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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 2 L 318/05
Rechtsgebiete: AsylVfG, AufenthG


Vorschriften:

AsylVfG § 34
AufenthG § 59 Abs. 3
Eine Abschiebungsandrohung hat regelmäßig zu unterbleiben, wenn ein Asylverfahren gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG mit einer Flüchtlingsanerkennung abgeschlossen wird. Mit der aufenthaltsrechtlichen Rechtsposition des anerkannten Flüchtlings gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG ist die Abschiebungsandrohung regelmäßig nicht vereinbar. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 59 Abs. 3 AufenthG ist insoweit einschränkend auszulegen.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern IM NAMEN DES VOLKES Urteil

2 L 318/05

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Asylrecht - Benin

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern

am 10. Januar 2007

in Greifswald

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 7. Kammer - vom 27.06.2005 geändert.

Die Androhung der Abschiebung des Klägers in die Republik Benin in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14.02.2005 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung - durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Abschiebungsandrohung.

Der Kläger stellte im Jahre 2001 einen Asylantrag und trug vor, togoischer Staatsangehöriger zu sein. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte den Antrag ab. Im Rahmen des daraufhin beim Verwaltungsgericht Greifswald geführten Klageverfahrens zog das Bundesamt die Staatsangehörigkeit des Klägers in Zweifel und trug im Einzelnen näher vor, weshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger Beniner sei bzw. ihm zumindest die Staatsangehörigkeit Benins zustehe. Mit Urteil vom 14.12.2004 zum Az. 4 A 2535/01 As verpflichtete das Verwaltungsgericht Greifswald die Beklagte festzustellen, dass hinsichtlich des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und hob den Bescheid des Bundesamtes auf, "soweit er dem entgegensteht". In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, weshalb das Gericht trotz der vom Bundesamt geltend gemachten Bedenken von der togoischen Staatsangehörigkeit des Klägers überzeugt sei; im Falle einer Rückkehr nach Togo drohe dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

Mit Bescheid vom 14.02.2005 stellte das nunmehrige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Ziffer 1 fest, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Republik Togo vorliegen. Unter Ziffer 2 des Bescheides wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats zu verlassen; für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Republik Benin angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger nach den vorliegenden Auskünften - auch - die beninische Staatsangehörigkeit haben dürfte. Die Rückkehr in die Republik Benin erscheine als zumutbar, zumal hinsichtlich dieses Staates nicht erkennbar sei, dass Abschiebungsverbote vorlägen. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts Greifswald, dass der Kläger togoischer Staatsangehöriger sei, stehe dem nicht entgegen.

Gegen Ziffer 2 des Bescheides vom 14.02.2005 hat der Kläger erneut Klage erhoben, die vom Verwaltungsgericht Schwerin mit dem angegriffenen Urteil vom 27.06.2005 abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Rechtsgrundlage der Abschiebungsandrohung seien die §§59 Abs. 2 und Abs. 3 AufenthG, 34 AsylVfG. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts Greifswald, dass der Kläger togoischer Staatsangehöriger sei, stehe der Androhung der Abschiebung des Klägers in den Benin nicht entgegen. Die Androhung der Abschiebung in den Benin sei auch naheliegend, weil - wie im Einzelnen näher ausgeführt wurde - der Kläger nach den vorliegenden Auskünften - auch - die beninische Staatsangehörigkeit haben dürfte. Für die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung sei es nicht erforderlich, dass die Abschiebung alsbald möglich sei. Abschiebungsverbote hinsichtlich des Zielstaates Benin lägen - wie im Einzelnen unter Bezugnahme auf Auskünfte zur Lage im Benin näher ausgeführt wird - nicht vor.

Gegen das am 31.08.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.09.2005 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag gleichzeitig begründet.

Mit Beschluss vom 05.07.2006, zugestellt am 12.07.2006, hat der Senat die Berufung zugelassen. Der Kläger hat am 09.08.2006 die Berufung begründet.

Er trägt u.a. vor: Der Aufforderung zur Ausreise und Androhung der Abschiebung in den Benin stehe die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald entgegen, das von der togoischen Staatsangehörigkeit des Klägers ausgegangen sei. Tatsächlich sei er - wie u.a. unter Bezugnahme auf eine Negativbescheinigung der Republik Benin im Einzelnen näher ausgeführt wird - ausschließlich togoischer Staatsangehöriger. Die Abschiebungsandrohung müsse sich vorrangig auf den Staat der Staatsangehörigkeit beziehen. Was einen etwaigen Anspruch auf die Zuerkennung der Staatsangehörigkeit der Republik Benin angehe, könne von ihm nicht verlangt werden, sich um dessen Realisierung zu bemühen, nur um der Beklagten bzw. der zuständigen Ausländerbehörde ein Land anbieten zu können, in das er abgeschoben werden könne. Eine Änderung oder Ergänzung der Zielstaatsbestimmung in der Abschiebungsandrohung sei nur zulässig, wenn zuvor nach Anhörung förmliche Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG hinsichtlich des neuen Zielstaats getroffen worden seien. Dies sei hier nicht geschehen. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen dazu, dass er als togoischer Flüchtling auch im Benin in Gefahr wäre, sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht nachgegangen. Auch mit Blick auf den Anspruch nach § 25 Abs. 2 AufenthG habe eine Abschiebungsandrohung zu unterbleiben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27.06.2005 zu ändern und die Androhung seiner Abschiebung in die Republik Benin in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14.02.2005 aufzuheben.

Die Beklagte trägt vor: In Fällen, in denen das Gericht eine positive Feststellungsverpflichtung zu § 60 Abs. 1 AufenthG ausspreche, werde die Abschiebungsandrohung in ihrem Bestand grundsätzlich nicht berührt. Dies folge aus den Regelungen des § 59 Abs. 3 AufenthG, nach denen das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegenstehe und eine gerichtliche Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG lediglich zur Teilaufhebung der Abschiebungsandrohung in Bezug auf den Zielstaat führe, sofern Verfolgerstaat und Zielstaat identisch seien. Die Abschiebungsandrohung habe im vorliegenden Fall auch praktische Bedeutung, weil eine Abschiebung in verschiedene Staaten in Betracht komme, das festgestellte Abschiebungsverbot aber lediglich den Zielstaat Togo betreffe.

Der Kläger hat am 08.03.2005 beim Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt und am 19.09.2005 beim Verwaltungsgericht Greifswald Untätigkeitsklage erhoben (Az. 2 A 1876/05). Der Landrat des Landkreises Demmin als zuständige Ausländerbehörde vertritt die Auffassung, dass "bei Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung für eine Abschiebung in die Republik Benin ... die ... Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG entbehrlich" werde und daher zunächst der Ausgang des hiesigen Verfahrens abzuwarten sei. Das Verwaltungsgericht Greifswald hat den Beteiligten mit Schreiben vom 22.02.2006 mitgeteilt, der Ausgang des dortigen Verfahrens sei davon abhängig, ob die Androhung der Abschiebung in den Benin bestandskräftig werde; es sei daher beabsichtigt, den Ausgang des hiesigen Verfahrens abzuwarten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge (2 Hefter) sowie die beigezogenen Gerichtsakten VG Greifswald 4 A 2535/01 As und 2 A 1876/05 haben bei der Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Abschiebungsandrohung zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Kläger wendet sich gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes vom 14.02.2005. Darin wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats zu verlassen; für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Republik Benin angedroht. Da es sich bei der Aufforderung zur Ausreise lediglich um einen Hinweis ohne eigenständigen Regelungscharakter handelt, ist Streitgegenstand nur die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung.

Die Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist zulässig. Insbesondere fehlt es dem Kläger nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Bei der Abschiebungsandrohung handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, von dem jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass er sich für den Kläger auch nachteilig auswirkt. Zwar steht dem Kläger auf Grund der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu; mit deren Erteilung wird die Abschiebungsandrohung sich erledigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.1999 - 9 C 12.99 -, NVwZ-Beil. 2000, 25, 27). Dies steht der Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses jedoch nicht entgegen, so lange die Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt worden ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Ausländerbehörde hat die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerade mit Blick auf die erlassene Abschiebungsandrohung verweigert; die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht wegen des hiesigen Verfahrens zurückgestellt. Auf die Frage, ob die rechtlichen Zusammenhänge damit jeweils zutreffend bewertet worden sind, kommt es für die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses nicht an.

Die Klage ist auch begründet, weil die Abschiebungsandrohung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage der Abschiebungsandrohung ist § 34 AsylVfG. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlässt das Bundesamt nach den §§59 und 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keinen Aufenthaltstitel besitzt. Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden, § 34 Abs. 2 AsylVfG. Nach § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG steht dem Erlass der Abschiebungsandrohung das Vorliegen von Abschiebungsverboten nicht entgegen. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im übrigen unberührt, § 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG.

Allerdings sind die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG hier dem Wortlaut nach erfüllt. Der Kläger ist nicht als Asylberechtigter anerkannt worden und besitzt keinen Aufenthaltstitel. Der Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels steht dessen Besitz grundsätzlich nicht gleich und schließt deshalb den Erlass einer Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht aus (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 04.03.1999 - 13 S 742/98 -, NVwZ-Beil. 1999, 84; Funke-Kaiser, GK AsylVfG, Stand: 10/06, § 34 Rn. 35; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 10/06, § 34 AsylVfG Rn. 19; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 34 Rn. 8). Entsprechendes gilt für das Vorliegen einer Erlaubnisfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand: 11/06, § 59 Rn. 12; Hailbronner a.a.O.; Renner a.a.O.).

§ 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist jedoch dahingehend einschränkend auszulegen, dass eine Abschiebungsandrohung zu unterbleiben hat, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt wird, d.h. eine Flüchtlingsanerkennung erfolgt (evtl. mit anderer Tendenz BVerwG, Urt. v. 08.02.2005 - 1 C 29/03 -, DVBl. 2005, 982, 986; anderer Ansicht: Renner, a.a.O. § 60 AufenthG Rn. 64 u. § 34 AsylVfG Rn. 10; Hailbronner, a.a.O. § 60 AufenthG Rn. 229 u. § 34 AsylVfG Rn. 16; Funke-Kaiser, GK-AufenthG § 59 Rn. 100 u. GK-AsylVfG, § 34 Rn. 84 - wenn auch mit dem Zusatz, die Abschiebungsandrohung mache in diesen Fällen "eigentlich keinen Sinn" -; wie hier im Ergebnis Marx, AsylVfG, 6. Aufl. 2005, § 34 Rn. 2 f. u. 14 f.). Seit In-Kraft-Treten des Aufenthaltsgesetzes am 01.01.2005 (BGBl. I 2004 S. 1950) sind anerkannte Flüchtlinge mit anerkannten Asylbewerbern aufenthaltsrechtlich gleichgestellt. Ihnen wird gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG ein - wenn auch nach § 26 AufenthG zunächst befristetes - Bleiberecht zuerkannt, das insbesondere nicht von der Unmöglichkeit der Ausreise in einen Drittstaat abhängt. Mit dieser Rechtsposition ist der Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht vereinbar.

Der anerkannte Flüchtling hat gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG - ebenso wie der anerkannte Asylberechtigte, § 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG - regelmäßig einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt des anerkannten Flüchtlings - ebenso wie der des anerkannten Asylberechtigten - als erlaubt, § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von derjenigen vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes. Nach § 70 Abs. 1 AsylVfG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung hatte der anerkannte Flüchtling - anders als der anerkannte Asylberechtigte, vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG a.F. - nur dann einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich war. Eine besondere Erlaubnisfiktion für die Zeit bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde war - anders als für den anerkannten Asylberechtigten, vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG a.F. - nicht vorgesehen.

Allerdings hat der anerkannte Flüchtling dann keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist, § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG. In diesem Falle gilt auch die Erlaubnisfiktion des § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3. AufenthG nicht. Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG wird eine Aufenthaltserlaubnis ferner nicht erteilt, wenn einer der Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 oder Nr. 5a vorliegt; hiervon können gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zugelassen werden. Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Fall hier vorliegt, bestehen aber nicht. Im übrigen gelten die genannten Einschränkungen auch für anerkannte Asylbewerber.

Begründet damit die Flüchtlingsanerkennung seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes aufenthaltsrechtlich die selbe Rechtsstellung wie die Anerkennung als Asylberechtigter (vgl. Renner, a.a.O. § 25 AufenthG Rn. 18), so besteht kein Anlass zu einer unterschiedlichen Behandlung hinsichtlich des Erlasses einer Abschiebungsandrohung. Wenn § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gleichwohl lediglich für anerkannte Asylbewerber den Erlass einer Abschiebungsandrohung - ebenso wie daran anknüpfend in § 38 Abs. 1 AsylVfG die Setzung einer Ausreisefrist von einem Monat - ausdrücklich ausschließt, nicht aber für anerkannte Flüchtlinge, so erscheint dies als ein gesetzgeberisches Versehen, das im Wege einschränkender Auslegung der Vorschrift zu beheben ist. Allerdings hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 34 AsylVfG bei Erlass des Zuwanderungsgesetzes "in die Hand genommen", indem er die Verweisung auf die §§50 und 51 Abs. 4 AuslG durch die Verweisung auf die §§ 59, 60 Abs. 10 AufenthG ersetzt hat (Art. 3 Nr. 24 des Zuwanderungsgesetzes, BGBl. I 2004 S. 1950, 1992), und über § 60 Abs. 10 AufenthG auch die Verbindung zu § 60 Abs. 1 AufenthG hergestellt hat. Dieser Umstand steht der einschränkenden Auslegung aber nicht entgegen (so aber Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 100). Denn nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/420 S. 100, zu Art. 3 Nr. 24 ZuwanderungsG) hat insoweit lediglich eine redaktionelle Anpassung stattgefunden. Dass dabei auch die Folgen der veränderten aufenthaltsrechtlichen Stellung des anerkannten Flüchtlings und seiner aufenthaltsrechtlichen Gleichstellung mit dem anerkannten Asylbewerber bedacht worden wären, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht.

Maßgeblich ist, dass die Ermächtigung des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG an die Ausreisepflicht anknüpft, die sich aus der Erfolglosigkeit eines Asylantrags ergibt, und voraussetzt, dass es einen Aufenthalt in Deutschland gegebenenfalls im Wege der Verwaltungsvollstreckung zu beenden gilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.08.2005 - 1 C 29.04 -, NVwZ 2006, 96). Die Ausreisepflicht ist Grundlage der Abschiebungsandrohung; mit ihrem Wegfall erledigt sich die Abschiebungsandrohung (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.1999 - 9 C 12.99 - NVwZ-Beil. 2000, 25, 27). Die Abschiebungsandrohung setzt damit eine Ausreisepflicht voraus (vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 34 Rn. 72). Entsteht eine Ausreisepflicht nicht, so ist auch keine Abschiebungsandrohung zu erlassen. Eine gleichwohl erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig und auf eine Anfechtungsklage hin aufzuheben (zu § 59 AufenthG vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 59 Rn. 137; zu § 50 AuslG vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 04.03.1999 - 13 S 742/98 -, NVwZ-Beil. I 1999, 84).

Seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 01.01.2005 ist der anerkannte Flüchtling regelmäßig zu keinem Zeitpunkt ausreisepflichtig. Die Entstehung der Ausreisepflicht wird im AsylVfG nur mittelbar über die Vorschrift des § 67 Abs. 1 AsylVfG betreffend das Erlöschen der Aufenthaltsgestattung geregelt. Hieran knüpft die Vorschrift des § 50 Abs. 1 AufenthG an (vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 34 Rn. 72.2). Danach setzt die Ausreisepflicht voraus, dass der Ausländer einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. Dem gemäß ist auch derjenige nicht ausreisepflichtig, für den ein Aufenthaltstitel nicht erforderlich ist, z.B. weil für die Dauer des Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung vorliegt, § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Ebenso steht eine Erlaubnisfiktion wie die des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Ausreisepflicht entgegen (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 50 Rn. 9 f.).

Für den anerkannten Flüchtling besteht danach regelmäßig zu keinem Zeitpunkt eine Ausreisepflicht, zwecks deren Durchsetzung eine Abschiebungsandrohung erlassen werden könnte. Insbesondere entsteht eine Ausreisepflicht nicht durch die Entscheidung des Bundesamtes. Die während der Dauer des Asylverfahrens geltende Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, die mit der Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamtes endet (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG), wird sogleich von der Erlaubnisfiktion gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG abgelöst. Erst recht besteht keine Ausreisepflicht, wenn dem anerkannten Flüchtling gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist.

Auch während der Geltung der Erlaubnisfiktion gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist der anerkannte Flüchtling nicht ausreisepflichtig. Allerdings gilt für die in § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG geregelte Erlaubnisfiktion, dass sie zwar die Ausreisepflicht gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausschließt, aber - wie bereits ausgeführt - gleichwohl nicht die Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG hindert. Folgerungen für die Wirkung der Erlaubnisfiktion gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG können daraus jedoch nicht gezogen werden (so aber wohl Funke-Kaiser, GK-AufenthG § 59 Rn. 100). Dies gilt zunächst im Hinblick auf die besondere Regelung des § 43 Abs. 2 AsylVfG, aus der sich ergibt, dass die Erlaubnisfiktion gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Abschiebung nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens nicht entgegen stehen soll (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG § 59 Rn. 12). Hingegen soll der anerkannte Flüchtling - wie § 25 Abs. 2 AufenthG zu entnehmen ist - gerade nicht abgeschoben werden. Im übrigen wird das Vorliegen einer Erlaubnisfiktion gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bereits mit Wirksamwerden der Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG regelmäßig ohnehin nicht in Betracht kommen. Ein vor rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vermag die Fiktionswirkung nicht auszulösen, weil sie nach § 55 Abs. 2 AsylVfG mit der Aufenthaltsgestattung nicht vereinbar ist; im Falle der aufenthaltsrechtlichen Antragstellung nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens werden bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Abs. 3 AufenthG regelmäßig nicht vorliegen (vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG § 43 Rn. 11). Hingegen schließt sich die Fiktionswirkung des § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG an den rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens nahtlos an. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Erlaubnisfiktion gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG um die Vorwirkung einer zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis und die Ausprägung einer materiellrechtlichen Rechtsstellung handelt, die deshalb ein stärkeres Gewicht besitzt als das bloß verfahrensbegleitende vorläufige Aufenthaltsrecht gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Diese unterschiedliche Bedeutung der Regelungen kommt auch in ihrer unterschiedlichen Reichweite zum Ausdruck: Während § 81 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 AufenthG eine Erlaubnisfiktion (nur) "bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde" vorsieht, regelt § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG eine solche "bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis".

Durch die einschränkende Auslegung des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG dahingehend, dass im Falle der Flüchtlingsanerkennung gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG eine Abschiebungsandrohung zu unterbleiben hat, verlieren die Sätze 1 und 3 des § 59 Abs. 3 AufenthG nicht ihre Bedeutung. Sie bleiben jedenfalls für alle Fälle der Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG anwendbar. Die Feststellung eines dieser Abschiebungsverbote begründet - anders als die Flüchtlingsanerkennung gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG - nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsrecht. Eine Aufenthaltserlaubnis wird in diesen Fällen - ebenso wie vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes auch in den Fällen der Flüchtlingsanerkennung - nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist, § 25 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AufenthG. Eine Erlaubnisfiktion entsprechend der Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist insoweit nicht vorgesehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Frage, ob das Bundesamt auch dann gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG eine Abschiebungsandrohung erlässt, wenn gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG eine Flüchtlingsanerkennung ausgesprochen wird, ist - auch wenn die Abschiebungsandrohung sich sodann im Regelfall durch die "komplikationslose" Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erledigen wird - in allen denjenigen Fällen von Bedeutung, in denen eine Abschiebung in einen anderen als den Verfolgerstaat in Betracht kommt.

Ende der Entscheidung

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