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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 24.01.2006
Aktenzeichen: 3 M 73/05
Rechtsgebiete: VwVfG M-V, KrW-/AbfG, VwGO


Vorschriften:

VwVfG M-V § 37 Abs. 1
KrW-/AbfG § 3 Abs. 1
KrW-/AbfG § 3 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 3
Zur hinreichenden Bestimmtheit einer abfallrechtlichen Entsorgungsanordnung.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 3 M 73/05

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Abfallbeseitigungsrecht

hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 24. Januar 2006 in Greifswald durch

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 26. Mai 2005 geändert:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.500, 00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der bereits seit 1991 in Gesamtvollstreckung befindlichen G., zu dem u.a. das Flurstück X der Flur Y der Gemarkung G. gehört. Auf diesem Flurstück befinden sich baufällige Gebäude einer früheren Schweinemastanlage. Zudem lagern dort Gegenstände und Stoffe, deren Entsorgung der Antragsgegner dem Antragssteiler mit der streitgegenständlichen, für sofort vollziehbar erklärten Ordnungsverfügung vom 15.03.2005 unter Androhung von Zwangsgeld aufgegeben hat.

Dagegen legte der Antragsteller fristgerecht Widerspruch ein, der noch nicht beschieden ist. Zudem suchte er beim Verwaltungsgericht Greifswald um einstweiligen Rechtsschutz nach.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung mit Beschluss vom 26.05.2005 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Ordnungsverfügung sei nicht hinreichend bestimmt und daher rechtswidrig. Es sei nicht erkennbar, hinsichtlich welcher konkreten Abfälle der Antragsgegner die Verwertung oder Beseitigung verlange. Es sei lediglich eine allgemeine beispielhafte Aufzählung erfolgt. Überdies bestehe kein besonderes Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung. Die Abfälle lagerten offenbar schon seit längerer Zeit auf dem Grundstück. Benachbarte Grundstücke, die Umwelt oder die Allgemeinheit würden dadurch allenfalls geringfügig beeinträchtigt. Zudem gingen Gefahren für spielende Kinder vorrangig von den baufälligen Gebäuden aus. Diesem Umstand und Nachahmungseffekten hinsichtlich illegaler Abfallablagerungen könne nicht durch die Beseitigung der Abfälle, sondern nur durch eine vollständige Beräumung oder Einzäunung des Grundstücks wirksam begegnet werden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Wie sich aus dem nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Beschwerdevorbringen ergibt, hat das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu Unrecht stattgegeben. Der Antragsgegner rügt zu Recht, dass das Verwaltungsgericht die Anforderungen an die Bestimmtheit abfallrechtlicher Ordnungsverfügungen (1) sowie die Begründung des besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses (2) überspannt hat.

1. Der streitgegenständliche Bescheid vom 15.03.2005 genügt entgegen der Auffassung des Antragstellers und des Verwaltungsgerichts den Anforderungen, die nach § 37 Abs. 1 VwVfG M-V an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten zu stellen sind.

Ein Verwaltungsakt ist dann hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen für den Adressaten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Im Einzelnen richtet sich der Maßstab für die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach dem jeweiligen Regelungsgehalt, den Besonderheiten des mit dem Verwaltungsakt anzuwendenden materiellen Rechts und den konkreten Umständen des Einzelfalls (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 37 Rn. 5).

Der Grundsatz der Bestimmtheit darf nicht dahin missverstanden werden, dass bei unvermeidlichen Vollzugsunsicherheiten der Verwaltungsakt nicht erlassen werden dürfte und damit die Gefahr unbehoben bleiben müsste. Wie schon der Gesetzeswortlaut ergibt, kann es sich immer nur um eine "hinreichende", d.h. den Umständen angemessene Bestimmtheit handeln. Gerade bei einem Vorgehen gegen unerlaubte Abfallentsorgung wird es sich häufig als unmöglich erweisen, alle später auftauchenden Fragen vorwegnehmend bereits in einem Bescheid abschließend zu regeln; vielmehr muss in Kauf genommen werden, dass sich während des Vollzugs neue Erkenntnisse einstellen, auf die den Vollzug begleitend mit Entscheidungen auch rechtlicher Art reagiert werden muss (VGH München, B. v. 21.11.1988 - 20 CS 88.2324 -, NVwZ 1989, 681 ff.). Auch bei Sachgesamtheiten ist die Abfallbehörde zwar gehalten, möglichst klar und eindeutig zu umschreiben, welche Gegenstände sie entsorgt wissen will. Es ist aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr, der Praktikabilität des Verwaltungsvollzuges und der Handhabbarkeit des Abfallrechts aber nicht von ihr zu verlangen, dass sie jede einzelne bewegliche Sache auf einem Grundstück, das unzulässig als Abfallbeseitigungsanlage genutzt wird, gleichsam inventarisiert und der Verfügung listenmäßig beifügt (VG Düsseldorf, U. v. 25.05.2004 - 17 K 5043/03 -, AbfR 2005, 90). Bei einem erheblichen Umfang der von der Ordnungsverfügung umfassten Gegenstände ist es daher ausreichend, die Anordnung zur Entsorgung der Abfälle unter Benennung einer größeren Zahl von Beispielen zu treffen (VG Stade, U. v. 03.03.2005 - 6 A 955/04 -, zitiert nach juris; zur hinreichenden Bestimmtheit von Abfallentsorgungsanordnungen vgl. auch BVerwG, U. v. 19.01.1989 - 7 C 82/87 -, Buchholz 451.22 AbfG Nr. 31 = DVBl. 1989, 522; VG Meiningen, B. v. 31.03.2000 - 2 E 111 l/99.Me -, LKV 2000, 506).

Davon ausgehend erweist sich die streitgegenständliche Verfügung als hinreichend bestimmt. Die Begründung des angegriffenen Bescheides lässt unschwer erkennen, dass - erstens - die streitgegenständliche Verfügung sich auf die auf dem Grundstück vorhandenen Abfallansammlungen bezieht, wie sie auch in der eingereichten Fotodokumentation abgebildet sind, und - zweitens - der Antragsgegner die vollständige Beseitigung dieser nach seiner Auffassung nicht sortierfähigen Abfallansammlungen als Abfall zur Beseitigung angeordnet hat. Die Ziffern 3 bis 5 der streitgegenständlichen Anordnung werden nur für den Fall relevant, dass der Entsorgungspflichtige die auf dem Grundstück lagernden Abfallansammlungen sortiert und die aussortierten Bestandteile einer Verwertung zuführen will. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner die von Ziffer 1 der Streitgegenständlichen Verfügung erfassten Abfälle zur Beseitigung im Klammerzusatz konkretisiert und für die in Ziffer 2 behandelten besonders Überwachungspflichtigen Abfälle Beispiele benannt hat, die dem Antragsteller zugleich eine Orientierung bieten. Dagegen kann vom Antragsgegner nicht verlangt werden, dass er zusammengeschobene "Abfallberge" zunächst abträgt, um festzustellen, welche Art Abfälle sich darin befinden.

Auch die im Übrigen vom Antragsteller geltend gemachten Bedenken an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung bestehen nicht.

Soweit der Antragsteller vorträgt, es handele sich bei den streitgegenständlichen Gegenständen und Stoffen nicht um Abfall, weil diese ohne weiteres als Baumaterial oder Füllstoff verwendet werden könnten, überzeugt dieses Vorbringen nicht. Als Abfall gelten gemäß § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigen will oder entledigen muss. Nach § 3 Abs. 3 Ziffer 2 KrW-/AbfG ist der Wille zur Entledigung im Sinne des Absatzes 1 hinsichtlich solcher beweglicher Sachen anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Zweck unmittelbar an deren Stelle tritt. An der Unmittelbarkeit eines neuen Verwendungszwecks fehlt es jedenfalls dann, wenn zur neuen Zweckverwendung eine Behandlung der Sache notwendig ist, die nicht alsbald oder wenigstens in einem überschaubaren Zeitraum eingeleitet wird (VG Stade, U. v. 03.03.2005 - 6 A 955/04 -, IR 2005, 140). Daran gemessen handelt es sich bei den auf dem Grundstück der Gut Gartenbau GmbH i.A. lagernden Abfallansammlungen um Abfall, denn es ist nicht ersichtlich oder vom Antragsteller nachvollziehbar dargetan, dass diese ohne vorherige Behandlung einer neuen Zweckbestimmung zugeführt werden können.

Bei summarischer Prüfung spricht auch Überwiegendes dafür, dass es sich dabei um Abfall zur Beseitigung handelt. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG). Abfallgemische, die sowohl Abfälle zur Beseitigung als auch solche zur Verwertung enthalten, haben nicht generell als Abfälle zur Beseitigung zu gelten. Nach der Grundregel des § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG sind nämlich Abfälle in erster Linie zu vermeiden, in zweiter Linie (stofflich oder energetisch) zu verwerten und erst in dritter Linie zu beseitigen. Dieser Vermeidungs- bzw. Entsorgungsreihenfolge widerspräche die Annahme, bei der Kategorie der Abfälle zur Beseitigung handele es sich um eine Auffangkategorie für sämtliche Abfälle, bei denen mit einer Verwertung (noch) nicht konkret begonnen worden sei (BVerwG, U. v. 15.06.2000 - 3 C 4/00 -, DVBl. 2000, 1356 = NVwZ 2000, 1178).

Das mit der Pflicht zur Abfallverwertung in § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG korrespondierende - gegenüber der Abfallbeseitigung vorrangige - Recht zur Abfallverwertung greift aber nur dann, wenn es sich auch um eine "Verwertung" im Rechtssinne, d.h. im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG handelt. Für die Qualifizierung der Entsorgungshandlung als Verwertung genügt nicht die Bekundung einer bloßen Verwertungsabsicht oder der Hinweis auf die spätere Möglichkeit einer Abfallverwertung; § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG stellt vielmehr auf die Tatsache der Verwertung ab. Für die Zuordnung nach § 3 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. KrW-/AbfG ist daher notwendig, dass der Abfallbesitzer konkrete Verwertungsmaßnahmen benennt oder zumindest die Möglichkeit einer zeitnahen Verwertung substantiiert aufzeigt (vgl. VGH Mannheim, B. v. 31.05.1999 -10 S 2766/98 -, NVwZ 1999, 1243). An alledem fehlt es hier. Der Antragsteller beschränkt sich insoweit auf die nicht näher substantiierte und angesichts der Fotodokumentation fernliegende Behauptung, die Abfallberge könnten ohne Weiteres als Baumaterial oder Füllstoff verwendet werden. Dies reicht zur Darlegung einer Verwertung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG nicht aus.

Die streitgegenständliche Ordnungsverfügung stellt sich weiter auch nicht deshalb als rechtswidrig dar, weil der Antragsgegner sein (Entschließungs)Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Der Antragsteller verweist insoweit zwar darauf, dass die Ordnungsverfügung nicht erforderlich gewesen sei, weil er das Grundstück immer wieder habe beräumen lassen und dabei auch erhebliche Fortschritte erzielt habe. Dieses Vorbringen findet in den Verwaltungsvorgängen aber keine Stütze. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 05.12.2002 die ordnungsgemäße Beräumung der Hausmüllablagerung im vorderen Teil der ehemaligen Schweinemästerei bestätigt und zugleich empfohlen hat, zur Verhinderung neuer Ablagerungen insbesondere den vorderen Berg aus Erde, Bauschutt, Schrott, Altholz und Plasteteilen schnellstmöglich zu entsorgen sowie neu abgelegten Haus- und Sperrmüll sofort beseitigen zu lassen. Mit Schreiben vom 19.08.2004 bat der Antragsgegner den Antragsteller sodann unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 05.12.2002 um eine "verbindliche Auskunft, bis wann Sie die beiden Abfallberge (bestehend aus Bauschutt, Altmetall, Altholz, Haus- und Sperrmüll) entsorgt haben wollen". Es werde zwar dafür gesorgt, dass keine neuen Ablagerungen hinzu kämen, der Zustand könne jedoch nicht dauerhaft so bleiben. Die Beräumungsaufforderung reiche bis in das Jahr 2000 zurück. Im Dezember 2002 sei sodann unter Androhung einer Ordnungsverfügung eine Teilberäumung erfolgt. Es hätten aus der Liquidationsmasse wieder Mittel angesammelt und dann der Rest entsorgt werden sollen. Derzeit sei der Zustand noch unverändert. Man sehe sich daher veranlasst, erneut Verwaltungszwang einzusetzen, wenn bis Dezember 2004 die Abfälle nicht entsorgt seien. Eine Reaktion des Antragstellers auf dieses Schreiben erfolgte offenbar nicht. Mit Anhörungsschreiben vom 15.02.2005 kündigte der Antragsgegner dem Antragsteller an, die Abfallberäumung mit Verwaltungszwang durchzusetzen und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 03.03.2005. Auch darauf reagierte der Antragsteller - soweit ersichtlich - nicht. Unter dem 15.03.2005 erließ der Antragsgegner sodann die streitgegenständliche Verfügung. Vor diesem zeitlichen Hintergrund kann davon, dass der Erlass der Ordnungsverfügung aufgrund der Entsorgungsbereitschaft des Antragstellers nicht erforderlich gewesen sei, offensichtlich nicht die Rede sein.

Der Antragsgegner musste schließlich entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht deshalb vom Erlass der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung absehen, weil die G. sich in der Gesamtvollstreckung befindet und Ordnungsverfügungen die Verwertbarkeit des Grundstücks erschweren. Aus der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.02.2000 (1 BvR 242/91 u. 315/99 -, E 102, 1 ff. = DVBl. 2000, 1275) folgt nichts anderes. Zwar kann danach die grundsätzlich verfassungsgemäße Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers im Ausmaß dessen, was dem Eigentümer zur Gefahrenabwehr abverlangt werden darf, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, begrenzt sein. Eine Belastung des Grundstückseigentümers etwa mit den Kosten einer Sanierungsmaßnahme sei daher dann nicht gerechtfertigt, wenn sie für den Eigentümer nicht zumutbar sei. Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer hierdurch an Belastungen zugemutet werden dürfe, könne als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwandes zu dem Verkehrswert nach Durchführung der Sanierung dienen, denn im Verkehrswert spiegelten sich nicht nur die Erträge seiner eigenen Nutzung, sondern auch Vorteile, die ohne eigene Mitwirkung und Leistung entstünden, vor allem planungs- und marktbedingte Steigerungen des Grundstückswerts. Werde der Verkehrswert von den Kosten überschritten, entfalle in der Regel des Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstücks. Er könne darüber hinaus nicht einmal damit rechnen, die entstehenden Kosten durch Veräußerung des Grundstücks gedeckt zu erhalten. Das Eigentum könne damit für ihn gänzlich seinen Wert und Inhalt verlieren.

Es kann dahinstehen, inwieweit diese Erwägungen auf den vorliegenden Fall, in dem Grundstückseigentümerin eine in Gesamtvollstreckung befindliche GmbH ist, (uneingeschränkt) übertragbar sind. Denn es ist schon nicht substantiiert dargetan, dass die Kosten für die angeordnete Abfallentsorgung den für das Grundstück (nach der Abfallentsorgung) erzielbaren Verwertungserlös übersteigen. Der Antragsteller verweist insoweit zwar auf einen Kostenvoranschlag der G. vom 22.04.2002, der für eine manuelle und maschinelle Beräumung, den Abtransport und die Entsorgung der auf dem Grundstück abgelagerten Abfälle einen Komplettpreis von 21.200 € (netto) ausweist. Dieser Kostenvoranschlag bezieht sich aber - worauf der Antragsgegner zutreffend hinweist - auf die Zeit vor der Teilberäumung des Grundstücks im Dezember 2002 und ist daher hinsichtlich des erforderlichen Kostenaufwands für die mit der streitgegenständlichen Verfügung angeordnete Abfallentsorgung nicht aussagekräftig. Überdies fehlt es an jeglichen Angaben zum Verkehrswert des Grundstücks. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die streitgegenständliche Verfügung dem Antragsteller auch die Möglichkeit eröffnet, die Abfälle nicht zu beseitigen, sondern einer nutzbringenden Verwertung zuzuführen.

2. Die Beschwerde rügt überdies zu Recht, dass das Verwaltungsgericht ein hinreichend begründetes besonderen Vollzugsinteresse zu Unrecht verneint habe. Das besondere öffentliche oder private Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an der Vollziehung stellt sich als Ergebnis einer Abwägung aller im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen unter Berücksichtigung der Natur, Schwere und Dringlichkeit des Interesses an der Vollziehung bzw. an der aufschiebenden Wirkung und der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen Rückgängigmachung der getroffenen Regelung und ihrer Folgen dar (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 Rn. 90).

Das besondere Vollzugsinteresse ist vorliegend nicht schon dadurch entfallen, dass die zu beseitigenden Abfälle bereits geraume Zeit auf dem Grundstück lagern. Nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge ist die Beräumung des Grundstücks von Abfällen schon seit Jahren Gegenstand von Gesprächen zwischen den Beteiligten. Wie o.a. ist der Antragsgegner - nachdem im Dezember 2002 offenbar nach Androhung einer Ordnungsverfügung - eine Teilberäumung erfolgt war, mit Schreiben vom 05.12.2002 und vom 19.08.2004 wegen der noch ausstehenden Beräumung der auf dem Grundstück verbliebenen beiden Abfallansammlungen bestehend aus Bauschutt, Altmetall, Altholz, Haus- und Sperrmüll, an den Antragsteller herangetreten, ohne dass dieser darauf reagiert hätte. Der durch das Zuwarten des Antragsgegners entstandene Zeitablauf allein rechtfertigt aber nicht den Schluss, dass die angeordnete Abfallentsorgung nicht dringlich ist.

Der Antragsgegner hat das besondere Vollzugsinteresse auch ausreichend begründet (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Voraussetzung dafür ist, dass schlüssig, konkret und substantiiert dargelegt wird, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, U. v. 18.09.2001 -1 DB 26/01 - u. v. 31.01.2002 - 1 DB 2/02 - jeweils zitiert nach juris). Grundsätzlich muss ein Interesse benannt werden, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt bereits im Sinne eines allgemeinen öffentlichen Interesses am Gesetzesvollzug rechtfertigt. Allerdings ist die Begründung der Vollziehungsanordnung im Zusammenhang mit der Begründung des Verwaltungsaktes zu betrachten. Das besondere öffentliche Interesse kann durch das allgemeine, den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse bis hin zur Identität vorgeprägt sein. Eine solche Identität kann etwa dann angenommen werden, wenn die Gründe für den Erlass eines Verwaltungsaktes im Einzelfall einen so hohen Dringlichkeitsgrad und ein solches Gewicht aufweisen, dass sie gleichzeitig das besondere Vollzugsinteresse einschließen bzw. mit diesem deckungsgleich sind (vgl. OVG Greifswald, B. v. 10.08.2005 - 1 M 74/05 -).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe wird die Begründung des besonderen Vollzugsinteresses den gesetzlichen Anforderungen noch gerecht. Im streitgegenständlichen Bescheid vom 15.03.2005 hat der Antragsgegner das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung damit begründet, dass die ordnungsgemäße Abfallbeseitigung nicht länger hinausgezögert werden dürfe, die Gefahr von Nachahmungseffekten bestehe, der Umfang der Abfallablagerung dadurch schnell zunehmen würde und leichte Abfallfraktionen durch Windeinwirkungen auf andere Grundstücke geweht würden. Es kann dahinstehen, ob diese Begründung ausführlich und substantiiert genug ist, um die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. So kann z.B. eine negative Vorbildwirkung zwar grundsätzlich als Begründung für ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse geeignet sein (vgl. Senat, B. v. 02.11.1993 - 3 M 89/93 -, NVwZ 1995, 608, u. B. v. 12.02.2003 - 3 M 142/02 -, DÖV 2003, 637). Dies entbindet die Behörde aber nicht von der Notwendigkeit, die konkrete negative Vorbildwirkung darzulegen.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erweist sich aber insgesamt jedenfalls in Ansehung der zusätzlichen Ausführungen des Antragsgegners in der erstinstanzlichen Antragserwiderung vom 29.04.2005 als hinreichend begründet. Dort hat der Antragsgegner ergänzend darauf hingewiesen, dass sich in den Abfallansammlungen auch besonders überwachungsbedürftige Abfälle wie Teerpappe und Asbest befänden, die aufgrund der von ihnen ausgehenden gesundheitsschädlichen Wirkungen zügig geborgen und schadlos beseitigt werden müssten. Zudem hat der Antragsgegner auf das von den Abfällen ausgehende Verletzungsrisiko für Kinder und einen Vegetationsbrand auf dem Grundstück der Antragstellerin am 13.04.2005 hingewiesen, der sich auch auf Teile des Abfalls erstreckt und die Mitarbeiter der angrenzenden Firma dem Rauch brennender Plastik- und Teerpappenreste ausgesetzt habe. Diese im gerichtlichen Verfahren nachgeschobenen Ausführungen können im Rahmen von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung von § 45 Abs. 2 VwVfG M-V noch berücksichtigt werden (vgl. Senat, B. v. 20.11.1998 - 3 M 67/98 -, NVwZ-RR 1999, 409 m.w.N.).

Die vom Antragsgegner eingereichten Fotos - insbesondere die Anlagen 6 und 7 - bestätigen eindrücklich, dass von den auf dem Grundstück lagernden Abfällen aufgrund ihrer Beschaffenheit (z.B. scharfkantige Metallabfälle) oder ihrer Art (z.B. Teerpappe, asbesthaltige Wellbleche) Gefahren vor allem für spielende Kinder, aber auch für die Allgemeinheit ausgehen. So gehören etwa teer- oder asbesthaltige Stoffe und Gegenstände, aber auch ehemalige Haushaltsgeräte mit FCKW-haltigem "Innenleben" zu den überwachungsbedürftigen Abfällen gemäß europäischem Abfallverzeichnis vom 10.12.2001 (BGBl. I S. 3379 ff; vgl. z.B. Abfallschlüssel 16 02 11, 16 02 15, 17 03 03, 17 06 01, 17 06 05, 20 01 23). Die Allgemeinheit hat ein handgreifliches Interesse daran, dass solche Stoffe und Gegenstände nicht für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens unsachgemäß abgelagert werden.

Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der streitgegenständlichen Verfügung wird schließlich auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass - wie das Verwaltungsgericht meint - Gefahren für spielende Kinder in erster Linie von den baufälligen Gebäuden ausgingen und dem nur durch einen Abriss der Gebäude oder eine Einzäunung der Fläche wirksam begegnet werden könne. Dass auch nach einer Entsorgung der Abfallansammlungen von den baufälligen Gebäuden auf dem Grundstück unverändert Gefahren ausgehen mögen, ändert offensichtlich nichts daran, dass den von den Abfällen als solchen ausgehenden Gefahren nur durch ihre sofortige Entsorgung begegnet werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG iVm. Ziffer 2.1.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./08.07.2004, abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., Anhang zu § 164). Zur Höhe schließt der Senat sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichts an.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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