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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 17.01.2006
Aktenzeichen: 10 A 3413/03
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, BauNVO 1977, BauO NRW, BGB, OBG NRW, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 7
BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2
BauGB § 215 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 233 Abs. 2 Satz 3
BauNVO § 1 Abs. 5
BauNVO § 1 Abs. 9
BauNVO § 25b
BauNVO 1977 § 8 Abs. 2 Nr. 1
BauNVO 1977 § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BauNVO 1977 § 11 Abs. 3 Satz 3
BauO NRW § 71 Abs. 1
BauO NRW § 71 Abs. 2
BauO NRW § 75 Abs. 1 Satz 1
BGB § 839
OBG NRW § 39
VwGO § 82 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 86 Abs. 3
VwGO § 91 Abs. 1
VwGO § 103 Abs. 3
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
1. Das berechtigte Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger den - hilfsweise gestellten - Fortsetzungsfeststellungsantrag nach Erlass einer Veränderungssperre erst in der mündlichen Verhandlung stellt. Eine Obliegenheit, den Fortsetzungsfeststellungsantrag schriftsätzlich vor der mündlichen Verhandlung anzukündigen, gibt es regelmäßig nicht. Hält das Verwaltungsgericht nach Stellung des Fortsetzungsfeststellungsantrags eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, hat es die Sache spruchreif zu machen und muss die mündliche Verhandlung ggf. vertagen.

2. Für den vollständigen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben der Branche Lebensmittel bedarf es konkreter Angaben dazu, weshalb Einzelhandelsbetriebe der besagten Art die Einzelhandelsstrukturen in "zentralen Bereichen" der Gemeinde unabhängig von ihrer Größe schädigen würden. Hat sich ein Zentrum noch nicht herausgebildet, bedarf es einer eindeutigen planerischen Entscheidung der Gemeinde, wo eine dahingehende Entwicklung stattfinden soll.

3. Der Ausschluss von Betrieben der Lebensmittelbranche in einem Gewerbegebiet mit dem Ziel, die Gewerbeflächen zur Ansiedlung von Handwerksbetrieben und Betrieben des produzierenden Gewerbes vorzuhalten, ist ungeeignet, wenn sämtliche anderen Betriebe des Einzel- und Großhandels ebenso wie Dienstleistungsbetriebe, Lagerhäuser, Speditionen usw. weiterhin zulässig sind.

4. Die Festlegung einer Messlinie für Lärmimmissionen an der Grenze des Plangebiets, beinhaltet keinen unzulässigen Zaunwert (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1999 - 4 CN 7.98 -, BRS 62 Nr. 44 m.w.N.), wenn die Einhaltung des "Planungsrichtpegels" an dieser Grenze jeweils auf die einzelne, zur Überprüfung stehende Anlage bezogen ist und somit kein Summenpegel festgesetzt wird.

5. Zu den Anforderungen des Sich-Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB im Einzelfall.


Tatbestand:

Der Kläger begehrte ursprünglich die Erteilung eines Bauvorbescheids für die Nutzungsänderung einer Teilfläche eines Autohauses mit Kfz-Werkstatt in einen Einzelhandelsbetrieb für Non-Food-Produkte und Lebensmittel sowie hilfsweise die Feststellung, dass die beantragte Nutzungsänderung bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre planungsrechtlich zulässig war. Das VG wies die Klage insgesamt ab. Die Berufung, mit der der Kläger nur noch den Fortsetzungsfeststellungsantrag weiter verfolgt hat, war erfolgreich.

Gründe:

I. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig.

Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann ein Kläger bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Feststellung beantragen, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich ein angefochtener Verwaltungsakt vorher, d.h. vor einer Entscheidung über einen auf seine Aufhebung gerichteten Antrag, durch Zurücknahme oder anders erledigt hat. Die Vorschrift gilt entsprechend für ein Verpflichtungsbegehren, das im Prozessverlauf seine Erledigung gefunden hat. Dem entsprechend kann ein Kläger, sofern sich während der Anhängigkeit einer auf die Erteilung einer Bau- oder Bebauungsgenehmigung gerichteten Verpflichtungsklage die Rechtslage zu seinem Nachteil ändert, im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage seinen Antrag dahingehend umstellen, dass er nunmehr die Feststellung begehrt, dass sein Vorhaben nach der alten Rechtslage zulässig war bzw. die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Bau- bzw. Bebauungsgenehmigung rechtswidrig gewesen sei. Einen solchen Antrag kann er unter Aufrechterhaltung des Hauptantrags auch - wie hier in der ersten Instanz geschehen - hilfsweise stellen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1.7.1994 - 10 A 410/88 -, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerwG, und vom 4.5.2000 - 7 A 1744/97 -.

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Das Begehren des Klägers auf Erteilung eines Vorbescheids zur Nutzungsänderung hat sich hier durch das Inkrafttreten der Veränderungssperre am 13.2.2003 - nach Klageerhebung - erledigt. Der Eintritt einer Veränderungssperre ist zwar keine Erledigung im eigentlichen Sinn des Wortes, ist aber nach ständiger Rechtsprechung einer solchen Erledigung gleichzustellen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.10.1998 - 4 B 72.98 -, BRS 60 Nr. 100; OVG NRW, Beschluss vom 23.1.2001 - 7 A 1683/99 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.10.1995 - 3 S 1/93 -, BRS 57 Nr. 201.

Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der Feststellung, dass der Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet war, die beantragte Bebauungsgenehmigung zu erteilen. Das Verfahren dient der Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder sonstigen Entschädigungsprozesses vor dem zuständigen Zivilgericht. Eine solche beabsichtigte Schadensersatzklage vermag ein Feststellungsinteresse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings nur dann zu begründen, wenn ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten und nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.8.1987 - 4 C 31.86 -, NJW 1988, 926.

Der Kläger hat aufgezeigt, dass er einen solchen zivilgerichtlichen Prozess gegen den Beklagten anstrengen wird, wenn er im vorliegenden Verfahren Erfolg hat. Er verweist darauf, dass er wegen der seiner Meinung nach rechtswidrig erfolgten Versagung des Bauvorbescheids Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche geltend machen will. Dies hat er dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 6.2.2001 angekündigt. Darin beziffert er den Verlust bei einer Veräußerung auf etwa 1,0 Mio. DM und im Fall einer Vermietung auf etwa 100.000,00 DM pro Jahr.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der behauptete Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann. Neben einem verschuldensabhängigen Anspruch aus § 839 BGB kommt auch ein verschuldensunabhängiger Anspruch aus § 39 OBG NRW in Betracht, dessen Voraussetzungen jedenfalls nicht offensichtlich zu verneinen sind. Vielmehr kann in der - nach Auffassung des Klägers - rechtswidrigen Versagung der Bebauungsgenehmigung durchaus eine rechtswidrige Maßnahme im Sinne der genannten Vorschrift gesehen werden.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18.5.1989 - 7 A 2824/86 -, und vom 13.11.1998 - 11 A 2641/94 -, jeweils m.w.N.

Auch sonst bestehen keine Zweifel am Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers. Insbesondere ist ein berechtigtes Interesse nicht etwa deshalb zu verneinen, weil sich der Kläger "durch eine zu spät erfolgte Stellung des Hilfsantrags selbst um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht" hat. Die entsprechende Auffassung des VG hält einer Überprüfung nicht stand.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist für die Schutzwürdigkeit des Interesses an einer Fortsetzungsfeststellungsklage kennzeichnend, dass eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden darf. Dies gilt dann, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrags die Frage stellt, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein soll und der Kläger der (häufig nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung wegen in diesem Verfahren leer ausgehen müsste.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.4.1986 - 8 C 84.84 -, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69 (S. 9, 13 f.) unter Bezugnahme auf das Urteil vom 28.4.1967 - 4 C 163.65 -, Buchholz 310, § 113 VwGO Nr. 36 (S. 64, 66); diese Rechtsprechung aufgreifend und erläuternd vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.1998 - 4 C 14.96 -, BRS 60 Nr. 158.

Das BVerwG betont in seiner Entscheidung vom 27.3.1998 allerdings, dass der Gedanke der "Fruchterhaltung" nicht dahingehend missverstanden werden dürfe, dass er als eine normative Voraussetzung für ein berechtigtes Interesse anzusehen wäre. In dem Urteil vom 28.4.1967 werde nämlich lediglich die Lage, von der die Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ausgehe, also nur die regelmäßig bestehende Situation bei Erledigung der Hauptsache beschrieben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.1998, a.a.O.

Maßgeblich für die Frage, ob im Hinblick auf einen beabsichtigten Zivilprozess ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts besteht, ist nach der Rechtsprechung des BVerwG vielmehr, ob der Kläger sofort und unmittelbar vor dem Zivilgericht Klage erheben konnte oder ob er gezwungen war, zunächst eine verwaltungsgerichtliche Klage zu erheben. Hatte sich der Verwaltungsakt bei Klageerhebung noch nicht erledigt, so war der von ihm Betroffene - auch im Sinne des Primärrechtsschutzes (vgl. § 839 Abs. 3 BGB) - gezwungen, zunächst vor dem VG zu klagen, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern. In einem solchen Fall wäre es unangemessen, die Fortsetzungsfeststellungsklage nur dann zuzulassen, wenn das bisherige Verhalten bereits Erkenntnisse erbracht hat, die für einen Amtshaftungsprozess bedeutsam sind. Abgesehen davon, dass kaum bestimmt werden könnte, wie viele "Früchte" erforderlich sein müssten, um einen Anspruch auf Fortführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu begründen, besteht der Sinn der Fortsetzungsfeststellungsklage gerade darin, den Übergang zur Feststellungsklage zu erleichtern. Der bereits getätigte Aufwand - auch an Kosten und Zeit - soll dem Kläger erhalten bleiben, wenn und solange die begehrte Entscheidung für ihn einen Nutzen haben kann. Jedenfalls in Fällen der nicht vom Kläger herbeigeführten Erledigung kommt es daher bei der Prüfung des berechtigten Fortsetzungsfeststellungsinteresses nicht darauf an, ob die bisherige Prozessführung schon "Früchte" erbracht hat.

So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 27.3.1998, a.a.O.

Hier ist die Erledigung erst etwa zwei Jahre nach Klageerhebung und zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung durch die am 13.2.2003 in Kraft getretene Veränderungssperre der Stadt H. eingetreten. Das erledigende Ereignis ist damit offensichtlich nicht vom Kläger herbeigeführt worden. Im Übrigen dürfte der Prozess - ohne dass dies nach den dargestellten Grundsätzen noch erheblich wäre - auch bereits "Früchte" getragen haben. Das Verfahren war im Zeitpunkt der Erledigung bereits über zwei Jahre anhängig und weitgehend gefördert; die Rechtspositionen waren in verschiedenen Schriftsätzen dargelegt worden und ein Erörterungstermin vor Ort hatte bereits stattgefunden.

Entgegen der Auffassung des VG entfällt das Feststellungsinteresse des Klägers nicht, weil er sich "selbst um die Früchte des Prozesses beraubt" hat, "indem er den Fortsetzungsfeststellungsantrag ohne Vorankündigung erst in der mündlichen Verhandlung und damit mehrere Wochen nach Eintritt des erledigenden Ereignisses gestellt und so eine zur Bescheidung des Begehrens notwendige Sachaufklärung seitens des Gerichts bis zu dem Termin nicht ermöglicht hat".

Zunächst kommt es - wie oben bereits dargestellt - nicht darauf an, ob der Prozess bereits "Früchte" getragen hat. Infolge dessen bliebe auch ein nachträgliches "Entfallen von Früchten" ohne Einfluss auf das Rechtsschutzbedürfnis. Unabhängig davon ist nicht nachvollziehbar, wie es überhaupt zu einem "Entfallen von Früchten" soll kommen können. Bereits erfolgte Prozesshandlungen und Maßnahmen zur Förderung des Verfahrens werden weder rückwirkend obsolet noch nachträglich nicht mehr verwertbar.

Aber auch sonst ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar, weshalb durch die Stellung des Hilfsantrags in der mündlichen Verhandlung - ohne vorherige schriftsätzliche Ankündigung - das Fortsetzungsfeststellungsinteresse entfallen sollte. Die endgültigen und allein maßgeblichen Anträge werden erst in der mündlichen Verhandlung gestellt (vgl. § 103 Abs. 3 VwGO). In der Klageschrift oder in den sonstigen vorbereitenden Schriftsätzen werden die Anträge lediglich angekündigt. Auch besteht keine Verpflichtung, sämtliche Anträge schon vor der mündlichen Verhandlung (vollständig) anzukündigen. Auch die Klageschrift "soll" lediglich einen bestimmten (angekündigten) Antrag enthalten (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO); unabdingbare Voraussetzung ist dies jedoch nicht.

Vgl. dazu Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand: 10/2005, § 82 Rdnr. 7, § 103 Rdnr. 47.

Nichts Anderes gilt vor dem Hintergrund, dass es nach der Auffassung des VG für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheids des Beklagten vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre noch weiterer Sachaufklärung in Form der Inaugenscheinnahme durch das Gericht bedurft hätte, um die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB beurteilen zu können. Denn das Gericht muss auch im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage die u.U. fehlende Spruchreife durch eventuell noch erforderliche Aufklärungsmaßnahmen herstellen.

BVerwG, Urteil vom 27.3.1998, a.a.O.

Für die Durchführung der Inaugenscheinnahme hätte die mündliche Verhandlung ohne Weiteres gemäß § 227 ZPO vertagt werden können.

Für die Notwendigkeit einer darüber hinausgehenden, besonders aufwändigen und teuren Beweisaufnahme, die möglicherweise ausnahmsweise das berechtigte Interesse für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag entfallen lassen könnte, ob dies überhaupt möglich ist, lässt das BVerwG in seinem Urteil vom 27.3.1998, a.a.O., ausdrücklich offen, ist hier nichts ersichtlich.

Rechtlich unerheblich ist auch, dass mit der Vertagung bzw. der weiteren Aufklärung des Sachverhalts der Abschluss des Verfahrens verzögert wird, da es auf derartige Gesichtspunkte - anders als bei der Frage der Sachdienlichkeit einer Klageänderung gem. § 91 Abs. 1 VwGO - nicht ankommt.

Unabhängig davon kann keine Rede davon sein, dass der Kläger mit der Stellung des Fortsetzungsfeststellungsantrags "erst" in der mündlichen Verhandlung in einer ihm anzulastenden Weise die notwendige Sachaufklärung vor dem Termin verhindert hat. Vielmehr lag die - hier hilfsweise erfolgte - Stellung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags angesichts der Prozesssituation auf der Hand. Die Umstellung auf die Fortsetzungsfeststellungsklage ist eine ohne Weiteres absehbare prozessuale Reaktion auf die Erledigung eines Antrags auf Erteilung einer Baugenehmigung bzw. eines Vorbescheids wegen des zwischenzeitlichen Ergehens einer Veränderungssperre. Dies gilt hier in besonderem Maße, weil der Kläger bereits mit - auch dem VG in den Beiakten vorliegendem - Schreiben vom 6.2.2001 die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei Versagung des Vorbescheids angekündigt hatte. Wird gleichwohl die mündliche Verhandlung terminiert, ohne dass für den im Raum stehenden Fortsetzungsfeststellungsantrag die - aus der Sicht des VG erforderliche - Sachaufklärung abgeschlossen ist, ist dies dem Kläger nicht anzulasten. Hinzu kommt, dass der Berichterstatter der Kammer bereits einen Erörterungstermin vor Ort durchgeführt hatte, bei dem die Einschätzung geäußert wurde, dass es für die Beurteilung des Vorhabens möglicherweise auf den Gebietscharakter ankomme. Für die Verletzung einer Mitwirkungspflicht des Klägers ist vor diesem Hintergrund nichts ersichtlich, zumal es gem. § 86 Abs. 3 VwGO ohnehin Aufgabe des Vorsitzenden ist, ggf. darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt werden.

Vgl. zur Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsantrags auch in Fällen ohne entsprechende ausdrückliche Antragstellung: BVerwG, Beschluss vom 31.5.1979 - I WB 202.77 -, BVerwGE 63, 234, und Urteil vom 26.3.1981 - 3 C 134/79 -, BVerwGE 62, 86; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand: 10/2005, § 113 Rdnr. 79.

Nach Angaben des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat er keinen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem VG darauf erhalten, dass die Kammer das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht für gegeben ansehen wollte. Dies folgt auch nicht aus dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung.

II. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet.

Der Kläger hatte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre am 13.2.2003 gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erteilung des begehrten bauplanungsrechtlichen Vorbescheids (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Dem Vorhaben standen die insoweit zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bauplanungsrechts nicht entgegen (§ 71 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW).

Die Zulässigkeit des Vorhabens im maßgeblichen Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses beurteilt sich nicht nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. W 29 "Gewerbegebiet X.", 1. Änderung und Ergänzung, da dieser unwirksam ist (vgl. dazu 1.). Nach der in Folge dessen maßgeblichen und auch wirksamen (vgl. dazu 2.a) Ursprungsfassung des Bebauungsplans Nr. W 29 "Gewerbegebiet X." war das Vorhaben des Klägers zulässig, weil es dessen Festsetzungen nicht widersprach (vgl. dazu unten 2.b). Aber selbst für den Fall, dass der Ursprungsbebauungsplan Nr. W 29 ebenfalls unwirksam sein sollte, hätte der Kläger einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheids nach § 34 Abs. 1 BauGB gehabt (vgl. dazu 3.).

1. Der am 21.9.1995 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. W 29 "Gewerbegebiet X.", 1. Änderung und Ergänzung (Bekanntmachung der Durchführung des Anzeigeverfahrens am 13.12.1995) ist unwirksam.

Der textlichen Festsetzung Nr. 3., mit der Einzelhandelsbetriebe der Branche Lebensmittel im gesamten Gewerbegebiet ausgeschlossen werden, fehlt die erforderliche städtebauliche Rechtfertigung.

§ 1 Abs. 5 und 9 BauNVO gestatten - soweit die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt und besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen - den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben differenziert nach Branchen oder Sortimenten, wenn die Differenzierung marktüblichen Gegebenheiten entspricht.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.7.1998 - 4 BN 31.98 -, BRS 60 Nr. 29, vom 4.10.2001 - 4 BN 45.01 - BRS 64 Nr. 28, und vom 10.11.2004 - 4 BN 33.04 -, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 30.

Allerdings fordert eine solche Feindifferenzierung der zulässigen Art der baulichen Nutzung auf der Grundlage von § 1 Abs. 9 BauNVO eine städtebauliche Begründung, die sich aus der jeweiligen konkreten Planungssituation ergeben muss und geeignet ist, die Abweichung vom normativen Regelfall der Baugebietsausweisung zu rechtfertigen. Das "Besondere" an den städtebaulichen Gründen nach § 1 Abs. 9 BauNVO besteht dabei nicht darin, dass die Gründe von größerem oder im Verhältnis zu § 1 Abs. 5 BauNVO zusätzlichem Gewicht sein müssen. Mit "besonderen" städtebaulichen Gründen nach § 1 Abs. 9 BauNVO ist gemeint, dass es spezielle Gründe gerade für die gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen geben muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.5.1987 - 4 C 77.84 -, BRS 47 Nr. 59 und Beschluss vom 10.11.2004 - 4 BN 33.04 -, Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 30.

Diesen Anforderungen genügen die vom Rat der Stadt H. benannten Gründe für den Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben der Lebensmittelbranche nicht.

Der Rat begründet den Ausschluss damit, dass es sich bei Lebensmitteln um Güter handele, die üblicherweise zur Nahversorgung angeboten und nachgefragt würden. Um die verbrauchernahe Versorgung insbesondere der nichtmotorisierten Käuferschichten sicherzustellen, gebiete sich bei Lebensmitteln in besonderem Maße die räumliche und verkehrliche Zuordnung zu Wohnstandorten.

Wenn - wie hier - Betriebe des Lebensmitteleinzelhandels ausgeschlossen werden sollen, um die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs an Wohnstandorten zu sichern, bedarf es konkreter Angaben dazu, weshalb der Handel mit den "nahversorgungsrelevanten" Gütern "Lebensmittel" die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung an bestimmten anderen Stellen des Gemeindegebiets gefährden würde.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 9.10.2003 - 10a D 71/01.NE -, ZfBR 2004, 199, und vom 12.11.2004 - 10a D 38/02.NE -, NVwZ-RR 2005, 309.

Entsprechende Hinweise fehlen hier völlig. Insbesondere im Hinblick auf den uneingeschränkten Ausschluss auch kleinerer Betriebe des Lebensmitteleinzelhandels hätte es der Angabe konkreter Gründe bedurft. Keiner Entscheidung bedarf in diesem Zusammenhang, ob mit dem Ausschluss von "Einzelhandelsbetrieben der Branche Lebensmittel" der Verkauf jeglicher Lebensmittel (so die Widerspruchsbehörde) unzulässig ist, oder ob das Angebot von Lebensmitteln als untergeordnetes Rand- oder Nebensortiment (so der Beklagte) möglich sein soll. Denn nach der Festsetzung sind jedenfalls auch Betriebe, die Lebensmittel als Kern- oder Hauptsortiment führen und damit der Lebensmittelbranche zuzurechnen sind, unabhängig von ihrer Größe ausgeschlossen. Der Plangeber begründet jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb selbst der Verkauf von Lebensmitteln in geringem Umfang - als Kern- oder Hauptsortiment - zur Sicherung der Nahversorgung in X. eines Ausschlusses bedurfte. Es ist nicht ersichtlich, dass ein nur äußerst eingeschränktes Warenangebot spürbare negative Auswirkungen auf die verbrauchernahe Versorgung entfalten kann. Hinzu kommt, dass das Gewerbegebiet X. unmittelbar an ausgedehnte Wohngebiete angrenzt, damit verbrauchernah ist und ohne die Benutzung von Kraftfahrzeugen erreicht werden kann. Die Wohnbebauung schließt sich direkt auf der gegenüberliegenden Seite der M.-Straße an, das nächste Wohnhaus liegt gerade etwa 50 m entfernt. Auch in westlicher Richtung beginnt unmittelbar im Anschluss an das Plangebiet Wohnbebauung. Soweit der Plangeber weiter darauf verweist, in dem bevölkerungsreichen Stadtteil solle eine zentrale Versorgung gewährleistet sein, gilt im Ergebnis nichts Anderes. Zwar kann eine Gemeinde zur Kräftigung bzw. Steigerung der Attraktivität der Kernzone das Angebot nahversorgungsrelevanter Sortimente dort konzentrieren.

Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 10.11.2004 - 4 BN 33/04 -, ZfBR 2005, 188.

Aber auch insoweit bedarf es konkreter - hier fehlender - Angaben dazu, weshalb der Einzelhandel mit Lebensmitteln, würde er im Plangebiet angesiedelt, die Einzelhandelsstrukturen im Zentrum der Gemeinde - dies ist offenbar mit "zentraler Versorgung" gemeint - unabhängig vom Umfang des jeweiligen Warenangebots schädigen würde. Aus dem Anfang der neunziger Jahre erstellten "Rahmenplan X." ergibt sich nichts anderes. Im Gegenteil wird hier gerade das Fehlen eines allseits anerkannten Zentrums des Straßendorfs bemängelt. Die Lage der Geschäfte am "Oberen Straßenzug" verteile sich auf eine Länge von ca. 1.400 m derart, dass ein zusammenhängender Einkauf kaum möglich sei. Eine typische Einkaufsform sei das "Abfahren" des langen Straßenzugs und das Halten an den Punkten, an denen man kurz in ein Geschäft "springe" um seinen Einkauf zu erledigen. Zwar kann es auch Ziel der Bauleitplanung sein, ein bislang nicht vorhandenes Zentrum erst noch zu entwickeln. Dazu bedarf es aber einer entsprechenden, hinreichend klar zum Ausdruck kommenden Zielsetzung. Der Plangeber bringt hier weder zum Ausdruck, ob noch wo ggf. eine solche Entwicklung beabsichtigt sein könnte. Der Planbegründung sind im Hinblick auf die Schaffung oder Förderung eines bestimmten zentralen Bereichs keine Hinweise zu entnehmen. Auch der Rahmenplan gibt darüber keine eindeutige Auskunft. Nach den dort formulierten Zielen bedarf es zunächst einer (weiteren) planerischen Entscheidung des Rates, an welcher Stelle künftig ein oder ggf. auch mehrere zentrale Bereiche angeordnet werden sollen. Neben der Konzentration der Geschäfte auf einen zentralen Bereich müsse auch eine Aufteilung in zwei kleinere Zentren geprüft werden.

Soweit zur Begründung des Einzelhandelsausschlusses weiter ausgeführt wird, dieser sei in Anbetracht der geringen Größe des Plangebiets auch geboten, um die knappen Gewerbeflächen im Wesentlichen der Ansiedlung von Handwerksbetrieben und Betrieben des produzierenden Gewerbes vorzubehalten, ist die konkrete Festsetzung zur Erreichung dieses Ziels ungeeignet. Der Plangeber schließt mit der Festsetzung lediglich Betriebe der Lebensmittelbranche aus. Da aber sämtliche anderen Betriebe des Einzel- und Großhandels ebenso wie Dienstleistungsbetriebe, Lagerhäuser oder Speditionen unberührt bleiben, vermag die Festsetzung das Vorhalten von Flächen für Handwerksbetriebe und produzierendes Gewerbe nicht zu sichern.

Der Bebauungsplan weist ferner Mängel in der Abwägung auf. Allerdings ist der Senat bei der Überprüfung des Bebauungsplans hinsichtlich einer Verletzung des in § 1 Abs. 7 BauGB verankerten Abwägungsgebots auf Mängel beschränkt, die der Kläger rechtzeitig geltend gemacht hat. Gem. § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB - in der vor dem Inkrafttreten des EAG Bau am 20.7.2004 (Gesetz vom 24.6.2004, BGBl. I 1359) geltenden Fassung (vom 8.12.1986), die gem. § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB Anwendung findet - sind Mängel der Abwägung unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit der Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind. Der Kläger beruft sich auf einen Abwägungsmangel hinsichtlich des unter der textlichen Festsetzung Nr. 3. vorgenommenen Ausschlusses von Lebensmitteleinzelhandel. Er hat diesen Mangel fristgerecht gerügt. Mit seinem an die Stadt H. gerichteten Schreiben vom 5.7.2000 hat der Kläger den behaupteten Abwägungsmangel innerhalb von sieben Jahren nach Bekanntmachung der Durchführung des Anzeigeverfahrens am 13.12.1995 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht.

Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung der Belange nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis jedoch genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde im Widerstreit der verschiedenen Belange für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet.

Vgl. grundlegend dazu: BVerwG, Urteil vom 5.7.1974 - IV C 50.72 -, BRS 28 Nr. 4.

Diesen Anforderungen wird die dem Bebauungsplan zu Grunde liegende Abwägung hinsichtlich des Ausschlusses von "Einzelhandelsbetrieben der Branche Lebensmittel" nicht gerecht.

Mit der Festsetzung wird der Verkauf von Lebensmitteln auch dann ausgeschlossen, wenn er nur in geringem Umfang im Kern- oder Hauptsortiment erfolgen soll. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Kiosk, der im Gewerbegebiet Tätigen in geringem Umfang Lebensmittel für die Versorgung in den Arbeitspausen anbietet, unzulässig ist, obwohl er wegen seines begrenzten Angebots keinerlei Auswirkungen auf die Nahversorgung haben kann.

Vgl. dazu auch OVG NRW, Urteil vom 9.10.2003 - 10a D 71/01.NE -, ZfBR 2004, 199.

Der festgestellte Mangel hinsichtlich der textlichen Festsetzung führt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt. Die Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen führt nur dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und wenn zusätzlich die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.2.1997 - 4 NB 30.96 -, BRS 59 Nr. 51 m.w.N.

Der Ausschluss von Lebensmitteleinzelhandel unter Nr. 3. der textlichen Festsetzungen stellt einen untrennbaren Teil des Regelungsgefüges des Bebauungsplans Nr. W 29 "Gewerbegebiet X.", 1. Änderung und Ergänzung dar. Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Rat der Stadt H. nach seinem im Planaufstellungsverfahren zum Ausdruck kommenden Willen im Zweifel auch einen Plan ohne die Einzelhandelseinschränkung beschlossen hätte. Dem Rat der Stadt H. kam es ersichtlich darauf an, den Lebensmitteleinzelhandel im Plangebiet vollständig auszuschließen, um die Nahversorgung zu sichern und die knappen Gewerbeflächen im Wesentlichen der Ansiedlung von Handwerksbetrieben und Betrieben des produzierenden Gewerbes vorzubehalten. Würde die betreffende Festsetzung isoliert aufgehoben, wäre aus der Sicht des Plangebers ein wesentliches Planungsziel verfehlt und es würde für den Planbereich eine planungsrechtliche Situation entstehen, die der Plangeber so nicht gewollt hat.

2. In Folge der Unwirksamkeit der 1. Änderung und Ergänzung war die Zulässigkeit des Vorhabens bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre nach dem zuvor geltenden Ursprungsbebauungsplan Nr. W 29 "Gewerbegebiet X." zu beurteilen.

a)

Durchgreifende Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit dieses Bebauungsplans liegen nicht vor. Insbesondere ist der Bebauungsplan entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht in Folge eines "grenzbezogenen Schallleistungspegels" in der Ausnahmeregelung zur textlichen Festsetzung Nr. 1. unwirksam. Zur Begründung seiner Auffassung verweist das VG ohne weitere Ausführungen lediglich auf verschiedene Entscheidungen des OVG NRW, die die Zulässigkeit von sog. Zaunwerten zum Gegenstand haben.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG sowie OVG NRW ist zwar anerkannt, dass die Festsetzung von Immissionsgrenzwerten als Summenpegel für unterschiedliche Nutzungen unabhängig vom Standort im Plangebiet ("Zaunwerte") unwirksam ist, weil hierfür keine Rechtsgrundlage besteht. Denn mit einem "Summenpegel" wird keine Nutzungsart, insbesondere nicht das Emissionsverhalten als "Eigenschaft" bestimmter Anlagen und Betriebe im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt, sondern nur ein Immissionsgeschehen gekennzeichnet, das von einer Vielzahl unterschiedlicher Betriebe und Anlagen gemeinsam bestimmt wird und für das Emissionsverhalten der jeweiligen Anlage für sich genommen letztlich unbeachtlich ist. Ein Zaunwert als Summenpegel ist ungeeignet, umgesetzt zu werden, weil er nicht bestimmt, welche Immissionen von einer einzelnen Anlage oder einem einzelnen Betrieb ausgehen dürfen.

BVerwG, Beschlüsse vom 10.8.1993 - 4 NB 2.93 -, BRS 55 Nr. 11, und vom 7.3.1997 - 4 NB 38.96 -, BRS 59 Nr. 25, Urteil vom 16.12.1999 - 4 CN 7.98 -, BRS 62 Nr. 44.

An die Einhaltung eines solchen Summenpegels knüpft die Ausnahmeregelung aber nicht an. In der Festsetzung ist ausdrücklich vorgesehen, dass der vom Betrieb der einzelnen (Unterstreichung durch den Senat) Anlage ausgehende Geräuschpegel, gemessen an einer Linie zwischen den im Plan eingetragenen Messpunkten 1 und 2 den Planungsrichtpegel von tags 52 dB(A) und nachts 37 dB(A) nicht überschreiten darf. Das bedeutet, dass jede einzelne Anlage für sich genommen, den maßgeblichen Wert nicht überschreiten darf. Damit wird das Emissionsverhalten der jeweiligen Anlage bzw. des jeweiligen Betriebs als "Eigenschaft" bestimmt. Die Bezeichnung der Grenzlinie dient in diesem Zusammenhang lediglich der Bestimmung des maßgeblichen Emissionsmessorts. Die Summe der von den einzelnen Betrieben ausgehenden Emissionen kann hingegen auch oberhalb der festgesetzten Werte liegen. Dass die textliche Festsetzung Nr. 1. möglicherweise abwägungsfehlerhaft ist, ist angesichts des Ablaufs der Rügefrist von sieben Jahren gem. § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB unerheblich.

b)

Im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans - wie hier Nr. W 29 "Gewerbegebiet X." - ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

Der zur Überprüfung gestellte Einzelhandelsbetrieb ist im hier festgesetzten Gewerbegebiet zulässig. Anzuwenden ist insoweit die BauNVO 1977, weil der Bebauungsplan Nr. W 29 nach dem 1.10.1977 rechtswirksam geworden ist, § 25b BauNVO. Gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1977 sind im Gewerbegebiet zulässig Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, soweit diese Anlagen für die Umgebung keine erheblichen Nachteile oder Belästigungen zur Folge haben. Zu den im Gewerbegebiet zulässigen Gewerbebetrieben zählen auch Einzelhandelsbetriebe - wie hier -, es sei denn es handelt sich um großflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO 1977.

Das Vorhaben ist kein großflächiger Einzelhandelsbetrieb. Mit einer Verkaufsfläche von 668,05 m² bleibt es deutlich unter der Grenze von 700 m² bis 800 m², jenseits derer regelmäßig die Großflächigkeit eines Einzelhandelsbetriebs gegeben ist. Besonderheiten des Betriebskonzepts o.ä., die gleichwohl eine Einstufung des Vorhabens als großflächiger Einzelhandelbetrieb zur Folge haben müssten, sind nicht ersichtlich.

Vgl. zum Maßstab der Verkaufsfläche: BVerwG, Beschluss vom 22.7.2004 - 4 B 29.04 -, ZfBR 2004, 699, Urteil vom 22.5.1987 - 4 C 19.85 -, BRS 47 Nr. 56; OVG NRW, Beschlüsse vom 30.7.1999 - 10 B 961/99 -, BRS 62 Nr. 191 und vom 28.11.2000 - 10 B 1428/00 -, BRS 63 Nr. 70; vgl. zur Großflächigkeit ab 800 m²: BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10.04 -; zu den übrigen Kriterien: OVG NRW, Beschlüsse vom 30.7.1999 - 10 B 961/99 -, BRS 62 Nr. 191, vom 28.11.2000 - 10 B 1428/00 -, BRS 63 Nr. 70, und vom 19.8.2003 - 7 B 1040/03 -, BRS 66 Nr. 72.

Aber selbst wenn das Vorhaben des Beigeladenen als großflächiger Einzelhandelsbetrieb anzusehen wäre, stünde dies seiner Zulässigkeit im Gewerbegebiet nicht entgegen. Denn auch ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb ist nach § 11 Abs. 3 BauNVO 1977 erst dann allein auf Kern- und Sondergebiete verwiesen, wenn er negative Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung hervorrufen kann. Dem beantragten Einzelhandelsbetrieb des Klägers kommen derartige negative Folgewirkungen offensichtlich nicht zu. Nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO 1977 sind diese Auswirkungen in der Regel erst dann anzunehmen, wenn der Betrieb die Geschossfläche von 1.500 m² überschreitet. Mit einer Geschossfläche von lediglich 887,62 m² bleibt der streitgegenständliche Betrieb um über 40 % hinter dieser Grenze zurück. Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben gleichwohl abweichend von der Vermutungsregel ausnahmsweise mehr als nur unwesentliche Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung hervorrufen könnte sind nicht ersichtlich, zumal grundsätzlich nahversorgungsrelevante Lebensmittel hier nur auf einer Fläche von lediglich 117,39 m² angeboten werden sollen.

Der streitgegenständliche Einzelhandelsbetrieb widerspricht auch nicht den übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans. Das Gebäude befindet sich innerhalb der festgesetzten Baugrenzen und hält die maximal zulässige Grundflächenzahl von 0,8 sowie die Geschossflächenzahl von 2,0 ein. Die Erschließung ist gesichert.

3. Selbst für den Fall, dass auch der Bebauungsplan Nr. W 29 "Gewerbegebiet X." in seiner Ursprungsfassung als unwirksam anzusehen sein sollte - davon ging der Beklagte selbst im erstinstanzlichen Verfahren im Schriftsatz vom 10.2.2003 und auch im Berufungsverfahren noch im Schriftsatz vom 30.9.2005 aus -, hätte der Kläger einen Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheids gehabt.

Die begehrte Nutzungsänderung wäre im maßgeblichen Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses auch nach § 34 BauGB zulässig gewesen. Das von der Nutzungsänderung betroffene Gebäude des Klägers liegt innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils X.; ein wirksamer Bebauungsplan existierte - wie oben unter 1. hinsichtlich der 1. Änderung und Ergänzung dargestellt bzw. hier bezüglich der Ursprungsfassung unterstellt - zum Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre nicht. Das Vorhaben fügt sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung ein; die Erschließung ist gesichert. Im Rahmen der von der Bauvoranfrage aufgeworfenen Fragestellung ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht gewahrt werden oder das Ortsbild beeinträchtigt sein könnte.

Der vom Kläger beantragte Einzelhandelsbetrieb fügt sich nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die maßgebliche nähere Umgebung entspricht allerdings keinem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete (vgl. § 34 Abs. 2 BauGB). Eine Einstufung als Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) kommt nicht in Betracht, weil neben den dort vorzufindenden nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben sowie den sonst im Gewerbegebiet allgemein zulässigen baulichen Anlagen - wie Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude - in dem Gebiet großflächige Einzelhandelsbetriebe vorhanden sind, die in einem Gewerbegebiet nicht zulässig sind (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauNVO). Zudem befinden sich östlich der S.-Straße die Betriebsgebäude der Chemiefirma, die wegen ihres erheblichen Störpotenzials ebenfalls einer Einstufung der näheren Umgebung als Gewerbegebiet entgegen steht. Auch die unmittelbar südwestlich an das Vorhabengrundstück anschließende Wohnbebauung entlang der M.-Straße widerspricht einer Qualifizierung der Umgebung als Gewerbegebiet.

Die nähere Umgebung ist vielmehr wegen des Nebeneinanders der vorbeschriebenen Nutzungen als Gemengelage einzustufen. Die Zulässigkeit des Vorhabens ist somit nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen.

Die maßgebliche nähere Umgebung umfasst hinsichtlich des Merkmals der Art der baulichen Nutzung die Bebauung in dem Straßendreieck zwischen der M.-Straße im Nordwesten, der Bundesstraße im Südosten und der S.-Straße im Südwesten (wird ausgeführt).

Die Eigenart der so eingegrenzten näheren Umgebung wird hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich durch alle baulichen Nutzungen bestimmt, die tatsächlich vorhanden sind, und zwar unabhängig davon, ob sie städtebaulich wünschenswert oder auch nur vertretbar sind. Maßgeblich ist grundsätzlich jede - optisch wahrnehmbare - Bebauung, die für die angemessene Fortentwicklung des vorhandenen Bestandes maßstabbildend ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.7.2002 - 4 B 30.02 -, BRS 65 Nr. 89.

Ein Vorhaben fügt sich in eine Gemengelage ein, wenn es sich innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält.

Vgl. dazu bereits BVerwG, Urteil vom 26.5.1978 - 4 C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36.

Dabei ist hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung bei der Ermittlung des Rahmens grundsätzlich auf die Nutzungstypen abzustellen, die die BauNVO umschreibt. Sind in der näheren Umgebung bestimmte, den Begriffsbestimmungen der BauNVO entsprechende Nutzungsarten vorhanden, so hält ein Vorhaben, das die Merkmale einer solchen Nutzungsart aufweist, ohne weiteres den Rahmen ein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.4.1987, - 4 C 41.84 -, BRS 47 Nr. 63.

Der Kläger begehrte einen Vorbescheid für die Nutzungsänderung einer Teilfläche von 887 m² eines ehemaligen Autohauses mit Reparaturbetrieb zu einem Einzelhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von insgesamt 668,05 m². Nach der Beschreibung des Vorhabens sollten vorwiegend sog. Non-Food-Artikel wie Haushaltswaren, Drogerieartikel, Elektrokleingeräte, Kurzwaren, Textilien usw. verkauft werden. Eine Fläche von 117,39 m² war für Lebensmittel vorgesehen.

Dem entsprechend ist hier zur Bestimmung des Rahmens der in der näheren Umgebung vorhandenen Nutzungsarten zu fragen, ob bereits ein Einzelhandelsbetrieb vorhanden ist oder nicht. In dem oben umschriebenen Bereich der näheren Umgebung befinden sich gleich mehrere Einzelhandelsbetriebe. Zu nennen sind insoweit zunächst der Landmaschinenhandel mit Verkauf von Gartengeräten, die Verkaufshalle für Camping- und Fitnessartikel sowie für Spielwaren und das Aquaristikgeschäft. Darüber hinaus finden sich in der näheren Umgebung ein Sportgeschäft und ein Natursteinhandel. Mit dem Betrieb U. mit etwa 2740 m² Verkaufsfläche ist sogar ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb in der näheren Umgebung vorhanden. In Folge dessen wäre das Vorhaben des Klägers selbst dann zulässig, wenn man es mit dem Beklagten als großflächigen Einzelhandelsbetrieb ansähe.

Da das Vorhaben des Klägers damit bereits verschiedene Vorbilder findet, bedarf es keiner Entscheidung, ob es sich bei dem Getränkehandel mit einer Verkaufsfläche von 696,86 m² sowie etwa weiteren 800 m² Lager- und Büroflächen ebenfalls um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb handelt. Offen bleiben kann daher letztlich auch, ob das ehemalige Autohaus auf dem Antragsgrundstück ebenfalls zu berücksichtigen ist. Auch eine bereits eingestellte Nutzung behält ihre prägende Kraft solange, wie nach der Verkehrsauffassung mit der Aufnahme einer gleichartigen Nutzung gerechnet werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 15.1.1982 - 4 C 58.79 -, BRS 39 Nr. 67 und vom 3.2.1984 - 4 C 25.82 -, BRS 42 Nr. 52, Beschluss vom 23.5.1986 - 4 B 83.86 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 113, Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 15.84 -, BRS 46 Nr. 62, Beschluss vom 24.5.1988 - 4 CB 12.88 -, BRS 48 Nr. 137, und Urteil vom 27.8.1998 - 4 C 5.98 -, BRS 60 Nr. 83, m.w.N.

Welcher Branche die Einzelhandelsbetriebe angehören bzw. welche Sortimente sie führen, ist für die Frage des Sich-Einfügens nicht maßgeblich. Eine entsprechende Feingliederung findet im Rahmen des § 34 BauGB nicht statt. Eine weitere Differenzierung nach Einzelhandelsbranchen oder Sortimenten ist nur im Wege der Bauleitplanung über § 1 Abs. 9 BauNVO möglich, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen.

Ob das Vorhaben - sollte es überhaupt als großflächiger Einzelhandelsbetrieb einzustufen sein - darüber hinaus negative Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO (1990) nach sich zieht, ist ebenfalls unerheblich. Denn § 34 Abs. 1 BauGB fordert das Einfügen eines Vorhabens in die Eigenart der näheren Umgebung und zwar (nur) nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll. Die Vorschrift lässt damit keinen Raum für weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen und damit die Anwendung des § 11 Abs. 3 BauNVO.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.2.1984 - 4 C 25.82 -, BRS 42 Nr. 52 und Urteile vom 22.5.1987 - 4 C 6.85 und 4 C 7.85 -, BRS 47 Nr. 67; OVG NRW, Urteil vom 22.1.2004 - 7 A 1273/02 -.

Für das vorliegende Verfahren ohne Auswirkung bleibt es schließlich, dass der Gesetzgeber mittlerweile mit dem EAG Bau vom 24.6.2004 (BGBl. I 1359, in Kraft getreten am 20.7.2004; Neubekanntmachung vom 23.9.2004, BGBl. I 2415) auf diese - in der Praxis teilweise als unzureichend angesehene - Rechtslage reagiert hat (vgl. die Begründung des EAG Bau zu den einzelnen Vorschriften (B Art. 1 Nr. 20 Buchst. b) und zum Allgemeinen Teil (A II Nr. 4 Buchst. c), BT-Drucksache 15/2250) und die Berücksichtigung von städtebaulichen Auswirkungen in § 34 Abs. 3 BauGB aufgenommen hat. Danach dürfen von Vorhaben nach Abs. 1 oder 2 keine Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Denn im Rahmen des hier zur Entscheidung stehenden Fortsetzungsfeststellungsantrags kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses an. Bei der Bekanntmachung der Veränderungssperre am 13.2.2003 war das EAG Bau noch nicht in Kraft.

Das Vorhaben des Klägers fügt sich auch hinsichtlich der weiteren Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, hält sich der bereits seit dem Jahr 1992 vorhandene Baukörper innerhalb des insoweit maßgeblichen Rahmens.

Schließlich werden auch die weiteren Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Sätze 1 und 2, wie die Sicherung der Erschließung, Wahrung der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, keine Beeinträchtigung des Ortsbildes, durch das Vorhaben des Klägers erfüllt.

Ende der Entscheidung

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