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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 29.08.2006
Aktenzeichen: 2 M 30/06
Rechtsgebiete: HRG, LHG M-V, GG


Vorschriften:

HRG § 43
LHG M-V § 32 Abs. 2
LHG M-V § 57
GG Art 5 Abs. 3 Satz 1
Ein Hochschullehrer ist, wenn dies zur Sicherstellung des notwendigen Lehrangebots der Hochschule erforderlich ist, verpflichtet, Lehrveranstaltungen außerhalb des Kernbereichs "seines" Fachs zu übernehmen.
2 M 30/06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 29. August 2006 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin - 1. Kammer - vom 15.02.2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 5.000,-- Euro festgesetzt; die erstinstanzliche Festsetzung wird von Amts wegen geändert.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit 1996 beamteter Fachhochschulprofessor für Vermessungskunde im Fachbereich Bauingenieurwesen und begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Anweisung der Hochschulleitung, wonach er bestimmte Lehrveranstaltungen abzuhalten hat.

Am 10.03.2004 beschloss der Fachbereichsbeirat, dem Antragsteller ab dem Wintersemester 2004/2005 die Lehrveranstaltungen "Darstellende Geometrie" zu übertragen. Die Fachbereichsleitung teilte dem Antragsteller den Beschluss durch Bescheid vom 21.04.2004 mit, den vom Antragsteller eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 23.07.2004 zurück. Die dagegen erhobene Klage - 1 A 2182/04 - ist beim Verwaltungsgericht anhängig.

Unter dem 20.12.2005 wies der Antragsgegner den Antragsteller an, ab Sommersemester 2006 Lehrveranstaltungen im Grundlagenfach "Darstellende Geometrie" abzuhalten und ordnete die sofortige Vollziehung an. Über den dagegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers ist - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden worden.

Den Antrag, die aufschiebende Wirkung des zuletzt genannten Widerspruchs wiederherzustellen, hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 15.02.2006 abgelehnt. In den Gründen heißt es u.a.: Die Weisung vom 20.12.2005 entspreche den Lehrverpflichtungen des Antragstellers auf Grund der Umwidmung seiner Professur von "Vermessungskunde" in "Vermessungskunde, Darstellende Geometrie, Mathematik", wie sie durch Bescheid des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern durch Bescheid vom 04.05.2005, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 20.12.2005, erfolgt sei. Gegen die Umwidmung richte sich zwar die vom Antragsteller erhobene Klage 1 A 89/06. Das Ministerium habe aber im Widerspruchsbescheid die sofortige Vollziehung der Umwidmung angeordnet.

Der Antragsteller hat gegen den Beschluss vom 15.02.2006 Beschwerde eingelegt und zur Begründung u.a. auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 03.03.2006 - 1 B 88/06 - hingewiesen, durch den die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Umwidmung wiederhergestellt worden ist.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Ob die Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt (zu neuem Vorbringen vgl. Beschl. des Senats vom 30.03.2006 - 2 M 170/05 -), bedarf hier keiner Prüfung, da der Antragsteller jedenfalls in der Sache keinen Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz hat.

Ob sich dieser hier - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet oder ob eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht kommt, hängt davon ab, ob die streitige Anweisung als (belastender) Verwaltungsakt zu bewerten ist oder ob es sich lediglich um eine als Umsetzung zu behandelnde Aufgabenzuteilung handelt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.02.2000 - 2 M 4574/99, 5 M 120/00 -, DVBl. 2000, 713; VG Freiburg, Urt. v. 20.09.2004 - 1 K 1910/03 -, zit. nach juris; vgl. zur Abgrenzung allgemein Beschl. des Senats v. 24.07.1998 - 2 M 32/98 -). Schließlich bedarf es auch keiner abschließenden Klärung, ob der Antragsgegner am 20.12.2005 eine eigenständige Personalmaßnahme getroffen hat oder ob lediglich die bereits erwähnte Maßnahme vom 21.04.2004 aktualisiert und konkretisiert sowie mit einer Vollzugsanordnung versehen worden ist.

Dem Antragsteller bleibt der vorläufige Rechtsschutz jedenfalls deshalb versagt, weil die durch den Bescheid vom 21.04.2004 bzw. 20.12.2005 getroffene Personalmaßnahme sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird. Nach dem Sachverhalt, wie er von den Beteiligten bislang unterbreitet worden ist, geht der Senat nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung davon aus, dass der Antragsteller verpflichtet ist, die ihm übertragenen Lehrveranstaltungen abzuhalten. Ob die erwähnte Umwidmung seiner Professur rechtmäßig bzw. vollziehbar ist, spielt in diesem Zusammenhang allerdings keine Rolle.

Die umstrittene Personalmaßnahme findet ihre rechtliche Grundlage in §§ 32 Abs. 2, 57 LHG M-V. Nach § 32 Abs. 2 LHG M-V überträgt der Fachbereich seinen in der Lehre tätigen Angehörigen im Rahmen der für das Dienstverhältnis geltenden Regelungen bestimmte Lehraufgaben, soweit das zur Gewährleistung des in den Studienordnungen vorgesehenen Lehrangebots notwendig ist. Die Hochschullehrer sind im Rahmen der für ihr Dienstverhältnis geltenden Regelungen berechtigt und verpflichtet, Lehrveranstaltungen ihrer Fächer in allen Studiengängen und allen Studienbereichen abzuhalten und die zur Sicherstellung des Lehrangebots gefassten Entscheidungen der Hochschulorgane auszuführen (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 1 LHG M-V). Art und Umfang der von dem einzelnen Hochschullehrer wahrzunehmenden Aufgaben richten sich unter Beachtung der Absätze 1 bis 4 nach der Ausgestaltung seines Dienstverhältnisses und der Funktionsbeschreibung der jeweiligen Stelle (vgl. § 57 Abs. 6 Satz 1 LHG M-V). Die Aufgaben der einzelnen Professoren sollen fachlich möglichst breit festgelegt werden (vgl. § 57 Abs. 6 Satz 2 LHG M-V). Die Festlegung muss unter dem Vorbehalt einer Überprüfung in angemessenen Abständen stehen (§ 57 Abs. 6 Satz 3 LHG M-V).

Durch die genannten landesrechtlichen Normen werden die in § 43 HRG umrissenen Aufgaben der Hochschullehrer näher konkretisiert. Nach dieser Vorschrift nehmen die Hochschullehrer die ihrer Hochschule jeweils obliegenden Aufgaben in Wissenschaft, Forschung, Lehre und Weiterbildung nach näherer Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses selbstständig wahr. Die vorgenannten Regelungen sind nicht nur einfachgesetzlicher Ausdruck der verfassungsrechtlich verankerten Freiheit von Forschung und Lehre (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG); sie normieren zugleich die sich aus dem -ebenfalls in der Verfassung verankerten (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG) - öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis ergebenden Pflichten der Hochschullehrer als Beamte. Zu ihren dienstlichen Aufgaben zählt auch die Lehre. Zwar hat der Hochschullehrer auch ein Recht auf Lehre, er kann jedoch nicht völlig frei darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang er Lehrveranstaltungen durchführt. Zum einen kann eine Abstimmung mit anderen Hochschullehrern erforderlich sein. Zum anderen geht es auch um die Erfüllung des Anspruchs der Studierenden, dass die für ihre Ausbildung erforderlichen Lehrveranstaltungen auch tatsächlich von der Hochschule angeboten werden; auch dieser Anspruch ist verfassungsrechtlich verankert (vgl. Art. 12. Abs. 1 GG).

Die Koordination der verschiedenen an der Hochschule auftretenden rechtlich geschützten Interessen ist in erster Linie Sache des Lehrkörpers selbst. In den bereits genannten landes- und bundesrechtlichen Vorschriften kommt die Erwartung des jeweiligen Normgebers zum Ausdruck, dass die Hochschullehrer ihre Anteile an der Lehrleistung der Hochschule grundsätzlich selbst so bestimmen, dass damit das in den maßgeblichen Studienordnungen vorgesehene Lehrangebot abgedeckt wird. Nur wenn diese Selbstbestimmung nicht funktioniert, ist der Fachbereich berechtigt, Hochschullehrern notwendige Lehraufgaben zu übertragen (vgl. § 32 Abs. 2 LHG M-V).

Der Fachbereich hat allerdings den durch das jeweilige Dienstverhältnis des betroffenen Hochschullehrers vorgegebenen Rahmen zu beachten. Eine Aufgabenübertragung hält sich jedenfalls dann innerhalb dieses Rahmens, wenn sie von der in der Ruferteilung enthaltenen Funktionsbeschreibung abgedeckt ist. Diese ist im Interesse der Funktionsfähigkeit der Hochschule und ihrer ständigen Reformierungspflicht (vgl. § 9 LHG M-V) nicht eng zu verstehen, was auch aus § 57 Abs. 6 Satz 2 LHG M-V folgt, wonach die Aufgaben der einzelnen Professoren fachlich möglichst breit festgelegt sein sollen. Daraus folgt, dass Hochschullehrer in diesen Fällen nicht auf den Kernbereich "ihres" Faches beschränkt sind, sondern darüber hinaus auch in Materien eingesetzt werden können, die zugleich zu anderen Fächern (und dort evtl. auch im Schwerpunkt) gehören.

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller verpflichtet ist, die umstrittenen Lehrveranstaltungen abzuhalten.

Dass es sich bei der "Darstellenden Geometrie" um ein nach der maßgeblichen Studienordnung notwendiges Lehrangebot handelt, ist vom Antragsteller bestätigt worden, indem er selbst auf den Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen hingewiesen hat (vgl. Widerspruch vom 11.06.2004).

Das Fach ist auch nicht anderweitig abgedeckt, wie der Antragsteller aber in der Beschwerdebegründung wohl noch sinngemäß geltend gemacht hat. Mit der zwischenzeitlichen und befristeten Verpflichtung eines Lehrbeauftragten hat der Antragsgegner lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass der Antragsteller die ihm erteilte Aufgabenübertragung bislang nicht befolgt hat bzw. auch aus Krankheitsgründen nicht befolgen konnte. Der Vorsitzende des Fachbereichs hat in seiner Stellungnahme vom 25.06.2006 ausdrücklich bestätigt, dass der Beschluss des Fachbereichs vom 10.03.2004 weiterhin aktuell ist.

Die Aufgabenübertragung hält sich im Rahmen der durch das Dienstverhältnis vorgegebenen Regelungen. Die Ruferteilung vom 06.08.1996 enthält zwar keine eigene Funktionsbeschreibung, bezieht sich aber ausdrücklich auf die Bewerbung des Antragstellers, die auf einer Ausschreibung basiert, die er selbst auch mit der Klagebegründung vom 19.11.2004 - 1 A 2182/04 - vorgelegt hat. Die darin enthaltenen Angaben sind somit zur Beschreibung der vom Antragsteller ausgefüllten Funktion heranzuziehen. Aus der Ausschreibung ergibt sich die Verpflichtung, "die Vermessungskunde... ganzheitlich im Studiengang Bauingenieurwesen zu vermitteln". Weiter heißt es, die Bewerber müssten bereit sein, die jeweiligen Fachgebiete in Lehre und anwendungsbezogener Forschung zu vertreten. Gleichfalls würde erwartet, "dass sie nach Notwendigkeit auch Lehrveranstaltungen in den Grundlagenfächern des Fachbereiches übernehmen". Schon der erste der zitierten Sätze ist so auszulegen, dass der Antragsteller zur Übernahme der ihm übertragenen Aufgaben verpflichtet ist. Es handelt sich jedenfalls bei dem insoweit gebotenen weiten Verständnis um ein Fach der Vermessungskunde. Dieses weite Verständnis kommt übrigens auch im zitierten Text der Ausschreibung zum Ausdruck, wenn dort von "ganzheitlicher" Vermittlung die Rede ist. Das Grundlagenfach "Darstellende Geometrie" ist auch als Teil der Vermessungskunde zu bewerten. Dies folgt auch aus der im Widerspruchsbescheid vom 20.12.2005 zitierten Stellungnahme der Hochschule Neubrandenburg, die Vergleichshochschulen mit entsprechenden Lehrveranstaltungen im Studiengang Vermessungswesen - Geodäsie - angeführt hat. Der Antragsteller hat auch seinerseits eingeräumt, in seinem eigenen Studium Vorlesungen in der "Darstellenden Geometrie" besucht zu haben (Widerspruch vom 11.06.2004). Außerdem ist im vorliegenden Verfahren nach der insoweit maßgeblichen Dienstanweisung vom 20.12.2005 die "Darstellende Geometrie" vom Antragsteller nur noch als "Grundlagenfach" zu übernehmen, so dass ergänzend auch auf den letzten Satz des zitierten Ausschreibungstextes verwiesen werden kann. Ob - wie der Antragsteller offenbar meint - auch andere Hochschullehrer die Lehrveranstaltungen aus fachlicher Sicht übernehmen könnten, ist im Hinblick auf den Umfang der eigenen Lehrverpflichtung des Antragstellers ohne Bedeutung.

Soweit bei der Auswahl des Antragstellers Ermessen auszuüben war, sind Fehler nicht ersichtlich. Er ist deshalb ausgewählt worden, weil er seit längerem erheblich unterlastet ist. Im Bescheid vom 20.12.2005 heißt es, seine Lehrauslastung habe zuletzt unter 50 % gelegen; die übrigen im Fachbereich tätigen Kollegen seien bei weitem mehr ausgelastet. Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Wenn er sich darauf beruft, sich bereit erklärt zu haben, andere Lehrverpflichtungen zu übernehmen, rechtfertigt dies allein nicht die Annahme eines Ermessensfehlers. Außerdem muss der Antragsteller sich vorhalten lassen, dass er sich im Widerspruchsschreiben vom 11.06.2004 (Seite 7, vorletzter Absatz) einverstanden erklärt hat, Vorlesungen in der "Darstellenden Geometrie" zu übernehmen, wenn seine Professur auf C 3 angehoben würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht, soweit es für das Hauptsacheverfahren vom Auffangwert ausgegangen ist. Dieser ist hier aber nicht zu kürzen, weil der angestrebte vorläufige Rechtsschutz die Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorwegnimmt (vgl. 1.5 des Streitwertkatalogs, NVwZ 2004, 1327). Die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung basiert auf § 63 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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