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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 09.06.2006
Aktenzeichen: 1 A 1492/05.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW


Vorschriften:

LPVG NRW § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7
Die Anweisung eines Dienststellenleiters an die Schulhausmeister, die in der jeweiligen Schule vorhandenen elektrischen Geräte nach der maßgeblichen Unfallverhütungsvorschrift zu überprüfen, unterliegt nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 LPVG NRW der Mitbestimmung des Personalrats.
Gründe:

Die Anweisung des Beteiligten zur Überprüfung elektrischer Geräte nach den Vorschriften der DIN/VDE 0702 gemäß der Verordnung der Berufsgenossenschaften BGV-A 2 unterliegt, soweit sie an die Schulhausmeister gerichtet ist, der Mitbestimmung des Antragstellers.

Ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers ergibt sich aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 LPVG NRW. Nach dieser Bestimmung hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen. Die Anweisung des Beteiligten erfüllt - im Übrigen auch insoweit, als sie an die nicht zum Kreis der Schulhausmeister zählenden Beschäftigten gerichtet ist - die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift.

Dem Eingreifen des Mitbestimmungsrechts steht weder eine gesetzliche noch eine tarifliche Regelung entgegen.

Eine die Mitbestimmung des Personalrats ausschließende gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht dann, wenn darin ein Sachverhalt unmittelbar geregelt ist, es also zum Vollzug keines Ausführungsaktes bedarf. Wenn jedoch aufgrund einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung die Ausgestaltung der Einzelmaßnahmen dem Dienststellenleiter überlassen ist, unterliegt dessen Entscheidung - auch bei rein normvollziehenden Maßnahmen ohne Ermessensspielraum - der Richtigkeitskontrolle des Personalrats im Wege der Mitbestimmung.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.5.2004 - 6 P 13.03 -, BVerwGE 121, 38 = Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 17 = PersR 2004, 349 = PersV 2004, 386 = ZfPR 2004, 231 = ZTR 2004, 549; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 72 Rn. 284; jeweils m.w.N.

Nach diesen Grundsätzen greift zunächst der Gesetzesvorrang nicht durch. Nach der auf der Grundlage von § 15 SGB VII vom Gemeindeunfallversicherungsverband als Satzung und damit als Gesetz im materiellen Sinne erlassenen Unfallverhütungsvorschrift GUV 2.10 ist in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zwar bestimmt, dass der Unternehmer dafür Sorge zu tragen hat, dass die elektrischen Anlagen und Betriebsmittel in bestimmten Zeitabständen auf ihren ordnungsgemäßen Zustand geprüft werden. Diese Bestimmung enthält jedoch keine derart erschöpfende Regelung des Einzelfalls, dass für die Ausgestaltung der Überprüfung dem einzelnen Dienststellenleiter kein hinreichender Freiraum verbleibt. Insbesondere lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen, durch wen die gebotene Prüfung in der jeweiligen Dienststelle vorzunehmen ist.

Auch der Tarifvorrang steht dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob die auf der Grundlage von § 6 Abschnitt B Abs. 2 Buchst. a Unterabs. 2 BZT-A/NRW von den Tarifvertragsparteien vereinbarten "Richtlinien für eine Dienstanweisung für Schulhausmeister" - im Folgenden: Richtlinien - eine tarifliche Regelung im Sinne von § 72 Abs. 4 Satz 1 LPVG NRW darstellt und ob diese Regelung auch nach dem zum 1.10.2005 erfolgten Inkrafttreten des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) noch Geltung beansprucht. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob die in II.1.2 der Richtlinien enthaltene Regelung, dass der Schulhausmeister u.a. für Sicherheit in den Schulgebäuden und auf dem Schulgrundstück zu sorgen und dabei die Vorschriften der Unfallverhütung zu beachten habe, unmittelbare Wirkung entfaltete und ob - für den Fall, dass es an einer solchen unmittelbaren Wirkung fehlt - die Anweisung des Beteiligten vom 15.10.2003 als Anordnung im Sinne von I.2 der Richtlinien angesehen werden kann. Denn II.1.2 der Richtlinien lässt sich keine ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers ausschließende erschöpfende Regelung entnehmen. Ihr lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass es gerade dem Schulhausmeister obliegt, die nach der Unfallverhütungsvorschrift GUV 2.10 vorgesehene Prüfung der beweglichen elektrischen Geräte vorzunehmen. Denkbar wäre etwa auch, andere Beschäftigte der Dienststelle oder einen privaten Unternehmer mit dieser Aufgabe zu beauftragen.

Die Anweisung des Beteiligten stellt auch eine Maßnahme im Sinne von § 66 Abs. 1 LPVG NRW dar.

Als Maßnahme im Sinne des Personalvertretungsrechts wird im Allgemeinen jede Handlung oder Entscheidung des Leiters der Dienststelle angesehen, mit der dieser in eigener Zuständigkeit eine Angelegenheit der Dienststelle regelt, sofern hierdurch der Rechtsstand der Beschäftigten oder eines einzelnen Beschäftigten berührt wird. Eine Maßnahme im Sinne des Personalvertretungsrechts muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielen. Nach Durchführung der Maßnahme müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18.5.2004 - 6 P 13.03 -, a.a.O., vom 14.10.2002 - 6 P 7.01 -, Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 104 = PersR 2003, 113 = PersV 2003, 186 = ZBR 2003, 390 = ZfPR 2003, 37 = ZTR 2003, 362, und vom 28.3.2001 - 6 P 4.00 -, BVerwGE 114, 103 = Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 7 = DVBl. 2001, 1676 = PersR 2001, 343 = PersV 2001, 552 = RiA 2002, 134 = ZBR 2001, 438 = ZfPR 2001, 197 = ZTR 2001, 376; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 66 Rn. 28, m.w.N.

Dabei setzt eine Regelung nicht voraus, dass dem Leiter der Dienststelle ein Ermessensspielraum zusteht. Auch rein normvollziehende Akte sind als Maßnahme anzusehen, soweit es zum Vollzug der Norm im Einzelfall noch eines Ausführungsaktes bedarf.

Vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, a.a.O., § 66 Rn. 35, m.w.N.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Anweisung des Beteiligten, da mit ihr bestimmt worden ist, dass es gerade die Schulhausmeister sind, denen die nach der Unfallverhütungsvorschrift GUV 2.10 vorgesehene Überprüfung der beweglichen elektrischen Geräte obliegt. Dem kann der Beteiligte nicht mit Erfolg entgegen halten, den Schulhausmeistern habe schon vor Erlass der Anweisung diese Überprüfungspflicht oblegen. Selbst wenn eine derartige Pflicht schon bestanden haben sollte, würde dies den Maßnahmecharakter der Anweisung nicht in Frage stellen, da mit der Anweisung diese Pflicht im Einzelnen näher konkretisiert, insbesondere eine Frist für deren Erfüllung bestimmt worden ist.

Die Maßnahme ist auch auf die Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen gerichtet. Mit der Anweisung des Beteiligten soll sichergestellt werden, dass die dem Schutz der Beschäftigten vor Gefahren für Leben und Gesundheit bei der Arbeit dienenden Unfallverhütungsvorschrift GUV 2.10 beim Umgang mit beweglichen elektrischen Geräten eingehalten werden. Die Anweisung ist damit unmittelbar darauf gerichtet, Dienst- und Arbeitsunfälle und sonstige Gesundheitsschädigung zu verhüten.

Dem Eingreifen des Mitbestimmungsrechts kann der Beteiligte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass es der Maßnahme an dem erforderlichen innerdienstlichen Bezug fehle. Insofern kann dem Beteiligten zwar zugestanden werden, dass die zu überprüfenden beweglichen elektrischen Geräte zu einem großen Anteil von - nicht der Dienststelle angehörenden - Schülern und Lehrern der jeweiligen Schule in Anspruch genommen werden. Der Beteiligte räumt aber selbst ein, dass jedenfalls ca. 10 % der Geräte auch von der Dienststelle angehörenden Beschäftigten wie den Hausmeistern, den Schulsekretärinnen oder den Reinigungskräften genutzt werden. Dies reicht aus, um den erforderlichen innerdienstlichen Bezug der Maßnahme annehmen zu können.

Auch die Rechtssprechung des BVerfG zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein - BVerfG, Beschlus vom 24.5.1995 - 2 BvF 1/92 -, BVerfGE 93, 37 = DÖV 1996,74 = DVBl. 1995, 1291 = PersR 1995, 483 = PersV 1995, 553 = ZBR 1996, 15 = ZfPR 1995, 185 = ZTR 1995, 566 - steht dem Eingreifen des Mitbestimmungsrechts nicht entgegen.

Danach erfordert wegen des sich aus Art. 20 Abs. 2 GG ergebenden Grundsatzes der Volkssouveränität jegliche Ausübung von Staatsgewalt einen hinreichenden Gehalt an demokratischer Legitimation. Ausübung von Staatsgewalt ist jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter, und zwar unabhängig davon, ob es unmittelbar nach außen wirkt oder nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schafft. Entscheidungen im internen Bereich von Regierung und Verwaltung stellen sich im Verhältnis zu den Bürgern als Ausübung von Staatsgewalt dar. Daneben kommt ihnen eine auf den Binnenbereich des öffentlichen Dienstes bezogene Bedeutung zu, die es im Hinblick auf das demokratische Prinzip grundsätzlich zulässt, dass der Staat seinen Beschäftigten eine - in gewissem Umfang auch mitentscheidende - Beteiligung zur Wahrung ihrer Belange und zur Mitgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen einräumt. Derartige Beteiligungsrechte sind mit dem Demokratieprinzip vereinbar, solange sie nicht den Grundsatz berühren, dass alle der Staatsgewalt Unterworfenen den gleichen Einfluss auf die Ausübung von Staatsgewalt haben müssen und deshalb Bürgern, die von einer bestimmten Ausübung von Staatsgewalt individuell betroffen sind, keine besonderen Mitentscheidungsbefugnisse eingeräumt werden dürfen. In welcher Art und in welchen Fällen die Mitbestimmung oder eine andere Form der Beteiligung einer Personalvertretung verfassungsrechtlich zulässig ist, ist unter Würdigung der Bedeutung der beteiligungspflichtigen Maßnahmen sowohl für die Arbeitssituation der Beschäftigten und deren Dienstverhältnis als auch für die Erfüllung des Amtsauftrages zu bestimmen. Aufgrund dessen darf sich die Mitbestimmung einerseits nur auf innerdienstliche Maßnahmen erstrecken und nur so weit gehen, als die spezifischen in dem Beschäftigungsverhältnis angelegten Interessen der Angehörigen der Dienststelle sie rechtfertigen (Schutzzweckgrenze). Andererseits verlangt das Demokratieprinzip für die Ausübung von Staatsgewalt bei Entscheidungen von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrages jedenfalls, dass die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert ist (Verantwortungsgrenze). Innerhalb dieses Rahmens gilt: Je weniger die zu treffende Entscheidung typischerweise die verantwortliche Wahrnehmung des Amtsauftrages und je nachhaltiger sie die Interessen der Beschäftigten berührt, desto weiter kann die Beteiligung der Personalvertretung reichen.

Ausgehend von diesen Erwägungen kann vorliegend das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 LPVG NRW nicht schon allein unter Hinweis darauf verneint werden, dass die Maßnahme neben ihrem innerdienstlichen Bezug auch die Aufgabenwahrnehmung der Dienststelle nach außen betrifft. Denn die Betroffenheit der Aufgabenwahrnehmung nach außen führt nicht zum Ausschluss des Mitbestimmungsrechts, sondern bestimmt lediglich dessen Reichweite. Grundsätzlich stellt die Mitbestimmungsbefugnis aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 LPVG NRW ein uneingeschränktes Mitbestimmungsrecht dar, weil das Letztentscheidungsrecht nach § 66 Abs. 7 Satz 4 LPVG NRW der Einigungsstelle obliegt. Wenn aber eine die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 LPVG NRW erfüllende Maßnahme im Einzelfall erheblichen Einfluss auf die Erfüllung der Amtsaufgaben hat - was vorliegend offensichtlich nicht der Fall ist -, ist nach der Rechtsprechung des BVerwG die Mitbestimmung nicht ausgeschlossen. Dies führt vielmehr - nur - zu einer entsprechenden Anwendung des § 66 Abs. 7 Satz 4 mit der Folge, dass - trotz des an sich uneingeschränkten Mitbestimmungsrechts - nur eine Empfehlung der Einigungsstelle in Betracht kommt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.2.2002 - 6 P 3.01 -, BVerwGE 116, 216 = Buchholz 251.4 § 81 HmbPersVG Nr. 2 = NVwZ-RR 2003, 32 = PersV 2002, 546 = ZBR 2003, 105 = ZfPR 2002, 235 = ZTR 2002, 447.

Ob die anderen Vorschriften, auf die der Antragsteller sich berufen hat, ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht zu begründen vermögen, bedarf keiner Entscheidung, da der Antragsteller allgemein die Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts, nicht aber das Bestehen eines solchen aufgrund einer bestimmten Vorschrift beantragt hat. Im Übrigen dürften auch die Voraussetzungen der vom Antragsteller benannten Bestimmungen nicht eingreifen.

Einem Mitbestimmungsrecht aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 LPVG NRW dürfte schon entgegen stehen, dass die Schulhausmeister weder Vertrauens- oder Betriebsärzte sind, noch Sicherheitsfachkräfte im Sinne des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit vom 12.12.1973 (BGBl. I S. 1885), zuletzt geändert durch Art. 178 der Verordnung vom 25.11.2003 (BGBl. I. S. 2304), - ASiG - darstellen. Bei ihnen als sog. elektrotechnisch unterwiesene Personen im Sinne des vom Gemeindeunfallversicherungsverband herausgegebenen Merkblatts GUV 22.1 "Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel" fehlt es sowohl an der in § 5 Abs. 1 ASiG vorgesehenen Bestellung durch den Arbeitgeber noch verfügen sie über die in § 7 Abs. 1 ASiG vorgeschriebene Qualifikation.

Ein Mitbestimmungsrecht aus § 72 Abs. 3 Nr. 5 LPVG NRW unter dem Gesichtspunkt einer Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung dürfte daran scheitern, dass mit der nicht unmittelbar auf die Erzielung eines höheren mengenmäßigen Arbeitsertrags oder auf eine Verbesserung der Qualität des Arbeitsprodukts gerichteten Anweisung des Beteiligten zwar mittelbar die Erhöhung des Arbeitsergebnisses zwangsläufig und für die Betroffenen unausweichlich verbunden sein könnte, der Beteiligte in seiner Anweisung den Schulhausmeistern aber ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt hat, die mit der Prüftätigkeit verbundene Mehrbelastung dadurch auszugleichen, dass sie andere Aufgaben wie insbesondere die Überwachung des Reinigungsdienstes vernachlässigen oder vorübergehend nicht ausüben.

Ende der Entscheidung

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