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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 29.11.2004
Aktenzeichen: 2 M 224/04
Rechtsgebiete: SchulG M-V


Vorschriften:

SchulG M-V § 45
Zum Aufnahmeanspruch des Schülers, wenn die betreffende Klasse die festgelegte Schülermindestzahl nicht erreicht.

Zum Verfahren auf Erteilung einer Ausnahme für die Bildung einer kleinen ("untermaßigen") Klasse.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

2 M 224/04 2 M 225/04 2 M 226/04 2 M 227/04 2 M 228/04 2 M 229/04 2 M 230/04 2 M 231/04

In den Verwaltungsstreitsachen

wegen Schulrecht

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 29. November 2004 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Schwerin - 6. Kammer - vom 15.07.2004 werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten ihrer jeweiligen Beschwerdeverfahren.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für jedes Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bildung einer kleinen (bzw. wie die Beteiligten es ausdrücken "untermäßigen") Klasse.

Die Antragsteller, Schüler, die im Schuljahr 2003/2004 die 4. Klasse besucht haben, begehren gegen die Antragsgegnerin in ihrer Eigenschaft als Trägerin der Regionalen Schule Kröpelin eine einstweilige Anordnung, um zu erreichen, dass diese für das Schuljahr 2004/2005 eine 5. Klasse (Eingangsklasse) einrichtet und sie aufnimmt.

Die Antragsgegnerin ist dem Begehren entgegengetreten und hat insbesondere auf die Erforderlichkeit einer Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V abgestellt, um die sie sich gegenüber der obersten Schulaufsichtsbehörde bemüht habe. Ein von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang betriebenes Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben (vgl. Beschluss des Senats von heute - 2 M 232/04 -).

Seit Beginn des Schuljahres 2004/2005 besuchen die Antragsteller andere Schulen und zwar auf Grund von entsprechenden Zuweisungen durch das beigeladene Schulamt.

Das Verwaltungsgericht hat den Antragstellern den begehrten vorläufigen Rechtsschutz durch Beschlüsse vom 15.07.2004 versagt.

Die Antragsteller haben innerhalb der Beschwerdefrist Anträge auf Prozesskostenhilfe für noch durchzuführende Beschwerdeverfahren gestellt, denen der Senat im Oktober bzw. November 2004 entsprochen hat. Die Beschwerden sind binnen zwei Wochen nach den jeweiligen Entscheidungen über die Prozesskostenhilfeanträge eingelegt und begründet worden.

II.

Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Sie sind zulässig aber unbegründet.

Der Senat entscheidet über sie durch einen sogenannten Sammelbeschluss; d.h. die Entscheidungen werden lediglich einheitlich begründet, die Beschwerdeverfahren behalten aber ihre verfahrensrechtliche Selbstständigkeit (vgl. Beschluss des Senats vom 29.01.1993 - 2 N 10/93 -, NVwZ-RR 1994, 334).

Den Antragstellern ist wegen der Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Beschwerden (vgl. §§ 147 Abs. 1 Satz 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die versäumten Rechtshandlungen nach den Entscheidungen über die Prozesskostenhilfeanträge für die zweite Instanz rechtzeitig nachgeholt worden sind.

Die Beschwerden sind unbegründet, weil das Verwaltungsgericht die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt hat. Das Beschwerdevorbringen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigt keine für die Antragsteller günstigeren Entscheidungen. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht.

Für die rechtliche Beurteilung ist auszugehen von § 45 SchulG M-V in der Fassung, die die Vorschrift durch Art. 7 des Gesetzes zur Schaffung und Änderung haushaltsrechtlicher Bestimmungen vom 04.03.2004 (Haushaltsrechtsgesetz 2004/2005 - HRG 2004/2005 -, GVBl. Seite 74, bekanntgegeben am 12.03.2004) erhalten hat. Die Norm gilt nicht, wie in der Beschwerdebegründung vertreten wird, erst seit dem 01.08.2004, sondern bereits seit dem 13.03.2004 (so auch Beschlüsse des Senats vom 06.08.2004 - 2 M 198/04 und 2 M 199/04 -). Dies ergibt sich aus Art. 9 Abs. 3 HRG 2004/2005, wonach Art. 7 am Tage nach seiner Verkündung in Kraft tritt. Die Regelung ist einfach und klar und lässt keinen Raum für abweichende Auslegungen. Insbesondere trifft sie eine unmissverständliche Abgrenzung zu Art. 8 HRG 2004/2005, der ausdrücklich erst am 01.08.2004 in Kraft tritt. Auch aus Art. 8 HRG 2004/2005 selbst folgt in Bezug auf das In-Kraft-Treten von Art. 7 nichts anderes; danach kann das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur den Wortlaut des Schulgesetzes "in der vom 01.08.2004 an geltenden Fassung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern bekannt machen". Art. 8 HRG 2004/2005 trifft keine Regelung zum In-Kraft-Treten anderer Vorschriften, sondern stellt sich lediglich als Bekanntmachungsermächtigung für das zuständige Ministerium dar. Allenfalls könnte der in der Vorschrift enthaltenen Passage "in der vom 01.08.2004 an geltenden Fassung" entnommen werden, dass der Gesetzgeber eine (an anderer Stelle getroffene oder zu treffende) Regelung über das In-Kraft-Treten zu dem besagten Datum voraussetzt oder erwartet. Als eine solche Regelung kommt zwar Art. 9 HRG 2004/2005 in Betracht, diese Norm sieht allerdings - wie schon ausgeführt - nicht vor, dass Art. 7 am 01.08.2004 in Kraft tritt; eine derartige Bestimmung wird in Art. 9 nur bezüglich Art. 8 HRG 2004/2005 getroffen. Ob der Gesetzgeber (vorsorglich) an weitere (spätestens) am 01.08.2004 in Kraft tretende Bestimmungen gedacht hat oder ob es sich um einen bloßen Hinweis auf das am 01.08.2004 beginnende neue Schuljahr (vgl. § 57 SchulG M-V) und die sich auf dieses Schuljahr auswirkenden Vorschriften handelt, spielt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Rolle.

Die Wirksamkeit der Änderung des Schulgesetzes ist auch nicht deshalb in Frage zu stellen, weil sie - wie es in der Beschwerdebegründung heißt - in Haushaltsrecht "eingebettet" worden ist. Dass der Gesetzgeber die Änderung als "haushaltsrechtliche Bestimmung" eingeordnet hat, berührt die Ordnungsmäßigkeit des Zustandekommens nicht, es lässt allerdings Rückschlüsse auf die Motive zu, die den Gesetzgeber bewogen haben, das Schulgesetz zu ändern (vgl. auch Beschluss des Senats von heute, a.a.O.).

Dass Schüler sich gegenüber dem Schulträger auf § 45 SchulG M-V berufen können, hat der Senat bereits entschieden. Die Vorschrift begründet unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch des Schülers auf Aufnahme in die örtlich zuständige Schule (vgl. Beschluss des Senats vom 05.08.2002 - 2 M 101/02 -). Dem steht die Verpflichtung der Schule bzw. ihres Trägers gegenüber, die Beschulung zu ermöglichen, d.h. auch die entsprechende Klasse einzurichten (vgl. Beschluss des Senats vom 22.08.2002 - 2 M 126/02 -).

Dies gilt aber nicht uneingeschränkt. So besteht der Anspruch des Schülers gemäß § 45 Abs. 4 Satz I SchulG M-V nicht (mit der Folge, dass auch die ihm gegenüber stehende Pflicht der Schule entfällt), wenn bestimmte Schülermindestzahlen nicht erreicht werden. Diese sind in § 45 Abs. 4 Satz 2 SchulG M-V für die einzelnen Schularten festgelegt. Dabei wird auf die Bildung der Eingangsklasse abgestellt und zwischen Ein- und Mehrzügigkeit unterschieden. Für die einzügige Regionale Schule beträgt die Schülermindestzahl 22 (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 SchulG M-V). Das Gesetz überlässt "weiteres zu den Schülermindestzahlen" der Rechtsverordnung auf der Grundlage von § 69 Nr. 10 SchulG M-V (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 3 SchulG M-V). Eine solche Regelung stellt § 2 Abs. 7 UntVersVO 2004/2005 (Mitteilungsblatt des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern, Seite 318) dar, der - soweit hier von Bedeutung - folgendermaßen lautet:

Für die Bildung von Eingangsklassen gelten folgende Schülermindestzahlen:

Regionale Schule bei Einzügigkeit 22

bei Mehrzügigkeit oder bei Einzügigkeit und gleichzeitiger Überschreitung der Schulwegzeit von 60 Minuten bei Aufhebung der Schule 14.

Das weitere Verfahren für den Fall, dass die Schülermindestzahlen nicht erreicht werden, ist in den letzten Sätzen von § 45 Abs. 4 SchulG M-V geregelt.

Drei Möglichkeiten werden in § 45 Abs. 4 Satz 4 SchulG M-V erwähnt, zum Teil durch Verweisung auf andere Vorschriften. Zunächst kommt eine "Regelung nach § 46 Abs. 2" in Betracht, d.h. eine Änderung des Einzugsbereichs der betroffenen Schule. Dabei dürfte insbesondere an eine solche Vergrößerung des Einzugsbereiches gedacht sein, die zur Folge hätte, dass die erforderliche Schülermindestzahl doch erreicht wird. Zuständig hierfür sind die Landkreise und kreisfreien Städte (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V); allerdings sind an Verfahren auch der Schulträger ("Benehmen") und das Schulamt ("Genehmigung") zu beteiligen. Dass eine solche Regelung hier getroffen worden oder auch nur in Betracht zu ziehen gewesen wäre, ist nicht vorgetragen worden.

Als Zweite Alternative nennt § 45 Abs. 4 Satz 4 SchulG M-V die "Entscheidung des Schulträgers nach § 108". Die Regelung sieht Beschlüsse der Schulträger über Errichtung, Organisationsänderung und Aufhebung von Schulen vor. Hierfür ist die Genehmigung der obersten Schulaufsichtsbehörde erforderlich (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 SchulG M-V). Auch für das Vorliegen einer solchen Entscheidung gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere hat die Antragsgegnerin gerade nicht die Aufhebung der Schule beschlossen.

Drittens kommt nach § 45 Abs. 4 Satz 4 SchulG M-V in Betracht, dass die Schüler "einer anderen Schule" zugewiesen werden. Für die Zuweisungsentscheidung ist das Schulamt zuständig, das den die Schüler aufnehmenden Schulträger zu beteiligen hat ("Einvernehmen"). Außerdem ermöglicht § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V für Ausnahmefälle eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Eingangsklasse bei Unterschreiten der Schülermindestzahlen, vereinfacht ausgedrückt: der Schulträger darf dann eine kleine Klasse einrichten (zu den Auswirkungen von § 45 Abs. 4 Satz 2, 5 SchulG M-V auf die organisatorischen Möglichkeiten des Schulträgers vgl.: Beschluss des Senats von heute, a.a.O.).

In welcher Beziehung die anderweitige Zuweisung nach § 45 Abs. 4 Satz 4 SchulG M-V zu der Ausnahmeentscheidung nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V steht, bedarf der Erläuterung. Die Maßnahmen sind nicht unabhängig voneinander zu treffen; es kommt ersichtlich nur entweder die eine oder die andere in Betracht. Regelmäßig dürfte es aber sinnvoll sein, die Entscheidung nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V vor der Entscheidung über die anderweitige Zuweisung zu treffen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 06.08.2004, a.a.O.). Die Zulassung einer Ausnahme ginge ins Leere, wären die Schüler bereits zuvor einer anderen Schule zugewiesen worden. Ob die Zuweisung revidierbar wäre, wenn die Ausnahme zugelassen würde, bedarf hier keiner weiteren Erörterung, da der Fall so nicht liegt. Würde dagegen die Zulassung einer kleinen Klasse versagt, dürfte - sieht man von den anderen Alternativen des § 45 Abs. 4 Satz 4 SchulG M-V ab - die anderweitige Zuweisung der Schüler geboten sein.

Dass die Entscheidung über die Zulassung einer kleinen Klasse und die anderweitige Zuweisung aufeinander abzustimmen sind, zeigt sich auch daran, dass bei beiden Entscheidungen die Frage der (zumutbaren) Entfernung eine Rolle spielt. Wann eine Entfernung unzumutbar ist, definiert das Schulgesetz selbst nicht ausdrücklich. § 2 Abs. 7 Nr. 4 UntVersVO 2004/2005 spricht aber dafür, für die Schüler einer Regionalen Schule jedenfalls dann Unzumutbarkeit zu bejahen, wenn eine Schulwegzeit von 60 Minuten überschreiten und immerhin noch eine Schülerzahl von 14 erreicht wird.

Wie das Verfahren zur Entscheidung über eine Ausnahme bzw. zur anderweitigen Zuweisung in Gang gesetzt und wie es im Einzelnen abläuft, ist weder im Gesetz noch in der bereits erwähnten Verordnung geregelt. Insbesondere ist nicht normiert, ob für die Ausnahmeentscheidung ein Antrag erforderlich ist und von welcher Seite dieser gegebenenfalls zu stellen wäre. Immerhin kann aber davon ausgegangen werden, dass die Initiative sowohl vom Schulträger als auch von den Schülern bzw. ihren Erziehungsberechtigten ergriffen werden kann. Der Schulträger ist in erster Linie Adressat der Ausnahmeentscheidung, ihm wird damit die Einrichtung der kleinen Klasse rechtlich ermöglicht (vgl. Beschluss von heute, a.a.O.). Für den Schulträger sprechen auch rein praktische Gründe; denn er verfügt nach Ablauf der Anmeldefrist (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 1 SchulG M-V) über die für das Ausnahmeverfahren erforderlichen Informationen, insbesondere kennt er die Zahl der angemeldeten Schüler und deren Anschriften, so dass er auch zumindest einen gewissen Überblick über eventuelle Schulwegzeiten zu benachbarten Schulen haben dürfte.

Die betroffenen Schüler werden jedenfalls bei dem einzigen in § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V genannten Beispielsfall durch die Ausnahmeentscheidung begünstigt, denn sie sorgt dafür, dass sie nicht eine Schule besuchen müssen, die in unzumutbarer Entfernung liegt. Letztlich kommt es hier nicht darauf an, ob auch Schülern bzw. ihren Erziehungsberechtigten die Befugnis zusteht, Rechte aus § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V unmittelbar gegenüber der obersten Schulaufsichtsbehörde geltend zu machen, da die Antragsteller nur gegen den Schulträger vorgegangen sind. Für eine Antragsbefugnis spricht aber, dass die Schüler zu den von der Ausnahme Begünstigten gehören. Insbesondere dürfte ihnen das Antragsrecht dann nicht abzusprechen sein, wenn der Schulträger seinerseits die Einrichtung der kleinen Klasse nicht befürwortet und (konsequent) auch keinen eigenen Antrag bei der obersten Schulaufsichtsbehörde stellt. Denkbar wäre aber wohl auch, dass sich die Schüler ausschließlich an den Schulträger wenden, der seinerseits gehalten sein könnte, die oberste Schulaufsichtsbehörde zu beteiligen oder dass eine eventuelle anderweitige Zuweisung angefochten wird und im Rahmen dieses Verfahrens die Erteilung der Ausnahmegenehmigung durch die oberste Schulaufsichtsbehörde geprüft wird. Dies bedarf hier aber keiner weiteren Prüfung, da die Antragsteller nur gegen den Schulträger und dieser seinerseits wiederum gegen die oberste Schulaufsichtsbehörde vorgegangen ist.

Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, es gehe in § 45 SchulG M-V nur um den Aufnahmeanspruch des Schülers, sie selbst werde aber nicht gehindert, auch kleine Klassen einzurichten, ist dem nicht zu folgen, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Antragsgegnerin dadurch mit ihrem eigenen prozessualen Verhalten in Widerspruch setzt. Zwar beeinflussen die Bestimmungen des § 45 Abs. 4 SchulG M-V - wie erwähnt - auch den von § 45 Abs. I SchulG M-V grundsätzlich gewährten Aufnahmeanspruch. Die Regelung über die Schülermindestzahlen richten sich aber unmittelbar an die Schulträger und bewirken eine Einschränkung ihrer rechtlichen Möglichkeiten (vgl. Beschluss des Senats von heute, a.a.O.). Dem hat auch die Antragsgegnerin dadurch Rechnung getragen, dass sie eine Ausnahmeentscheidung nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V beantragt hat.

Zum weiteren Gang des Verfahrens ist schließlich anzumerken, dass bei gegebener Veranlassung die Landkreise auch als Träger der Schülerbeförderung (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 SchulG M-V) einzubeziehen sein könnten. Die eventuell erforderlichen Überprüfungen, ob eine bestimmte Entfernung den Schülern noch zuzumuten ist, wird sich jedenfalls in Grenzfällen schwerlich ohne Beteiligung des Trägers der Schülerbeförderung treffen lassen.

Die Entscheidung der obersten Schulaufsichtsbehörde nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V sollte jedenfalls dann der Entscheidung des Schulamts nach § 45 Abs. 4 Satz 4 SchulG M-V vorausgehen, wenn - wie hier - der Schulträger sich selbst (auch) um die Zulassung einer kleinen Klasse bemüht. Denn es ist keine anderweitige Zuweisung erforderlich, wenn die Zulassung erteilt und die Klasse daraufhin auch gebildet wird. Für diese Verfahrensweise spricht auch, dass es anderenfalls zu Rollenverteilungen kommen kann, die dem sachlichen Streitstoff nicht gerecht werden: Der Schulträger wird von den Schülern bzw. ihren Erziehungsberechtigten in Anspruch genommen auf Bildung einer kleinen Klasse, muss sich dagegen aber, obwohl er selbst die kleine Klasse befürwortet, zur Wehr setzen, weil er an deren Bildung rechtlich gehindert ist, solange nicht die erforderliche Ausnahme zugelassen ist.

Aus den vorstehenden Ausführungen lassen sich folgende Verfahrensschritte zusammenfassen:

1. Schritt: Die Schule bzw. der Träger stellt fest, dass die Schülermindestzahl nicht erreicht wird (eventuell Prüfung einer Entscheidung nach § 108 SchulG M-V).

2. Schritt: Der Schulträger informiert:

a) den Landkreis als Träger der Schülerbeförderung und wegen einer eventuellen Entscheidung nach § 46 Abs. 2 SchulG M-V,

b) das Schulamt, um entweder eine anderweitige Zuweisung oder eine Weiterleitung an die oberste Schulaufsichtsbehörde zwecks Erteilung einer Ausnahme zu erwirken (eventuell entsprechender Antrag),

c) die Schüler bzw. ihre Erziehungsberechtigten, damit auch diese frühzeitig reagieren können (z.B. Ausnahmeantrag, Umorientierung auf andere Schule).

3. Schritt: Die oberste Schulaufsichtsbehörde entscheidet über die ausnahmsweise Zulässigkeit einer kleinen Klasse.

4. Schritt: Das Schulamt weist die Schüler anderweitig zu, falls eine Ausnahme nicht zugelassen wird.

Der Zeitplan für die skizzierten Schritte sollte so ablaufen, dass der letzte nicht erst zum Ende der Sommerferien erfolgt, sondern so, dass es möglich ist, bis dahin auch noch gerichtlichen (Eil-) Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Bei der Zuweisungsentscheidung nach § 45 Abs. 4 Satz 4 SchulG M-V handelt es sich um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegeben ist (vgl. Beschluss des Senats vom 01.09.2004 - 2 M 223/04 -). Im Hinblick auf die Ausnahmeentscheidung im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V kommt eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht; insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.

Falls die anderweitige Zuweisung erfolgt, bevor über die Ausnahme entschieden ist, erscheint es aus der Sicht der Schüler bzw. ihrer Erziehungsberechtigten zumindest dringend geraten, die Zuweisungsentscheidung anzufechten und erforderlichenfalls auch vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. Beschluss des Senats vom 06.08.2004 - 2 M 199/04 -), wenn an dem Besuch der ursprünglich gewählten Schule festgehalten werden soll.

Die vorstehenden Ausführungen ergeben folgende "streitgerechte" gerichtliche Auseinandersetzungen um die Bildung einer kleinen Klasse:

a) Schulträger (eventuell auch Schüler bzw. Erziehungsberechtigte) gegen die oberste Schulaufsichtsbehörde gerichtet auf eine Zulassung nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V,

b) Schüler bzw. Erziehungsberechtigte gegen Schulamt gerichtet gegen die anderweitige Zuweisung nach § 45 Abs. 4 Satz 4 SchulG M-V,

c) Schüler bzw. Erziehungsberechtigte gegen Schulträger auf Aufnahme in noch zu bildende kleine Klasse (in erster Linie, wenn die oberste Schulaufsichtsbehörde die Ausnahme erteilt, der Schulträger die Bildung der kleinen Klasse aber ablehnt).

Die aufgezeigte Prozessrollenverteilung entspricht nicht nur den Interessen der einzelnen Beteiligten, sondern auch der Bedeutung, die der Entfernungsfrage in diesem Zusammenhang zukommt. Die Ausnahme nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V kommt insbesondere in Betracht, wenn - vereinfacht ausgedrückt - eine passende Schule in zumutbarer Entfernung nicht vorhanden ist; die Zuweisung an eine andere Schule setzt nach § 45 Abs. 4 Satz 4 SchulG M-V voraus, dass diese Schule in zumutbarer Entfernung liegt.

Die Anwendung der vorstehend entwickelten Grundsätze führt hier zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden zurückzuweisen sind. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Aufnahme in eine von der Antragsgegnerin zu bildende Klasse.

Die dafür erforderliche Ausnahme nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SchulG M-V ist nicht erteilt worden. Die Antragsteller haben eine solche Ausnahme auch nicht selbst bei der obersten Schulaufsichtsbehörde und - insoweit folgerichtig - auch keine entsprechenden einstweiligen Anordnungen gegen diese beantragt. Auch die Antragsgegnerin hat eine solche einstweilige Anordnung nicht erwirkt (vgl. Beschluss von heute, a.a.O.). Außerdem haben die Antragsteller die vom Beigeladenen bereits im April 2004 erlassenen Zuweisungsentscheidungen nicht angefochten. Diese dürften zwar noch nicht bestandskräftig sein, da sie keine Rechtsmittelbelehrungen enthalten. Gleichwohl sind sie seit Beginn des Schuljahres vollzogen worden, ohne dass sich die Antragsteller dagegen gegenüber dem Beigeladenen gewährt hätten. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdebegründung letztlich auch nicht entnehmen lässt, dass die Schulen, die die Antragsteller seit Beginn des Schuljahres jeweils besuchen, nicht in einer zumutbaren Entfernung liegen. Auf die insoweit von den Antragstellern früher gemachten Angaben ist hier bereits wegen der schon erwähnten Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht zurückzugreifen. Außerdem ging es dabei noch um von den Antragstellern lediglich erwartete Schulwegzeiten. In der Beschwerdebegründung hätte demgegenüber angegeben werden können, wie lang die Schulwegzeiten tatsächlich jeweils sind; denn die Beschwerden sind - wie erwähnt - erst einige Monate nach Beginn des Schuljahres eingelegt worden.

Die Kostenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzungen beruhen auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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