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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: 2 N 14/04
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 146
Hat das Verwaltungsgericht in einem von zahlreichen (hier: mehr als 130) Antragstellern betriebenen Verfahren auf vorläufige Zulassung zum Studium die Universität verpflichtet, einige wenige Studienplätze (hier: 4) nach einem Losverfahren mit Nachrückung zu vergeben, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für Beschwerden der Universität, die nur in den Verfahren derjenigen Antragsteller eingelegt sind, die die ersten Plätze auf der Losliste erhalten haben.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 2 N 14/04 u.a.

In den Verwaltungsstreitsachen

wegen Zulassung zum Studium der Zahnmedizin

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 09. Dezember 2004 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 2. Kammer - vom 12.10.2004 werden zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für jedes Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht über die Anträge von mehr als 130 Studienbewerbern auf vorläufigen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der von ihnen jeweils angestrebten Zulassung zum Studium der Zahnmedizin entschieden. Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner verpflichtet, unter den Antragstellern eine Reihenfolge auszulosen und entsprechend der ausgelosten Reihenfolge mit Nachrückung 4 Antragsteller vorläufig zum Wintersemester 2004/2005 im Studiengang Zahnmedizin im ersten Fachsemester zuzulassen. Die Auslosung hat vor Ablauf der Beschwerdefrist stattgefunden.

Am 22.10.2004 hat der Antragsgegner in 11 Verfahren jeweils Beschwerde eingelegt. Betroffen sind die Studienbewerber mit den Ausgelosten Rangplätzen 1 bis 10 und ein weiterer.

Noch im Oktober 2004 haben sich die auf die ersten 4 Plätze gelosten Studienbewerber eingeschrieben.

In der Beschwerdebegründung vom 03.11.2004 heißt es unter anderem, es sei nicht auszuschließen, "dass sich nicht die an 1. bis 4. Stelle ausgelosten Studenten auch einschreiben werden, sondern erst nachrückende Studienbewerber". Aus "Kostengründen" werde aber davon abgesehen, gegen sämtliche Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Beschwerden einzulegen. In der Beschwerdebegründung führt der Antragsgegner außerdem aus, weshalb er den erstinstanzlichen Beschluss in der Sache und bezüglich der Kostenentscheidungen für unzutreffend hält.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 2. Kammer - vom 12.10.2004 teilweise zu ändern und die Anträge der Beschwerdegegner kostenpflichtig abzulehnen.

Die Beschwerdegegner beantragen,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie halten die Beschwerden zum Teil für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerden haben keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über sie durch einen sogenannten Sammelbeschluss, das heißt, die Beschwerdeentscheidungen werden einheitlich begründet, die Beschwerdeverfahren behalten aber ihre verfahrensrechtliche Selbständigkeit (vgl. Beschluss des Senats vom 29.01.1993 - 2 N 10/93 u.a. -, NVwZ RR 1994, 334).

Die Beschwerden sind wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfen. Für Beschwerden im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist es zu verneinen, wenn der Beschwerdeführer seine Rechtsposition durch die Beschwerde nicht oder nicht nennenswert verbessern kann (vgl. VGH München, Beschluss vom 18.06.2002 - 22 CE 02.815 -, NVwZ RR 2003, 121). So liegt der Fall hier.

Der Antragsgegner würde seine Rechtsposition nicht nennenswert verbessern, wenn die Anträge der 11 Beschwerdegegner abgelehnt würden. Dies ergibt sich daraus, dass der erstinstanzliche Beschluss im Hinblick auf mehr als 120 Studienbewerber vom Antragsgegner nicht angefochten worden ist.

Entscheidet das Verwaltungsgericht - wie hier - in einem Sammelbeschluss über die Anträge von zahlreichen Studienbewerbern auf Zulassung zum Studium und ordnet es im Hinblick auf einige wenige von ihm "aufgespürte" Studienplätze ein Losverfahren mit Nachrückung an, so nützt es der Universität nicht, nur in den Verfahren derjenigen Studienbewerber Beschwerden einzulegen, die die ausgelosten Plätze erhalten haben. Ein Erfolg der Universität in diesen Beschwerdeverfahren würde nicht dazu führen, dass sie die vom Verwaltungsgericht "aufgespürten" Plätze nicht vergeben müsste. Es wären nur andere Studienbewerber, die die Plätze erhalten würden, nämlich diejenigen, die die nächsten Plätze auf der Losliste inne hätten; denn sie würden, wie nach der erstinstanzlichen Entscheidung vorgesehen, nachrücken. Entsprechendes gilt, wenn - wie hier - Beschwerden auch noch in den Verfahren der ersten Nachrücker eingelegt werden; die "aufgespürten" Plätze würden - wenn auch diese Beschwerden Erfolg hätten - denjenigen Studienbewerbern zufallen, die in der Losliste die sodann folgenden Plätze einnehmen.

Ob eine Universität ein rechtlich geschütztes Interesse daran haben kann, bestimmte Studienbewerber fernzuhalten, bedarf in dieser Allgemeinheit hier keiner Klärung. Aus der Begründung der Beschwerde, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es dem Antragsgegner gerade darum geht, dass nicht die Beschwerdegegner, sondern andere Antragsteller die vom Verwaltungsgericht "aufgespürten" Studienplätze erhalten.

Den Ausführungen des Antragsgegners zu der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Kapazitätsüberprüfung ist vielmehr zu entnehmen, dass es dem Antragsgegner darum geht, überhaupt keine weiteren Studienbewerber aufnehmen zu müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, eignen sich die nur in einigen Verfahren eingelegten Beschwerden jedoch nicht. Denn auch ein Erfolg der Beschwerden würde bedeuten, dass lediglich im Hinblick auf die Beschwerdegegner davon auszugehen wäre, dass ihnen jeweils kein Studienplatz zusteht. An der zugunsten der zahlreichen anderen Antragsteller erlassenen einstweiligen Anordnung würde dies jedoch nichts ändern.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Überlegung, dass erfahrungsgemäß die Zahl der tatsächlich an den konkret umstrittenen Studienplätzen Interessierten immer weiter abnimmt, je mehr Zeit seit Beginn des fraglichen Semesters vergangen ist. Es braucht hier auch nicht geprüft zu werden, ob der Antragsgegner die Beschwerden in der Hoffnung eingelegt hat, dass sich nach Abschluss der Beschwerdeverfahren kein "Nachrücker" mehr finden würde. Ein so motiviertes prozessuales Verhalten wäre rechtsmissbräuchlich, was ebenfalls die Beschwerden unzulässig machen würde (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.12.2002 - 2 ME 215/02 -, zitiert nach JURIS). Der Instanzenzug ist nicht dazu da, um allein durch Zeitgewinn den effektiven Rechtsschutz zu verhindern, Außerdem dürfte es auszuschließen sein, dass im (jetzigen) Zeitpunkt der Entscheidung des Senats die mehr als 120 potenziellen Nachrücker bereits anderweitig zu einem Studienplatz gekommen wären oder aus anderen Gründen das Interesse an einem Zahnmedizinstudium in Greifswald verloren hätten.

Soweit der Antragsgegner meint, nach dem Vorbild des Musterprozesses vorgehen zu können, berücksichtigt er nicht genügend, dass sich die prozessuale Lage hier grundlegend von der bei einem Musterprozess unterscheidet.

Zwar findet auch bei einem Musterprozess eine Auswahl unter Zahlreichen potenziellen Verfahrensbeteiligten statt, die aus Kostengründen davon absehen, in einer Vielzahl von Prozessen um letztlich die selbe Frage zu streiten. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber bereits darin, dass die Verfahren derjenigen, die einen Musterprozess selbst nicht betreiben, nicht abgeschlossen sind und alle Beteiligten davon ausgehen, dass das Ergebnis des Musterprozesses nach dessen Ende für die anderen Verfahren Anwendung findet. Dies trifft aber hier nicht zu. Die Antragsteller in den Verfahren, in denen der Antragsgegner keine Beschwerden eingelegt hat, wären durch den - unterstellt - für den Antragsgegner günstigen Ausgang der vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht gehindert, ihre Rechte aus der sie betreffenden unanfechtbar gewordenen erstinstanzlichen Entscheidung in Anspruch zu nehmen. Außerdem ist auch schon die Ausgangslage anders als beim Musterprozess, bei dem typischer Weise "einer für alle" klagt. Dem gegenüber besteht unter den Studienbewerbern eine Konkurrenzsituation, das heißt, jeder klagt für sich und nach Abschluss der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes stellt sich üblicherweise heraus, dass für eine Vielzahl von Antragstellern nur eine kleine Zahl von Studienplätzen verfügbar ist.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Berücksichtigung der in der Beschwerdebegründung geübten Kritik an der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Das Rechtsschutzbedürfnis kann nicht allein wegen einer als unrichtig empfundenen Kostenentscheidung bejaht werden. Dagegen spricht insbesondere der in § 158 Abs. 1 VwGO zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, das Rechtsmittelgericht von ausschließlich gegen die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts eingelegten Rechtsmitteln zu entlasten (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 06.03.2003 - 18 B 37/03 -, zitiert nach JURIS).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. §§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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