Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 01.09.2003
Aktenzeichen: 1 B 1347/03
Rechtsgebiete: BBG, PostPersRG


Vorschriften:

BBG § 26
PostPersRG § 6
Einzelfall der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine "Versetzung" eines bei der Deutschen Telekom AG beschäftigten Beamten zu der im Geschäftsbereich der Deutschen Telekom AG geschaffenen Personal-Service-Agentur (PSA), deren Aufgabe nach den Regelungen des Tarifvertrages Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) und den Regelungen des Vorstands der Deutschen Telekom AG zum Rationalisierungsschutz für Beamte vom 31.7.2002 darin besteht, die bei ihr "beschäftigten" Beamten auf dauerhafte Arbeitsplätze im Telekom-Konzern weiter zu vermitteln und bis zur Weitervermittlung vorübergehend innerhalb und außerhalb des Telekom-Konzerns zu beschäftigen.
Tatbestand:

Der Antragsteller, ein Diplomingenieur, stand als technischer Fernmeldeamtsrat im Dienst der Deutschen Telekom AG, die ihn bisher in dem "Zentralbereich Konzernrevision" verwendete. Er wendete sich gegen eine Personalmaßnahme, die seine Versetzung zu der sogenannten Personal- und Serviceagentur der Deutschen Telekom AG (PSA) zum Gegenstand hatte.

Sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte im Beschwerdeverfahren Erfolg.

Gründe:

Nach Auffassung des Senats ist die angefochtene Verfügung ein Verwaltungsakt, der einer Versetzung zumindest im Wesentlichen vergleichbar ist, sodass vorläufiger Rechtsschutz regelmäßig nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu suchen ist. Die Zuweisung von anderenorts überzähligen Beamten und Arbeitnehmern an die Personal- und Serviceagentur der Deutschen Telekom AG (PSA) dient inhaltlich in erster Linie der Freistellung der Betroffenen von ihrer Dienstleistungs- bzw. Arbeitspflicht mit der Maßgabe, sich für die Vermittlung eines dauerhaften oder nur vorübergehenden anderweitigen Dienstpostens oder für eine ergänzende Qualifizierungsmaßnahme bereit zu halten. Die Frage, wann eine dauerhafte oder zumindest vorübergehende Anschlussbeschäftigung zu erwarten steht und ob eine Qualifizierungsmaßnahme überhaupt durchgeführt wird, ist zum Zeitpunkt der personellen Zuweisung zur PSA regelmäßig - und auch vorliegend - offen. Für eine so umschriebene Zuweisung zu einer hauseigenen Arbeitsvermittlung unter gleichzeitiger Freistellung von einer konkreten Dienstleistungspflicht ist keine spezielle Rechtsgrundlage erkennbar. Ob § 2 Abs. 3 Satz 2 PostPersRG i.V.m. § 26 Abs. 1 und 2 BBG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage bietet, unterliegt zwar Bedenken; letztlich spricht aber auch in Fällen wie dem vorliegenden Vieles für die Zulässigkeit eines (entsprechenden) Rückgriffs auf das Institut der Versetzung nach § 26 Abs. 1 und 2 BBG.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 24.7.2003 - 1 B 635/03 - m.w.N.

Das rechtfertigt zugleich die Annahme, dass Widerspruch und Klage gegen die auch von der Antragsgegnerin als Versetzung bezeichnete Verfügung abweichend von § 80 Abs. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung haben (§ 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG).

Der Antrag ist auch begründet.

Die auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO durchzuführende Interessenabwägung fällt zugunsten des privaten Suspensivinteresses des Antragstellers aus, weil die angefochtene Verfügung auf der Grundlage der nach Aktenlage erkennbaren Umstände offensichtlich rechtswidrig ist.

Entsprechend § 26 Abs. 1 BBG kann ein Beamter innerhalb des Dienstbereiches seines Dienstherrn versetzt werden, wenn daran ein dienstliches Bedürfnis besteht. Nachdem eine Änderung des statusrechtlichten Amtes des Antragstellers nicht verfügt worden ist, steht allein eine organisatorische Versetzung in Rede, die die Übertragung eines anderen Amtes im abstrakt-funktionellen Sinne bei einer anderen Behörde beinhaltet.

Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2001, Rn. 88.

Dies ist die dauernde Zuweisung zu einer anderen Behörde zur Wahrnehmung (irgend)eines dem statusrechtlichen Amt entsprechenden Aufgabengebietes, wobei die Zuweisung eines amtsangemessenen Dienstpostens grundsätzlich nicht Gegenstand der Versetzungsverfügung ist.

Problematisch ist schon, ob die hier angefochtene Verfügung überhaupt auf die Übertragung eines abstrakt-funktionellen Amtes bei der PSA in diesem Sinne gerichtet ist. Schließlich sollte der Antragsteller nach dem Ausgangsbescheid vielmehr unter Beibehaltung seiner jetzigen "Regelarbeitsstelle" bis zu einer endgültigen Klärung durch die Tarifvertragsparteien dort verbleiben und abwarten, bis mit ihm ein persönliches Orientierungsgespräch vereinbart wird. Ansonsten verbleibe es bei den bisherigen Ansprechpartnern. Kurz darauf ist ihm aufgegeben worden, sein bisheriges Büro vollständig zu räumen, ohne dass ihm bei der PSA ein neues Büro zur Verfügung gestellt oder zumindest irgendein Aufgabenkreis zugeteilt worden wäre. Tatsächlich ist er organisatorisch der PSA zugeordnet und im Übrigen von seiner Dienstleistungspflicht - abgesehen von der Bereitschaft, sich gegebenenfalls vermitteln und qualifizieren zu lassen - entbunden worden.

Der Senat lässt offen, ob daraus bereits zwingend die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung folgt. Da die "privatisierten" Beamten, die im Bereich der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost eingesetzt werden, in jenen Unternehmen quasi "ohne Amt" sind und keinen "Dienst", sondern "Arbeit" leisten, kann es jedenfalls immer nur um die Verlagerung eines Tätigkeitsfeldes gehen, das dem ursprünglichen Amt vergleichbar ist.

Vgl. Wolff, Die Wahrung der Rechtstellung von Beamten, die bei dem privatisierten Unternehmen von Bahn und Post beschäftigt sind, AÖR 127 (2002), S. 95; Ossenbühl/Ritgen, Beamte in privaten Unternehmen, 1999, 34, 41.

Erforderlich für die Annahme einer (rechtmäßigen) Versetzung ist deswegen neben der dauernden - d. h. zeitlich nicht befristeten - personalpolitischen Zuordnung des Beamten zur neuen Dienststelle, dass diese Zuordnung zur Wahrnehmung eines dem statusrechtlichen Amt oder im Falle des § 26 Abs. 2 BBG eventuell eines anderen Amtes einer anderen Laufbahn entsprechenden Tätigkeitsfeldes erfolgt, sie also auf die entsprechende Eingliederung des Versetzten in die Arbeitsabläufe der neuen Dienststelle zielt. Dies setzt zumindest voraus, dass ein entsprechendes Tätigkeitsfeld - jedenfalls abstrakt - bei der Behörde überhaupt angesiedelt ist. Hieran könnte es vorliegend auch fehlen, wenn man die Aufgabe der PSA in den Vordergrund stellt, ihr zugewiesene Arbeitnehmer und Beamte anderweitig zu vermitteln. Mit Ausnahme derjenigen, die in der Arbeitsvermittlung selbst beschäftigt sind, werden - auch abstrakt - für die zugewiesenen Arbeitnehmer und Beamten insoweit keine dauerhaften Aufgaben und Tätigkeitsbereiche vorgehalten, sodass die Folgen einer gegen den Willen des Beamten erfolgten Versetzung zur PSA im Wesentlichen schon denen einer Zwangsbeurlaubung (§ 60 BBG) vergleichbar sind - dies mit der einzigen Ausnahme, dass der Beamte sich jederzeit für eine (Weiter-)Beschäftigung bereit halten muss. Eine andere Einschätzung kann sich allerdings dann ergeben, wenn man in den Blick nimmt, dass die PSA neben der Vermittlung eines dauerhaften Arbeitsplatzes zugleich auch im Hinblick auf den vorübergehenden Einsatz der ihr zugewiesenen andernorts "arbeitslos" gewordenen Beamten ebenso wie in Bezug auf die ihr zugewiesenen Arbeitnehmer als Leiharbeitsfirma auftritt. Hieraus ließe sich eine für die Annahme einer Versetzung erforderliche hinreichende - zeitlich nicht befristete - Eingliederung der zugewiesenen Beamten in die PSA als neue Dienststelle für die Zeit bis zur Vermittlung auf einen neuen dauerhaften Arbeitsplatz vertreten, welchen die PSA gewissermaßen als bei ihr gebündeltes Potential vorhält.

Danach mag die zunächst unbefristete, aber auch nicht auf Dauer beabsichtigte Zuweisung der Beamten in die PSA als neuer Dienststelle für die Zeit bis zur Vermittlung auf einen dauerhaften Arbeitsplatz mit Blick auf die Bewältigung der bereichsbezogenen, tatsächlich vorhandenen Personalüberhänge innerhalb der Deutschen Telekom AG im Allgemeinen rechtlich vertretbar erscheinen. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Zuweisung als Versetzung setzt aber in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem bereits im Zeitpunkt der Zuweisung zur PSA feststeht, dass nach der Versetzung zur PSA keine unmittelbare (amtsangemessene) Weiterbeschäftigung erfolgen wird, voraus, dass in der abgebenden Dienststelle durch die geforderten Organisations- und Aufgabenveränderungen solche Personalüberhänge tatsächlich entstanden sind, durch die dem Dienstherrn eine (amtangemessene) Weiterbeschäftigung der bisher eingesetzten Beamten unmöglich oder unzumutbar geworden ist.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 24.7.2003 - 1 B 635/03 - m.w.N.

Diese Anforderungen gehen über das eine Versetzung begründende dienstliche Bedürfnis in Form des Personalüberhangs i.S.d. § 26 Abs. 2 BBG hinaus. Sie rechtfertigen sich aus dem Umstand, dass die Unmöglichkeit einer Weiterbeschäftigung bei der aufnehmenden Dienststelle regelmäßig auch dann zur Rechtswidrigkeit der Versetzungsverfügung führt, wenn diese - wie bei der Zuweisung zur PSA naturgemäß - nur mit einem Bedarf für die Hinwegversetzung begründet worden ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.7.2003 - 1 B 635/03 -; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, a.a.O., BBG, § 26 Rn. 23 a.

An diesen Anforderungen fehlt es. Auf der Grundlage der nach Aktenlage erkennbaren Umstände lässt sich gerade nicht feststellen, dass der Deutschen Telekom AG eine Weiterbeschäftigung des Antragstellers in seiner bisherigen Dienststelle tatsächlich unmöglich oder unzumutbar gewesen ist. (wird ausgeführt)

Im Ergebnis nicht anders wäre zu entscheiden gewesen, wenn einstweiliger Rechtsschutz nur nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft gewesen wäre. In diesem Fall hätte der Senat aus den gleichen Gründen die Feststellung treffen müssen, dass die Antragsgegnerin vorläufig bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren zur Hauptsache nicht berechtigt ist, aus der angefochtenen Verfügung Rechtsfolgen zu ziehen und von dem Antragsteller deren Befolgung zu verlangen.

Vgl. zu der Problematik OVG NRW, Beschluss vom 10.6.2002 - 1 B 755/02 -.

Ende der Entscheidung

Zurück