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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.10.2006
Aktenzeichen: 1 A 464/05.PVL
Rechtsgebiete: LPVG NRW


Vorschriften:

LPVG NRW § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1
LPVG NRW § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3
1. Der Ausschluss der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW bezieht sich nicht auf den Technischen Direktor eines Theaters und nicht auf einen Gewandmeister.

2. Für die Frage, ob der Technische Direktor eines Theaters oder ein Gewandmeister eine überwiegend künstlerische Tätigkeit im Sinne von § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LPVG NRW ausüben, kann nicht auf deren Funktion abgestellt werden. Vielmehr ist es erforderlich, die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit des jeweiligen Beschäftigten in den Blick zu nehmen und im Einzelnen zu untersuchen, ob und inwieweit die Tätigkeit künstlerische Elemente enthält und welches Gewicht diesen im Verhältnis zu den sonstigen Aufgaben zukommt.

3. Zu einem Einzelfall, in dem sich die Tätigkeit des Technischen Direktors eines Theaters und die einer Gewandmeisterin als überwiegend künstlerisch im Sinne von § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LPVG NRW darstellen.


Gründe:

Die Einstellung des Beschäftigten I. als Technischen Direktors und der Beschäftigten N. und F. als Gewandmeisterinnen und Zuschneiderinnen unterliegt nicht der Mitbestimmung des Antragstellers.

Dass bei der Aufnahme der Tätigkeit durch die Beschäftigten I., N. und F. die sich aus § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW ergebenden Tatbestandsmerkmale für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei einer Einstellung vorliegen, liegt auf der Hand und ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig. Allerdings besteht dieses Mitbestimmungsrecht nicht uneingeschränkt. Es ist vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW vollständig ausgeschlossen und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LPVG NRW von einem Antrag des jeweiligen Beschäftigten abhängig.

Vorliegend greift zwar der Ausschlusstatbestand des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW nicht ein (1.), indes bedarf es nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LPVG NRW für die Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens eines Antrags der Beschäftigten, an dem es hier für alle Beschäftigten fehlt (2.).

1. Die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung gilt § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW nicht für Beschäftigte an Theatern, die nach dem Bühnennormalvertrag beschäftigt werden.

Der Bühnennormalvertrag im Sinne der vorbezeichneten Bestimmung ist eine Sammelbezeichnung für diejenigen tarifvertraglichen Regelwerke, die die Arbeitsverhältnisse der Bühnenkünstler in verschiedenen Sparten normativ gestalten. Es waren dies bis 31.12.2002 der Normalvertrag Solo - NVSolo - vom 1.5.1924, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 12.7.1993, sowie der Normalvertrag Chor/Tanz - NVChor/Tanz - vom 2.11.2000, geändert durch Tarifvertrag vom 17.4.2001. Die Verweisung auf das Bühnentarifrecht in § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW ist dynamisch. Angesichts der gegenwartsbezogenen Formulierung der Vorschrift ("... beschäftigt werden") sind die maßgeblichen Bestimmungen des Bühnentarifrechts in der jeweiligen aktuellen Fassung zugrunde zu legen, die in demjenigen Zeitpunkt gelten, in welchem die etwaige personalvertretungsrechtliche Beteiligung ansteht. Aufgrund dieser dynamischen Verweisung hat als Bühnennormalvertrag im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW nunmehr der Normalvertrag Bühne - NVBühne - vom 15.10.2002 zu gelten, der ab 1.1.2003 den Normalvertrag Solo und den Normalvertrag Chor/Tanz abgelöst hat (vgl. § 1 Buchst. a und s des Begleittarifvertrages zum NVBühne).

Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 7.10.2003 - 6 P 4.03 -, Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 31 = PersR 2004, 30 = ZTR 2004, 104.

Ausgehend davon können die Beschäftigten I., N. und F. nicht als nach einem Bühnennormalvertrag i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW beschäftigt angesehen werden. Der Normalvertrag Bühne gilt zwar nach § 1 Abs. 1 für Bühnentechniker, zu denen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Technische Direktoren stets und nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Gewandmeister insoweit zählen, als mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind. Dieser Tarifvertrag kann jedoch nicht uneingeschränkt unter den Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW subsumiert werden. Denn für die Auslegung des Begriffs "Bühnennormalvertrag" ist auf die Begriffsbestimmung zurückzugreifen, die bei der Aufnahme der Vorschrift in das Landespersonalvertretungsgesetz allgemein anerkannt war. Diesem Umstand kommt vorliegend Bedeutung zu, da der neu abgeschlossene Tarifvertrag "Normalvertrag Bühne" nicht nur die vormals vorhandenen Normalverträge Solo und Chor/Tanz zusammenfasst, sondern auch für den Personenkreis gelten soll, der bis dahin von dem - nicht dem Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW zugeordneten - Tarifvertrag für technische Angestellte mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit an Bühnen - Bühnentechniker-Tarifvertrag - vom 25.5.1961, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 23.9.1996, - BTT - erfasst wurde. Ausgehend von der Maßgeblichkeit des historischen Begriffsverständnisses werden deshalb von dem Begriff des Bühnennormalvertrags i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW trotz des nunmehr auf sie zur Anwendung kommenden Normalvertrags Bühne diejenigen Personen nicht erfasst, die nicht zu dem Personenkreis zu zählen sind, für den seinerzeit noch die Normalverträge Solo und Chor/Tanz Geltung fanden. Mit Blick darauf greift der Mitbestimmungsausschluss aus § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 3 LPVG NRW nach dem Inkrafttreten des Normalvertrags Bühne für die Beschäftigten I., N. und F. nicht, da sie vormals als Technischer Direktor nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BTT und als Gewandmeisterinnen im Falle der Wahrnehmung überwiegend künstlerischer Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 17 BTT dem Bühnentechniker-Tarifvertrag und nicht dem Normalvertrag Solo unterfielen.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2002 - 1 A 603/98 -, PersR 2003, 237.

2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedarf es nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LPVG NRW für die Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens aber eines Antrags der Beschäftigten, der hier in keinem der Fälle vorliegt.

Nach dieser Bestimmung gilt § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW u.a. für Beschäftigte mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit nur, wenn diese es beantragen. Diese Voraussetzungen kommen vorliegend sowohl für den Beschäftigten I. als auch für die Beschäftigten N. und F. zur Anwendung, da diese in der Dienststelle als Beschäftigte mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit anzusehen sind und einen Antrag auf Beteiligung des Antragstellers nicht gestellt haben.

Allerdings folgt dies für den Beschäftigten I. nicht schon daraus, dass er als Technischer Direktor sowohl nach § 2 Abs. 1 BTT als auch nach § 1 Abs. 3 Satz 1 NVBühne zu den sog. "geborenen Künstlern" gehört, und für die Beschäftigten N. und F. nicht schon daraus, dass nach § 2 Abs. 2 BTT u.a. Gewandmeister als überwiegend künstlerisch tätig gelten, wenn im Dienstvertrag vereinbart ist, dass diese überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben haben, und dass § 1 Abs. 3 Satz 2 NVBühne u.a. für Gewandmeister die Möglichkeit vorsieht, mit ihnen - wie hier - im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind. Denn § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LPVG NRW stellt das Erfordernis der "überwiegenden künstlerischen Tätigkeit" selbstständig und ohne Bezug auf das Tarifrecht auf, so dass nicht durch Tarifvertrag verbindlich geregelt werden kann, ob diese Voraussetzung der antragsabhängigen Mitbestimmung gegeben ist. Eine solche Bindung würde § 4 LPVG NRW widersprechen, wonach eine vom Gesetz abweichende Regelung des Personalvertretungsrechts durch Tarifvertrag nicht zulässig ist. Die Regelung des Bühnentechniker-Tarifvertrags oder des Normalvertrags Bühne über die Bewertung der Tätigkeit des von ihnen erfassten Personenkreises kann daher keine rechtliche Bedeutung haben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, a. a. O.; BAG, Urteil vom 10.2.1999 - 7 AZR 733/97 -; OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2002 - 1 A 603/98 -, a. a. O.

Bei der somit erforderliche Prüfung, ob und inwieweit der Beschäftigte I. als Technischer Direktor und die Beschäftigten N. und F. als Gewandmeisterinnen und Zuschneiderinnen, die nach ihrem Arbeitsvertrag überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben haben, in der Dienststelle tatsächlich eine künstlerische Tätigkeit ausüben, kann die Bewertung der Tarifvertragsparteien und der Parteien des Arbeitsvertrags allerdings nicht außer Betracht bleiben, vielmehr kommt dieser eine indizielle Bedeutung zu. Wenn die Tarifvertragsparteien den Technischen Direktor zu den sog. "geborenen Künstlern" zählen und wenn die Parteien eines Arbeitsvertrags von der durch § 2 Abs. 2 Satz 2 BTT eröffneten Möglichkeit der Fiktion einer künstlerischen Tätigkeit durch die Vereinbarung, dass der Beschäftigte überwiegend eine künstlerische Tätigkeit auszuüben hat, bzw. von der in § 1 Abs. 3 Satz 2 NVBühne vorgesehenen Möglichkeit der Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit im Arbeitsvertrag Gebrauch machen, ist dies als Indiz dafür zu bewerten, dass die Beschäftigten überwiegend künstlerisch i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LPVG NRW tätig werden sollen.

Vgl. zur Indizwirkung BVerwG, Beschlüsse vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, a. a. O., und vom 7.12.1994 - 6 P 29.92 -, BVerwGE 97, 159 = Buchholz 251.0 § 95 BaWüPersVG Nr. 1 = NVwZ-RR 1995, 578 = PersR 1995, 293 = PersV 1995, 395 = RiA 1996, 101; BAG, Urteil vom 10.2.1999 - 7 AZR 733/97 -; OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2002 - 1 A 603/98 -, a. a. O.

Die Prüfung des Vorliegens einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit setzt eine Bestimmung des Kunstbegriffs voraus. Nach der früheren Rechtsprechung des BVerwG in Personalvertretungssachen ist unter Kunst die Gestaltung eines seelisch-geistigen Gehalts durch eine eigenwertige Form nach bestimmten Gesetzen zu verstehen, wobei die Gestaltungsmittel und Gesetze bei jeder Kunst verschieden sind. Es muss auf jeden Fall eine schöpferische Begabung und schöpferische Leistung gegeben sein.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, a. a. O.

Vorliegend kann dahinstehen, ob dieser - an die frühere Rechtsprechung des BVerfG zum Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG anknüpfenden - Begriffsbestimmung heute noch zu folgen ist oder ob angesichts der neueren Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG (6. Senat) in Jugendschutzssachen ein weiterer Kunstbegriff maßgeblich ist. Denn auch in Anwendung des (engeren) Kunstbegriffs nach der früheren Rechtsprechung des BVerwG ist davon auszugehen, dass sowohl der Beschäftigte I. als auch die Beschäftigten N. und F. in der Dienststelle überwiegend künstlerisch tätig i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 LPVG NRW sind.

a) Für den Beschäftigte I. kann allein aus dessen Funktion als Technischem Direktor eine überwiegend künstlerische Tätigkeit nicht abgeleitet werden. Diese Funktion liegt auf der Grenze zwischen dem künstlerischen und dem bühnentechnischen Bereich. Dies erfordert es, die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit des Beschäftigten in den Blick zu nehmen und im Einzelnen zu untersuchen, ob und inwieweit die Tätigkeit künstlerische Elemente enthält und welches Gewicht diesen im Verhältnis zu den sonstigen Aufgaben zukommt. Ausgehend davon ist für den vorliegenden Fall in Würdigung aller maßgeblichen Umstände festzustellen, dass der Beschäftigte I. überwiegend künstlerisch tätig ist.

Nach den Angaben des Beschäftigten I. im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge durch die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen, deren Richtigkeit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt hat, besteht dessen Tätigkeit zu einem wesentlichen Teil in der Mitarbeit an der Erstellung der Bühnenbilder für die einzelnen Inszenierungen. Dabei kommt dem Beschäftigten I. in nahezu sämtlichen Phasen des Erstellungsprozesses ein eigenschöpferischer Einfluss auf die Gestaltung des Bühnenbildes zu.

Dies beginnt bereits bei der Bauprobe, bei der der künstlerische Stab bestehend aus Regisseur, Bühnenbildner und Dramaturg auf der Bühne provisorisch einen ersten Entwurf des Bühnenbildes erstellt. An dieser Bauprobe ist der Beschäftigte I. als Technischer Direktor beteiligt. Ihm obliegt es dabei, die Vorstellungen des künstlerischen Stabs zu erfassen und die Möglichkeiten für deren Umsetzbarkeit in den Blick zu nehmen. Dabei verbleibt es nicht nur bei einer bloßen Bewertung der technischen oder finanziellen Umsetzbarkeit der künstlerischen Ideen. Vielmehr ist die Tätigkeit des Beschäftigten I. gerade dadurch gekennzeichnet, dass er eigenständig schöpferisch Konzepte entwickelt, wie eine bestimmte künstlerische Idee des Regisseurs, Dramaturgen oder Bühnenbildners umgesetzt werden könnte. Dazu bringt er selbst Vorschläge ein, wie den Vorstellungen des künstlerischen Stabs entsprochen werden könnte. Gleiches gilt für die Fälle, in denen lediglich ungenaue Vorstellungen oder nur Handskizzen des Bühnenbildners existieren. Diese sind dann von dem Beschäftigten I. in Würdigung des zugrunde liegenden künstlerischen Gedankens auszufüllen. Darin zeigt sich, dass sich die Erstellung des Bühnenbildes als ein Prozess darstellt, in den die schöpferischen Tätigkeiten mehrerer Personen einfließen und sich gegenseitig beeinflussen. In diesen Prozess ist auch der Beschäftigten I. als Technischer Direktor eingebunden. Dies wird insbesondere dadurch belegt, dass die von ihm entwickelten Vorschläge auch auf die künstlerischen Konzepte des Regisseurs, Dramaturgen oder Bühnenbildners selbst zurückwirken, indem diese ihnen Anlass geben, das Konzept zu überdenken und gegebenenfalls abzuändern.

Dieser bestimmende Einfluss des Beschäftigten I. auf das "Gesamtkunstwerk" Theaterstück setzt sich fort bei der klassischen Werkstattbesprechung und der Materialbeschaffung. In dieser Phase des Erstellungsprozesses ist es Aufgabe des Beschäftigten I., den ihm unterstehenden Abteilungen das dem zu erstellenden Bühnenbild zugrunde liegende künstlerische Konzept zu vermitteln und für die Beschaffung der erforderlichen Materialien Sorge zu tragen. Auch in dieser Phase ist eine eigenschöpferische Arbeit des Beschäftigten I. gefordert, wenn er auftretende Schwierigkeiten etwa bei der praktischen Umsetzbarkeit, bei der Finanzierbarkeit oder bei der Materialbeschaffung beseitigen muss. In solchen Fällen hat er Alternativen zu entwickeln, die dem künstlerischen Konzept in gleicher oder jedenfalls annähernder Weise entsprechen, und beeinflusst damit die Gestaltung des Bühnenbildes entweder unmittelbar selbst oder über die Beratung mit dem künstlerischen Stab.

Der bestimmende Einfluss des Beschäftigten I. setzt sich weiter fort in der sogenannten Einrichtungsphase, in der das, was an Bühnenbild geschaffen worden ist, auf die Bühne gebracht wird. In dieser Phase sind viele Probleme in unterschiedlichem Umfang abzuklären. Dies erfolgt aber nicht durch eine einseitige Entscheidung des Bühnenbildners, sondern in Beratung mit dem Beschäftigten I.

Schließlich zeigt sich der bestimmende Einfluss des Beschäftigten I. auch in der Phase der Endproben bis hin zur Generalprobe. Auch in dieser Phase beeinflusst der Beschäftigte I. die Gestaltung des Bühnenbildes unmittelbar durch eigene Eingriffe oder mittelbar über Beratungen mit dem künstlerischen Stab.

Dem künstlerischen Gehalt der Tätigkeit des Beschäftigten I. bei der Mitarbeit an der Erstellung der Bühnenbilder steht nicht entgegen, dass in streitigen künstlerischen Frage die Letztentscheidungskompetenz beim Bühnenbildner oder bei anderen Mitgliedern des künstlerischen Stabs liegt. Entscheidend ist allein, dass der Beschäftigte I. eigenständig schöpferisch Konzepte zur Umsetzung einer bestimmten künstlerischen Idee des Regisseurs, Dramaturgen oder Bühnenbildners entwickelt. Er ist damit in den schöpferischen Prozess der Erstellung des Bühnenbildes maßgeblich und gewollt eingebunden, was für die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit ausreicht. Ob seine Konzepte stets übernommen werden, ist dafür ohne Bedeutung.

Dieser künstlerische Gehalt der Tätigkeit des Beschäftigten I. überwiegt auch dessen Gesamttätigkeit.

Eine Tätigkeit ist dann innerhalb der Gesamttätigkeit des Beschäftigten "überwiegend", wenn die anderen dem Beschäftigten übertragenen, nicht künstlerischen Aufgaben dazu lediglich einen weniger bedeutenden Annex bilden. Soweit also der Beschäftigte innerhalb der Dienststelle auch nicht künstlerische Aufgaben zu erfüllen hat, kommt es nicht entscheidend auf die zeitliche Beanspruchung durch diese Arbeit an, sondern darauf, ob es sich im Verhältnis zu der künstlerischen Tätigkeit lediglich um "Nebenaufgaben" handelt, die für das Beschäftigungsverhältnis nicht prägend sind.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26.1.1968 - VII P 8.67 -, BVerwGE 29, 77 = Buchholz 238.34 § 72 HbgPersVG Nr. 1 = PersV 1968, 136 = ZBR 1968, 121, und vom 18.3.1981 - 6 P 26.79 -, a. a. O., Urteile vom 24.3.1988 - 6 P 18.85 -, Buchholz 251.8 § 80 RhPPersVG Nr. 3 = DÖV 1988, 162 = PersR 1988, 212 = PersV 1989, 264 = ZBR 1988, 257 = ZTR 1968, 362, und vom 7.10.1988 - 6 P 30.85 -, BVerwGE 80, 265 = Buchholz 251.2 § 89 BlnPersVG Nr. 1 = DVBl. 1989, 207 = PersR 1989, 47 = PersV 1989, 276; OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2002 - 1 A 603/98 -, a. a. O.

Ausgehend davon ist festzustellen, dass der künstlerische Gehalt der von dem Beschäftigten I. zu erledigenden Aufgaben der Gesamttätigkeit ihr entscheidendes Gepräge gibt. Trotz der zahlreichen nicht künstlerischen Aufgaben ist die Tätigkeit des Beschäftigten I. maßgeblich durch die Zusammenarbeit mit den Regisseuren, Dramaturgen und Bühnenbildnern gekennzeichnet. Diese Zusammenarbeit steht im Zentrum seiner Aufgaben und prägt die gesamte Tätigkeit. Die nahezu durchgängig von einem eigenschöpferischen Gestaltungsspielraum gekennzeichneten Einbindung in die Erstellung der Bühnenbilder stellt einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Beschäftigten I. dar.

Die gegen das Vorliegen einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit des Beschäftigten I. erhobenen Einwände des Antragstellers greifen nicht durch. Der Hinweis auf die Organisations- und Budgetverantwortung, die nach Auffassung des Antragstellers die Zeugenaussage des Beschäftigten I. durchzogen habe, trägt dem übrigen Inhalt der Aussage nicht hinreichend Rechnung. Insbesondere berücksichtigt der Antragsteller nicht genügend den geschilderten Gehalt der Zusammenarbeit mit den Regisseuren, Dramaturgen und Bühnenbildnern bei der Erstellung der Bühnenbilder, der im Übrigen auch in den Angaben des Verwaltungsdirektors H. in der Anhörung vor der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen seine Bestätigung gefunden hat. Im Kern würdigt der Antragsteller die Einbindung des Beschäftigten I. in den künstlerischen Prozess der Erstellung der Bühnenbilder nicht angemessen und misst dessen eigenschöpferischen Gestaltungsspielraum bei der Entwicklung von Konzepten zur Umsetzung der künstlerischen Vorstellungen während nahezu sämtlicher Phasen dieses Prozesses ein zu geringes Gewicht bei.

b) Für die Beschäftigten N. und F. gilt entsprechend, dass allein aus ihrer Funktion als Gewandmeisterinnen und Zuschneiderinnen eine überwiegend künstlerische Tätigkeit nicht abgeleitet werden kann. Auch bei ihnen ist die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit in den Blick zu nehmen und im Einzelnen zu untersuchen, ob und inwieweit die Tätigkeit künstlerische Elemente enthält und welches Gewicht diesen im Verhältnis zu den sonstigen Aufgaben zukommt. Ausgehend davon ist für den vorliegenden Fall in Würdigung aller maßgeblichen Umstände festzustellen, dass die Beschäftigten N. und F. überwiegend künstlerisch tätig sind.

Nach den Angaben der Beschäftigten N. im Rahmen ihrer Vernehmung als Zeugin durch die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen, deren Richtigkeit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt hat, ist die Tätigkeit als Gewandmeisterin und Zuschneiderin von einem künstlerischen Gehalt geprägt. Das gilt gleichermaßen für die Tätigkeit der Beschäftigten F., da diese nach übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten im Rahmen der Anhörung vor der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen als Elternzeitvertretung der Beschäftigten N. dieselben Aufgaben wahrnimmt wie diese.

Die Tätigkeit der Beschäftigten N. und F. besteht im Wesentlichen in der Mitarbeit an der Herstellung der Kostüme für die einzelnen Inszenierungen. Dabei kommt ihnen in nahezu sämtlichen künstlerisch relevanten Phasen des Herstellungsprozesses ein eigenschöpferischer Einfluss auf die Gestaltung der Kostüme zu.

Dies zeigt sich bereits bei der förmlichen Kostümbesprechung, an der der Kostümleiter, die Kostümbildnerin, die Gewandmeister und ein bis zwei Kostümassistentinnen sowie gegebenenfalls auch die Maskenbildnerin teilnehmen. Anlässlich dieser Kostümbesprechung präsentiert die Kostümbildnerin die von ihr angefertigten Kostümzeichnungen, sog. Figurinen. Die Umsetzung dieser Figurinen in das konkrete Kostüm wird dann im Einzelnen besprochen. Dabei nimmt die Beschäftigte N. bzw. F. als Gewandmeisterin und Zuschneiderin maßgeblichen Einfluss auf die konkrete Gestaltung des Kostüms. So gilt es etwa die Vorgaben der Figurine mit Blick auf die Ausstrahlung des für die Rolle vorgesehenen Schauspielers anzupassen. Dabei wird unter maßgeblicher Beteiligung der Beschäftigten N. bzw. F. erwogen, wie die der Figurine zugrunde liegende künstlerische Idee der Kostümbildnerin in dem konkreten Kostüm für den jeweiligen Schauspieler tatsächlich ihren Niederschlag finden kann. Gleiches gilt für die im Regelfall erforderliche Auswahl der Stoffe. Insoweit wird unter maßgeblicher Beteiligung der Beschäftigten N. bzw. F. erörtert, mit welchem Stoff die künstlerische Idee der Kostümbildnerin am besten umgesetzt werden kann. Auch die Farbe des Kostüms wird besprochen. Zwar gibt die Figurine die Farbe vor. Daran wird aber bei der Umsetzung nicht immer festgehalten. Schließlich werden auch Fragen der Umsetzbarkeit der Figurinen abgeklärt. Wenn die Vorstellungen der Kostümbildnerin nicht realisiert werden können, wird gemeinsam mit der Beschäftigten N. bzw. F. nach einer Lösung gesucht.

Die vorstehenden Erwägungen gelten in gleicher Weise für außerhalb der förmlichen Kostümbesprechungen stattfindenden Erörterungen zwischen der Kostümbildnerin und den Beschäftigten N. und F.

Der eigenschöpferischer Einfluss auf die Gestaltung der Kostüme setzt sich auch in der konkreten Umsetzung der Figurinen fort. Der Anfertigung von Schnitten und dem Zuschneiden liegen zwar die Vorgaben durch die Figurinen zugrunde. Trotz dieser Vorgaben verbleiben für die Beschäftigten N. und F. Spielräume bei der endgültigen Gestaltung des Kostüms, da die Figurinen nicht jedes einzelne Detail des Kostüms festschreiben. Diese Spielräume haben die Beschäftigten N. und F. eigenständig schöpferisch auszufüllen. Zudem treffen sie selbstständig Entscheidungen, wenn etwa den Schneiderinnen die Umsetzung einer konkreten Vorstellung der Kostümbildnerin nicht zuzumuten ist. Solche Entscheidungen werden erst im Nachhinein mit der Kostümbildnerin abgestimmt.

Insgesamt zeigt sich in der von der Beschäftigten N. im Rahmen ihrer Zeugenaussage dargestellten Art der Zusammenarbeit mit der Kostümbildnerin, dass sich die Herstellung des Kostüms als ein Prozess darstellt, in den die schöpferischen Tätigkeiten mehrerer Personen einfließen und sich gegenseitig beeinflussen. In diesen Prozess sind die Beschäftigten N. und F. als Gewandmeisterinnen und Zuschneiderinnen maßgeblich eingebunden. Insbesondere haben sie im großen Umfang Einfluss auf die konkrete Verwirklichung der in den Figurinen zum Ausdruck kommenden künstlerischen Ideen der Kostümbildnerin. Ihnen obliegt es, die zeichnerischen Vorgaben der Kostümbildnerin umzusetzen. Dabei stellt es eine eigengestaltende und damit schöpferisch künstlerische Tätigkeit dar, wenn sie unter ästhetischen Gesichtspunkten ihre Vorstellungen über die Wirkung des Kostüms bei dem für die Rolle vorgesehenen Schauspieler, die Stoffauswahl und die konkrete Farbe hinsichtlich der Umsetzung der Figurinen einbringen.

Dem künstlerischen Gehalt der Tätigkeit der Beschäftigten N. und F. bei der Herstellung der Kostüme steht nicht entgegen, dass - nach den Angaben der Beschäftigten N. anlässlich ihrer Zeugenaussage - bei einem Dissens mit der Kostümbildnerin der Kostümleiter entscheide und dass sich die Kostümbildnerin bei abweichenden Vorstellungen der Beschäftigten N. und F. "vermutlich nicht einfach so reinreden" lasse. Maßgeblich ist allein, dass die Beschäftigten N. und F. eigenständig schöpferisch in den Prozess der Herstellung der Kostüme eingebunden sind, was für die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit ausreicht. Ob ihre Vorstellungen stets übernommen werden, ist dafür ohne Bedeutung.

Der künstlerische Gehalt der Arbeiten der Beschäftigten N. und F. überwiegt auch deren Gesamttätigkeit. Die rein handwerklichen Arbeiten treten gegenüber den künstlerisch geprägten deutlich in den Hintergrund. Die Zusammenarbeit mit der Kostümbildnerin, insbesondere die mit dieser erfolgende Abstimmung hinsichtlich der Umsetzung der Figurinen auf das konkrete Kostüm, sowie die Ausübung der ihnen zustehenden Entscheidungsspielräume prägen die Tätigkeit der Beschäftigten N. und F. als Gewandmeisterinnen und Zuschneiderinnen derart, dass es unabhängig davon, ob dafür mehr als 50 % der Arbeitszeit aufgewandt wird, gerechtfertigt ist, ihre Tätigkeit als überwiegend künstlerisch einzustufen.

Die gegen das Vorliegen einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit erhobenen Einwände des Antragstellers greifen nicht durch. Der Antragsteller stellt nicht in Frage, dass die Tätigkeit der Beschäftigten N. und F. künstlerische Elemente beinhaltet. Er vertritt lediglich die Auffassung, dass diese Elemente nicht ausreichen, um von einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit zu sprechen. Für seine Auffassung hebt er im Wesentlichen auf den handwerklichen Anteil der Tätigkeit der Beschäftigten N. und F. sowie auf die bei der Kostümbildnerin liegende künstlerische Verantwortung für die Kostüme ab. Damit würdigt der Antragsteller aber die Einbindung der Beschäftigten N. und F. in den künstlerischen Prozess der Herstellung der Kostüme in der Form, wie sie gerade in der vorliegenden Einrichtung "Bühnen und Orchester" erfolgt, nicht hinreichend und misst der Art und Weise der Zusammenarbeit der Beschäftigten N. und F. mit der Kostümbildnerin und der Ausübung der ihnen zustehenden Entscheidungsspielräume nicht das erforderliche Gewicht bei.

Lediglich zur Klarstellung ist abschließend noch auf Folgendes hinzuweisen: Aus der Feststellung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit des Beschäftigten I. sowie der Beschäftigten N. und F. kann nicht abgeleitet werden, dass der Technische Direktor an einem Theater und ein Gewandmeister an einem Theater stets überwiegend künstlerisch tätig sind. Es bedarf vielmehr in jedem Einzelfall einer Betrachtung der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit des jeweiligen Beschäftigten und der Untersuchung, ob und inwieweit die Tätigkeit künstlerische Elemente enthält und welches Gewicht diesen im Verhältnis zu den sonstigen Aufgaben zukommt.

Ende der Entscheidung

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