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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 29.12.2008
Aktenzeichen: 8 L 129/07
Rechtsgebiete: ArbGG, PersVG M-V


Vorschriften:

ArbGG § 53
ArbGG § 64 Abs. 7
ArbGG § 83 Abs. 4 Satz 3
ArbGG § 87 Abs. 2
ArbGG § 91
PersVG M-V § 87 Abs. 2
PersVG M-V § 88
Beschlüsse in personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren, die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen, erlässt der Vorsitzende allein.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

8 L 129/07

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Personalvertretungsrecht der Länder

hat der Fachsenat für Personalvertretungsrecht des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 29. Dezember 2008 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 7. Kammer - vom 29.03.2007 wird geändert.

Es wird festgestellt, dass dem Antragsteller hinsichtlich des in der Dienststelle praktizierten Schichtsystems ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 6 PersVG M-V zusteht.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Antragsteller ist der beim Brandschutz- und Rettungsamt der Hansestadt Rostock gebildete Personalrat; Beteiligter ist der Oberbürgermeister der Stadt.

Mit Schreiben vom 09.09.2005 bat der Beteiligte den Antragsteller um Zustimmung zu Maßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeitszeiten von Beschäftigten innerhalb des Brandschutz- und Rettungsamtes. Insbesondere ging es um die Umstellung des 24 h-Schichtdienstsystems im Einsatzdienst auf ein 12 h-Schichtdienstsystem.

Nach Ablehnung der beantragten Zustimmung durch den Antragsteller stimmte der Gesamtpersonalrat der Stadtverwaltung den geplanten und zwischenzeitlich auch praktizierten Maßnahmen mit Schreiben vom 18.11.2005 zu.

Am 31.08.2006 hat der Antragsteller ein personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren eingeleitet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag,

festzustellen, dass dem Antragsteller hinsichtlich des in der Dienststelle praktizierten Schichtsystems, hilfsweise hinsichtlich der Aufstellung der monatlichen Dienstpläne der Beschäftigten im Schichtdienst des Brandschutz- und Rettungsamtes Rostock ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 6 PersVG M-V zusteht, durch Beschluss vom 29.03.2007 abgelehnt. In den Gründen heißt es u.a.: Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Das im Bereich des Brandschutz- und Rettungsdienstes praktizierte Schichtdienstsystem sei mit Zustimmung des Gesamtpersonalrats zeitlich unbefristet eingeführt worden und werde weiterhin angewendet. Es sei weder durch ein neues System abgelöst worden noch stellten die monatlich aufgestellten Dienstpläne allgemeine Arbeitszeitregelungen dar.

Gegen die dem Antragsteller am 23.04.2007 zugestellte Entscheidung hat dieser am 23.05.2007 Beschwerde eingelegt, die am 25.06.2007, einem Montag, begründet worden ist.

Der Antragsteller verfolgt sein bisheriges Begehren weiter.

Die Beteiligten streiten in zweiter Instanz insbesondere über die Frage, ob der Gesamtpersonalrat die Zustimmung wirksam erteilen konnte, nachdem der Antragsteller diese verweigert hatte.

Durch Schriftsätze vom 18.11.2008 und 24.11.2008 haben die Beteiligten einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie den vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

II.

Über die Beschwerde ist ohne ehrenamtliche Richter zu entscheiden, da die Entscheidung im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergeht (vgl. §§ 87 Abs. 2 PersVG M-V, 90 Abs. 2, 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG).

Zwar wird der Fachsenat für Personalvertretungssachen - wie sich aus § 88 PersVG M-V ergibt - grundsätzlich in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und vier ehrenamtlichen Richtern tätig. Abweichend von dieser Besetzung entscheidet der Vorsitzende jedoch allein, wenn ihm diese Befugnis nach den entsprechend geltenden Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes (vgl. §§ 87 Abs. 2, 88 Abs. 2 Satz 4 PersVG M-V) zuerkannt ist. Dies gilt etwa in dringenden Fällen bei Erlass einstweiliger Verfügungen (vgl. Grabendorff u.a. BPersVG 9. Aufl. § 83 Rn. 75 bzw. § 84 Rn. 14 m.w.N.). Im Hinblick (u.a.) auf die Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter gelten für das Beschwerdeverfahren gemäß § 87 Abs. 2 ArbGG die für das Berufungsverfahren maßgeblichen Vorschriften entsprechend. Nach der insoweit hier einschlägigen Regelung des § 64 Abs. 7 ArbGG gilt ebenfalls im Hinblick u.a. auf die Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter (auch) die Vorschrift des § 53 ArbGG entsprechend, nach dessen Abs. 1 Satz 1 die nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Vorsitzende allein erlässt. Eine in diesem Sinne andere Bestimmung findet sich jedoch nicht; dies gilt auch für § 91 ArbGG. Wenn es in dessen Abs. 1 Satz 1 lediglich heißt, dass das Landesarbeitsgericht durch Beschluss entscheidet, so ist damit nur die Entscheidungsart und die zuständige Instanz normiert; die Vorschrift verhält sich nicht zu der Frage, in welcher Besetzung das Gericht zu entscheiden hat (a.M: Fischer/Goeres, GKÖD Band V Anhang 13 zu K § 83 Rn. 4). Nichts anderes gilt im Ergebnis für § 91 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, nach der der Beschluss mit Gründen von den Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben ist. Dies ist so zu verstehen, dass alle Mitglieder des Spruchkörpers, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, diese auch - und zwar einschließlich der Gründe - zu unterschreiben haben. Eine Regelung über die Besetzung des Spruchkörpers bei Entscheidungen liegt darin nicht. Zu einer anderen Auslegung gibt auch die Wahrung der berechtigten Rechtsschutzinteressen der Verfahrensbeteiligten keine Veranlassung. Sie haben es selbst in der Hand, ob sie auf mündliche Verhandlung und damit auf die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter verzichten. Die einvernehmliche Vorsitzenden- bzw. Berichterstatterentscheidung ist auch in anderen Prozessordnungen und auch für die zweite Instanz vorgesehen (vgl. § 87a Abs. 2, 3 VwGO). Auch dass ehrenamtliche Richter bei Beschlüssen, die ohne mündliche Verhandlung ergehen, nicht mitwirken, ist prozessrechtlich nicht ungewöhnlich (vgl. §§ 130a VwGO, 12 Abs. 2 GOrgG M-V). Im vorliegenden Verfahren sind die Beteiligten außerdem auf die Anwendbarkeit von § 53 Abs. 1 ArbGG und die daraus folgende Vorsitzendenentscheidung durch Verfügung vom 03.12.2008 hingewiesen worden. Gleichwohl haben sie weder auf eine andere Besetzung noch auf eine mündliche Verhandlung hingewirkt. Im Ermessen des Gerichts steht es, ob es von dem Verzicht auf mündliche Verhandlung Gebrauch macht. Wird allerdings - wie hier - ohne mündliche Verhandlung entschieden, weil es jedenfalls in erster Linie um die Beantwortung einer bestimmten Rechtsfrage geht (vgl. den gerichtlichen Hinweis vom 13.11.2008), steht es nicht im Ermessen des Vorsitzenden, die ehrenamtlichen Richter beizuziehen (vgl. Grunsky, ArbGG, 6. Aufl. § 53 Rn. 2 ff).

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Antragsteller hat Anspruch auf die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung.

Dass ihm das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nach § 70 Abs. 1 Nr. 6 PersVG M-V ursprünglich zugestanden hat, ist ohne weiteres zu bejahen. Davon ist auch der Beteiligte ausgegangen, als er den Antragsteller mit Schreiben vom 09.09.2005 um dessen Zustimmung ersucht hat. Es gibt keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser einhelligen Auffassung der Beteiligten zu zweifeln. Sie haben übereinstimmend (auch) in der Beschwerdeinstanz vorgetragen, dass von den Maßnahmen, um dessen Zustimmungsbedürftigkeit es hier geht, nur Beschäftigte des Brandschutz- und Rettungsamts betroffen sind, so dass der dort gebildete Personalrat, also der Antragsteller, nach § 73 Abs. 1 Satz 1 PersVG M-V zu beteiligen (gewesen) ist.

Das Mitbestimmungsrecht besteht auch weiterhin; es hat sich nicht durch die vom Gesamtpersonalrat ausgesprochene Zustimmung erledigt.

Der Gesamtpersonalrat war im vorliegenden Fall nicht zur Erteilung der Zustimmung berufen. Dass er nicht originär zuständig war, ergibt sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen. Er konnte aber auch nicht als eine Art Stufenvertretung tätig werden. Zwar sieht § 62 Abs. 7 Satz 2 PersVG M-V vor, dass "die oberste Dienstbehörde oder das oberste Organ" in den in § 62 Abs. 1 genannten Fällen die Zustimmung des Gesamtpersonalrats beantragen kann. Wenn aber oberste Dienstbehörde oder oberstes Organ nicht bestehen, so kann die Einigungsstelle nach § 62 Abs. 7 Satz 7 PersVG M-V unmittelbar angerufen werden.

Aus der in § 62 Abs. 7 Satz 1 PersVG M-V enthaltenen Verweisung auf § 82 Abs. 2 PersVG M-V folgt, dass das Personalvertretungsrecht die Begriffe "oberste Dienstbehörde und oberstes Organ" in einem eigenen Sinne verwendet. Nach § 82 Abs. 2 Satz 1 PersVG M-V sind "der Magistrat, der Kreisausschuss, der Verbandsvorstand oder vergleichbare Organe" oberste Dienstbehörden oder oberste Organe. Damit ist zugleich abgegrenzt, dass die Vertretungskörperschaft nicht als oberstes Organ bzw. oberste Dienstbehörde im Sinne von § 62 PersVG M-V anzusehen ist (vgl. Donalies/Neumann Personalvertretungsrecht M-V § 62 Rn. 18 m.w.N.; Vogelgesang u.a. Landespersonalvertretungsrecht M-V § 82 Rn. 13). Soweit der Beteiligte meint, der Gesetzgeber habe auch in den Fällen, in denen es - wie hier - keinen Magistrat, Kreisausschuss oder etwas Vergleichbares gibt, "stets die Einbindung des Gesamtpersonalrats vorsehen" wollen, ist dies mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Eine solche erweiternde Interpretation wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der Gesetzgeber den Fall, dass entsprechende Instanzen fehlen, nicht geregelt hätte, was hier aber - wie bereits ausgeführt - durch § 62 Abs. 7 Satz 7 PersVG M-V geschehen ist. Auch die Funktionalität der Verwaltung erfordert nicht eine Auslegung, wie sie vom Beteiligten vertreten wird. Dieser hätte die Möglichkeit gehabt, die Einigungsstelle anzurufen. Der Beteiligte hätte aber nicht die personalvertretungsrechtlich erforderliche Zustimmung als durch den Gesamtpersonalrat wirksam erteilt betrachten dürfen.

Danach kommt es nicht darauf an, ob - was insbesondere in erster Instanz umstritten war - sich die Zustimmung des Gesamtpersonalrats inzwischen allein durch Zeitablauf erledigt hat oder ob zwischenzeitlich eine neue allgemeine Arbeitszeitregelung für Beschäftigte des Brandschutz- und Rettungsamtes eingeführt und so ein neuer Zustimmungsfall eingetreten ist.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne von §§87 Abs. 2 PersVG M-V, 92 Abs. 1 Satz 1, 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht (vgl. Beschl. des Senats vom 29.11.2006 - 8 L 426/05 -, m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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