklagten verschiedene öffentliche Einrichtungen zu einer rechtlichen Einrichtung zusammengefasst worden sind, ist dies vonseiten des Klägers nicht in Zweifel gezogen worden. Der Senat hat daher keine Bedenken, dass der Beklagte - mit Ausnahme der Fa. P. - von einer öffentlichen Einrichtung zur Schmutz-Wasserbeseitigung ausgeht.

Auch bei der Konstellation, dass bei einer bestehenden Einrichtung ein Teil der Abwasserbeseitigung wieder ausgegliedert wird, ist lediglich das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG der anzulegende Prüfungsmaßstab. Dies verkennt der Kläger, wie die Erörterung in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat. Eine Verschärfung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes an dieser Stelle würde dazu führen, dass in das kommunale Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 72 Verf M-V) der die Anlage betreibenden Körperschaft in unzulässiger Weise eingegriffen würde (zum Bewertungsspielraum des Satzungsgebers und zur Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte vgl. auch BVerwG, Urt. vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 -, NJW 2002, 2807 = NordÖR 2002, 511).

In Ansehung dieses - von Verfassungs wegen gebotenen - Spielraums hält auch die Organisationsentscheidung des Beklagten, die Anlagen, Anlagenanteile bzw. Anteile der Anlagen, die der Entsorgung des Schmutzwassers der Fa. P. dienen, auszugliedern, einer gerichtlichen Überprüfung stand. Dies gilt sowohl für den rechtlichen Ansatz im Allgemeinen wie auch für seine Umsetzung im Besonderen. Nach Auswertung der vorliegenden Akten lassen sich sachliche Gesichtspunkte finden, die das Vorgehen des Beklagten bei Abschluss der Vereinbarung mit der Fa. P. und die bereits antizipierte Umsetzung dieses Konzepts in der Abwasserbeitrags- und -gebührensatzung 97 rechtfertigen.

Es ist ein durchaus sachgerechter Gesichtspunkt - wegen der latent bestehenden Gefahr eines Standortwechsels der Fa. P. -, die Refinanzierung der benötigten Anlagen zur Abwasserbeseitigung dieser Firma bereits im Vorfeld durch eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung sicherzustellen. Aus diesem Gesichtspunkt ist die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 AS 97 sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Daher hat der Beklagte die Kosten für die Fa. P. und ihre Grundstücksflächen unberücksichtigt lassen können und müssen.

Hiergegen lässt sich im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg einwenden, es liege ein Verstoß gegen die Beitragserhebungspflicht vor, eine unzulässige Begünstigung eines Privaten zulasten der Beitragspflichtigen oder eine unzulässige Flucht ins Privatrecht. Auch ist die vorliegende Konstellation im Hinblick auf die Fa. P. nicht mit einem Sachverhalt vergleichbar, in dem zum Beispiel in einem Entsorgungsgebiet eine (größere) Anzahl von Gewerbebetrieben von einer Beitragserhebung ausgenommen werden soll. Vielmehr ist der vorliegende Sachverhalt dadurch gekennzeichnet, dass er als atypischer Ausnahmefall angesehen werden muss.

Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, ist das Abwasser der Fa. P. von seiner Menge her größer als das Abwasser, das durch die Benutzer der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Beklagten anfällt. Dies gilt auch für den CSB-Bedarf. Bei einer Konstellation wie der vorliegenden hätte sich eine ortsgesetzgeberische Entscheidung, für die Entsorgung der Industrieabwässer der Fa. P. eine eigenständige öffentliche Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung zu schaffen, gleichfalls im Rahmen des ortsgesetzgeberischen Ermessens gehalten. Weil im vorliegenden Fall eine solche zweite öffentliche Einrichtung hätte zulässigerweise geschaffen werden können, ist es dem Beklagten im Grundsatz auch nicht verwehrt, stattdessen diesen Sonderfall aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zu regeln.

Die Benutzer der öffentlichen Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung können sich in einem solchen Fall nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag mit einem Dritten, der - rechtlich gesehen - nicht Mitbenutzer der kommunalen Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung ist, rechtsfehlerhaft sei. Daher sieht der Senat sich nicht veranlasst, im Einzelnen auf den Inhalt und die Wirksamkeit des mit der Fa. P. geschlossenen Vertrages (Sondervereinbarung) einzugehen.

Nach alledem ist für die Entscheidung des Senates auch nicht rechtlich erheblich und kann daher offen bleiben, ob es sich bei dem mit der Fa. P. vertraglich vereinbarten Betrag um eine "Vorausleistung" handelt, um eine Ablösung oder wie genau die Zahlung aus dem Vertrag rechtlich einzuordnen ist. Diese Frage stellt sich deshalb nicht, weil eine Beitragserhebungspflicht des Beklagten gegenüber der Fa. P. nicht hat entstehen können, weil diese wegen § 1 Abs. 1 Satz 3 AS 97 nicht beitragspflichtig in Bezug auf die Anlage, an die der Kläger mit seinen Grundstücken angeschlossen ist, geworden ist. Daher geht ein Hinweis auf eine Beitragserhebungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V insoweit ins Leere.

Auch wenn es für die Entscheidung rechtlich nicht erheblich ist, weist der Senat darauf hin, dass der Rechtsauffassung des Beklagten zu folgen ist, wonach die vertragliche Vereinbarung mit der Fa. P., die in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, auf eine adäquate Gegenleistung abzielt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich diese zulasten der Beitragspflichtigen und mithin auch zulasten des Klägers auswirkt. Auch insoweit kann offen bleiben, ob es sich hierbei um eine Ablösung usw. handelt. Eine Nichtigkeit der Regelung drängt sich keineswegs auf. Aber: Selbst wenn der Vertrag zwischen der Fa. P. und dem Beklagten unwirksam wäre, würde das nicht automatisch dazu führen, dass die Fa. P. Beitragspflichtige würde. § 1 Abs. 1 Satz 3 AS 97 steht dem entgegen. Diese Regelung ist selbstständig zu bewerten. Eine Nichtigkeit des Vertrages schlüge nicht automatisch auf die Wirksamkeit der Abwassersatzung durch. Gegebenenfalls könnte und müsste ein neuer Vertrag mit der Fa. P. geschlossen werden. Alternativ könnte eine weitere öffentliche Einrichtung geschaffen werden.

Soweit in einem Parallelverfahren vorgetragen worden ist, die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 AS 97 sei deshalb rechtsfehlerhaft, weil eine Trennung der Abwässer der Fa. P. und der kommunalen Abwässer tatsächlich nicht möglich sei, gilt nach Auffassung des Senates Folgendes:

Bezüglich der Vorklärung besteht eine technische Trennung. Im Hinblick auf die Endklärung ist eine tatsächliche Trennung zwar nicht möglich, eine rechtliche Zuordnung aber sehr wohl. Ein solches fiktives Zuordnen von Kosten ist dem Beitragsrecht keineswegs fremd. In den Fällen, in denen z.B. ein Regenwasserkanal sowohl der Grundstücksentwässerung als auch der Straßenentwässerung dient, ist eine fiktive Trennung der Kosten für die Gemeinschaftseinrichtung in der Regel geboten. Auch in seinen Urteilen vom 30. Juni 2004 - 1 L 189/01 und 1 L 240/01 - hat der Senat beispielsweise entschieden, dass eine Trennung der Kosten einer Straße in Betracht kommt, wenn wegen unterschiedlicher Sanierungsgebiete im Sinne der §§ 152, 154 BauGB eine in der Örtlichkeit einheitliche Verkehrsanlage von Rechts wegen in zwei Anlagen zerfällt. Schließlich ist in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt, dass auch die Kosten für die Aufbereitung von Klärschlamm, der aus den dezentralen (Klär-)Anlagen der zentralen Kläranlage zugeführt wird, kostenmäßig in der Kalkulation der Beiträge abzusetzen sind. Gleiches gilt für Kosten, die z.B. für das Durchleiten von Abwässern aus Nachbargemeinden in die kommunale Kläranlage entstehen (vgl. insoweit OVG Greifswald, Urteil vom 15. November 2000 - 4 K 8/99 -, ZKF 2001, 160 = KStZ 2001, 174 = LKV 2001, 516 = DÖV 2001, 610 = DVBl 2001, 1376 = Überblick 2001, 249). Dadurch entsteht - entgegen der Ansicht des Klägers - kein "virtuelles" Klärwerk. In der hier beschriebenen Weise kann (und muss) im Hinblick auf eine Aufteilung der Kosten der Kläranlage Stavenhagen vorgegangen werden, da diese nur teilweise der öffentlichen Einrichtung dient.

Die Ermittlung der Beitragssätze ist vom Kläger im Wesentlichen im Hinblick auf die Nichteinbeziehung der Fa. P. und die Zuordnung der Kosten, die von der Fa. P. einerseits und von der Beseitigung des kommunalen Abwassers andererseits verursacht werden, und die Fläche der Fa. P. beanstandet worden. Das Vorgehen des Beklagten ist insoweit von Rechts wegen aus den oben genannten Gründen nicht zu beanstanden.

Auch der weitere vom Kläger gegen die Kalkulation vorgebrachte Einwand greift im Ergebnis nicht durch: Der Kläger meint, 4,8 Millionen DM seien zu Unrecht in die Beitragskalkulation eingestellt worden. Zutreffend ist in diesem Zusammenhang zwar, dass das Staatliche Amt für Umwelt und Natur Neubrandenburg mit Schreiben vom 30. März 1999 die beabsichtigte Vergabe an die Firma L. kritisiert hat. Weiter ist zutreffend, dass es in der Tat um einen Betrag von 4,8 Millionen DM ging, der zusätzlich an Kosten für die Mitbehandlung von Gülle und von Fetten in der Kläranlage angesetzt worden ist. Eine Vergabe an die Firma L. einschließlich des Einbaus der genannten Einrichtungen kann aber nur dann zu einem Fehler in der Beitragskalkulation führen, wenn die diesbezüglichen Kosten, die sich nicht als beitragspflichtig darstellen mögen, auch dort eingeflossen sind. Ausweislich der Seite 2 der Beitragskalkulation für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom Oktober 1997 betragen die für die Kläranlagen für Schmutzwasser insgesamt angesetzten Beträge aber nur 12.443.302,27 DM. Sie liegen also damit deutlich unter der Vertragssumme von mehr als 38 Millionen DM bzw. mehr als 43 Millionen DM. Diese Divergenz erklärt sich daraus, dass der Beklagte im Rahmen der Kalkulation bei der Ermittlung der Kosten der Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung die Kosten der Kläranlage ausgesondert hat, die auf eine Mischwasserbeseitigung entfallen. Entscheidend ist zudem, dass - wie dem Senat aus dem Verfahren 1 L 214/02 bekannt ist - nicht sämtliche Kosten des Klärwerkes auch den Beitragspflichtigen zugeordnet worden sind. Vielmehr ist insoweit ein Teil der Kosten ordnungsgemäß den P.-Werken kalkulatorisch angelastet worden, sodass die Beitragspflichtigen hierdurch nicht belastet werden. Die Frage, ob für nichtbeitragsfähige Teileinrichtungen unselbstständiger Art Gelder haben ausgegeben werden dürfen, berührt somit die Kalkulation nicht.

Die Beitragskalkulation erscheint auch nicht im Hinblick auf geflossene Fördermittel unzutreffend. Der Zuwendungsbescheid vom 28. Mai 1998 - und die hierzu ergangenen Ergänzungsbescheide - zielen wesentlich auf die Förderung einer Kläranlage zur Beseitigung der Abwässer der Fa. P. ab. Die Kläranlage als solche hat Investitionskosten von gut 30 Millionen € verursacht. Die Zuwendungssummen beliefen sich zunächst auf ca. 20 Millionen € und letztendlich auf 31.008,678,18 €. Wenn nun der Beklagte davon ausgeht, dass die Kosten für die Erweiterung der Kläranlage zu je 50 % der Fa. P. und der Entsorgung der kommunalen Abwasser anzulasten seien, andererseits aber auch Fördermittel von mehr als 20 Millionen € der öffentlichen Einrichtung zuzurechnen seien, so hat der Beklagte bei der Ermittlung des höchstzulässigen Beitragssatzes eine rechnerische Kostenzuordnung gewählt, die sich im Rahmen des ihm zustehenden Bewertungsspielraumes hält. In diesem Zusammenhang wäre sogar eine Berechnung denkbar gewesen, die sich für die Beitragspflichtigen im Ergebnis als ungünstiger dargestellt hätte. Da ein wesentliches Förderungsziel gerade gewesen ist, die industriellen Abwässer der Fa. P. schadlos zu entsorgen, hätte es gegebenenfalls auch noch dem ortsgesetzgeberischen Ermessen entsprochen, wenn der Beklagte den auf die Fa. P. entfallenden Anteil als zu 100 % durch die Fördermittelbescheide gefördert angesehen hätte. Daher ist es für den Senat rechtlich nicht entscheidend, ob die Menge des kommunalen Abwassers z.B. nur 47 % im Vergleich zu den Abwässern der Fa. P. ausmacht, die nach der entsprechenden Aufstellung einen Anteil von 53 % erreichen sollen.

Auch das Argument, dass der weitaus überwiegende Teil des CSB-Bedarfes auf die industriellen Abwässer der Fa. P. zurückzuführen sei, führt alleine nicht zu einer anderen Einschätzung. Insoweit ist das technische Gesamtsystem (insbesondere das Bypasssystem) mit in den Blick zu nehmen. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang im Rahmen des Verfahrens 1 L 214/04 überzeugend dargelegt, dass dies wiederum auch den Nutzern der kommunalen Anlage zugute kommt.

Schließlich hat der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung des Beklagten über den Ausbau des Klärwerks in S. vor dem dargestellten Hintergrund das Organisationsermessen des Beklagten überschritten haben könnte.

2. Der Beklagte hat das Ortsrecht im vorliegenden Einzelfall zutreffend angewandt.

Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Die von der Zweckverbandsversammlung am 11. Dezember 1997 beschlossene Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung - ABS 97 - ist die erste wirksame Satzung des Beklagten gewesen. Die Vorläufersatzung (Beitrags- und Gebührensatzung - Abwasser, beschlossen am 03. Dezember 1994) ist nämlich nichtig gewesen wegen der in § 7 enthaltenen unzulässigen Beitragssätze. Die Vorschrift hat in einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Weise die altangeschlossenen Grundstücke bevorteilt (vgl. die Beschlüsse des Senates vom 22. September 1999 - 1 M 85/99 - und 17. Januar 2000 -1 M 117/99 -). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann eine sachliche Beitragspflicht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V erst mit der ersten gültigen Satzung entstehen (so bereits OVG Greifswald, Beschluss vom 08. April 1999 - 1 M 41/99 -; OVG Greifswald, zuletzt im Beschl. vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -; OVG Greifswald, Beschl. vom 29. Juni 2004 - 1 L 288/04 -; OVG Greifswald, Urt. vom 02. Juni 2004 - 4 K 38/02 -; ferner OVG Greifswald, Beschl. vom 02. Dezember 2003 - 1 M 72/03 -; auch OVG Greifswald, Urt. vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; vgl. auch Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 8 Erl. 2.10.2; Becker, KStZ 2001, 181; a.A. OVG Münster, Urt. vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, 535; OVG Frankfurt/Oder, Urt. vom 08. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, LKV 2001, 132). Dieses ist die Satzung von 1997, die mit Wirkung vom 01. Januar 1998 in Kraft getreten ist. Daher hat die vierjährige Festsetzungsfrist nach § 12 KAG M-V i.V.m. § 169 AO durch den Erlass der Bescheide im Oktober 2002 noch gewahrt werden können.

Auch im Übrigen sind Rechtsanwendungsfehler nicht ersichtlich. Der Einwand des Klägers, seine Grundstücke seien (teilweise) nicht an den Regenwasserkanal anschließbar, ist unsubstanziiert geblieben und wird durch die Aktenlage nicht bestätigt. Gleiches gilt für den Vortrag, die Satzung sei zu "unbestimmt". Rechtlich unerheblich für die Beitragspflicht des Klägers ist, ob ein Voreigentümer ihm versichert hat, dass Erschließungsbeiträge bezahlt worden seien.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 VwGO), liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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