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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 1 A 1294/03.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW


Vorschriften:

LPVG NRW § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Mit Blick auf die kollektive Ausrichtung der Aufgabenstellung des Personalrats einerseits und anderseits auf das Direktionsrecht des Dienststellenleiters im Bereich der einschlägigen Fragen, wie auf betriebsbedingte Mehrarbeit reagiert werden soll, ist an dem tradierten Verständnis des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW festzuhalten. Es ist weiterhin von einem kollektiv ausgerichteten Mitbestimmungsrecht auszugehen und der erforderliche kollektive Bezug (allein) danach zu beurteilen, ob die ergriffene Überstundenanordnung in ihrer konkreten Auswirkung kollektive Interessen von Beschäftigten berührt, d. h. eine Gruppe betrifft oder andernfalls unmittelbare Auswirkungen auf die Interessen anderer Beschäftigter mit Blick auf deren Arbeitszeit und -umfang hat (Abgrenzung zu den vom BAG zu § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entwickelten Kriterien für die Unterscheidung einer mitbestimmungsfreien Individualmaßnahme von einer mitbestimmungspflichtigen Anordnung von Überstunden/Mehrarbeit).
Tatbestand:

Seit Januar 2000 waren für die zwei im Vorzimmer des Beteiligten mit Sekretariatsaufgaben betrauten Beschäftigten Überstunden angefallen, die nicht mehr im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit durch Freizeitausgleich abgegolten werden konnten. Daraufhin bat der Beteiligte den Antragsteller, gemäß § 72 Abs. 4 Nr. 2 LPVG NRW der monatlichen Leistung von jeweils 28 bezahlten Überstunden durch die genannten Beschäftigten zuzustimmen. Der Antragsteller erteilte die erbetene Zustimmung für einen Zeitraum bis zum 31. 12. 2000. Auf Bitten des Beteiligten verlängerte er diese bis zum 30. 6. 2001.

Mit Vorlage vom 12. 11 2001 bat der Beteiligte den Antragsteller, für seine Sekretärinnen die bisherige Genehmigung weiter zu verlängern, und zwar zunächst bezogen auf den Zeitraum vom 1. 1. 2002 bis zum 31. 12. 2002. Durch einen hohen - oft termingebundenen - Arbeitsanfall sei eine ordnungsgemäße und pünktliche Abwicklung der vielfältigen Aufgaben im Sekretariat nur durch Leistung von Überstunden zu gewährleisten, die allerdings nicht kontinuierlich anfielen, sondern zeitlich flexibel geleistet werden müssten. Vor diesem Hintergrund sei der Einsatz einer dritten Mitarbeiterin im Sekretariat nicht praktikabel. Die betroffenen Beschäftigten seien nach wie vor mit der Leistung der Mehrarbeitsstunden einverstanden.

Nach mehreren Erörterungen lehnte der Antragsteller die beantragte Zustimmung endgültig ab. Daraufhin teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit, die streitigen Anordnungen von Überstunden für die Beschäftigten in seinem Vorzimmer seien nicht nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LPVG NRW mitbestimmungspflichtig. Denn sie seien Einzelfallregelungen ohne kollektive Wirkung. Im Übrigen sei die Ableistung der Überstunden zur Aufrechterhaltung eines geregelten Dienstbetriebes unumgänglich notwendig. Er habe deshalb die Überstundenanordnungen bis auf weiteres erteilt.

Die angerufene Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des VG lehnte den zuletzt gestellten Antrag des Antragstellers,

festzustellen, dass die Anordnung von Überstunden für die Beschäftigen des Vorzimmers des Beteiligten mitbestimmungspflichtig sei, soweit die Überstunden vorhersehbar und nicht durch Erfordernisse des Betriebsablaufs bedingt seien, ab.

Die dagegen eingelegte Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Antrag dahingehend neu fasste, dass er beantragte,

festzustellen, dass es seiner Mitbestimmung aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstat- bestand - LPVG NRW unterliege, wenn der Beteiligte für die beiden in seinem Vorzimmer (Sekretariat) Beschäftigten mit deren Einverständnis zeitlich befristet auf ein Jahr im Voraus anordne, dass monatlich bis zu 28 (bezahlte) Überstunden bzw. Mehrarbeit zeitlich flexibel geleistet werden müsse, weil er mit der Möglichkeit rechne, dass eine ordnungsgemäße und pünktliche Abwicklung der vielfältigen Aufgaben seines Sekretariats wegen des hohen - termingebundenen - Arbeitsanfalls von den beiden Beschäftigten nicht innerhalb der üblichen Arbeitszeit einschließlich der im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit auszugleichenden Überstunden bewältigt werden könne, blieb erfolglos. Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen.

Gründe:

Der Antrag ist zulässig.

Die Neufassung des Antrags dient der Klarstellung. Nachdem sich die zwischen den Beteiligten ursprünglich in Streit gestandene Anordnung des Beteiligten, die bis zum 31. 12. 2002 befristet war, durch Zeitablauf erledigt hat, kommt nur noch eine Feststellung zur Mitbestimmungspflichtigkeit einer vergleichbaren Anordnung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW in Betracht. Die neugewählte Antragsformulierung beschreibt die Besonderheiten des streitanlassgebenden Vorgangs hinreichend bestimmt in abstrakter Form und hat damit eine für die Zulässigkeit eines abstrakten Antrags erforderliche hinlängliche Anknüpfung an diesen.

Vgl. zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen abstrakten Antrag: u.a. BVerwG, Beschluss vom 2. 6. 1993 - 6 P 3/92 -, BVerwGE 92, 295 = PersR 1993, 450 = PersV 1994, 126 = NVwZ 1994, 1220; aus der Rechtsprechung des OVG NRW vgl. etwa den Beschluss vom 21. 7. 2004 - 1 A 4378/02.PVL -, juris.

Dem trug die bisherige Antragsformulierung nicht in gleichem Maße Rechnung. Mit ihr war im Grunde schon kein bestimmter Sachverhalt - abstrakt - beschrieben, bei dessen Vorliegen das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW greifen sollte. Vielmehr enthielt sie rechtliche (tatbestandliche) Begrifflichkeiten, deren Vorliegen - jedenfalls was die Frage der Vorhersehbarkeit und der Erfordernisse des Betriebsablaufs angeht - im Ausgangsfall zwischen den Beteiligten durchaus streitig waren. Die verwendete Formulierung "Anordnung von Überstunden" erfasste zudem eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten, die keinen Bezug zu dem ursprünglich streitigen Vorgang aufweisen. Insoweit vernachlässigte die ursprüngliche Antragsformulierung namentlich die Besonderheiten des Ausgangsfalls, dass die betroffenen Beschäftigten mit der Anordnung einverstanden waren und die Überstunden nach der getroffenen Anordnung (flexibel) zu leisten waren.

Der neu gefasste Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Er knüpft - wie bereits angeführt - hinreichend an den streitanlassgebenden Vorgang an, wie er sich aus der zuletzt von dem Beteiligten zur Mitbestimmung gestellten Vorlage vom 12. 11. 2001 erschließt. Zugleich besteht auch die für die Zulässigkeit einer abstrakten Antragstellung unerlässliche Wiederholungswahrscheinlichkeit. Wie die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass auch in Zukunft periodisch im Sekretariat des Beteiligten Verhältnisse eintreten, wie in der Zeit ab 2000 bis Ende 2002, in denen also zu erwarten steht, dass der Arbeitsanfall von den planmäßig vorhandenen Beschäftigten nicht innerhalb der üblichen Arbeitszeit einschließlich der im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit auszugleichenden Überstunden bewältigt werden kann. Weiter ist nicht auszuschließen, dass der Beteiligte darauf mit einer vergleichbaren Regelung reagiert und für die Beschäftigten seines Sekretariats anordnet, dass über einen bestimmten Zeitraum monatlich bis zu einer bestimmten Höchstzahl (bezahlte) Überstunden (flexibel) geleistet werden müssen.

Der Antrag ist aber unbegründet. Dem Antragsteller steht das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW nicht zu, wenn der Beteiligte in der im neu gefassten Antrag umschriebenen Weise für die in seinem Vorzimmer beschäftigten Sekretärinnen mit deren Einverständnis bestimmt, dass monatlich über die im Rahmen der flexiblen Arbeitszeitregelung durch Freizeitausgleich auszugleichenden Überstunden hinaus bis zu einer bestimmten Höchstzahl - im Ausgangsfall 28 - (bezahlte) Überstunden zu leisten sind.

Die vorsorgliche Anordnung von bezahlten Überstunden in der beschriebenen Weise unterliegt nicht der Mitbestimmung des Antragstellers aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW. Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen unter anderem über die Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit, soweit sie vorauszusehen oder nicht durch Erfordernisse des Betriebsablaufs oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bedingt sind.

Ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers scheitert hier nicht an dem im Einleitungsteil des § 72 Abs. 4 Satz 1 LPVG NRW enthaltenen Vorbehalt des Bestehens einer tariflichen Regelung (Tarifvorbehalt). Die von dem Beteiligten in diesem Zusammenhang angeführten Regelungen in § 17 BAT über u.a. Begriff, Anordnung und Ausgleich von Überstunden erfüllen diesen Vorbehalt nicht.

Eine tarifliche Regelung schließt die Mitbestimmung des Personalrats nur aus, wenn darin ein Sachverhalt unmittelbar geregelt wird, es also zum Vollzug keines Ausführungsakts mehr bedarf. Enthält eine tarifliche Regelung demgegenüber - wie hier § 17 BAT in Bezug auf die Anordnung von Überstunden - nur allgemeine Grundsätze für den Erlass weiterer Regelungen durch den Dienststellenleiter, unterliegt dessen Entscheidung bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Mitbestimmungstatbestandes der (Richtigkeits-)Kontrolle des Personalrats im Wege der Mitbestimmung.

Vgl. allg. BVerwG, Beschlüsse vom 12. 8. 2002 - 6 P 17/01 -, ZfPR 2002, 298 = PersR 2002, 473 = ZTR 2003, 100 = Schütz/Maiwald, BeamtR ES/D IV 1 Nr. 141 = PersV 2003, 192, und vom 28. 3. 2001 - 6 P 4.00 -, PersR 2001, 343; vgl. ausdrücklich zu § 17 BAT und § 19 MTL II auch OVG NRW, Beschluss vom 4. 11. 1992 - CL 52/89 -, NWVBl. 1993, 143 = RiA 1993, 155; Cecior/ Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 72 Rn. 284.

Die weiteren Voraussetzungen des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW sind demgegenüber nicht erfüllt.

Allerdings dürfte in der antragsgemäßen Verfügung des Beteiligten im Ansatz durchaus eine "Anordnung von Überstunden" im Sinne des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW liegen.

Dabei mag dahinstehen, ob es sich bei ihr schon um eine solche Anordnung von Überstunden handelt, die nach den tarifrechtlichen Bestimmungen Voraussetzung für eine Überstundenvergütung ist. (wird ausgeführt)

Dieser Frage braucht indes hier nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn es bestehen keine Bedenken, die in der Verfügung jedenfalls liegende rein "vorsorgliche" Anordnung von Überstunden, für den Fall des konkreten Eintritts eines entsprechenden Bedarfs, ihrer "direkten" Anordnung gleichzustellen. Der Umstand, dass in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW auch alle sonstigen die Dienstdauer beeinflussenden Regelungen mitbestimmungspflichtig sind, gebietet eine weite Auslegung aller speziellen Tatbestände.

Vgl. zum insoweit vergleichbaren § 86 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 HmbPersVG und der Anordnung von Bereitschaftsdienst: BVerwG, Beschluss vom 28. 3. 2001 - 6 P 4/00 -, BVerwGE 114, 103 = ZfPR 2001 197 = PersR 2001, 343 = PersV 2001, 552.

Das Mitbestimmungsrecht scheidet aber in der im Antrag umschriebenen Situation mit Blick auf den eingeschränkten - kollektiv ausgerichteten - Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestandes des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW aus.

Die Mitbestimmung bei der Anordnung von Überstunden zielt in erster Linie darauf, eine Überbeanspruchung sowie unzumutbare Freizeitverluste der betroffenen Beschäftigten als Folge der Maßnahme zu verhindern.

Vgl. BVerwG Beschluss vom 6. 10. 1992 - 6 P 25/90 -, PersR 1993, 77 = PersV 1993, 328 = ZfPR 1993, 46 zum inhaltsgleichen § 85 Abs. 1 Nr. 2 PersVG Bln.

Ihre Einführung mit der Novelle des LPVG NRW im Jahre 1984 diente insoweit der Ergänzung der bereits vorher vorhanden gewesenen Vorschriften über die Mitbestimmungspflichtigkeit von Arbeitszeitregelungen insbesondere in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW.

Vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 72 Rn. 360, m.w.N.

Der Schutzzweck des genannten Mitbestimmungstatbestandes in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW ist seinerseits kollektiv ausgerichtet. Mit der in jener Vorschrift eingeräumten Mitbestimmung des Personalrats soll ein zusätzliche Überwachung erfolgen, dass die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften beachtet und deren Einhaltung sichergestellt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. 7. 2004 - 1 A 3554/02.PVL -, a.a.O.

Ausgehend von den genannten Zweckbestimmungen und der kollektiv ausgerichteten Aufgabenstellung des Personalrats ist ein Anordnung von Überstunden (erst) dann nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW mitbestimmungspflichtig, wenn sie eine allgemeine (generelle) Regelung enthält. Bei Individualmaßnahmen greift das Mitbestimmungsrecht demgegenüber nicht.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. 3. 1997 - 1 A 3775/94.PVL - und vom 29. 3. 1990 - CL 15/87 -; Baden, PersR 1999, 293; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 72 Rn. 364 m.w.N.

Nach der (Klarstellung in der) Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Beschluss vom 12. 8. 2002 - 6 P 17/01 - a.a.O., der sich der Fachsenat angeschlossen hat, vgl. Beschluss vom 21. 7. 2004 - 1 A 3554/02.PVL -, juris, liegt eine generelle Regelung nach dem Zweck der Mitbestimmung als Mittel kollektiven Schutzes (nur) dann vor, wenn die streitige Maßnahme einen kollektiven Tatbestand regelt. Sie muss also eine Regelung enthalten, die die - kollektiven - Interessen der Beschäftigten unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen des einzelnen Betroffenen berührt.

Vgl. hierzu auch die in dem genannten Beschluss des BVerwG in Bezug genommene Rechtsprechung des BAG: Beschlüsse vom 16. 7. 1991 - 1 ABR 69/90 -, BB 1991, 2156 = DB 1991, 2492 = NZA 1992, 70, vom 12. 1. 1988 - 1 ABR 54/86 -, BB 1988, 1331 = NZA 1988, 517, und vom 10. 6. 1986 - 1 ABR 61/84 -, BAGE 52, 160.

Die Zahl der betroffenen Beschäftigten ist demgegenüber nicht erheblich, sondern kann allein ein Indiz sein.

Anzusetzen ist dabei - wie bei Fragen des Regelungszusammenhangs in Bezug auf andere Mitbestimmungstatbestände auch - an den konkreten Auswirkungen, die die streitige Anordnung zeitigt. Danach ist ein kollektiver Tatbestand in jedem Fall dann geregelt, wenn nach den konkreten Umständen die Anordnung eine nach objektiven Gesichtspunkten allgemein und umfassend bestimmbare Gruppe betrifft. In diesen Fällen werden ohne weiteres die (kollektiven) Interessen der Beschäftigten dieser Gruppe unabhängig von der einzelnen von der Maßnahme betroffenen Person und deren Wünschen geregelt. Dabei ist unter Gruppe nicht schon jede beliebige Mehrzahl von Beschäftigten zu verstehen, sondern nur ein funktional abgrenzbarer Teil der Beschäftigten einer Dienststelle. Daran fehlt es insbesondere, wenn im Konkreten einzelne Beschäftigte aus besonderem Anlass auf deren erklärte Bereitschaft zur Ableistung von Überstunden ausgewählt werden. Die Überstundenregelung trifft in diesen Fällen regelmäßig nur den jeweils individuell betroffenen Beschäftigten und wäre damit keine allgemeine.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. 1. 1996 - 6 P 50.93 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. 7. 2004 - 1 A 3554/02.PVL -, a.a.O., und vom 29. 9. 2004 - 1 A 4194/02.PVB -, juris,

In diesen Fällen ist allerdings ein kollektiver Bezug gleichwohl gegeben, wenn die Überstundenanordnung nicht nur die Beschäftigten betrifft, die im Konkreten zur Ableistung von Überstunden herangezogen werden, sondern konkrete Auswirkungen auf die Arbeitszeit anderer Beschäftigter hat. Dies entspricht den Ausführungen des BVerwG in dem bereits herangezogenen Beschluss vom 12. 8. 2002 - 6 P 17.01 - (a.a.O.).

Vgl. von Roetteken, Personalrat 2003, 331; OVG NRW, Beschlüsse vom 21. 7. 2004 - 1 A 3554/02.PVL -, a.a.O., und vom 29. 9. 2004 - 1 A 4194/02.PVB -, a.a.O.

Dies zugrunde gelegt scheidet vorliegend die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts aus, weil die begehrte abstrakte Feststellung Anordnungen wie den Ausgangsfall erfasst, für die sich weder die Betroffenheit einer Gruppe noch eines dritten Beschäftigten im vorstehenden Sinne feststellen lässt. Eine an den Ausgangsfall anknüpfende Anordnung träfe jeweils die einzelne Sekretärin im Vorzimmer des Beteiligten persönlich, die mit der Ableistung der Überstunden einverstanden ist. Im Ausgangsfall war die Anordnung an die jeweilige Person der Sekretärin gebunden. Die Anordnung richtete sich damit nicht an eine Gruppe von Beschäftigten im vorstehenden Sinne. Selbst bei einer gedanklichen Zusammenführung der Einzelanordnungen lassen sich die zwei Sekretärinnen nicht als ein funktional abgrenzbarer Teil der Beschäftigten der Dienststelle zusammenfassen. Insbesondere handelt es sich nicht etwa um die Gruppe der Sekretärinnen der Dienststelle (die mit Sekretariatsaufgaben beauftragten Beschäftigten), die funktional nach den übertragenen Aufgaben abgrenzbar wären. Die Zugehörigkeit zu demselben Arbeitsbereich - "Büro des Beteiligten" - begründet für sich keinen im vorstehenden Sinne kollektiven Tatbestand, zumal die betroffenen Sekretärinnen - wie vom Beteiligten unwidersprochen vorgetragen - nicht die einzigen Beschäftigten im Büro des Beteiligten sind.

Hängt also die Frage der Mitbestimmungspflichtigkeit der streitigen Anordnungen letztlich davon ab, ob die Maßnahmen im einzelnen über die betroffenen Sekretärinnen hinaus konkrete Auswirkungen auf die Arbeitszeit anderer Beschäftigter haben, kann der Antrag des Antragstellers keinen Erfolg haben. Denn solche Auswirkungen standen schon im Ausgangsfall nicht in Rede und werden entsprechend auch von dem abstrakten Antrag nicht für jeden denkbaren Fall vorausgesetzt. Damit kann auch der begehrten Feststellung nicht entsprochen werden.

Zu einem anderen Ergebnis müsste man nach Einschätzung des Fachsenats freilich gelangen, wenn man abweichend von der Rechtsprechung des Fachsenats und seinem Verständnis von der neueren Rechtsprechung des BVerwG für den kollektiven Bezug ausreichen ließe, dass die Maßnahme in einer Situation erfolgt, in der sich (abstrakt) Regelungsfragen stellen, die sich auf den Schutzzweck der Norm beziehen. Das wäre bei einem betrieblich veranlassten zusätzlichen Arbeitsbedarf - wie er hier in Rede steht - letztlich immer der Fall. Denn ein solcher Bezug ließe sich immer schon dann herstellen, wenn abstrakt zu klären wäre, ob die Anordnung zu einer Überarbeitung der Betroffenen führt, ob der Mehrarbeit durch eine andere Dienstplangestaltung oder durch die Leistung von Überstunden begegnet werden soll und - da zu dem Schutzzweck der Norm nach der Vorstellung des Gesetzgebers (wohl) auch die Einschränkung der Leistungen von Überstunden aus arbeitsmarktpolitischen Gründen zu zählen ist, vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 72 Rn. 360; LT-Drucks. 9/3845, S. 68, schließlich immer auch dann, wenn die Frage zu regeln ist, ob die Neueinstellung eines Beschäftigten zweckmäßiger wäre.

Nach diesen vom BAG zu § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entwickelten Kriterien vgl. Beschlüsse vom 16. 7. 1991 - 1 ABR 69/90 -, a.a.O., und vom 10. 6. 1996 - 1 ABR 61/94 -, a.a.O., wäre vorliegend eine hinreichende Anknüpfung für eine Mitbestimmung ohne weiteres gegeben. Denn mit Blick auf die Größenordnung des Überstundenbedarfs von bis zu 56 Stunden monatlich und der vorausgesetzten Dauer des Bedarfs von einem Jahr ist antragsgemäß eine Situation vorausgesetzt, in der die Fragestellung, nach einer (zweckmäßigeren) Einstellung einer weiteren Beschäftigten ggf. auf Teilzeitbasis jedenfalls nicht fern liegt. Wie die Vorlage zeigt, hatte der Beteiligte diese Frage im Ausgangsfall ebenfalls aufgeworfen. Zugleich würde sich abstrakt die Frage nach einer Überbeanspruchung stellen, und zwar unabhängig davon, dass die Sekretärinnen mit der Überstundenanordnung einverstanden sind und damit für sich die Frage selbst negativ beantwortet haben.

Von einer Mitbestimmung über die Anordnung von Überstunden nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW wären nach den Kriterien des BAG nur Situationen ausgenommen, in denen sich der Mehrarbeitsbedarf alleine aus der Person und den Wünschen des Betroffenen ergäbe, etwa bei der Anordnung von Überstunden, die dazu dienen, einem Beschäftigten - beim Fehlen einer Vereinbarung über flexible Arbeitszeiten - auf seinen Wunsch hin die Möglichkeit zu eröffnen, in einer Woche vorzuarbeiten, um in der darauffolgenden Woche Freizeitausgleich etwa zur Wahrnehmung eines Arztbesuches - zu erhalten. In allen anderen Fällen bliebe es selbst bei bloßer individueller Betroffenheit eines einzelnen Beschäftigten, der mit der Überstundenanordnung einverstanden ist, bei der Mitbestimmung. Im Ergebnis würde damit der Unterschied zwischen einer mitbestimmungsfreien Individualmaßnahme und einer solchen mit kollektiven Bezug aufgehoben.

Eine solche Aufhebung lässt sich nach Auffassung des Fachsenats und seinem Verständnis von der Entscheidung des BAG vom 12. 8. 2002 - 6 P 17.01 - (a.a.O.) für den Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW nicht rechtfertigen. Mit Blick auf die kollektive Ausrichtung der Aufgabenstellung des Personalrats einerseits und anderseits auf das Direktionsrecht des Dienststellenleiters im Bereich der einschlägigen Fragen, wie auf betriebsbedingte Mehrarbeit reagiert werden soll, ob mit Einstellung, Dienstplanänderung, Überstundenanordnung gegen Bezahlung, Überstundenanordnung gegen Freizeitausgleich, ist an dem tradierten Verständnis des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW festzuhalten. Es ist weiterhin von einem kollektiv ausgerichteten Mitbestimmungsrecht auszugehen und der erforderliche kollektive Bezug - wie geschehen - (allein) danach zu beurteilen, ob die ergriffene Überstundenanordnung in ihrer konkreten Auswirkung kollektive Interessen von Beschäftigten berührt, d. h. eine Gruppe betrifft oder andernfalls unmittelbare Auswirkungen auf die Interessen anderer Beschäftigter mit Blick auf deren Arbeitszeit und -umfang hat.

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