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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 12.08.2009
Aktenzeichen: 1 A 776/08
Rechtsgebiete: SUrlV


Vorschriften:

SUrlV § 6
Zum Anspruch einer beim Zollkriminalamt tätigen Zollbeamtin auf Sonderurlaub für eine Veranstaltung der Gewerkschaft der Polizei.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der hier (allein) geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nach Maßgabe der fristgerechten Darlegungen der Beklagten zur Begründung ihres Antrags (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht vor.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die (nachträgliche) Gewährung von Sonderurlaub für die Teilnahme der Klägerin als Delegierte an der Frauenvorstandssitzung der Gewerkschaft der Polizei - Bezirk Bundespolizei -. Die Beklagte hatte den diesbezüglichen Sonderurlaubsantrag abgelehnt, die Klägerin daraufhin unter Abbau von Mehrarbeitsstunden von ihrem Arbeitszeitkonto an der gewerkschaftlichen Veranstaltung teilgenommen. Das VG hat der nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage der Klägerin stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, denn das Begehren habe sich nicht durch Zeitablauf erledigt (wird ausgeführt). Die Klage sei auch vollumfänglich begründet. Die rechtlichen Voraussetzungen für die streitige Urlaubsgewährung lägen vor und das im Rahmen der Anspruchsnorm des § 6 SUrlV ohnehin intendierte Ermessen habe sich in Richtung auf einen Anspruch der Klägerin reduziert. Bei der Gewerkschaft der Polizei handele es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um eine in Bezug auf die Klägerin als Zollbeamtin berufsfremde Gewerkschaft. Dies folge zum einen aus § 1 Abs. 3 der hier maßgeblichen Bundessatzung der in Rede stehenden Gewerkschaft in der Fassung vom 16.11.2006. Hiernach seien die Beschäftigten des "Vollzugsbereichs der Zollverwaltung" in den Organisationsbereich einbezogen. Diese sprachliche Abgrenzung, welche sich nicht notwendig an organisatorischen Behördenstrukturen orientieren müsse, sei hinreichend bestimmt. Der Klammerzusatz "Bundesfinanzpolizei" knüpfe dabei ebenfalls nicht an solche Strukturen an, sondern habe rein beschreibenden Charakter; er habe zudem keine eigene zuständigkeitsbegründende oder -einschränkende Bedeutung. Zum anderen komme hinzu, dass sich die Gewerkschaft der Polizei auch tatsächlich seit längerem für die Belange der Vollzugsbeamten des Zolls einsetze. So habe sie etwa ein eigenes gewerkschaftspolitisches Programm über die Struktur der Finanzverwaltung des Bundes entwickelt sowie eine eigene Bezirksgruppe Zoll gegründet.

Was dem die Beklagte mit ihrer Antragsbegründung entgegensetzt, rechtfertigt die begehrte Berufungszulassung nicht. "Ernstliche Zweifel" an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wie sie hier geltend gemacht werden, setzen voraus, dass zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Daran fehlt es hier, denn die Gegenargumente der Beklagten vermögen nicht zu überzeugen; dies zu beurteilen, bedarf es auch nicht erst der Durchführung eines Berufungsverfahrens.

Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass der Beamte für die Teilnahme an Veranstaltungen berufsfremder Interessenvertretungen keinen Anspruch auf Sonderurlaub hat.

Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 27.10.2004 - 2 B 74.04 -, Buchholz 232.4 § 6 SUrlV Nr. 1 sowie juris Rn. 5.

Hiervon ist aber auch das VG in seinem Urteil ausgegangen. Soweit es - entscheidungstragend - die Gewerkschaft der Polizei bezogen auf eine bestimmte Gruppe von Zollbeamten, zu denen auch die Klägerin zu zählen ist, allerdings nicht als eine solche berufsfremde Interessenvertretung eingestuft hat, wird dies durch das Antragsvorbringen der Beklagten in der Sache nicht erschüttert.

Nach der von der Beklagten (mit) in Bezug genommenen Rechtsprechung des BAG zum Tarifrecht legen die Gewerkschaften (als Vereinigungen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG) ihren Organisationsbereich, welcher zugleich für die Tarifzuständigkeit maßgeblich ist, nach näherer Maßgabe ihrer Satzungen selbst fest. Da kein Koalitionstypenzwang gilt, kann eine Gewerkschaft also für sich (d.h. eigenständig) darüber entscheiden, für welche Arbeitnehmer und in welchen Wirtschaftsbereichen sie tätig werden will. Sie kann ihren Organisationsbereich betriebsbezogen, unternehmensbezogen oder (was hier wesentlich ist) nach sonstigen Kriterien abgrenzen. Die Satzungsautomomie schließt dabei auch das Recht ein, den satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich zu ändern, wenn dies der betroffenen Gewerkschaft zweckmäßig oder notwendig erscheint.

Vgl. BAG, Beschlüsse vom 27.9.2005 - 1 ABR 41/04 -, BAGE 116, 45 (56 f .), und vom 25.9.1996 - 1 ABR 4/96 -, BAGE 84, 166 (177).

Bei der Auslegung vorhandener Satzungsbestimmungen ist dabei auf den objektivierten Willen des Satzungsgebers abzustellen. Maßgeblich sind insbesondere der Wortlaut, der Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der Satzung. Die tatsächliche Handhabung und die Anschauungen der beteiligten Berufskreise können bei der Auslegung ebenfalls von Bedeutung sein.

Vgl. BAG, Beschluss vom 27.9.2005, a. a. O., S. 57.

Das Antragsvorbringen zeigt nicht schlüssig auf, dass sich das VG in Anwendung auf den konkreten Fall nicht hinreichend an diesen allgemeinen Kriterien orientiert hat. Sollte das Vorbringen in dem Sinne zu verstehen sein, dass sich die Gewerkschaften ihren Organisationsbereich ausnahmslos anhand solcher Kriterien bestimmen und abgrenzen müssten, die mit den jeweiligen Organisationsstrukturen der Beschäftigungsbehörden/privaten Arbeitgeber übereinstimmen, so wäre diese Sicht nach dem Vorstehenden eindeutig zu eng. Namentlich setzt sich die Beklagte nicht damit auseinander, wieso nicht etwa auch eine funktionale Anknüpfung, also eine solche an die Art der Beschäftigung (innerhalb eines bestimmten Organisationsbereichs wie hier der Zollverwaltung) zulässig sein soll, wenn gerade dies dem satzungsmäßig geäußerten Willen der in Rede stehenden Gewerkschaft entspricht. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, im Falle einer (wirksamen) Erstreckung des Organisationsbereichs der Gewerkschaft der Polizei auf den Vollzugsbereich der Zollverwaltung sei dieser Organisationsbereich nicht mehr hinreichend bestimmbar, folgt dem der Senat nicht. Zum einen hat bereits das VG in dem angefochtenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass es - jedenfalls zum Teil - auch organisatorisch abgegrenzte Bereiche in der Zollverwaltung gibt, die materiell mit (vollzugs-)polizeilichen Aufgaben betraut sind; dazu zählen namentlich das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter. Zum anderen kommt hinzu, dass auch Beamte, die außerhalb dieser Organisationseinheiten - nach Maßgabe ihrer Aufgabenwahrnehmung - im sog. Vollzugsbereich der Zollverwaltung tätig sein sollten, gegebenenfalls anhand sonstiger griffiger Indizkriterien, wie etwa der Berechtigung, unmittelbaren Zwang auszuüben, hinreichend klar identifiziert werden können. Dem hat die Beklagte nichts von Substanz entgegengesetzt. Schließlich unterliegt es hier auch vor dem Hintergrund des Programms und der tatsächlichen Betätigung der Gewerkschaft der Polizei keinem Zweifel, dass der satzungsmäßig in § 1 Abs. 3 der Bundessatzung (Fassung vom 16.11.2006) im Form einer schlagwortartigen (Funktions- und nicht in erster Linie Organisations-)Beschreibung zum Ausdruck gekommene Wille jedenfalls auch dahin geht, Zollbeamte und Zollbeamtinnen mit Aufgaben, wie sie etwa von der Klägerin im Zollkriminalamt wahrgenommen werden, in den Organisationsbereich der Gewerkschaft einzubeziehen.

Zu einer entsprechenden, am objektiven Willen des Satzungsgebers ausgerichteten Auslegung der Bundessatzung der Gewerkschaft der Polizei ist im Übrigen inzwischen auch das Verwaltungsgericht Frankfurt gelangt,

vgl. Urteil vom 29.1.2008 - 9 E 1064/07 (3) -,

welches damit die noch an eine andere Satzungslage anknüpfende frühere Rechtsprechung, die Gewerkschaft der Polizei sei für Zollbeamte eine berufsfremde Gewerkschaft,

vgl. Urteile vom 12.5.2003 - 9 E 3072/02 - und 9 E 1421/02 -, abgedruckt jeweils in juris,

gemessen an dem auch hier anzuwendenden aktuellen Recht mit eingehender Begründung aufgegeben hat.



Ende der Entscheidung

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