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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: 1 B 1934/05
Rechtsgebiete: GG, BPersVG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
BPersVG § 8
BPersVG § 46 Abs. 3 Satz 6
Zur Frage etwaiger Auswirkungen der personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbote gemäß §§ 8 und 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG auf die Auswahlentscheidung, wenn ein zu ca. 70 % freigestelltes Personalratsmitglied mit nicht freigestellten Mitbewerbern um einen höherwertigen Dienstposten konkurriert.
Tatbestand:

Der Antragsteller führte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen sog. beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit, in welchem es u.a um Fragen einer etwaigen Benachteiligung gegenüber Mitbewerbern mit Blick auf seine Tätigkeit als zu ca. 70 % freigestelltes Personalratsmitglied ging. Der Antrag hatte weder vor dem VG noch in der Beschwerdeinstanz Erfolg.

Gründe:

Eine Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung zulasten des Antragstellers lässt sich auch nicht unter Einbeziehung des Benachteiligungsverbots von (insbesondere freigestellten) Mitgliedern des Personalrats, wie es in §§ 8 und 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG normiert ist, feststellen. Dass der Antragsteller nicht über die gleichen Eignungsvorteile verfügt, die hier einen noch am Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) orientierten - und insoweit sog. Hilfskriterien wie etwa dem Dienstalter vorgehenden - Vorsprung des Beigeladenen vor dem Antragsteller begründen, steht nicht in einem hinreichend erkennbaren Bezug zu seiner Personalratstätigkeit und der diesbezüglichen bisherigen Teilfreistellung vom Dienst. Die Antragsgegnerin war deshalb nicht gehindert, auf die in Rede stehenden Eignungsvorteile - ggf. auch ausschlaggebend - mit abzustellen.

Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Entscheidung gerade nicht darauf abgehoben, dass es dem Antragsteller in Anbetracht des durch die Freistellung geminderten Dienstumfangs allgemein an Fachwissen und / oder an Erfahrungswissen fehlt und er schon deshalb für den in Frage kommenden Dienstposten weniger geeignet wäre. Dem Besetzungsvorgang zufolge war der Antragsteller vielmehr unbeschadet seiner Freistellung und deren Umfang in den Kreis der geeigneten Bewerber einzubeziehen. Ihm wurde durchaus zugute gehalten, dass - obwohl sein Fachwissen auf Tätigkeiten von vor 5 Jahren aufbaue - Grundwissen vorhanden und es möglich sei, dieses Wissen in absehbarer Zeit in dem erforderlichen Umfang auszubauen. Dass er gleichwohl im Ergebnis nicht ausgewählt worden ist, beruht letztlich nicht auf eigenen, dem geringen Umfang seiner Diensttätigkeit zuzuschreibenden Eignungsdefiziten, sondern darauf, dass einer seiner konkreten Mitbewerber, der Beigeladene, in besonderer Weise über einen fachlichen Verwendungsvorlauf verfügt, der ihm zugleich eine aus dem übrigen Bewerberfeld hervorstechende langjährige Verwendungsbreite mit dem entsprechend weitgreifenden Erfahrungswissen vermittelt hat. Hinzu kommt, dass dieser Verwendungsvorlauf dem Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens nach der grundsätzlich maßgeblichen Einschätzung des Dienstherrn in besonderer Weise entspricht. Derartige, ggf. auch von Zufällen wie der langfristigen Erkrankung eines Vorgesetzten und im Übrigen von der internen Geschäfts- bzw. Aufgabenverteilung abhängige besondere Umstände bzw. Entwicklungen stehen bei der gebotenen wertenden Betrachtung in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der für die Dienststelle typischen Weiterentwicklung eines beruflichen Werdegangs eines freigestellten Personalratsmitglieds für den Fall, dass es nicht zu der Freistellung gekommen wäre (sog. fiktive Nachzeichnung des Werdegangs). Dass ggf. auch das betroffene Personalratsmitglied - ganz abstrakt gesehen - die Chance gehabt hat, den bisherigen Dienstposten des ausgewählten Beamten zu besetzen und damit die betreffende "Sonderqualifikation" zu erreichen, reicht in diesem Zusammenhang nicht aus.

Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 15.4.2005 - 1 A 2503/03 -, S. 5/6 des amtlichen Umdrucks.

Zum einen hat ein Beamter keinen Anspruch auf Innehabung eines ganz bestimmten Dienstpostens oder auf einen bestimmten Zuschnitt seines Aufgabenbereichs, sodass der Antragsteller auch ohne seine Personalratstätigkeit und die Freistellung nicht ohne weiteres den bisherigen Dienstposten des Beigeladenen oder einen ausreichend vergleichbaren Dienstposten bei einer anderen Filiale hätte besetzen können; schon dies wäre von zahlreichen weiteren Umständen, darunter auch der Frage der eigenen Mobilität, abhängig gewesen. Zum anderen macht gerade auch die Einbeziehung des Antragstellers in das Feld der für den hier verfahrensgegenständlichen Dienstposten grundsätzlich geeigneten und chancenreichen Bewerber deutlich, dass weder die Personalratstätigkeit noch die Freistellung bzw. deren Umfang ein Grund gewesen sind, dass dem Antragsteller bestimmte höherwertige Dienstposten für ein berufliches Fortkommen von vornherein verschlossen geblieben wären.

Schließlich leidet die Auswahlentscheidung im vorliegenden Zusammenhang auch nicht durchgreifend daran, dass die Antragsgegnerin jedenfalls während des Besetzungsverfahrens von einer fiktiven Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs des Antragstellers abgesehen hat. Es ist schon fraglich, ob ein (bis) zu 70 % freigestellter Personalratsvorsitzender wie in der fraglichen Zeit der Antragsteller aus Gründen des Benachteiligungsverbots nach §§ 8, 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG grundsätzlich beanspruchen kann, dass aus Anlass einer Bewerbung um die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens zusätzlich zu einer über die verbleibende dienstliche Tätigkeit gefertigten Beurteilung stets zwingend noch eine fiktive Laufbahnnachzeichnung erfolgt, was das VG verneint hat.

Vgl. allerdings in diesem Zusammenhang BAG, Urteil vom 19.3.2003 - 7 AZR 334/02 -, BAGE 105, 329 = PersV 2004, 69, wo bei Freistellung einer angestellten Lehrkraft in Höhe von etwa 85 % eine Nachzeichnung neben der Beurteilung für geboten erachtet wurde.

Jedenfalls lässt sich hier ein Bedürfnis für eine solche (umfassende) fiktive Nachzeichnung nach den konkreten Umständen des Einzelfalles nicht feststellen. Denn der Antragsteller hat unbeschadet des Umstandes seiner Freistellung aus Anlass der Stellenbesetzung im Jahr 2005 eine Spitzen(leistungs)beurteilung erhalten. Dass er im Wege der Nachzeichnung bezogen auf jenen Zeitpunkt eine noch bessere Beurteilung erlangen könnte, ist völlig unwahrscheinlich. Die nunmehr erhaltene Rangstufe 9 bewegt sich deutlich im Spitzenbereich der zuvor erlangten, auch schon vor der in Rede stehenden Freistellung (nach dem eigenen Vorbringen ab 1996) eher schwankenden Beurteilungsergebnisse (mehrfach nur Rangstufe 6). Auch auf der Eignungsebene ist dem Antragsteller im aktuellen Besetzungsverfahren das infolge seiner Freistellung zwangsläufig geringere allgemeine Erfahrungswissen nicht als seine Eignung für den in Rede stehenden Dienstposten beachtlich mindernd entgegengehalten worden. Eine Gleichstellung mit dem jeweils "bestgeeigneten" Mitbewerber kann er aufgrund des personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbots, welches zugleich Begünstigungen untersagt, nicht verlangen; vielmehr kann insoweit nur eine "Durchschnittsbetrachtung" bezogen auf den Werdegang vergleichbarer, vor Beginn seiner Freistellung entsprechend beurteilt gewesener Kollegen erfolgen. Im Zuge des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin ergänzende Ausführungen zur Frage der fiktiven Nachzeichnung gemacht, welche vom Senat für seine Entscheidung mit berücksichtigt werden können. Danach ergibt eine Vergleichsbetrachtung weder bezogen auf die Vergleichsgruppe "Beamte der Besoldungsgruppe A 11 in I. " noch bezogen auf alle seit Sommer 1999 nach A 12 beförderten Beamt(inn)en des Filialbereichs der Hauptverwaltung E. greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller im Verhältnis zur Mehrzahl bzw. dem Durchschnitt der betroffenen Beamtinnen und Beamten hinsichtlich seines beruflichen Aufstiegs benachteiligt worden wäre. Der Antragsteller ist diesem Vorbringen jedenfalls nicht substanziiert entgegengetreten. Abgesehen von alledem würde selbst ein Verstoß gegen ein etwaiges Gebot zur laufbahnrechtlichen Nachzeichnung noch nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Antragsteller verlangen kann, dass er gerade für einen ganz bestimmten höherwertigen Dienstposten ausgewählt wird oder auch nur dessen Besetzung durch eine einstweilige Anordnung vorläufig stoppen kann. Dies gilt zumal dann, wenn ein anderer Bewerber - wie hier der Beigeladene - für diesen Dienstposten eine besondere Eignung aufweist und der Antragsteller selbst die betreffenden Aufgaben wegen Fortsetzung, hier sogar Aufstockung der Freistellung (bis auf Weiteres) gar nicht wahrnehmen will. In diesem Zusammenhang weist der Senat schließlich noch darauf hin, dass auch nach der Rechtsprechung des BAG der Arbeitgeber (bzw. Dienstherr) durch das personalvertretungsrechtliche Benachteiligungsgebot nicht gehindert ist, seine Auswahlentscheidung letztlich maßgeblich an den Grundsätzen des Art. 33 Abs.2 GG, zu denen auch die Eignung zählt, zu orientieren.

Vgl. BAG, z.B. Urteil vom 27.6.2001 - 7 AZR 496/99 -, BAGE 98, 164 = PersR 2002, 39.

Ob das betroffene freigestellte Personalratsmitglied auf der Grundlage einer Nachzeichnung seines beruflichen Werdegangs evtl. beanspruchen kann, auf irgendeinem (anderen) Dienstposten bzw. einer evtl. haushaltsrechtlich vorgesehenen besonderen Planstelle in ein höheres Statusamt (hier: A 12) befördert zu werden, oder ob es mit Blick auf eine etwaige Verletzung des personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbots durch seine Nichtberücksichtigung wenigstens Sekundäransprüche etwa auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe einer entgangenen höheren Besoldung mit Erfolg geltend machen kann, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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