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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: 1 A 228/01
Rechtsgebiete: BeamtVG, SGB VII


Vorschriften:

BeamtVG § 31 Abs. 1
BeamtVG § 31 Abs. 2
SGB VII § 8
Innerhalb einer privaten Garage besteht unabhängig von ihrer räumlichen Lage zur Wohnung eines Beamten auch dann kein Dienstunfallschutz nach § 31 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG, wenn der Beamte sich auf dem Weg vom Dienst befindet und beabsichtigt, unmittelbar nach Abstellen seines Fahrzeuges in der Garage den Weg zu seiner Wohnung fortzusetzen.
Tatbestand:

Der im Dienste der Bundesrepublik Deutschland stehende Kläger meldete im Dezember 1997der Unfallkasse einen sog. Wegedienstunfall. Er gab an, im November 1997 nach Dienstschluss auf dem Weg von seiner Dienststelle zu seinem Wohnhaus verunfallt zu sein. Er sei mit seinem privaten PKW unterwegs gewesen. Er habe sein Fahrzeug in seiner Garage geparkt. Beim Aussteigen aus dem Wagen habe er sich den linken Fuß vertreten. Er habe ein plötzliches Brennen im ganzen Fußbereich einschließlich der Ferse verspürt. Beim Gehen habe er Schmerzen gehabt.

Die Unfallkasse lehnte die Anerkennung des gemeldeten Vorfalls als Dienstunfall ab. Der Aufenthalt in einer privaten Garage sei dienstunfallrechtlich nicht geschützt. Dies gelte auch dann, wenn die Garage keine bauliche oder räumliche Einheit mit dem Wohngebäude aufweise, in dem der Verunfallte wohne, sondern - wie im Falle des Klägers - getrennt auf einem anderen Grundstück gelegen sei. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wies das VG ab. Die zugelassene Berufung blieb ebenfalls erfolglos. Die Revision ist zugelassen.

Gründe:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des gemeldeten Vorfalls als Dienstunfall durch die Beklagte. Die entgegenstehenden Bescheide der Unfallkasse sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Als Dienst im Sinne dieser Vorschrift gilt nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG in der hier maßgeblichen zum Unfallzeitpunkt gültigen Fassung (a.F.), vgl. BVerwG, Urteil vom 21.6.1982 - 6 C 90.78 -, DVBl. 1982, 1191, auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle (entspricht heute § 31 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz BeamtVG). Danach stellt der gemeldete Vorfall keinen Dienstunfall dar.

Zwar ist es - wovon auch die Beklagte ausgeht - in der Garage des Klägers zu einem Schadensereignis i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG gekommen. Der Kläger vertrat sich, als er seinerzeit sein Fahrzeug verlassen wollte, den linken Fuß, was zu einem starken Brennen im Fuß und zu einer Schwellung führte. Das Umknicken des Fußes stellt ohne Weiteres ein auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis im Sinne der Vorschrift dar, weil auch eigene Bewegungen einer Person mit ihren nächsten Folgen als eine "äußere gewaltsame Veranlassung" betrachtet werden können.

Vgl. Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: Januar 2004, § 31 BeamtVG Rn. 17, m.w.N.

Das Ereignis hat auch einen Körperschaden - Brennen im Fuß und behandlungsbedürftige Schwellung - verursacht. Ausreichender Anhalt dafür, dass jener Schaden seine wesentliche Ursache nicht im Umknicken des Fußes gehabt hat, besteht nicht. Ob dies auch für eventuelle fortbestehende Beschwerden gilt, erscheint allerdings mit Blick auf die Vorverletzung des Klägers durch einen Fersenbruch fraglich. Dies bedarf keiner weiteren Vertiefung, weil es im vorliegenden Zusammenhang ausreicht, dass jedenfalls die erste Schwellung als Schaden dem Ereignis zugerechnet werden kann.

Eine Anerkennung als Dienstunfall nach § 31 BeamtVG scheidet gleichwohl aus. Denn es fehlt dem Unfallereignis an dem erforderlichen Zusammenhang mit dem Dienst. Er stellte sich insbesondere nicht als sog. Wegeunfall i.S.d. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a. F. dar. Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger sich auf dem Heimweg vom Dienst befand und beabsichtigte, nach dem Abstellen seines Fahrzeugs in der Garage seinen Heimweg zu seinem 60 m entfernt liegenden Wohnhaus zu Fuß fortzusetzen.

§ 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. bezieht den sog. Wegeunfall in den Dienstunfallschutz ein. Die Bestimmung erfasst Unfälle, die sich ereignen, während der Beamte einen Weg "nach und von der Dienststelle" zurücklegt, dessen wesentliche Ursache im Dienst liegt, d.h. einen Weg, der einen funktionalen Zusammenhang mit dem Dienst aufweist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.6.1970 - II C 39.68 -, BVerwGE 35, 234.

Es soll das Risiko abgedeckt werden, dem sich der Beamte aussetzt, wenn er aus Anlass der von ihm geschuldeten Dienstleistung den seiner Einflussnahme unterliegenden persönlichen privaten Lebensbereich verlässt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16.12.1966 - VI A 697/66 -, DÖD 1967, 116; Schütz/Maiwald, a.a.O., § 31 BeamtVG Rn. 106; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Auflage, Rn. 646 f.

Risiken, denen sich der Beamte aus sog. eigenwirtschaftlichen oder sonstigen persönlichen Gründen unterwirft, und die den erforderlichen wesentlichen Zusammenhang mit dem Dienst lösen, werden demgegenüber nicht erfasst.

Unfallrechtlich geschützt ist danach ein Beamter dann und solange er sich auf dem unmittelbaren Weg zwischen seiner Dienststelle und seinem regelmäßigen häuslichen Wirkungskreis befindet (räumliche Komponente) und der zurückgelegte Weg in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienst steht, etwa der Aufnahme des Dienstes oder der Rückkehr aus dem Dienst in den privaten Bereich dient (funktionale Komponente).

BVerwG, Urteile vom 17.10.1967 - VI C 29.65 -, BVerwGE 28, 105, und vom 4.6.1970 - II C 39.68 -, a.a.O.; vgl. zum entsprechenden § 8 SGB VII: Schmitt, in SRH, 3. Auflage 2003, C. 15 Rz. 126.

Befindet sich der Beamte - räumlich - innerhalb seines privaten häuslichen Wirkungskreises, besteht kein Dienstunfallschutz mehr. Die mögliche Fortdauer eines ursächlichen Zusammenhangs für Wege innerhalb dieses Bereichs ist rechtlich nicht erheblich.

Vgl. Schmitt, a.a.O., Rz. 125.

Entsprechend wird eine - grundsätzlich rechtlich relevante - Verknüpfung mit der dienstlichen Tätigkeit auch beendet bzw. ggf. auch (nur) unterbrochen, wenn und solange der Beamte in seinen häuslichen Bereich zurückkehrt oder auf dem Weg einen anderen Teil seines häuslichen Wirkungskreises betritt.

Die Abgrenzung eines dienstunfallrechtlich geschützten Weges von dem dienstunfallrechtlich nicht mehr geschützten privaten Bereich ist nach objektiven Merkmalen unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Einbeziehung des Wegeunfalls in den Dienstunfallschutz vorzunehmen. Wird der Weg zum Dienst aus dem häuslichen Wohnbereich angetreten oder dort beendet, beginnt und endet der Weg regelmäßig an der Außen(haus)türe des Hauses, in dem sich die Wohnung des Beamten befindet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.1967 - III C 33.64 -, a.a.O.; Schnellenbach, a.a.O., Rn. 646.

Entscheidend für die Beurteilung im Einzelfall ist aber eine wertende Betrachtung, ob nach der Verkehrsauffassung eine Räumlichkeit/Örtlichkeit verlassen oder betreten wird, die zum typischen privaten Lebensbereich des Beamten gehört, innerhalb derer sich ein funktionaler Zusammenhang zum Dienst regelmäßig löst und deren Gefahrenquellen dem Beamten unter unfallfürsorgerechtlichen Gesichtspunkten deshalb zuzurechnen sind.

Vgl. Schnellenbach, a.a.O., 646 f.; Schütz/ Maiwald, a.a.O., § 31 BeamtVG Rn. 106; zum Erfordernis einer wertenden Betrachtung vgl. auch: BSG, Urteil vom 24.6.2003 - 24/02 R -, ZBR 2004, 63.

Davon ausgehend besteht innerhalb einer privaten Garage unabhängig von ihrer räumlichen Lage zum eigentlichen Wohnbereich des Beamten und auch unabhängig davon, ob sie in seinem Eigentum steht oder nur von ihm angemietet worden ist, kein Dienstunfallschutz. Bei einer Garage handelt es sich um eine Räumlichkeit, die zum typischen privaten Lebensbereichs gehört. Die dort vorhandenen Gefahrenquellen kann der Kläger ohne weiteres erkennen und aus eigenem Recht beseitigen. Ihre Nutzung ist in erster Linie eigenwirtschaftlich geprägt. Dieser eigenwirtschaftliche Bezug besteht im Grundsatz auch dann, wenn sich ein Beamter mit dem Ziel in die Garage begibt, mit dem dort abgestellten Fahrzeug zum Dienst zu gelangen bzw., vom Dienst kommend, sein Fahrzeug in der Garage abzustellen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Garage baulich mit dem Wohnhaus verbunden ist und/oder einen unmittelbaren Zugang zum Wohnbereich hat. Die Umstände, die eine Zuordnung der Räumlichkeit zum typischen privaten Lebens- und Verantwortungsbereich des Beamten rechtfertigen, sind unbeschadet möglicher baulicher Varianten vielmehr vergleichbar.

Vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 20.3.1996 - 8/V E 506/94 -, DÖD 1997, 208.; Schnellenbach, a.a.O., Rn. 647, Fußnote 169.

Auch Überlegungen zum einheitlichen Gesamtweg zur Dienststelle rechtfertigen keine andere Beurteilung. Der Aufenthalt in der nicht angebauten Garage stellt ebenso wenig einen Teil eines dienstunfallrechtlich geschützten Gesamtweges zur Dienststelle dar wie der Aufenthalt in einer vom Wohnbereich aus direkt zugänglichen Garage. Vielmehr wird der Dienstweg durch den Aufenthalt in der Garage in diesen Fällen genauso unterbrochen wie in dem Fall, in dem ein Beamter eine angebaute durch unmittelbaren Zugang zum Wohnbereich erreichbare Garage nach Verlassen des Wohnbereichs durch eine Außentür durch das Garagentor erneut betritt.

Die gegenteilige Bewertung des BSG, vgl. einerseits für eine angebaute, aber nicht direkt zugängliche Garage: BSG, Urteil vom 27.10.1976 - 2 RU 247/74 -, BSGE 42, 293, und anderseits für eine angebaute vom Wohnhaus zu betretene Garage: BSG, Urteil vom 31.5.1988 - 2/9b RU 6/87, BSGE 63, 212, die im Zusammenhang mit den im wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften des (sozial)versicherungsrechtlichen Unfallschutzes (heute § 8 SGB VII) steht, vgl. BVerwG, Urteil vom 4.6.1970 - II C 39.68 -, a.a.O., vermag nicht zu überzeugen. Letztlich stützt sich jene Rechtsprechung allein auf den Gedanken, dass sich in den Fällen, in denen sich die Garage gerade nicht am Haus befindet und nicht von dort betreten werden kann, eine klare den Anforderungen der Rechtssicherheit entsprechende Abgrenzung für den Beginn und das Ende des Weges nicht finde. Für diese Fälle rechtfertige es sich, die vom Haus getrennte Lebenssphäre nicht dem durch das Wohnen gekennzeichneten häuslichen Bereich zuzurechnen.

Vgl. BSG, Urteil vom 27.10.1976 - 2 RU 247/74 -, a.a.O.

Dieser Ansatz erlaubt zwar zweifellos eine klare Zuordnung der einschlägigen Fälle unter dem Blickwinkel der oben näher dargelegten räumlichen Komponente. Er vernachlässigt aber, dass nach Sinn und Zweck der Unfallfürsorge für das Greifen eines Unfallschutzes zugleich ein besonderer funktionaler Zusammenhang mit dem Dienst bestehen muss. Dieser endet indes immer dann, wenn die dem Verantwortungsbereich des Beamten überantwortete Privatsphäre in einer Weise erreicht wird, die eine Lösung der Verantwortlichkeit des Dienstherrn bei insoweit notwendig wertender Betrachtung der Verhältnisse im Einzelfall nahe legt.

Für die Zuordnung einer Örtlich- bzw. Räumlichkeit zum privaten Lebensbereich eines Beamten, für den kein Dienstunfallschutz besteht, ist deswegen nicht allein das Wohnen maßgeblich. Sie kann auch nicht davon abhängen, ob dieser Bereich eine Tür hat oder sonst eine Pforte durchschritten werden muss. Entscheidend ist vielmehr, ob die regelmäßige Nutzung der Örtlich- bzw. Räumlichkeit eigenwirtschaftlich geprägt ist und vorhandene Gefahrenquellen der Kenntnis und Verantwortung des Beamten unterstehen. Zudem lässt sich der vom Unfallschutz ausgenommene Aufenthalt in einer Garage ebenso sicher mit den Kriterien des Durchschreitens bzw. Durchfahrens des Garagentors oder einer sonstigen Tür von den übrigen dienstunfallrechtlich geschützten Wegestrecken abgrenzen, die der Beamte im Übrigen zurücklegt, um seine Dienststelle oder sein Wohnhaus zu erreichen.

Vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 20.3.1996 - 8/V E 506/94 -, a.a.O.

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