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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 02.04.2008
Aktenzeichen: 2 L 256/07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 58 Abs. 2
VwGO § 60 Abs. 1
1. Schreibfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einer Rechtsmittelbelehrung fallen jedenfalls in der Regel nicht unter § 58 Abs. 2 VwGO.

2. Zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Unterscheidung zwischen Rechtsmittelfristen und anderen Wiedervorlagefristen.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

2 L 256/07

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Subventionsrecht

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern

am 2. April 2008

in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 3. Kammer - vom 20.11.2007 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 129.787,23 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf und die zugleich (soweit ausgezahlt) geltend gemachte Rückforderung einer ihm bewilligten Förderung in Höhe von 129.787,23 Euro.

Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgerichts die Klage abgewiesen. In den Gründen heißt es u.a. die Klagefrist des § 74 VwGO sei nicht gewahrt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht erfolgen.

Auch der Zulassungsantrag des Klägers bleibt erfolglos, da die beiden geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO nicht vorliegen. Die erstinstanzliche Entscheidung beruht weder auf einem Verfahrensmangel noch bestehen an ihrer Richtigkeit ernstliche Zweifel.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klagefrist im vorliegenden Fall gemäß § 74 VwGO einen Monat betragen hat. Dem Kläger ist nicht zu folgen in seiner Annahme, die Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid sei im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO unrichtig gewesen, so dass die Klagefrist ein Jahr betrage. Im Ansatz mag dem Kläger zwar beizupflichten sein, dass "nicht erforderliche Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung, die unzutreffend oder irreführend sind, die gesamte Belehrung unrichtig machen, wenn sie geeignet sind, die Einlegung des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs nennenswert zu erschweren". Dies trifft aber jedenfalls in der Regel nicht zu, wenn die Rechtsmittelbelehrung lediglich Schreibfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten enthält. Hiervon ist auch im vorliegenden Fall keine Ausnahme zu machen, denn der Umstand, dass die Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 10.10.2006 bezüglich des anzufechtenden Bescheides ein falsches Datum angibt, war nicht geeignet, den Kläger davon abzuhalten, das Rechtsmittel - überhaupt, rechtzeitig oder in der rechten Weise - einzulegen (vgl. BVerwG, Beschluss v. 30.11.1995 - 10 B 2/95 -, zit. nach juris). Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in Folge der falschen Datumsangabe irritiert gewesen sein könnte, etwa was Gegenstand der von ihm zu erhebenden Klage oder gegen welche Behörde diese zu richten ist. Der Kläger räumt in der Begründung des Zulassungsantrags selbst ein, dass das falsche Datum mit der eigentlichen Sache nicht in Zusammenhang zu bringen sei. Im Übrigen ist der Kläger im Schriftsatz vom 05.03.2007, mit dem die Klage erhoben worden ist, erkennbar selbst davon ausgegangen, dass er die Klagefrist versäumt habe. Einen Hinweis auf die Anwendbarkeit von § 58 Abs. 2 VwGO enthält die Klagebegründung nicht.

Zu Recht hat es das Verwaltungsgericht auch abgelehnt, dem Kläger wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Kläger war nicht "ohne Verschulden" (vgl. § 60 Abs. 1 VwGO) an der Einhaltung der Klagefrist gehindert, wobei das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichkommt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.08.1995 - 3 B 37.95 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 202).

Dem Prozessbevollmächtigten fällt ein Organisationsverschulden zur Last, wenn er nicht durch allgemeine Anweisung dafür Sorge trägt, dass der Ablauf von Rechtsmittelfristen rechtzeitig bemerkt wird. Um dies sicherzustellen, müssen Rechtsmittelfristen in einer Weise notiert werden, die sich von gewöhnlichen Fristen deutlich abheben (vgl. BVerwG v. 24.08.1995 a.a.O.). Die Anweisung, Vorfristen oder Wiedervorlagefristen zu notieren, genügt insoweit nicht (vgl. BAG, Beschl. v. 16.11.1992 - 3 AZR 393/92 -, NJW 1993, 1350).

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass dem Kläger die begehrte Wiedereinsetzung zu Recht versagt geblieben ist.

Nach der Begründung des Zulassungsantrags ist lediglich eine "Genaufrist" notiert worden, was aber nicht die Warnfunktion gehabt habe, dass der Ablauf einer Rechtsmittelfrist drohen würde. Eine "Genaufrist" werde aus "ganz unterschiedlichen Gründen" notiert, sei es zur "Überwachung eines Zahlungseingangs" oder um "festzustellen, inwieweit eine bestimmte Sache Fortgang genommen habe". Das Organisationsverschulden des Bevollmächtigten des Klägers besteht also darin, dass er nicht allgemein dafür gesorgt hat, dass zwischen Rechtsmittelfristen und anderen Fristen (deutlich) unterschieden wird. In diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende von dem im Schriftsatz des Klägers vom 18.03.2008 genannten Verfahren; darin ging es um die Vorlage eines Vorgangs "ohne Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung". In dem zugrunde liegenden Fall war die Rechtsmittelschrift rechtzeitig abgesandt, aber an das falsche Gericht adressiert worden, und es ging lediglich um die Frage, ob der Prozessbevollmächtigte dies hätte bemerken müssen, als ihm der Vorgang wegen einer noch innerhalb der Rechtsmittelfrist erfolgten Akteneinsicht erneut vorgelegt wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2007 - XII ZB 69/07 -, NJW 2008, 854). Um die Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts bei der allgemeinen Anweisung über die Notierung von Rechtsmittelfristen ging es in jenem Verfahren also nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 52 Abs. 3 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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