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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 03.07.2003
Aktenzeichen: 1 B 2333/02.PVB
Rechtsgebiete: BPersVG


Vorschriften:

BPersVG § 29 Abs. 1 Nr. 4
BPersVG § 29 Abs. 1 Nr. 5
BPersVG § 47 Abs. 2
BPersVG § 54 Abs. 1
BPersVG § 78 Abs. 1 Nr. 2
Die Anordnung des Unterstellungswechsels (der Umressortierung) von Teilen einer Mittelbehörde (eines Kommandobereichs) der Bundeswehr unter einen anderen Kommandobereich kann eine Maßnahme nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG darstellen, enthält für sich aber keine Versetzung i.S.d. § 47 Abs. 2 BPersVG, sodass ein Zustimmungsrecht des Bezirkspersonalrats nach § 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG insoweit nicht besteht (Fortführung von OVG NRW, Beschluss vom 13.12.2000 - 1 A 475/99.PVB -, PersR 2001, 386 ff. = ZfPR 2002, 179 = PersV 2001, 424).
Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten hat Erfolg.

1. Der Antragsteller hat für seinen im Beschwerdeverfahren weitergeführten Antrag, im Wege der einstweiligen Verfügung festzustellen, dass

1. der Vollzug des durch Organisationsbefehl Nr. 67/2002 (SKB) angeordneten Unterstellungswechsels des Fernmeldebereichs 70 der Zustimmung des Antragstellers nach §§ 54 Abs. 1, 47 Abs. 2 BPersVG insoweit bedarf, als seine Mitglieder X, Y, Z hiervon erfasst sind und nicht selbst vorher zustimmen,

2. der Beteiligte verpflichtet ist, den Mitgliedern X, Y, Z bis zur Entscheidung in der Hauptsache die weitere Mitarbeit beim Antragsteller unter Übernahme der Kosten zu ermöglichen,

entgegen den Anforderungen aus § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Die Unterstellung des Fernmeldebereichs 70 vom Luftwaffenführungskommando unter das "Kommando Strategische Aufklärung" enthält keine Versetzung i.S.d. § 47 Abs. 2 BPersVG. Die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit einer Versetzung i.S.d. § 47 Abs. 2 BPersVG, dass sie nämlich gegen den Willen des Betroffenen nur erfolgen kann und darf, wenn sie auch unter Berücksichtigung der Mitgliedschaft im Personalrat aus wichtigen dienstlichen Gründen unvermeidbar ist, brauchen deswegen für die in Rede stehende Maßnahme des Unterstellungswechsels (der Umressortierung) ebenso wenig vorzuliegen wie die (nur) für die Wirksamkeit der Versetzung eines Bezirkspersonalratsmitglieds erforderliche Zustimmung des Antragstellers.

Eine dienstrechtlich erhebliche Versetzung der in Rede stehenden ursprünglich als Mitglieder des Antragstellers gewählten drei Personen ist durch den erwähnten Unterstellungswechsel nicht erfolgt. Dieser enthält einen Organisationsakt, durch welchen Teile von dem Antragsteller zugeordneten Dienststellen aus dem insoweit durch das Luftwaffenführungskommando zusammengefassten Verband (Geschäftsbereich) herausgelöst und einer anderen Dienststelle zugeordnet worden sind, die ihrerseits dem Geschäftsbereich eines anderen Bezirkspersonalrats (hier: beim Streitkräfteunterstützungskommando) angehört. Dies führt für den neuen Bereich zu einem Zuwachs von "Beschäftigten", die von der in ihm gewählten Stufenvertretung nunmehr mitvertreten werden. Diese unter § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG subsumierbare Organisationsmaßnahme betrifft also keine personellen Einzelmaßnahmen, für welche ggf. weitergehende Mitbestimmungs- oder Zustimmungsrechte bestehen könnten. Bei der hier vorliegenden Umressortierung handelt es sich vielmehr um eine rein organisatorische Maßnahme, die keinerlei Rechtsverhältnisse in Bezug auf die Dienststellenangehörigen unmittelbar regelt. Für Maßnahmen dieser Art ist das Greifen von § 29 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 BPersVG anerkannt.

Vgl. Schlatmann, in: Lorenzen/Schmitt/Etzel/Gerhold/ Schlatmann/Rehak, BPersVG, Kommentar, Stand: Juni 2003, § 29 BPersVG Rn. 30 m.w.N.; von Roetteken, Neue Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Personalvertretungsrecht in 2001/2002, PersR 2002, 363 ff. (380); OVG NRW, Beschluss vom 13.12.2000 - 1 A 475/99.PVB -, PersR 2001, 386 ff. = BWV 2001, 206 = ZfPR 2002, 179 = PersV 2001, 424.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG erlischt die Mitgliedschaft im Personalrat durch Ausscheiden aus der Dienststelle. Die Beteiligten gehen zutreffend übereinstimmend davon aus, dass diese Vorschrift hier gemäß § 54 Abs. 1 BPersVG entsprechende Anwendung findet, weil mit der Umressortierung zugleich der Bereich des früheren Bezirkspersonalrates (hier: des Antragstellers) verlassen worden ist. Die Rechtsfolge des § 29 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG greift in Anknüpfung an die organisatorische Veränderung der Dienststellen, ohne dass es insoweit einer Regelung durch den Dienstherrn bedürfte. Eine derartige Regelung ist hier tatsächlich auch unterblieben.

§ 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG ist im gegebenen Zusammenhang einer erweiternden Auslegung mit dem Ziel seiner Anwendung für Fälle der vorliegenden Art nicht zugänglich. Insbesondere wird durch § 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG nicht der Fall einer Organisationsmaßnahme wie der hier in Rede stehenden erfasst, die wegen ihres Charakters als (Teil-)Ausgliederung von Dienststellen ebenso wie bei einer Auflösung einer Dienststelle ggf. zu einem Verlust des Personalratsmandates deswegen führt, weil die Ausgliederung der Dienststelle aus dem alten Verband ohne weitere personelle Einzelmaßnahme, wie sie von § 47 Abs. 2 BPersVG vorausgesetzt wird, zu einem "Ausscheiden" aus der alten Dienststelle i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG (hier: aus dem früheren Geschäftsbereich) führt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.1.1994 - 2 B 1.94 -, Buchholz 250 § 47 BPersVG Nr. 8, VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.11.1984 - 15 S 2525/83 -, ZBR 1985, 87.

Der Schutzzweck des § 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG ist in Fällen dieser Art nicht berührt. Er soll eine Beeinträchtigung der Personalratsarbeit durch ggf. von § 47 Abs. 2 Satz 1 BPersVG nicht gedeckte Maßnahmen, vor allem das Herausgreifen unliebsam gewordener Personalratsmitglieder verhindern. Einen derartigen Charakter hat der in Rede stehende Unterstellungswechsel offensichtlich nicht. Seine Zuordnung zum Anwendungsbereich von § 47 Abs. 2 BPersVG würde außerdem zur Folge haben, dass der als Versetzung verstandene Unterstellungswechsel den Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Satz 1 BPersVG genügen müsste. Dies würde aber gerade der Intention des hier einschlägigen § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG widersprechen, in derartigen Organisationsangelegenheiten dem Dienstherrn weitgehend freie Hand zu lassen. Es würde deswegen zu einer systemwidrigen Einengung der Organisationsgewalt des Dienstherren führen.

Die aus Organisationsentscheidungen i.S.d. § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG gegebenenfalls folgenden Auswirkungen für die Rechtsstellung von Mandatsträgern müssen mit Blick auf § 29 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BPersVG als dem Gesetzgeber offensichtlich bekannt erachtet werden. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl nur für die in § 47 Abs. 2 abschließend aufgeführten personellen Einzelmaßnahmen der Personalvertretung eine Zustimmungskompetenz eingeräumt hat, die praktisch auch gerichtlich nicht korrigierbar ist, so streitet dies ganz entschieden gegen eine Anwendung dieser Bestimmung auf Fälle der vorliegenden Art. Es besteht vor diesem Hintergrund also kein Anlass anzunehmen, dass der Gesetzgeber die durch § 47 Abs. 2 BPersVG vermittelten weitgehenden Kompetenzen auch dann hat einräumen wollen, wenn über die Beeinträchtigung der Personalratsarbeit hinaus, die durch § 47 Abs. 2 BPersVG in seinem Anwendungsbereich geschützt wird, sogar der vollständige Verlust des Mandats für einzelne Personalratsmitglieder oder für Personalvertretungen insgesamt ansteht, um Maßnahmen der Organisationsveränderung ergreifen und durchsetzen zu können.

Die demgegenüber durch das VG Koblenz in seiner Entscheidung vom 23.4.1996 - 4 PL 1285/96 -, PersR 1996, 246 und durch das OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 15.7.1996 - 4 B 11343/96 -, PersR 1996, 446, vorgenommene erweiternde Anwendung von § 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG auch auf solche Fälle, in denen mit der organisatorischen Zuordnung der Dienststelle zum Geschäftsbereich einer anderen Mittelbehörde weder ein Dienststellen- noch ein Dienstpostenwechsel für das Personalratsmitglied verbunden ist, findet danach in der aufgezeigten Systematik des Gesetzes keine Stütze.

Die von dem Antragsteller und der Fachkammer herangezogene Entscheidung des BVerwG vom 19.2.1987 - 6 P 12.85 -, PersV 88, 125 = PersR 1987, 167, betrifft einen Fall, in welchem das Mitglied eines Gesamtpersonalrates infolge einer Organisationsmaßnahme ausdrücklich durch eine Verfügung des Bundesministeriums der Verteidigung wegen des anstehenden und vom BVerwG in jener Entscheidung bestätigten Dienststellenwechsels versetzt worden ist. Diese Versetzung ist vom BVerwG in jener Entscheidung ausdrücklich als Versetzung im dienstrechtlichen Sinne bewertet worden (vgl. S. 14 des amtl. Umdrucks). Eine derartige oder eine vergleichbare personelle Einzelmaßnahme ist im gegebenen Fall nicht getroffen worden.

Den auf § 47 Abs. 2 BPersVG bezogenen Schutzzweck sieht das BVerwG in jener Entscheidung ferner darin, die Beamten und Soldaten gegen alle Formen von Veränderungen ihres dienstlichen Einsatzes zu bewahren, welche sich nachteilig auf ihr Amt in der Personalvertretung auswirken könnten. Die rechtlich der (Teil-)Auflösung einer Dienststelle vergleichbare Maßnahme des Unterstellungswechsels von dem Geschäftsbereich einer Mittelbehörde unter den einer anderen erfüllt aber - wie dargelegt - nicht die Voraussetzungen, unter denen ein personeller Einzelvorgang im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG als der Organisationsmaßnahme nachfolgend oder sie begleitend einer anderen rechtlichen Bewertung als der nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG unterworfen werden kann. Ausgangspunkt und Zielrichtung von wie hier unter § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG subsumierbaren Organisationsmaßnahmen sind vom - durch seinen Schutzzweck begrenzten - Anwendungsbereich des § 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG grundlegend verschieden. § 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG kann deswegen keine Beachtung beanspruchen, wenn die Organisationsmaßnahme nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG wie hier mit keinen besonderen beteiligungsrechtlich erheblichen von § 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG erfassten Einzelmaßnahmen verbunden ist, was den Regelfall darstellt, weil eine derartige Verbindung einer reinen Umressortierung wesensfremd ist.

2. Es fehlt ferner an einem glaubhaft gemachten Verfügungsgrund. Der Antragsteller begehrt mit dem erwähnten Antrag faktisch die Herstellung eines Zustandes als vorläufig, der im Hauptsacheverfahren endgültig erstritten werden könnte. Das darin liegende Begehren auf teilweise Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung ist unter dem Blickwinkel des Anordnungsgrundes nur schutzwürdig, wenn andernfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine Rechtsbeeinträchtigung droht, die hinzunehmen dem Antragsteller nicht zugemutet werden könnte.

Vgl. insoweit zum Anordnungsgrund OVG NRW, Beschlüsse vom 14.1.2003 - 1 B 1907/02.PVL -, NWVBl. 2003, 219 = PersR 2003, 243 = PersV 2003, 198, sowie vom 17.2.2003 - 1 B 2544/02.PVL -, PersR 2003, 202.

Es ist schon nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass der Antragsteller in seiner Arbeit in unzumutbarer Weise behindert oder diese Arbeit gar gänzlich in Frage gestellt wäre, wenn nicht sofort der begehrte Rechtsschutz gewährt wird. Es ist vor allem aber nicht ersichtlich, welchen Sinn die Verweigerung der Zustimmung durch den Antragsteller haben soll, soweit mit ihr die Verfolgung anderer Ziele als das - rechtlich nicht zulässige - Angehen gegen die in Rede stehende Maßnahme der Organisationsänderung beabsichtigt ist. Die durch § 47 Abs. 2 Satz 3 BPersVG eingeräumte Kompetenz zur Verweigerung der Zustimmung betrifft keinen Selbstzweck. Wird die Zustimmung verweigert, bedarf es hierfür sachlicher Gründe. Die Darlegung eines Verfügungsgrundes erfordert deswegen im gegebenen Zusammenhang die Angabe nachvollziehbarer sachlicher Gründe, aus denen die Zustimmung im Interesse entweder des Personalrates und/oder der von der Maßnahme Betroffenen unterbleibt. Hierzu ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Das Interesse des Antragstellers an rechtmäßiger Beschlussfassung ist nach allem im gegebenen Zusammenhang unbehelflich, weil die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung des Antragstellers mit Blick auf die unter 1. gemachten Ausführungen und wegen der danach zumindest als kontrovers zu erachtenden Rechtslage unabhängig davon in Frage steht, ob die im Antrag erwähnten drei (ehemaligen) Personalratsmitglieder weiterhin an der Beschlussfassung des Antragstellers beteiligt sind.

Ende der Entscheidung

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