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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 24.05.2002
Aktenzeichen: 1 A 6168/96
Rechtsgebiete: BeamtVG, BKVO, SGB VII


Vorschriften:

BeamtVG § 31 Abs. 1
BeamtVG § 31 Abs. 3
BeamtVG § 45 Abs. 1
BeamtVG § 45 Abs. 2
BKVO Anlage 1 Nr. 1301
SGB VII § 9
§ 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG ist über seinen Wortlaut hinaus nicht nur in den Fällen, in denen der Beamte eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkt, sondern auch dann anwendbar, wenn der Beamte erst später die Erkrankung als Berufskrankheit erkennt.

Derzeit bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass ein Feuerwehrmann nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an Harnblasenkrebs aufgrund von aromatischen Aminen i.S.d. Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKVO besonders ausgesetzt ist.

§ 9 SGB VII ist im Bereich des Beamtenversorgungsrechts weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.


Tatbestand:

Der 1933 geborene Kläger trat im Oktober 1954 als Feuerwehrmann-Anwärter in den Dienst der Beklagten. Im Oktober 1955 wurde er zum Feuerwehrmann ernannt. Er stand bis zum Juli 1993 - seit November 1988 im Status eines Hauptbrandmeisters - als Beamter auf Lebenszeit im feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten. In der Zeit von 1957 bis 1968 war er in der Hauptnachrichtenzentrale eingesetzt, ansonsten war er überwiegend im Einsatzdienst tätig.

Im April 1985 diagnostizierte Prof. Dr. K. beim Kläger ein Blasenkarzinom, das anschließend operativ entfernt werden musste. Es schlossen sich ambulante chemotherapeutische Behandlungen und Kuraufenthalte an. Regelmäßig unterzog sich der Kläger Kontroll- und Nachsorgeuntersuchungen. Seine Dienst- und Verwendungsfähigkeit war auch in der Zeit nach 1985 nicht eingeschränkt.

Im Januar 1992 beantragte der Kläger die Anerkennung seiner Krebserkrankung (Blasenkarzinom) von April 1985 als "Berufskrankheit bzw. Dienstunfall". Zur Begründung führte er aus: "Expositionsverdacht von Ultragift TCDD und orale Aufnahme dioxinhaltiger sedimentierter Stäube besonders bei Aufräumungsarbeiten auf Brandstellen in 38 Dienstjahren." Im April 1994 ergänzte der Kläger seinen Antrag dahin, dass er sich auch auf die Nr. 1301 der Anlage I zur Berufskrankheiten-Verordnung berufe, wonach durch aromatische Amine verursachte Schleimhautveränderungen, Krebs und andere Neubildungen der Harnwege als Berufskrankheit anerkannt würden.

Der Oberstadtdirektor lehnte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er aus: Ein erhöhtes Risiko einer Blasenkrebserkrankung bei Feuerwehrleuten sei nicht feststellbar, auch seien keine erhöhten Berührungen mit Aminen aufgezeigt worden.

Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.

Gründe:

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass seine Blasenkrebserkrankung als Dienstunfall i.S.v. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG (Berufskrankheit) anerkannt wird.

Als Rechtsgrundlage kommt für das klägerische Begehren allein § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in Betracht.

Es bestehen bereits Zweifel, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung der Erkrankung als Dienstunfall (Berufskrankheit) gegeben sind. Voraussetzung für die begehrte Anerkennung eines Dienstunfalls ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht die fristgerechte Anzeige des Unfallgeschehens durch den Beamten. Ob eine solche hier innerhalb der maßgeblichen Frist erfolgt ist, kann nicht ohne Weiteres bejaht werden.

Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche aus diesem Gesetz entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Diese Fristregelung findet auch auf die Fallkonstellation des § 31 Abs. 3 BeamtVG Anwendung.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.8.1985 - 2 B 34.84 -, Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 1; Schütz/Maiwald, BeamtR, § 31 BeamtVG Rn. 162.

Dabei beginnt der Lauf der gesetzlichen Melde- und Ausschlussfrist mit dem objektiven Auftreten der Krankheit. Darauf, ob der Beamte erkannt hat, dass er sich eine (Berufs-)Krankheit i.S.d. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG zugezogen hat, kommt es entgegen der Nr. 45.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BeamtVG (GMBl. 1980, 742, 772 ff.) nicht an.

Vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 1.8.1985 - 2 B 34.84 -, a.a.O., und vom 15.9.1995 - 2 B 46.95 -, Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 3; OVG NRW, Urteile vom 22.5.1992 - 12 A 2403/89 -, Schütz/Maiwald, a.a.O., ES/C II 3.1 Nr. 46 = RiA 1993, 102 = ZBR 1993, 276, und vom 27.5.1998 - 12 A 6990/95 -, Schütz/ Maiwald, a.a.O., ES/C II 3.1 Nr. 73; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 11.4.1990 - 2 A 102/89 -, Schütz/ Maiwald, a.a.O., ES/C II 3.1. Nr. 40; Hess. VGH, Beschluss vom 7.3.1995 - 1 UE 1098/92 -, Schütz/Maiwald, a.a.O., ES/C II 3.1 Nr. 55; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.9.1993 - 4 S 2915/92 -, Schütz/Maiwald, a.a.O., ES/C II 3.1 Nr. 52; Schütz/Maiwald, a.a.O., § 45 BeamtVG Rn. 19.

Da es sich zudem bei den Fristen des § 45 BeamtVG um gesetzliche Ausschlussfristen handelt, ist auch unerheblich, wenn sich der Dienstherr - wie hier die Beklagte - erst im gerichtlichen Verfahren auf ein Fristversäumnis berufen hat.

Vgl. dazu Schütz/Maiwald, a.a.O., § 45 BeamtVG Rn. 12.

Der Lauf der Meldefrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG begann vorliegend im Jahre 1985. In diesem Jahr trat die Harnblasenkrebserkrankung, deren Anerkennung als Dienstunfall i.S.v. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG (Berufskrankheit) der Kläger nunmehr begehrt, erstmals objektiv auf. Eine Dienstunfallmeldung im Sinne des § 45 Abs. 1 BeamtVG, vgl. zu den Anforderungen an eine Dienstunfallmeldung BVerwG, Urteil vom 6.3.1986 - 2 C 37.84 -, Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 2 = DÖD 1986, 245 = DVBl. 1986, 945 = NJW 1986, 2588 = NVwZ 1986, 923 = ZBR 1986, 304, hat der Kläger aber erst im Januar 1992 abgegeben. Zu diesem Zeitpunkt war der Zweijahreszeitraum des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG längst verstrichen. Dass das vom Kläger behauptete Gespräch mit der Amtsärztin im Jahre 1985, selbst wenn es denn tatsächlich mit dem vom Kläger geschilderten Inhalt stattgefunden hat, nicht als Dienstunfallmeldung i.S.d. § 45 Abs. 1 BeamtVG angesehen werden kann, hat bereits das VG zutreffend dargelegt.

Sind mithin die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nicht erfüllt, könnten dem Kläger allenfalls noch die Fristerleichterungen des § 45 Abs. 2 BeamtVG zugute kommen.

Nach dieser Vorschrift wird trotz des Ablaufs der Ausschlussfrist Unfallfürsorge gewährt, wenn seit dem Unfall - in den Fällen des § 31 Abs. 3 BeamtVG dem objektiven Auftreten der Erkrankung - noch nicht zehn Jahre vergangen sind und glaubhaft gemacht wird, dass eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkbar geworden ist oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden (§ 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG). Weiter fordert § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG für diesen Fall, dass die Meldung innerhalb von drei Monaten erfolgen muss, nachdem die Unfallfolge bemerkbar geworden ist oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist.

Ob die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG erfüllt sind, begegnet Bedenken. Zwar war die genannte Zehnjahresfrist zum Zeitpunkt der Abgabe der Unfallmeldung im Januar 1992 noch nicht abgelaufen. Fraglich ist aber vor allem, ob zugunsten des Klägers angenommen werden kann, dass eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Unfallfolge innerhalb jener Frist bemerkbar geworden ist. Hierauf kommt es indes in zweifacher Hinsicht an.

Von dem Bemerkbarwerden der "Unfallfolgen" i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG hängt es ab, ob die "Unfallmeldung" (hier: Antrag auf Anerkennung als Berufskrankheit) von solchem Gewicht ist, dass eine (erstmalige) Untersuchung der Angelegenheit trotz Ablaufs der Frist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG gerechtfertigt ist. Namentlich Anträge auf bloßen Verdacht hin sind nach der Systematik der Regelungen in § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 BeamtVG nicht geeignet, das nach Ablauf der Frist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG grundsätzlich untergegangene Recht zur Abgabe einer Dienstunfallanzeige neu zu begründen. Dessen Wiederaufleben ist vielmehr davon abhängig, dass ein neuer Umstand eingetreten ist, der innerhalb der Zweijahresfrist noch nicht bemerkbar gewesen ist. Bei dem neu eingetretenen Umstand muss es sich allerdings nicht ausschließlich um eine Unfallfolge handeln. Vielmehr ist die Regelung des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG über ihren Wortlaut hinaus in den Fällen, in denen der Beamte nicht eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkt, sondern erst später die Erkrankung als Berufskrankheit erkennt, entsprechend anzuwenden, um sachlich nicht gerechtfertigte und unbillige Ergebnisse zu vermeiden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.5.1992 - 12 A 2403/89 -, a.a.O.; Schütz/Maiwald, a.a.O., § 45 BeamtVG Rn. 20.

Es hängt von dem Bemerkbarwerden der Unfallfolgen im dargelegten Sinne ferner ab, wann der Lauf der Frist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG beginnt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den gegebenen Sachverhalt bleibt offen, ob ein neu eingetretener Umstand die Antragstellung des Klägers veranlasst oder die Aufrechterhaltung des Antrags gerechtfertigt hat. Hierzu ist im Einzelnen Folgendes zu bemerken:

Vorliegend ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach dem sonstigen Akteninhalt ersichtlich, dass für den Kläger eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Unfallfolge im engeren Sinne erst nach Ablauf der Zweijahresfrist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bemerkbar geworden ist. Es kommt deswegen allein darauf an, ob (und ggf. wann) der Kläger erkannt hat oder bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass er an einer Erkrankung im Sinne der Berufskrankheiten-Verordnung leidet. Dabei hätte er in der rechtlichen Wertung, dass tatsächlich eine Berufskrankheit vorliegt, keine absolute Sicherheit haben müssen.

Vgl. hierzu allgemein BVerwG, Beschluss vom 15.9.1995 - 2 B 46.95 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 22.5.1992 - 12 A 2403/89 -, a.a.O.

Vielmehr hätte es ausgereicht, wenn sich hinreichend gewichtige, über blosse Vermutungen hinaus gehende Anhaltspunkte ergeben hätten, die es als möglich erscheinen ließen, dass es sich bei der Krankheit um eine Erkrankung im Sinne der Berufskrankheiten-Verordnung handelte.

Dass derartige Anhaltspunkte gegeben waren, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden.

So konnte der Kläger durch die Aufnahme der Untersuchungen im Rahmen der Feuerwehrstudie NRW im Jahre 1989 allenfalls den Eindruck gewinnen, dass für Feuerwehrleute besondere Schadstoffbelastungen bestehen könnten. Dass seine Erkrankung auf derartige Schadstoffbelastungen zurückzuführen sein könnte, musste er auch bei Anwendung gehöriger Sorgfalt nicht erkennen.

Entsprechendes gilt im Hinblick auf die schriftliche Mitteilung des Städtischen Medizinaldirektors Dr. B., es sei einzig eine Erhöhung des so genannten "PgE-Wertes" festgestellt worden. Denn gleichzeitig wurde dem Kläger erläutert, dies deute erfahrungsgemäß auf eine allergische Reaktion hin. Auf einen möglichen Zusammenhang mit einer Harnblasenkrebserkrankung wurde er gerade nicht hingewiesen.

War es dem Kläger mithin noch grundsätzlich möglich am 6.1.1992 eine Dienstunfallanzeige abzugeben, ist im Weiteren festzustellen, dass für die Zeit vom 6.10.1991 bis zur Antragstellung am 6.1.1992 kein Anhalt ersichtlich ist, dass der Kläger sein Leiden als eine Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheiten-Verordnung erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Aus den nach dem Vorbringen des Klägers in diesem Zeitraum geführten Gesprächen mit Prof. Dr. K. lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Denn dieser hat dem Kläger keine Anregung zu einer Antragstellung gegeben, sondern vielmehr ausdrücklich auf die seiner Ansicht nach mangelnde Erfolgsaussicht eines Antrags hingewiesen und lediglich bei der Formulierung des Antrags Hilfestellung geleistet.

Denkbar könnte nach alledem also nur noch sein, dass in der Zeit nach der Antragstellung ein Umstand eingetreten ist, aufgrund dessen der Kläger sein Leiden als eine Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheiten-Verordnung erkannt hat oder hätte erkennen müssen.

Im Hinblick darauf, dass Umstände - wie das von Prof. Dr. W. für die Gewerkschaft ÖTV erstellte Gutachten "Schadstoffbelastungen von Feuerwehrleuten im technischen Einsatzdienst" vom 12.4.1996, das von Prof. Dr. W. und Dr. K. zur Vorlage beim SG Düsseldorf erstellte Gutachten sowie die dieses Gutachten ergänzende Stellungnahme -, die erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG eingetreten sind, außer Betracht bleiben, kommt als eventuell maßgeblicher Umstand allein die Vorlage der Ergebnisse der Feuerwehrstudie NRW im Juli 1992 in Betracht. Mit Blick auf deren Inhalt bestehen jedoch Bedenken, ob der Kläger daraus hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheiten-Verordnung entnehmen konnte. Diese Bedenken liegen insbesondere darin begründet, dass die Studien mit keinem Wort auf eine mögliche Gefahr der Erkrankung an Harnblasenkrebs infolge des Feuerwehrdienstes eingeht.

Ist danach ungeklärt, ob eine für das Wiederaufleben des Rechts zur Dienstunfallmeldung ausreichende Änderung der Umstände innerhalb der Frist des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG überhaupt eingetreten ist, folgt daraus zugleich, dass eine Versäumung der Frist aus § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG jedenfalls nicht festgestellt werden kann. Der abschließenden Klärung dieser offenen Fragestellungen bedarf es in diesem Zusammenhang allerdings nicht, da der geltend gemachte Anspruch des Kläges jedenfalls aus einem anderen Grund scheitert.

Denn die materiellen Voraussetzungen einer Anerkennung der Erkrankung des Klägers als Dienstunfall (Berufskrankheit) nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG sind nicht erfüllt.

Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG gilt, falls ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit erkrankt, dies als Dienstunfall, es sei denn, dass sich der Beamte die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die in Betracht kommenden Krankheiten bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates (§ 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG). Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die Verordnung zur Durchführung des § 31 BeamtVG (Bestimmung von Krankheiten für die beamtenrechtliche Unfallfürsorge) vom 20.6.1977 (BGBl. I S. 1004) erlassen. Nach § 1 dieser Verordnung werden als Krankheiten im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG die in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKVO - vom 8.12.1976 (BGBl. I S. 3329) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort im einzelnen bezeichneten Maßgaben bestimmt.

Vgl. zur Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht BVerwG, Beschluss vom 12.9.1995 - 2 B 61.95 -, Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 10, unter Hinweis auf den Beschluss des BVerwG vom 13.1.1978 - 6 B 57.77 -.

Obwohl die Frage, ob eine Krankheit als Dienstunfall gilt, nach dem Recht zu beantworten ist, das in dem Zeitpunkt gegolten hat, in dem sich der Beamte die Krankheit zugezogen hat, vgl. OVG NRW, Urteil vom 2.12.1997 - 6 A 2874/96 -, RiA 1999, 101, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, auf welche Fassung der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung zurückzugreifen ist. Denn die vorliegend in Betracht kommenden Regelungen sind nach dem Erlass der ursprünglichen Fassung vom 8.12.1976 in der Folgezeit unverändert geblieben.

Entscheidend für die begehrte Anerkennung eines Dienstunfalls i.S.v. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ist demnach, ob der Kläger an einer der in der Anlage 1 zur BKVO genannten Krankheiten erkrankt ist und ob er nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an einer derartigen Krankheit besonders ausgesetzt gewesen ist.

In Betracht kommt hier in erster Linie die Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKVO. Danach gelten als Berufskrankheiten:

"Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine"

Im Hinblick auf diese Erkrankung setzt die begehrte Anerkennung nach den vorstehenden Darlegungen mithin Folgendes voraus:

a) Der Beamte muss an einer Krankheit i.S.d. Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKVO erkrankt sein.

b) Der Beamte muss nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr einer Erkrankung an einer Krankheit i.S.d. Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKVO besonders ausgesetzt gewesen sein.

c) Der Beamte darf sich eine solche Erkrankung nicht außerhalb des Dienstes zugezogen haben.

Ausgehend davon scheidet eine Anerkennung der Erkrankung des Klägers als Dienstunfall (Berufskrankheit) nach § 31 Abs.3 Satz 1 BeamtVG aus.

Der Kläger selbst ist der Ansicht, an einer Krankheit i.S.d. Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKVO erkrankt zu sein. Auch der Städtische Medizinaldirektor Dr. S. von der Beklagten ist in der mündlichen Verhandlung vor dem VG davon ausgegangen. Fest steht allerdings lediglich, dass der Kläger an einer Blasenkrebserkrankung, die zu den Harnwegerkrankungen im Sinne der Verordnung zählt, leidet bzw. litt. Ob er damit zugleich im Sinne des Gesetzes an einer "bestimmten" Krankheit i.S.d. § 31 Abs. 3 Sätze 1 und 3 BeamtVG erkrankt ist, hängt allerdings des Weiteren davon ab, ob in rechtlicher Hinsicht für das Entstehen des Blasenkrebses auch eine Kausalität von Einwirkungen durch aromatische Amine erforderlich ist. Sofern man dies für erforderlich hält - wofür vieles, insbesondere auch der Wortlaut der Regelung spricht -, kommt es darauf an, ob eine derartige Verursachung hier festgestellt werden kann. Diese Frage bedarf jedoch vorliegend keiner Klärung, weil es an einer weiteren Anerkennungsvoraussetzung fehlt.

Denn der Kläger ist nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung nicht im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG der Gefahr der Erkrankung an Harnblasenkrebs aufgrund von aromatischen Aminen besonders ausgesetzt gewesen.

Der "Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt" ist der Beamte, dessen konkrete dienstliche Tätigkeit - im Ganzen gesehen ihrer Art nach - erfahrungsgemäß (generell) eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade dieser Erkrankung in sich birgt. Dabei ist nicht auf die individuelle Veranlagung des einzelnen Beamten abzustellen, sondern darauf, ob die Tätigkeit selbst nach der aus einer Vielzahl von Fällen gewonnenen Erfahrung generell mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den gegebenen Verhältnissen zu der in Frage stehenden Erkrankung führt. Die besondere Gefährdung muss für die dienstlichen Verrichtungen typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.5.1998 - 12 A 6990/95 -, a.a.O.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 16.2.1996 - 2 A 11573/85.OVG -, NVwZ-RR 1997, 45 = Schütz/Maiwald, a.a.O., ES/C II 3.1 Nr. 64; BayVGH, Urteil vom 17.5.1995 - 3 B 94.3181 -, Schütz/Maiwald, a.a.O., ES/C II 3.1 Nr. 57 = ZBR 1996, 343; OVG Saarl., Urteil vom 29.5.1989 - 1 R 2/89 -, ZBR 1990, 60; Schütz/Maiwald, a.a.O., § 31 BeamtVG Rn. 169 f.

Hinsichtlich des Grads der Erhöhung der Erkrankungswahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass Anhaltspunkte für die Erheblichkeit einer Erhöhung bestehen, wenn eine solche Erhöhung einer Verdoppelung des Erkrankungsrisikos entspricht.

Vgl. dazu allgemein BSG, Urteil vom 23.3.1999 - B 2 U 12/98 R -, BSGE 84, 30.

Hier lässt sich ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass Bediensteten im Einsatzdienst der Feuerwehr eine Erkrankung i.S.d. Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKVO mit erheblich erhöhter Wahrscheinlichkeit droht, aufgrund der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Untersuchungen sowie der eingeholten Gutachten nicht aufstellen. Es kann danach nicht festgestellt werden, dass für eine Erkrankung i.S.d. Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKVO aufgrund der Art der dienstlichen Verrichtungen des Klägers eine erhöhte Gefährdung bestand.

Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln fehlt es schon an einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Harnblasenkrebserkrankung.

Im Einklang auch mit der Rechtsprechung des BSG zur Anerkennung von Berufskrankheiten nach § 551 Abs. 1 RVO (nunmehr § 9 SGB VII) ist davon auszugehen, dass die Feststellung einer erhöhten Wahrscheinlichkeit im Grundsatz den (epidemiologischen) Nachweis einer Vielzahl von Referenzfällen entsprechender Erkrankungen aufgrund der jeweiligen schädigenden beruflichen Tätigkeit verlangt.

Vgl. BayVGH, Urteil vom 17.5.1995 - 3 B 94.3181 -, a.a.O.; OVG Saarl., Urteil vom 29.5.1989 - 1 R 2/89 -, a.a.O.; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 16.2.1996 - 2 A 11573/85.OVG -, a.a.O.; vgl. auch BSG, Urteile vom 27.5.1997 - 2 RU 33/96 -, EzS 80/166, und vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 -, BSGE 59, 295.

Dass hier für die beklagte Erkrankung aufgrund der dienstlichen Verrichtung Referenzfälle in hinreichender Anzahl existieren, die eine erheblich erhöhte Wahrscheinlichkeit in dem erforderlichen Umfang dokumentieren, lässt sich nicht feststellen. (Wird ausgeführt).

Nach alledem kann dahingestellt bleiben, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Kläger die Krankheit zweifelsfrei außerhalb des Dienstes zugezogen hat.

Der Kläger kann ferner nicht eine Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 der Anlage 1 zur BKVO beanspruchen. Danach sind auch Krankheiten durch Halogenkohlenwaserstoffe in der Liste der Berufskrankheiten erfasst.

Die Blasenkrebserkrankung, die der Kläger zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht hat, kann schon deshalb nicht nach dieser Regelung anerkannt werden, weil auch insoweit nicht feststellbar ist, dass eine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit im Sinne der vorstehend dargestellten Grundsätze gegeben ist.

Auch bei einer von Referenzfällen gelösten Betrachtung ergäbe sich nichts Anderes. Weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den vorliegenden Unterlagen ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte für ein erhöhtes Risiko einer Erkrankung gerade durch Halogenkohlenwasserstoffe. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der behaupteten erhöhten Exposition gegen Dioxine. Es ist nicht schlüssig dargetan, dass diese Blasenkrebs hervorrufen noch ist überhaupt angesichts der Ergebnisse der Feuerwehrstudie von einer relevanten erhöhten Exposition auszugehen. Dort ist nämlich festgestellt worden, dass in Bezug auf diese Stoffe keine in relevanter Weise erhöhten Blutwerte der untersuchten Feuerwehrleute vorlagen.

Entsprechendes gilt für die weiteren vom Kläger angesprochenen Nrn. der Anlage 1 zur BKVO. Weder für Erkrankungen nach Nr. 1303 noch nach Nr. 1304 BKVO hat der Kläger schlüssig dargelegt, dass insoweit eine signifikant erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit für Feuerwehrleute besteht. Auch der Senat hat dafür keine Anhaltspunkte.

Das Vorbringen des Klägers zu § 9 SGB VII rechtfertigt keine andere Beurteilung. Diese Regelung ist nicht unmittelbar anwendbar, da der Kläger zu dem Kreis der nach § 4 SGB VII von der Versicherungspflicht befreiten Personen gehört. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt auch eine entsprechende Anwendung nicht in Betracht.

So ist schon nicht das Vorliegen einer für eine entsprechende Anwendung erforderlichen unbewußten Regelungslücke ersichtlich. Dem Gesetzgeber war bei der Schaffung der nunmehrigen Regelungen in § 9 SGB VII das im Beamtenversorgungsrecht vorhandene Normgefüge bekannt, und es besteht kein Anhalt für die Annahme, dass er eine Übernahme der sozialversicherungsrechtlichen Regelungen in den Bereich des Beamtenversorgungsrechts lediglich versehentlich unterlassen haben könnte.

Im Übrigen lassen insbesondere nicht die von Kläger angeführten Regelungen in Art. 3 Abs. 1 und 33 Abs. 5 GG die für eine entsprechende Anwendung weiterhin erforderliche entsprechende Interessenlage hervortreten.

So gibt es keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums des Inhalts, dass die Beamten (dienstunfallrechtlich) in jeder Beziehung den Arbeitnehmern im allgemeinen Wirtschaftsleben gleichgestellt werden müssten. Es ist vielmehr dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit überlassen, inwieweit er Verbesserungen des sozialversicherungsrechtlichen Unfallschutzes in das Beamtenrecht einführt.

Vgl. ausdrücklich Schütz/Maiwald, a.a.O., § 31 BeamtVG Rn. 165, m.w.N.

Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, bei Beamten dienstlich bedingte Dauerschädigungen nach Maßgabe aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse im Einzelfall als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn eine Bezeichnung in der Berufskrankheiten-Verordnung fehlt.

Soweit eine solche Anerkennung für gesetzlich Versicherte vorgesehen ist, ist der Gesetzgeber nicht zur Gleichbehandlung der Beamten verpflichtet. Eine darin liegende Ungleichbehandlung rechtfertigt sich daraus, dass der Beamte auch ohne Dienstunfallfürsorge nicht in Not gerät, denn der Dienstherr hat ihn ohnehin zu alimentieren, ihm unter Fürsorgegesichtspunkten Beihilfe zu gewähren und ggf. - wenn durch einen schuldhaften Verstoß gegen eine Fürsorge- oder Schutzpflicht ein Schaden des Beamten verursacht worden ist - Schadensersatz zu leisten.

Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.2.1996 - 1 A 11573/95 -, a.a.O.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch nicht ersichtlich, dass europarechtliche Vorgaben eine entsprechende Anwendung des § 9 SGB VII für den Bereich des Beamtenversorungsrechts gebieten könnten. So ist schon nach den Gesetzmaterialien - vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24.8.1995 in BT-Drs. 13/2204, und Ergänzung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung in BT-Drs. 13/2333 - nicht erkennbar, dass Vorschriften des Europarechts für die Fassung des § 9 SGB VII überhaupt maßgeblich gewesen sind. Darüber hinaus ist weder vom Kläger behauptet noch sonst ersichtlich, dass möglicherweise für den Erlass des Arbeitsschutzgesetzes einschlägige EG-Richtlinien im vorliegenden Zusammenhang eine solche Regelungsdichte entfalten könnten, dass sie - ohne die ansonsten erforderliche Umsetzungen durch die einzelnen Mitgliedsstaaten - in der gesamten Gemeinschaft und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland für Beamte unmittelbar Anwendung finden könnten.

Schließlich lässt das Vorbringen des Klägers auch nicht hinreichend hervortreten, welche praktische Relevanz für die Entscheidung des vorliegenden Falls eine entsprechende Anwendung insbesondere des § 9 Abs. 3 SGB VII haben könnte. Denn vergleichbar mit § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG erfordert auch diese Bestimmung, dass der Versicherte infolge der besonderen Bedingungen seiner versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Anlage 1 zur BKVO genannten Berufskrankheit ausgesetzt war. Aufgrund dessen würde eine Eingreifen der in § 9 Abs. 3 SGB VII aufgestellten Vermutung aus denselben - oben im Einzelnen dargestellten - Gründen scheitern, die auch für die Verneinung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG maßgeblich sind.

Soweit der Kläger schließlich weitere Betrachtungen über vermutliche Schädigungen durch andere Stoffe oder Belastungen anstellt, die der dienstlichen Sphäre zugehören, rechtfertigt auch dies keine Anerkennung einer Berufskrankheit. Wie bereits dargelegt, gewährt das Gesetz nicht für alle denkbaren Konstellationen dienstlich bedingter Schädigungen "Schutz" durch Entschädigungsregelungen. Die insoweit verbleibende Lücke bei Dauerschädigungen, die nicht die Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 BeamtVG erfüllen, gibt keinen Anlass zu verfassungsrechtlichen Bedenken oder - wie der Kläger meint - zur Begründung unmittelbar auf der allgemeinen Fürsorgepflicht beruhender Ansprüche auf Anerkennung als Berufskrankheit.

Nach alldem besteht auch keine Veranlassung, dem Risiko einer Harnwegserkrankung aufgrund einer erhöhten Exposition gegen polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe - eine solche Exposition gegenüber diesen Verbrennungsprodukten hat der Sachverständige Dr. G. bejaht - nachzugehen. Dies gilt ungeachtet differierender sachverständiger Aussagen zum daraus folgenden Risiko einer Harnwegskrebserkrankung.

Ende der Entscheidung

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