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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 12.06.2009
Aktenzeichen: 10 A 1847/08
Rechtsgebiete: DSchG NRW


Vorschriften:

DSchG NRW § 9
1. Ein Bodendenkmal muss auch dann in die Denkmalliste eingetragen werden, wenn die Fundstelle durch Ziele der Raumordnung und Landesplanung (hier: Regionalplan Köln und Braunkohlenplan Garzweiler II) als Bereich für die Sicherung und den Abbau von oberirdischen Bodenschätzen dargestellt ist und für den Braunkohleabbau in Anspruch genommen werden soll.

2. Ob sich das öffentliche Interesse an der Sicherung und Bewahrung der Kulturdenkmäler oder das Interesse an der Sicherung der Rohstoffversorgung durchsetzt, ist erst im Verfahren nach § 9 DSchG NRW zu entscheiden.


Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer mehrerer als Ackerland genutzten Grundstücke. Auf Grund eines im Jahre 2003 geschlossenen Vertrages sollen diese Grundstücke für den Kiesabbau zur Verfügung gestellt werden. Nachdem erstmalig 1958 das Vorhandensein von Fundstücken römischer Herkunft im Boden festgestellt und im Rahmen einer Intensivbegehung 1993 bestätigt worden war, wurde eine Teilfläche der genannten Flurstücke als Bodendenkmal "Trümmerstelle aus der Römerzeit" in die Bodendenkmalliste eingetragen; dies wurde den Klägern durch Bescheid vom 18.5.2000 mitgeteilt. Nachdem ihr Widerspruch im Wesentlichen erfolglos geblieben war, erhoben sie Anfechtungsklage gegen die Unterschutzstellung mit der Begründung, die Fläche sei durch den Regionalplan Köln - Teilabschnitt Region Aachen - in einen Bereich für die Sicherung und den Abbau nicht energetischer oberflächennaher Bodenschätze einbezogen und liege zudem im Abbaubereich des Braunkohlenplans Garzweiler II. Damit bestehe kein öffentliches Interesse an der Eintragung des Bodendenkmals in die Denkmalliste. Das VG wies die Klage ab.

Gründe:

Nach § 3 DSchG NRW muss ein Objekt, das die Voraussetzungen des § 2 DSchG NRW erfüllt, in die Denkmalliste eingetragen werden; ein Entscheidungsspielraum kommt den Denkmalbehörden dabei nicht zu. Insbesondere ist auf dieser Stufe des denkmalrechtlichen Eintragungsverfahrens kein Raum für eine Berücksichtigung widerstreitender öffentlicher Interessen, die sich aus anderen Rechtsvorschriften bzw. ihrer Umsetzung - etwa in Form regional- oder fachplanerischer Zielfestlegungen - ergeben könnten. Nach dem Willen des Gesetzgebers besteht ein öffentliches Interesse an der Erhaltung einer Sache, die den Anforderungen des § 2 DSchG NRW entspricht, so dass sie dem Schutz des Denkmalrechts zu unterstellen ist. Erst auf der zweiten Stufe des denkmalrechtlichen Schutzsystems kann es auf Grund überwiegender privater Interessen - etwa bei wirtschaftlicher oder ideeller Unzumutbarkeit der Denkmalerhaltung - oder auf Grund gewichtiger öffentlicher Interessen dazu kommen, dass eine vollzogene Eintragung in die Denkmalliste gelöscht oder eingschränkt werden muss. Dies gilt auch im Verhältnis zu Zielen der Raumordnung und Landesplanung. Ob eine Löschung des Denkmals, seine Beseitigung oder die Beseitigung nach vorheriger Erkundung oder Sicherung als Sekundärdenkmal vorgenommen werden kann, entscheidet sich im Rahmen des Verfahrens nach § 9 DSchG NRW.

Selbst wenn die Annahme der Zulassungsbegründung richtig wäre, die im Braunkohlenplan Garzweiler II und im Regionalplan für den Regierungsbezirk Köln niedergelegten Ziele der Raumordnung räumten der Rohstoffgewinnung Vorrang gegenüber den Belangen der Bodendenkmalpflege ein, würde dies einer Eintragung des Bodendenkmals in die Denkmalliste nicht entgegenstehen. Denn nur durch die Unterschutzstellung des Bodendenkmals kann sichergestellt werden, dass es im Rahmen des Verfahrens nach § 9 DSchG NRW zu einer geordneten und denkmalfachlich einwandfreien, von der zuständigen Fachbehörde begleiteten Erkundung und ggf. zur Sicherung des Denkmals als Sekundärdenkmal kommt. Auch wenn die Aufnahme geeigneter Nebenbestimmungen in eine Abgrabungserlaubnis oder sonstige konkrete Abbauplanung grundsätzlich denkbar ist, ist ohne vorherige förmliche Eintragung der betroffenen Denkmäler nicht sichergestellt, dass dies auch rechtzeitig und im gebotenen Umfang geschieht. Die Annahme der Zulassungsbegründung, die Ziele der Raumordnung und Landesplanung im Regionalplan bzw. Braunkohlenplan seien abschließend abgewogen, so dass kein Raum für eine Entscheidung nach § 9 DSchG NRW mehr sei, trifft nicht zu, wie sich aus einer Auslegung der einschlägigen raumplanerischen Zielfestsetzungen ohne weiteres ergibt.

Schon im Ausgangspunkt verfehlt ist die Annahme, der Regionalplan beschränke sich auf das Ziel, lediglich die bereits in die Denkmalliste eingetragenen ("vorhandenen") Bodendenkmäler soweit wie möglich zu erhalten (Abschnitt 1.4, Ziel 1 Satz 2 des Regionalplans für den Regierungsbezirk Köln, Teilabschnitt Region Aachen, Textliche Darstellung, Stand April 2008, S. 23). Aus den Erläuterungen hierzu (a. a. O. S. 22 ff.) sowie aus dem Abschnitt 2.5.2 - insbesondere Ziel 2 - des Regionalplans (a. a. O. S. 101 f.) ergibt sich vielmehr, dass es unabhängig von einer Eintragung in die Denkmalliste um alle im Boden vorhandenen denkmalwerten Objekte geht. Wäre dies anders zu verstehen, wäre das in Abschnitt 2.5.2 des Regionalplans formulierte Ziel 2 "Schutz, Erfassung (zum Zweck der Erhaltung) und Erhalt des archäologischen Inventars der Kulturlandschaft", vgl. a. a. O. Erläuterung 3, gegenstandslos; vielmehr geht der Regionalplan ausdrücklich davon aus, dass wichtige archäologische Funde und Befunde erst während laufender Bauarbeiten entdeckt werden.

Dasselbe gilt - erst recht - für den Braunkohlenplan Garzweiler II vom 20.12.1994, der den Begriff des Bodendenkmals unabhängig von einer förmlichen Eintragung bestimmt (Abschnitt 5.1 der Textlichen Darstellung, S. 171) und darauf hinweist, dass im Zuge der Planverwirklichung mit archäologischen Fundplätzen zu rechnen sei, die die Tatbestandsvoraussetzung einer Eintragung als ortsfestes Bodendenkmal erfüllen (a. a. O. S. 172). Wie sich aus den Erläuterungen in Abschnitt 5.1 (a. a. O. S. 173) ergibt, sieht der Braunkohlenplan im Übrigen vor, dass vor Beseitigung eines Bodendenkmals die im Einvernehmen mit dem Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege zu erteilende Erlaubnis nach § 9 DSchG NRW einzuholen ist. Anlass für die Annahme, der Plan beschränke dies auf diejenigen Bodendenkmäler, die schon vor Inkrafttreten des Plans in die Denkmalliste eingetragen waren, bestehen nicht, weil selbstverständlich alle Bodendenkmäler gleichermaßen fachlich einwandfrei bewertet und ggf. gesichert werden müssen.

Aus dem Braunkohlenplan Garzweiler II und dem Regionalplan Köln ergibt sich damit, dass die Denkmalbehörden ungeachtet ihrer selbstverständlichen Bindung an Ziele der Raumordnung an einer Eintragung neu entdeckter Bodendenkmäler nicht gehindert sind, sondern diese entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag vornehmen müssen.

Der Einwand, dass eine Eintragung, die auf Grund überwiegender öffentlicher Interessen sogleich wieder zu beseitigen wäre, als unverhältnismäßige Eigentumseinschränkung zu Lasten der Eigentümer von im Abbaubereich gelegenen Grundstücken anzusehen und deshalb nicht zu rechtfertigen wäre, geht ebenfalls fehl. Insbesondere ist der in der Zulassungsbegründung darüber hinausgehend erhobene Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit abwegig. Denn es kommt - wie gerade der Umgang mit Bodendenkmälern zeigt - darauf an, dass die Entscheidung über Erhaltung oder Zerstörung eines Denkmals an denkmalrechtlichen Maßstäben orientiert und unter Berücksichtigung der Möglichkeiten denkmalfachlicher Sicherungsmaßnahmen getroffen wird. Insbesondere muss die Bedeutung des jeweils betroffenen Denkmals in die Abwägung widerstreitender öffentlicher Interessen - etwa an der Gewinnung von Rohstoffen einerseits und an der Erhaltung des kulturellen Erbes andererseits - eine maßgebliche Rolle spielen. Im Regelfall ist der vorerwähnte Einwand im Übrigen schon deshalb gegenstandslos, weil die Eintragung eines Bodendenkmals dieses jedenfalls bis zu einer Inanspruchnahme des Grundstücks durch Maßnahmen des Rohstoffabbaus auch vor anderen Eingriffen schützt und auf diese Weise ihre Aufsuchung, wissenschaftliche Untersuchung und ggf. Sicherung als Sekundärdenkmal ermöglicht. Die Auffassung der Kläger, dies werde durch denkmalbezogene Nebenbestimmungen in Plangenehmigungen, Planfeststellungsbeschlüssen oder ähnlichen Erlaubnissen ebensogut sichergestellt, ist schließlich auch deshalb unzutreffend, weil es in diesen vorhabenbezogenen Genehmigungen in aller Regel an flankierenden Sanktionsmöglichkeiten für den Fall rechtswidriger Eingriffe in die denkmalwerte Substanz fehlt.

Der Eintragung steht schließlich nicht entgegen, dass es sich bei der betroffenen Trümmerstelle möglicherweise um ein weniger bedeutendes Bodendenkmal handeln könnte. Die Bedeutsamkeit eines Denkmals ist keine Eintragungsvoraussetzung; sie kann erst im Verfahren nach § 9 DSchG NRW eine Rolle spielen, wenn das öffentliche Interesse an einer geordneten Rohstoffversorgung und das öffentliche Interesse an der Bewahrung von Kulturdenkmälern gegeneinander abzuwägen sind.

Ende der Entscheidung

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