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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 21.05.2003
Aktenzeichen: 4 K 33/02
Rechtsgebiete: VwGO, SchulG M-V


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
SchulG M-V § 46 Abs. 2 Satz 1
SchulG M-V § 46 Abs. 2 Satz 2
SchulG M-V § 107 Abs. 1
Ein Schulträger ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wenn er geltend macht, in seinem sich aus § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V ergebenden subjektiven Recht als Schulträger durch eine Einzugsbereichssatzung verletzt zu sein.

Das nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V erforderliche Benehmen kann nicht durch eine nach § 107 Abs. 1 SchulG M-V erfolgte Beteiligung der Schulträger ersetzt werden.

Einer rechtlich existenten Schule kann im Hinblick auf die Regelung in § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V ein Einzugsbereich nicht vollständig entzogen werden.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 4 K 33/02

Verkündet am: 21.05.2003

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Normenkontrolle - Schulrecht (Einzugsbereichssatzung) -

hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2003, verkündet am 21. Mai 2003 in Greifswald

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Satzung des Antragsgegners über die Festlegung von Schuleinzugsbereichen öffentlicher Schulen in dem Landkreis Nordwestmecklenburg vom 01. Juli 2002 wird insoweit für nichtig erklärt, als nach § 1 Ziffer 8 dieser Satzung der verbundenen Haupt- und Realschule in Dassow sämtliche gemäß § 1 Ziffer 28 der Schuleinzugsbereichssatzung vom 27. Mai 1999 festgelegten Einzugsbereiche zugeordnet sind und nach § 1 Ziffer 28 der streitgegenständlichen Satzung das Gebiet der Antragstellerin zu 2) einschließlich Warnkenhagen und Brook dem Einzugsbereich der verbundenen Haupt- und Realschule Klütz zugeordnet ist.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner kann die jeweilige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin zu 1. ist Trägerin der Ad.-Schule in Kalkhorst, die als verbundene Haupt- und Realschule mit Grundschule bzw. als Regionalschule geführt wird (§ 143 Abs. 6 SchulG M-V i.d.F. des 6. ÄndG vom 17.06.2002, GVOBl. S. 394). Die Antragstellerin zu 2. ist eine Nachbargemeinde der Antragstellerin zu 1.

In seiner Sitzung vom 13. September 2001 beschloss der Kreistag des Antragsgegners für die Schuljahre 2001/02 bis 2005/06 (Beschluss Nr. 186 17/2001) den Schulentwicklungsplan der allgemeinbildenden Schulen des Landkreises Nordwestmecklenburg. Dieser sieht u.a. zum Ende des Schuljahres 2001/2002 die Aufhebung der verbundenen Haupt- und Realschule mit Grundschule in Kalkhorst sowie zum Schuljahrbeginn 2002/2003 die Errichtung einer eigenständigen Grundschule vor. Gleiches gilt für die verbundene Haupt- und Realschule in Boltenhagen, zu deren Einzugsbereich zuvor die Antragstellerin zu 2. gehörte.

Mit Bescheid vom 11. März 2002 genehmigte das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern diesen Schulentwicklungsplan. Die in diesem Bescheid enthaltenen Auflagen betrafen nicht die Ad.-Schule in Kalkhorst.

In seiner Sitzung vom 20. Juni 2002 beschloss der Kreistag des Antragsgegners die Satzung über die Festlegung von Schuleinzugsbereichen öffentlicher Schulen im Landkreis Nordwestmecklenburg. In der Beschlussvorlage für die Kreistagssitzung heißt es hierzu:

"Die Schulentwicklungsplanung für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis zum 31.07.2006 wurde am 13.09.2001 vom Kreistag Nordwestmecklenburg beschlossen und mit Schreiben vom 11.03.2002 vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur genehmigt. Für die Umsetzung sorgt die vorliegende Satzung "Schuleinzugsbereiche des Landkreises Nordwestmecklenburg" für die entsprechende Rechtssicherheit."

Eine Beteiligung der Antragstellerinnen im Rahmen des Rechtssetzungsverfahrens der Einzugsbereichssatzung erfolgte nicht.

§ 1 dieser Satzung, der die Schuleinzugsbereiche für Grund-, Haupt-, Real-, Gymnasial- und Förderschüler festlegt, enthält die Ad.-Schule als verbundene Haupt- und Realschule nicht. Das Gebiet der Antragstellerin zu 1. ist nach § 1 Ziffer 8 dem Einzugsbereich der verbundenen Haupt- und Realschule in Dassow zugeordnet. Die Antragstellerin zu 2. ist nach § 1 Ziffer 28 dem Einzugsbereich der verbundenen Haupt- und Realschule in Klütz zugeordnet.

Das staatliche Schulamt Schwerin genehmigte unter dem 26. Juni 2002 diese Schuleinzugsbereichssatzung. Sie wurde am 10. Juli 2002 im Nordwest Blick, dem amtlichen Bekanntmachungs- und Informationsblatt des Landkreises Nordwestmecklenburg, bekannt gegeben.

In der Folgezeit traf die Antragstellerin zu 1. keine Entscheidung nach § 108 SchulG M-V über die Schließung der verbundenen Haupt- und Realschule in Kalkhorst.

Mit Bescheid vom 21. Januar 2003 ordnete das Innenministerium M-V gegenüber der Antragstellerin zu 1. an, dass ihre Gemeindevertretung bis zum 28. Januar 2003 den Beschluss fasse, a) die verbundene Haupt- und Realschule mit Grundschule zum 31. Juli 2003 aufzuheben und b) ab dem 01. August 2003 eine eigenständige Grundschule in Kalkhorst einzurichten. Der genannte Bescheid enthielt die Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie die Androhung der Ersatzvornahme.

Ferner ordnete das Innenministerium M-V sodann die Ersatzvornahme zur Umsetzung des Schulentwicklungsplanes des Landkreises Nordwestmecklenburg in der Gemeinde Kalkhorst an und erklärte an Stelle der Antragstellerin zu 1., dass die verbundene Haupt- und Realschule mit Grundschule in eine eigenständige Grundschule geändert werde. Der hiergegen erhobene vorläufige Rechtsschutzantrag der Antragstellerin zu 1. beim Verwaltungsgericht Schwerin 1 B 81/03 hatte Erfolg.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 18. Februar 2003 hat das Innenministerium M-V Beschwerde eingelegt, die inzwischen mit Beschluss vom 03.07.2003 zurückgewiesen worden ist (2 M 39/03).

Am 21. Oktober 2002 haben die Antragstellerinnen den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Den hiermit im Zusammenhang stehenden, am 05. Februar 2003 erhobenen Antrag der Antragstellerin zu 1. auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Senat mit Beschluss vom 13. März 2003 abgelehnt (4 M 22/03).

Die Antragstellerinnen halten ihren Normenkontrollantrag für zulässig. Sie seien in ihrem Beteiligungsrecht nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V verletzt, da ein Benehmen im Sinne der genannten Vorschrift mit ihnen nicht hergestellt worden sei. Für die Antragstellerin zu 1. ergebe sich die Antragsbefugnis zudem daraus, dass sie durch die angegriffene Einzugsbereichssatzung in ihrem Recht als Schulträgerin betroffen sei. Der Ad.-Schule sei nämlich in der streitigen Satzung kein Einzugsbereich zugewiesen, obwohl diese Schule weiterhin rechtlich existent sei. Denn sie - die Antragstellerin zu 1. - habe keine Entscheidung nach § 108 SchulG M-V getroffen. Eine Schließung der Schule im Wege der Ersatzvornahme durch das Innenministerium M-V sei bisher auch nicht wirksam erfolgt, da das Verwaltungsgericht Schwerin ihrem in diesem Zusammenhang gestellten vorläufigen Rechtsschutzantrag stattgegeben habe.

Für die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 2) sei zu berücksichtigen, dass sie - die Antragstellerin zu 2. - mit der Antragstellerin zu 1. einen Gebietsänderungsvertrag geschlossen habe, wonach sie beide Gemeinden auflösen und sich zu einer neuen Gemeinde zusammenschließen. Es könne davon ausgegangen werden, dass dieser Gebietsänderungsvertrag Mitte 2003 vollzogen sei.

Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Die streitgegenständliche Satzung sei bereits deshalb nichtig, weil der Antragsgegner ein Benehmen i.S.d. § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V nicht hergestellt habe. Darüber hinaus habe die Antragstellerin zu 1. als Schulträgerin der Ad.-Schule einen Anspruch darauf, dass ihrer Schule auch ein Einzugsbereich zugeordnet werde. Nach der streitigen Einzugsbereichssatzung habe die Schule jedoch überhaupt keinen Einzugsbereich mehr.

Die Antragstellerinnen beantragen,

die Satzung des Antragsgegners über die Festlegung von Schuleinzugsbereichen öffentlicher Schulen in dem Landkreis Nordwestmecklenburg vom 01. Juli 2002 insoweit für nichtig zu erklären, als nach § 1 Ziffer 8 dieser Satzung der verbundenen Haupt- und Realschule in Dassow sämtliche gemäß § 1 Ziffer 28 der Schuleinzugsbereichssatzung vom 27. Mai 1999 festgelegten Einzugsbereiche zugeordnet sind und nach § 1 Ziffer 28 der streitgegenständlichen Satzung das Gebiet der Antragstellerin zu 2) einschließlich Warnkenhagen und Brook dem Einzugsbereich der verbundenen Haupt- und Realschule Klütz zugeordnet ist.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hält den Normenkontrollantrag für unzulässig.

Die Unzulässigkeit des Antrags hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. ergebe sich gerade daraus, dass die Ad.-Schule heute noch existent sei. Sie verfolge daher mit dem Normenkontrollantrag etwas, was sie ohnehin schon habe, nämlich eine existente Schule, so dass der Antragstellerin zu 1. jedenfalls das Rechtschutzbedürfnis fehle.

Auch die Antragstellerin zu 2. sei nicht antragsbefugt. Denn eine wirksame Fusion der Antragstellerinnen habe noch nicht stattgefunden, da sowohl die Genehmigung des Landrates als untere Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 12 KV M-V als auch die Zustimmung des Innenministeriums M-V fehle. Allein aus diesem noch unwirksamen Vertrag könne die Antragstellerin zu 2. keine subjektiven Rechte herleiten.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses bei dem Oberverwaltungsgericht M-V hat mit Schriftsatz vom 10. Februar 2003 seine Beteiligung an dem Verfahren erklärt.

Er ist der Auffassung, dass beiden Antragstellerinnen die Antragsbefugnis fehle. Der Regelungsgehalt der Einzugsbereichssatzung beschränke sich in § 1 Nr. 8 für die Verbundene Haupt- und Realschule Dassow und in § 1 Nr. 28 für die Verbundene Haupt- und Realschule in Klütz lediglich auf die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeiten der einzelnen Schulen. Dieser Regelungsgehalt sei auf dem Hintergrund der tatsächlichen Geschehensabläufe auch nachvollziehbar: Trotz des maßgeblichen Schulentwicklungsplanes, der die Aufhebung der Verbundenen Haupt- und Realschule Kalkhorst zum Schuljahr 2002/2003 vorsehe, sei kein Aufhebungsbeschluss nach § 108 SchulG M-V herbeigeführt worden. Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts M-V im August 2002 sei den Schülern der Klassen 5 bis 10 dieser Schule eine Beschulung zu ermöglichen. Davon würden die Schüler der Klassen 6 bis 10 auch Gebrauch machen. Der Schulträger habe für die Schüler der Jahrgangstufe 5 inzwischen einen Beschluss zur Beschulung in Dassow gefasst. Ziel des Trägers der Schulentwicklungsplanung als auch des Bildungsministeriums sei es daher nunmehr, eine Umsetzung des Schulentwicklungsplanes dahingehend zu erreichen, dass die verbundene Haupt- und Realschule mit Grundschule in Kalkhorst zum Ende des Jahres 2002/2003 aufgehoben und dass am Standort Kalkhorst zum Schuljahr 2003/2004 nur noch eine eigenständige Grundschule errichtet werde. Daher habe der Antragsgegner die streitgegenständliche Schuleinzugsbereichssatzung erlassen. Grund hierfür sei, dass die Verbundene Haupt- und Realschule Kalkhorst auch mit den zusätzlichen Schülern der Gemeinde Elmenhorst nicht bestandsfähig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Normen -kontrollverfahrens sowie des Verfahrens 4 M 22/03 und des Beschwerdeverfahrens 2 M 39/03 einschließlich der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I. Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 13 AGGerStrG für eine Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht sind erfüllt. Die Antragstellerinnen wenden sich gegen Vorschriften der Einzugsbereichssatzung des Antragsgegners, also einer im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift.

Das Rubrum auf Antragstellerseite ist entsprechend der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zutreffend auf die Gemeinden Kalkhorst und Elmenhorst, vertreten durch das Amt Ostseestrand, dieses vertreten durch den Amtsvorsteher umgestellt worden (OVG M-V, Urteile vom 19.01.2001 - 4 K 14/00 -; 19.01.2001 - 4 K 9/99 -; 20.10.2000 - 4 K 26/98 -, LKV 2001, 410 = NordÖR 2002, 25; 07.09.2000 - 4 K 34/99 -). Das Passivrubrum wurde von Amts wegen geändert, da eine Satzung des Antragsgegners angegriffen wird.

Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Sie können im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Normenkontrollverfahren geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, indem sie vortragen, in ihrem Beteiligungsrecht nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V verletzt zu sein.

Das in § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V normierte Beteiligungsrecht vermittelt der Antragstellerin zu 1. (Gemeinde Kalkhorst) bereits in ihrer Stellung als Schulträgerin ein subjektives Recht. Dies folgt aus dem Zusammenspiel der Sätze 1 und 2 in § 46 Abs. 2 SchulG M-V. Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V ist der Einzugsbereich einer Schule grundsätzlich das Gebiet des Schulträgers. Erfolgt hiervon abweichend eine Festlegung der Einzugsbereiche, wird in den vom Gesetzgeber ausgestalteten Grundsatz eingegriffen. Dieser Eingriff rechtfertigt es, das Beteiligungsrecht nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V als subjektives Recht eines Schulträgers anzusehen.

Aus § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V ergibt sich auch ein subjektives Recht für die Antragstellerin zu 2.. Dafür, dass für eine von § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V abweichende Festlegung der Einzugsbereiche auch das Benehmen der betroffenen Gemeinden, die ihrerseits keine Schulträger sind, herzustellen ist, sind ursächlich die sich daraus ergebenden rechtlichen und finanziellen Auswirkungen auch für die Schulkostenbeiträge (§ 115 SchulG M-V). Allein dieser Umstand reicht für die Annahme der Antragsbefugnis aus (vgl. BayVGH, Urteil vom 26.07.1982 - 7 N 81 A. 1630 - und - 7 N 81 A. 1910 -, BayVBl. 1983, 272; BayVGH, Urteil vom 15.02.1993 - 7 N 92.2414 -, zit. nach Juris). Dies gilt auch für die Antragstellerin zu 2., die eine Nachbargemeinde der Antragstellerin zu 1. ist, da sie letztlich - auch mit Blick auf den beabsichtigten Gebietsänderungsvertrag - ihre Zuordnung zu dem Einzugsbereich der Ad.-Schule begehrt.

Dem besonderen Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin zu 1. steht auch nicht § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V entgegen. Nach der genannten Vorschrift ist der Einzugsbereich einer Schule grundsätzlich das Gebiet des Schulträgers.

Insofern könnte man in Erwägung ziehen, dass ein Einzugsbereich der verbundenen Haupt- und Realschule Kalkhorst trotz der angegriffenen Einzugsbereichssatzung des Antragsgegners schon kraft Gesetzes bereits bzw. noch besteht. Dem steht jedoch entgegen, dass der Antragsgegner selbst nach seinem eigenen Vorbringen der Verbundenen Haupt- und Realschule Kalkhorst überhaupt keinen Einzugsbereich - auch nicht den in § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V grundsätzlich vorgesehenen Bereich -mehr zuordnen wollte. Hierbei hat er sich maßgeblich von dem Schulentwicklungsplan leiten lassen, der die Aufhebung der Ad.-Schule vorsieht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner in der streitgegenständlichen Satzung das Gebiet der Gemeinde Kalkhorst dem Einzugsbereich der verbundenen Haupt- und Realschule der Gemeinde Dassow zugeordnet hat. Hätte der Antragsgegner dem in § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V geregelten Grundsatz auch für die verbundene Haupt- und Realschule Kalkhorst Rechnung tragen wollen, hätte keine Veranlassung bestanden, das Gebiet der Gemeinde Kalkhorst - also der Antragstellerin zu 1. - einem anderen Einzugsbereich zuzuordnen.

Dem besonderen Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin zu 2. steht nicht entgegen, dass ihr Gemeindegebiet vor Erlass der angegriffenen Einzugsbereichssatzung der verbundenen Haupt- und Realschule Boltenhagen zugeordnet war, die zum 31. Juli 2002 jedoch aufgehoben sein dürfte. Ihrem Begehren, den Einzugsbereich der Adolf-Diesterweg-Schule um ihr Gemeindegebiet zu erweitern, trägt die streitgegenständliche Einzugsbereichssatzung nicht Rechnung, was das besondere Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung dieses Normenkontrollverfahrens zur Aufhebung der angegriffenen Satzung begründet.

Schließlich ist der Normenkontrollantrag auch innerhalb der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangen.

II. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Antragsgegner hat das nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V erforderliche Benehmen nicht hergestellt (1.). Zudem enthält die streitgegenständliche Einzugsbereichssatzung entgegen § 46 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SchulG M-V keinen Einzugsbereich für die Ad.-Schule, obwohl es sich (noch) um eine rechtlich existente Schule handelt (2.).

1. Die Festlegung der Einzugsbereiche durch den Antragsgegner findet ihre Ermächtigung in § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V.

Dass die Festlegung von Einzugsbereichen in der Form einer Satzung ergehen kann, folgt aus § 92 Abs. 1 KV M-V. Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 KV M-V können die Landkreise die Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises durch Satzung regeln, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen. Gemäß § 89 Abs. 1 KV M-V regeln die Landkreise in ihrem Gebiet die gemeindeübergreifenden Angelegenheiten in eigener Verantwortung, soweit die Gesetze nicht etwas anderes bestimmen. Bei der Festlegung von Einzugsbereichen nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V handelt es sich um gemeindeübergreifende Angelegenheiten, da es sich gerade um eine Ermächtigung für eine Ausnahmeregelung von dem in § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V geregelten Grundsatz handelt.

Hier liegt ein Verfahrensfehler vor, weil der Antragsgegner kein Benehmen i.S.d. § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V mit den Antragstellerinnen hergestellt hat. Dieses Beteiligungsrecht ist als Anhörungsrecht zu verstehen (vgl. zu vergleichbaren Ausgestaltungen in anderen Bundesländern BayVGH, Urteil vom 15.02.1993, a.a.O.; bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 15.12.1994 - 6 NB 2/93 -, zitiert nach Juris; Verfassungsgericht Brandenburg, Urteil vom 17.07.1997 - VfGBbg 1/97 -, LVerfGE 7, 74ff., 99).

Im Rahmen des Rechtssetzungsverfahrens der streitigen Einzugsbereichssatzung ist unstreitig kein gesondertes Verfahren zur Herstellung des Benehmens i.S.d. § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V eingeleitet worden. Die Beteiligung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V ist auch nicht entbehrlich. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann die Beteiligung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V nicht durch eine bereits erfolgte Beteiligung bei der Aufstellung des Schulentwicklungsplanes ersetzt werden.

Zwar sieht § 107 Abs. 1 Satz 1 SchulG M-V ebenfalls ein Anhörungsverfahren vor. Gleichwohl bestehen zwischen den in § 107 Abs. 1 Satz 1 SchulG M-V und in § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V festgelegten Verfahrensbeteiligungen durchgreifende Unterschiede: Das Benehmen nach § 107 Abs. 1 Satz 1 SchulG M-V ist "lediglich" mit denjenigen Gemeinden, die Schulträger sind, herzustellen. § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V hingegen schreibt darüber hinaus auch ein Benehmen mit den von der beabsichtigten Festsetzung der Schuleinzugsbereiche betroffenen Gemeinden vor, die keine Schulträger sind. Aber selbst wenn die nach § 107 Abs. 1 SchulG M-V zuständigen Landkreise bei der Aufstellung ihrer Schulentwicklungspläne "überobligationsmäßig" auch weitere betroffene Gemeinden beteiligt haben sollten, spricht der Sinn und Zweck der jeweiligen Benehmensherstellung gegen die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Festsetzung der Einzugsbereiche erst durch eine von § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V abweichende genehmigte Satzung nach Satz 2 SchulG Wirksamkeit erhält. Die nach § 107 Abs. 1 Satz 1 SchulG M-V aufgestellten Schulentwicklungspläne entfalten hinsichtlich der dortigen Darstellungen der Einzugsbereiche einzelner Schulen keine Rechtsnormqualität (vgl. Urteile des Senats vom 07.05.2003 - 4 K 8/03 und 4 K 9/03 -). Dient demzufolge das Benehmen nach § 107 Abs. l Satz 1 SchulG M-V einem anderen rechtlichen Zweck als das in § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V festgelegte, muss ein Benehmen nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V auch (gesondert) hergestellt werden, zumal ein im Benehmen mit den betroffenen Schulträgern aufgestellter Schulentwicklungsplan noch der Genehmigung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur bedarf (§ 107 Abs. 7 SchulG M-V).

2. Zudem ist die angegriffene Einzugsbereichssatzung deshalb nichtig, weil der Antragsgegner die (noch) bestehende Ad.-Schule nicht in die Satzung aufgenommen und das Gebiet der Antragstellerin zu 1. der Verbundenen Haupt- und Realschule in Graal-Müritz zugeordnet hat.

Hierin ist ein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V zu sehen. Im Hinblick auf den Umstand, dass noch keine (bestandskräftige) Maßnahme nach § 108 SchulG MV - auch nicht im Wege der Ersatzvornahme durch das Innenministerium M-V - abschließend getroffen ist, ist die Verbundene Haupt- und Realschule im Rechtssinne nach wie vor existent. Dann aber ist der Einzugsbereich dieser Schule gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V grundsätzlich das Gebiet der Antragstellerin zu 1. bzw. die Gebiete, die der Antragsgegner in seiner Einzugsbereichssatzung vom 27. Mai 1999 unter der dortigen Ziffer 28 für die verbundenen Haupt- und Realschule Kalkhorst festgelegt hat. Dem steht auch nicht der Schulentwicklungsplan des Antragsgegners entgegen, der die Aufhebung der verbundenen Haupt- und Realschule in Kalkhorst vorsieht. Denn ein Schulentwicklungsplan kann schulorganisatorische Entscheidungen nach § 108 SchulG M-V nicht ersetzen (vgl. Urteile des Senats vom 07.05.2003 - 4 K 8/03 und 9/03 -). Dass der Antragsgegner im Vorgriff auf eine nach § 108 SchulG M-V zu treffende Entscheidung noch bestehende Schulen bei der Festlegung von Einzugsbereichen nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V völlig unberücksichtigt lassen darf, ist weder aus dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 Satz 2 SchulG M-V noch aus Sinn und Zweck der Regelung herzuleiten (vgl. hierzu auch VG Greifswald, Beschluss vom 30. Juli 1997 - 4 B 1119/97 -).

Im Hinblick auf die abschließende Regelung in § 47 Abs. 6 VwGO war die angegriffene Satzungsvorschrift für nichtig zu erklären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 711, 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 VwGO).

Ende der Entscheidung

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