Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 16.08.2004
Aktenzeichen: 2 M 174/04
Rechtsgebiete: BBG, LEG M-V


Vorschriften:

BBG § 65 Abs. 2
LEG M-V § 68 Abs. 2
Ein Vollstreckungsbeamter eines Finanzamtes kann nicht in Nebentätigkeit als Immobilienmakler tätig sein.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 2 M 174/04

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Recht der Landesbeamten

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 16. August 2004 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 6. Kammer - vom 07.06.2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 27.587,42 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller ist als Beamter in der Vollstreckungsabteilung eines Finanzamtes beschäftigt und begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung einer ihm von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11.02.2003 erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung zur "Vermittlung von Grundstücken und Gebäuden".

Durch Bescheid vom 22.01.2004 erklärte die Antragsgegnerin den "Widerruf" der Genehmigung und berief sich dabei auf eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen durch die Nebentätigkeit. Hintergrund hierfür war die Beschwerde eines anwaltlich vertretenen Immobilienmaklers, in der auch von der Unterrichtung der Presse die Rede war. Über den vom Antragsteller eingelegten Widerspruch ist - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden worden.

Das Verwaltungsgericht hat es durch Beschluss vom 07.06.2004 abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Die dagegen gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens erweist sich die erstinstanzliche Entscheidung jedenfalls im Ergebnis als richtig.

Der Auffassung des Antragstellers, der angefochtene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig, ist nicht zu folgen. Auch ist nicht - wie dies das Verwaltungsgericht aber wohl angenommen hat - von einem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens auszugehen; schon nach dem unstreitigen Sachverhalt - so wie er sich nach der Aktenlage darstellt - kann der Bescheid vom 22.01.2004 nur als offensichtlich rechtmäßig bewertet werden.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin die von ihr getroffene Regelung verfahrensrechtlich korrekt bezeichnet hat. Möglicherweise handelt es sich nicht um einen "Widerruf" nach § 68 Abs. 2 Satz 5 LBG M-V, sondern um eine Rücknahme im Sinne von § 48 VwVfG M-V. Eine eventuelle Falschbezeichnung wäre hier deshalb unschädlich, weil auch bei einer Rücknahme keine besonderen Ermessenserwägungen erforderlich gewesen wären (vgl. Fürst, GKÖD, Band I, K § 65 Rdn. 63), zumal sich der Antragsteller nicht darauf berufen hat, etwa Dispositionen im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG M-V getroffen zu haben. Im Übrigen könnte eine Ermessensbetätigung der Antragsgegnerin darin gesehen werden, dass sie dem Antragsteller eine Abwicklungsfrist eingeräumt hat.

Die Rechtswidrigkeit der Nebentätigkeitsgenehmigung folgt aus § 68 Abs. 2 LBG M-V. Danach ist die Genehmigung zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Dies ist hier zu bejahen. Ein Vollstreckungsbeamter eines Finanzamtes kann nicht in Nebentätigkeit Immobilienmakler sein.

Bei dem gesetzlichen Versagungsgrund der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen und seiner Konkretisierung in § 68 Abs. 2 LBG M-V (vgl. auch § 65 Abs. 2 BBG) handelt es sich um verwaltungsgerichtlich voll nachprüfbare unbestimmte Rechtsbegriffe, die eine Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn ausschließen (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 09.04.1996 - 3 M 21/96 -, SchlHAnz. 1995, 252). Wenn das Gesetz von Besorgnis spricht, so bedeutet dies, dass die Beeinträchtigung nicht sicher erwartet zu werden braucht, sie muss auch nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten; andererseits genügt aber auch die rein theoretische, jedoch nach den Umständen des konkreten Falles fernliegende Möglichkeit einer Beeinträchtigung nicht (vgl. Fürst, aaO. Rdn. 37 mwN.). Der Gesetzgeber hebt bei den Beispielsfällen in § 68 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 LBG M-V darauf ab, welche Auswirkungen die Nebentätigkeit haben "kann". So ist eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen u.a. dann zu besorgen, wenn die Nebentätigkeit

- den Beamten in Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten bringen kann (vgl. § 68 Abs. 2 Nr. 2 LBG M-V),

- in einer Angelegenheit ausgeübt wird, in der die Behörde, der der Beamte angehört, tätig wird oder tätig werden kann (vgl. § 68 Abs. 2 Nr. 3 LBG M-V),

- dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann (vgl. § 68 Abs. 2 Nr. 6 LBG M-V).

Mit den Regelungen soll zum einen sicher gestellt werden, dass die Nebentätigkeit nicht die Amtstätigkeit beeinflusst, zum anderen soll aber auch verhindert werden, dass die Amtstätigkeit dem Beamten zu unlauteren Vorteilen bei seiner Nebentätigkeit verhilft. Dabei ist nicht nur auf den Beamten abzustellen, um dessen Nebentätigkeit es geht. Es genügt bereits, wenn die Beeinflussung bei anderen Beamten gegeben ist, etwa aus kollegialer Rücksichtnahme. Ein unlauterer Vorteil liegt nicht nur dann vor, wenn der Beamte Kenntnisse ausnutzen kann, die er unmittelbar aus seiner Amtstätigkeit gewonnen hat. Auch etwa aus Gesprächen unter Kollegen kann sogenanntes "Insider-Wissen" herrühren, dass sich für die Ausübung der Nebentätigkeit als nützlich erweisen kann. In den oben wiedergegebenen gesetzlichen Beispielsfällen kommt zum Ausdruck, dass die gesamte "Behörde" in den Blick zu nehmen ist (vgl. § 68 Abs. 2 Nr. 3 LBG M-V) und dass es letztlich auch um das "Ansehen der öffentlichen Verwaltung" insgesamt geht (vgl. § 68 Abs. 2 Nr. 6 LBG M-V). Der zu vermeidende Gewissenskonflikt kann übrigens auch mit umgekehrten Vorzeichen auftreten. Dies wäre gegeben, wenn aus der Nebentätigkeit Kenntnisse gewonnen würden, die sich für die Amtstätigkeit verwerten ließen. Zwar würde es für den Dienstherrn einen finanziellen Vorteil bedeuten, wenn sein Beamter, nachdem er in Nebentätigkeit die Veräußerung einer Immobilie betreut hätte, danach die Rollen tauschen und als Vollstreckungsbeamter auf den Erlös der Immobilie zugreifen würde. Ein solches Verhalten wäre aber anrüchig und würde das Ansehen der öffentlichen Verwaltung schädigen.

Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall führt zu dem Ergebnis, dass hier eine Kollision zwischen privaten und dienstlichen Interessen festzustellen ist. Dies gilt für den Fall, dass der Antragsteller als Makler einen Hausverkäufer betreut, bei dem das Finanzamt Steuerschulden einzutreiben sucht. Es liegt dann im Provisionsinteresse des Antragstellers, den Verkauf zu beschleunigen, damit dies nicht durch eine Vollstreckungsmaßnahme des Finanzamtes verhindert wird. Demgegenüber führt die private Veräußerung der Immobilie dazu, dass dem Finanzamt eine Zugriffsmöglichkeit entzogen wird, so dass dienstlichen Belangen geschadet wird. Dieser Interessenkonflikt lässt sich auch nicht dadurch lösen, dass der Antragsteller dienstlich nur für die Vollstreckung in das mobile Vermögen eingesetzt wird und die Nebentätigkeit - wie in der Genehmigung vom 11.02.2003 geschehen - auf den Wohnort des Antragstellers beschränkt wird oder ihm - wie im Laufe des Verfahrens erfolgt - ein "Begehungsbezirk" zugeteilt wird, der seinen Wohnort nicht mit erfasst. Zum einen ist der Antragsteller im Vertretungsfall weiterhin für seinen Wohnort zuständig, zum anderen geht es - wie ausgeführt - nicht nur um das originäre Insider-Wissen des Beamten. Mag man es auch noch als problematisch ansehen, den Grad der Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, mit der das Eintreten des beschriebenen Falles zu erwarten ist, so ist jedenfalls der Ansehensverlust im Sinne von § 68 Abs. 2 Nr. 6 LBG M-V mit Händen zu greifen, wenn bekannt wird, dass der Antragsteller neben seinem Hauptamt als Vollstreckungsbeamter beim Finanzamt als Makler tätig ist. In der Öffentlichkeit entstünde der Eindruck, dass ein Beamter dienstlich an einer Quelle sitzt, aus der er zum Vorteil seines privaten Gewerbes schöpfen kann. Auf die Frage, ob der Antragsteller derartiges getan hat oder zu tun beabsichtigt, kommt es dabei nicht an.

Danach vermögen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung die Rechtsposition des Antragstellers nicht zu verbessern. Da der angefochtene Bescheid - wie dargestellt - offensichtlich rechtmäßig ist, kann dem Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorläufig verschont zu werden, nicht der Vorrang eingeräumt werden. Dies gilt auch für den Fall, dass die Antragsgegnerin bei sorgfältiger Prüfung die Nebentätigkeit von vornherein hätte versagen müssen. Wenn es die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu Unrecht ermöglicht hat, die Nebentätigkeit etwa ein Jahr lang auszuüben, so bedeutet dies nicht, dass er erwarten könnte, die Tätigkeit fortzusetzen, nachdem die Antragsgegnerin erkannt hat, dass sie nicht genehmigungsfähig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 72 GKG, 13 Abs. 1 a.F. GKG. Auch wenn sich der vom Antragsteller genannte Betrag nicht - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - auf ein halbes, sondern auf ein volles Jahr bezieht, so ist der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Betrag gleichwohl richtig. Er ist hier nicht deswegen zu halbieren, weil es um vorläufigen Rechtsschutz geht; denn das Obsiegen des Antragstellers würde die Hauptsache praktisch vorwegnehmen, da er in diesem Fall von der Nebentätigkeit uneingeschränkt würde Gebrauch machen können.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 a.F. GKG, 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück