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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 22.05.2008
Aktenzeichen: 2 M 58/08
Rechtsgebiete: BGB, AufenthG


Vorschriften:

BGB § 133
AufenthG § 50
Zur Auslegung eines belastenden Verwaltungsakts hier: Fristbestimmung in einer Ausreiseaufforderung.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

2 M 58/08

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausländerrecht

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern

am 22. Mai 2008

in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 2. Kammer - vom 26.03.2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (2 A 135/08) gegen die Bescheide vom 13.11.2007 (Ausgangsbescheid) und 17.01.2008 (Widerspruchsbescheid), durch die der Antragsgegner dem Antragsteller erteilte Aufenthaltstitel zurückgenommen und ihn unter Fristsetzung zur Ausreise aufgefordert hat.

Durch Beschluss vom 26.03.2008 hat das Verwaltungsgericht dem Antragsteller den begehrten vorläufigen Rechtsschutz versagt und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei in den angefochtenen Bescheiden hinreichend begründet worden; der Antragsgegner habe das Interesse des Antragstellers gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts abgewogen. Der Widerspruchsbescheid sei so zu verstehen, dass er keine im Ausgangsbescheid bezüglich der Ausreisefrist getroffenen Regelung zu Lasten des Antragstellers verändere. Es bleibe dabei, dass die gesetzte Frist im Falle der Klageerhebung erst einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Klageverfahrens ende. Die von ihr bestimmte Ausreisefrist könne die Ausländerbehörde zwar in besonderen Härtefällen verlängern; die Möglichkeit, die Ausreisefrist nachträglich zu verkürzen, sehe § 50 AufenthG aber nicht vor. Der Antragsgegner habe die Bestimmung der Ausreisefrist einen Monat nach unanfechtbarem Abschluss des Klageverfahrens auch nicht widerrufen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 166 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führt nicht zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.

Dem Verwaltungsgericht ist in seiner Auffassung, der Antragsgegner habe das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Bescheide hinreichend begründet, zu folgen.

Zwar genügen grundsätzlich formelhafte, allgemein gehaltene Redewendungen nicht dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Ausnahmsweise kann aber auf die Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsakts Bezug genommen oder es dürfen diese Erwägungen wiederholt werden, wenn sich daraus die besondere Dringlichkeit und die insoweit von der Behörde vorgenommene Interessenabwägung erkennen lässt. Ein (kurzer) Hinweis ist auch dann ausreichend, wenn die Gründe für die Vollzugsanordnung ohnehin bekannt oder offensichtlich sind (vgl. Beschl. des Senats v. 13.07.1993 - 2 M 39/93 -, m.w.N.).

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die umstrittene Vollzugsanordnung nicht zu beanstanden ist.

Zumindest seit Juni 2007 ist dem Antragsteller bekannt, dass gegen ihn und die Bedienstete, die ihm die unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt hat, strafrechtlich ermittelt wird. Ersichtlich darauf wird in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen, wenn es darin heißt, es liege ein öffentliches Interesse darin, "einen offensichtlichen Gesetzesmissbrauch zu unterbinden". Demgegenüber hat der Antragsteller weder gegenüber der Ausländerbehörde noch im Gerichtsverfahren geltend gemacht, auf welcher gesetzlichen Grundlage ihm die zurückgenommenen Aufenthaltstitel erteilt worden sein könnten.

Soweit der Antragsteller meint, die angefochtenen Bescheide seien im Hinblick auf die im Zusammenhang mit der Ausreiseaufforderung gesetzten Frist auslegungsbedürftig und deshalb rechtswidrig, ist ihm nicht zu folgen. In der Rechtsprechung ist seit langem geklärt, nach welchen Regeln Verwaltungsakte auszulegen sind. Dabei wird insbesondere auf die zu § 133 BGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen (vgl.: BVerwG, Urt. v. 11.11.2005 - 10 B 65.05 -, m.w.N. zit. nach juris). Eine der für Verwaltungsakte geltenden Auslegungsregeln besagt, dass wenn zwei Interpretationen möglich sind, dann die für den Betroffenen günstigere gilt, dabei geht es allerdings nicht um eine prozesstaktische Besserstellung, sodann darum, welches Verständnis der Regelung den Betroffenen in der Sache weniger belastet (vgl. Beschl. des Senats v. 22.12.2000 - 2 L 38/99 -, m.w.N., NVwZ 2002 Seite 104). Ein weiteres Interpretationsprinzip besagt, dass wenn die eine (mögliche) Auslegung des Verwaltungsakts dessen Rechtswidrigkeit, die andere (ebenfalls mögliche) dagegen zur Rechtmäßigkeit führt, der zweiten der Vorrang einzuräumen ist (vgl. OVG Münster, Urt. v. 31.05.1990 - 3 A 883/89 -, NVwZ-RR 1991 395 m.w.N.).

Ob das Verwaltungsgericht die Ausreisefristbestimmung in den angefochtenen Bescheiden im Ergebnis richtig ausgelegt hat, entzieht sich einer sachlichen Prüfung durch den Senat. Mit der diesbezüglichen Argumentation im angefochtenen Beschluss (vgl. Seite 10 ff. Beschlussabdruck), die sich aber ersichtlich an den soeben beschriebenen Grundsätzen orientiert, hat sich die Beschwerdebegründung nicht auseinandergesetzt, so dass die Beschwerde insoweit dem Begründungserfordernis nach § 146 Abs. 4 VwGO nicht genügt, wenn denn der Antragsteller sich nicht sogar dem vom Verwaltungsgericht gefundenen Auslegungsergebnis angeschlossen hat. Immerhin heißt es in Bezug darauf in der Beschwerdebegründung "Dieses Ergebnis ist allerdings nur im Wege der Auslegung zu erreichen". Allerdings weist der Antragsteller im selben Satz auch darauf hin, dass das Ergebnis "für einen Adressaten schlicht und einfach unverständlich" sei. Aber selbst wenn dies so gemeint sein sollte, dass der Antragsteller der Auffassung ist, die angefochtenen Bescheide seien auch nach Auslegung noch unklar, käme es hierauf für das Oberverwaltungsgericht nicht an, da insoweit eine sachliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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