Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: 10 A 4471/01
Rechtsgebiete: BauGB, VwVfG NRW


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 3
BauGB § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
VwVfG NRW § 48
1. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Vorhaben eine Splittersiedlung verfestigt, kann auch die Qualität der durch das Vorhaben innerhalb der Splittersiedlung bewirkten baulichen Veränderung von ausschlaggebender Bedeutung sein.

2. Auch in den Fällen des § 48 Abs. 3 VwVfG NRW - bei denen es um die Rücknahme von Verwaltungsakten geht, die nicht eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewähren oder hierfür Voraussetzung sind (§ 48 Abs. 2 VwVfG NRW) - sind Vertrauensschutzgesichtspunkte zu Gunsten des von der Rücknahmeentscheidung Betroffenen bei der Ermessensausübung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW zu berücksichtigen.

3. Hat ein Vertreter des Begünstigten den Verwaltungsakt durch Bestechung erwirkt, kommt es für die Zurechenbarkeit der Bestechung bei der Rücknahme des Verwaltungsakts darauf an, dass die Bestechung aus dem Verantwortungsbereich des Begünstigten heraus begangen worden ist.


Tatbestand:

Die Klägerin beantragte für ihr im Außenbereich gelegenes Grundstück einen Bauvorbescheid zur Errichtung eines Wohnhauses als Ersatzbau. Der zuständige Ausschuss des Gemeinderates verweigerte dem Vorhaben zunächst die erforderliche Zustimmung, da die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Ersatzbau nicht vorlägen. Da-raufhin zahlte der Ehemann der Klägerin einen Geldbetrag an einen Bediensteten des Wirtschaftsförderungsamtes des Beklagten, der sich für die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides einsetzen sollte. Die Bauverwaltung befasste sich erneut mit dem Vorhaben der Klägerin und erstellte eine neue Vorlage für den Ausschuss, der nunmehr - unter der Voraussetzung, dass neben dem zu ersetzenden Wohnhaus weitere auf dem Baugrundstück vorhandene Bausubstanz beseitigt werde - der Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zustimmte. Die Klägerin verzichtete letztlich auf die Erteilung des Bauvorbescheides und beantragte eine entsprechende Baugenehmigung, die mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erteilt wurde. Drei Jahre, nachdem die Klägerin das genehmigte Wohnhaus errichtet hatte, wurde ihr Ehemann rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er einem Bediensteten des Beklagten zur Erlangung der Baugenehmigung rechtswidrig Vorteile gewährt habe. Der Beklagte nahm die Baugenehmigung zurück. Die nach erfolglosem Vorverfahren gegen die Rücknahmeverfügung erhobene Klage blieb in beiden Rechtszügen ohne Erfolg.

Gründe:

Rechtliche Grundlage für den Rücknahmebescheid ist § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW, wonach ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann. Begünstigende Verwaltungsakte, wozu auch die hier in Rede stehenden Baugenehmigungen gehören, dürfen nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG NRW zurückgenommen werden (§ 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm liegen vor.

Die Baugenehmigungen vom 5.9. und 14.11.1991 sind rechtswidrig, denn ihrer Erteilung standen - und stehen auch heute noch - öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW/§ 70 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW a.F.). Das Wohnhaus und die zugehörige Garage auf dem Grundstück K-Straße, welche Gegenstand der vorgenannten Baugenehmigungen sind, sind bauplanungsrechtlich unzulässig.

Das Grundstück liegt im Außenbereich der Stadt R. Die Zuordnung des Grundstücks zum Außenbereich, die auch das VG seinem Urteil zu Grunde gelegt hat und der die Beteiligten nicht widersprochen haben, ergibt sich aus dem bei den Akten befindlichen, hinreichend aussagekräftigen Karten- und Lichtbildmaterial.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des umstrittenen Vorhabens ist mithin nach § 35 BauGB zu beurteilen, wobei die insoweit einschlägigen Vorschriften inhaltlich keine für den Fall bedeutsamen Änderungen gegenüber der damals geltenden Fassung des Baugesetzbuches aufweisen. Da eine Privilegierung des Wohnhauses und der Garage nach § 35 Abs. 1 BauGB ausscheidet, handelt es sich bei diesen Gebäuden um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB, das im Einzelfall zugelassen werden kann, wenn seine Erschließung gesichert ist und es öffentliche Belange nicht beeinträchtigt.

An diesen Zulassungsvoraussetzungen - die kumulativ vorliegen müssen - fehlt es hier unabhängig davon, ob die Erschließung des Vorhabens gesichert ist, denn die durch die zurückgenommenen Baugenehmigungen ermöglichte und bereits verwirklichte Bebauung beeinträchtigt öffentliche Belange. In § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist beispielhaft aufgeführt, in welchen Fällen eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange anzunehmen ist. Danach beeinträchtigt ein Vorhaben öffentliche Belange unter anderem dann, wenn es die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Das ist im Hinblick auf das Vorhaben der Klägerin der Fall. Die Errichtung des Wohnhauses und der Garage stellt eine Verfestigung des bisherigen Siedlungssplitters dar.

Unter einer Splittersiedlung ist eine aus mehreren Gebäuden bestehende Ansiedlung zu verstehen, die nicht als ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB zu werten ist. Auf dem Grundstück K-Straße war im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung eine solche Ansiedlung - bestehend aus insgesamt drei Gebäuden - vorhanden.

Dieser Siedlungsansatz wird durch das Vorhaben der Klägerin weiter verfestigt.

Mit der Errichtung des neuen Wohnhauses und der dazugehörigen Garage an anderer Stelle hat, nachdem zuvor zwei der Altgebäude beseitigt worden waren, eine "Wiederauffüllung" des bisherigen Siedlungsbereichs stattgefunden.

Ob ein Vorhaben eine Splittersiedlung verfestigt, ist nicht immer allein unter quantitativen Gesichtspunkten zu beurteilen. Eine solche Betrachtungsweise griffe - wie der vorliegende Fall aufzeigt - zu kurz. Auch die Qualität der durch das Vorhaben innerhalb der Splittersiedlung bewirkten baulichen Veränderung kann von ausschlaggebender Bedeutung sein. Dass im Zusammenhang mit der Neuerrichtung des Wohnhauses und des Garagengebäudes zwei andere bauliche Anlagen beseitigt worden sind, rechtfertigt es nicht, die Neubebauung bodenrechtlich als neutral zu bewerten. Auch wenn ein Vergleich des Baubestandes vor und nach der durch die zurückgenommenen Baugenehmigungen ermöglichten Baumaßnahme im Hinblick auf die jeweils vorhandene Baumasse keine spürbare Veränderung oder sogar eine Verringerung erkennen lässt, ist gleichwohl eine Verfestigung des städtebaulich unerwünschten Siedlungsansatzes zu verzeichnen, weil mit der Baumaßnahme eine erhebliche qualitative Veränderung des verbliebenen Bestandes verbunden ist und diese Qualitätsänderung die außenbereichsfremde Nutzung auf unabsehbare Zeit festschreibt. Ob und wie stark der Außenbereich durch außenbereichsfremde bauliche Anlagen beeinträchtigt wird, hängt nicht nur von der Zahl und dem Volumen der Baukörper ab, sondern auch von der Art der Nutzung, der diese baulichen Anlagen dienen sollen. Das alte Wohnhaus war nach dem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten des Ingenieurbüros D. vom 13.2.1990 insoweit abgängig, als auf Grund von Baumängeln und Bauschäden eine etwa hundertprozentige technische Wertminderung vorlag, eine Instandsetzung - sofern überhaupt möglich - einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordert hätte und es durch wirtschaftlich vertretbare Modernisierungsmaßnahmen den allgemeinen Anforderungen an gesundes Wohnen nicht hätte angepasst werden können. Mithin war damit zu rechnen, dass jedenfalls die sich üblicherweise als besonders dauerhaft erweisende Wohnnutzung im Bereich des Siedlungssplitters über kurz oder lang aufgegeben werden würde. Das andere Gebäude, das im Zuge der Baumaßnahme zu beseitigen war und auch beseitigt worden ist, war ausschließlich für Lagerzwecke, nämlich für die Zwischenlagerung von technischen Bauteilen für Elektroanlagen, genehmigt. In der zur Baugenehmigung vom 13.12.1989 gehörenden Betriebsbeschreibung heißt es zur Nutzung dieses Gebäudes, dass keine Kundenandienung stattfinde und sich der Fahrverkehr auf etwa zehn Fahrten im Jahr beschränke. Als Betriebszeit ist die Zeit zwischen 8.00 und 16.00 Uhr angegeben. Eine solche Nutzung beeinträchtigt die Gesamtheit der Belange, zu deren Schutz der Außenbereich grundsätzlich von außenbereichsfremder Bebauung freigehalten werden soll, ungleich geringer, als eine Wohnnutzung, deren Auswirkungen ständig spürbar sind und die regelmäßig einer ausgeprägteren Infrastruktur bedarf, als gewerbliche Nutzungen der genehmigten Art.

Demgegenüber stellt sich der Neubau verbunden mit dem großzügigen Garagengebäude als ein modernen Wohnbedürfnissen hervorragend angepasster Wohnkomplex gehobenen Standards dar, dessen Wert - was die Wohnqualität angeht - durch seine Einbettung in das parkähnlich gestaltete Anwesen weiter gesteigert und dessen Nutzung auf Generationen hin angelegt ist. Im Hinblick auf die Festschreibung der Nutzungsart "Wohnen" und die damit verbundene Steigerung der voraussichtlichen Dauer der Inanspruchnahme des Außenbereichs durch außenbereichsfremde Nutzungen steht für den Senat außer Frage, dass die Neubebauung auf dem Grundstück K-Straße trotz der gleichzeitigen Beseitigung bestandsgeschützter Bausubstanz eine Verfestigung des dort vorhandenen Siedlungsansatzes bewirkt.

Diese Verfestigung der bereits vorhandenen Splittersiedlung ist hier auch zu missbilligen.

Mit der Regelung des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB will der Gesetzgeber einer Zersiedlung des Außenbereichs, das heißt einer zusammenhanglosen oder aus anderen Gründen unorganischen Streubebauung entgegentreten. An diesem Gesetzeszweck hat sich die Auslegung der Vorschrift auszurichten. Zu missbilligen ist daher die Verfestigung einer Splittersiedlung jedenfalls dann, wenn mit dieser Verfestigung zugleich ein Vorgang der Zersiedlung eingeleitet oder schon vollzogen wird. Zwar wird das bei Wohnbauten im Außenbereich regelmäßig der Fall sein, denn der Außenbereich soll grundsätzlich von allen nicht unmittelbar seinem Wesen und seiner Funktion entsprechenden Baulichkeiten freigehalten werden, doch kommt zum Beispiel eine Ausnahme in Betracht, wenn ein Vorhaben an dem geplanten Standort in eine organische Beziehung zu einer bereits vorhandenen Bebauung tritt, vorausgesetzt, dass es sich bei dieser Bebauung selbst nicht um eine zu missbilligende Splittersiedlung handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.5.1967 - VI C 25.66 -, BRS 18 Nr. 45). Ob die vorhandene Bebauung als eine zu missbilligende Splittersiedlung zu bewerten ist, kann sich durchaus im Laufe der Zeit ändern. Ein Siedlungsvorgang kann zunächst und an sich unerwünscht sein, dann aber durch eine - ebenfalls unerwünschte - Verfestigung einen Zustand erreichen, bei welchem das Hinzutreten gewisser weiterer Bauten nicht mehr als Vorgang der Zersiedlung gewertet werden kann. Dann handelt es sich unverändert um eine "an sich unerwünschte", das heißt, in ihrem Entstehen unerwünscht gewesene Splittersiedlung, ohne dass aber auch jetzt noch eine Zersiedlung vorläge, wenn gewisse weitere Bauten hinzutreten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.12.1971 - VI B 150.72 -, BRS 25 Nr. 76).

Die im Zeitpunkt der umstrittenen Genehmigungserteilung auf dem Grundstück K-Straße vorhanden gewesenen Gebäude stellten einen städtebaulich unerwünschten Siedlungsansatz dar. Unerwünscht war dieser Siedlungsansatz deshalb, weil es sich bei dem alten Wohnhaus, das seine landwirtschaftliche Funktion längst eingebüßt hatte, und den beiden gewerblich genutzten Gebäuden um bauliche Einsprengsel innerhalb der freien Landschaft handelte, die einer organischen Siedlungsstruktur widersprachen.

Bei genauer Betrachtung und Bewertung der örtlichen Situation zeigt sich im vorliegenden Fall, dass dieser Widerspruch zu einer organischen Siedlungsstruktur durch die Neubebauung bei gleichzeitiger Beseitigung zweier Altgebäude nicht aufgelöst wird.

Die Unvereinbarkeit mit einer geordneten Siedlungsstruktur, die im Einzelfall zu einer Missbilligung der die Verfestigung bewirkenden baulichen Maßnahme führt, kann sich beispielsweise aus dem Verhältnis ergeben, das zwischen dem Umfang der bereits vorhandenen Splittersiedlung und dem hinzutretenden Vorhaben besteht. Fehlt es dem hinzutretenden Vorhaben an einer deutlichen Unterordnung, so wird - abgesehen von Fällen der Übereinstimmung mit der herkömmlichen Siedlungsform - kaum jemals anzunehmen sein, dass dies siedlungsstrukturell keinen Bedenken begegnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.6.1977 - IV C 37.75 -, BRS 32 Nr. 75).

An einer deutlichen Unterordnung fehlt es beispielsweise, wenn die Splittersiedlung um die Hälfte ihres Bestandes vergrößert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.5.2001 - 4 C 13.00 -, BRS 64 Nr. 103).

Das ist hier der Fall, selbst wenn man das ungenehmigte Blockhaus dem vorhandenen Bestand zurechnen würde. Die Zahl der vorhandenen Gebäude wird durch die Neubebauung verdoppelt, wobei zudem die neu errichteten Gebäude nach Grund- und Nutzfläche sowie nach ihrem Bauvolumen den Bestand übersteigen. Auch qualitativ kann von einer Unterordnung nicht die Rede sein, da das gesamte Grundstück nach der Errichtung des neuen Wohnhauses in erster Linie dem Wohnen zu dienen bestimmt ist und das vorhandene gewerblich genutzte Gebäude gegenüber diesem Nutzungszweck eindeutig in den Hintergrund tritt. Nichts anderes würde gelten, wenn man - was allerdings im Rahmen des § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig ist - für die Frage der Unterordnung auf den Bestand abstellen würde, den die Splittersiedlung vor der Beseitigung der beiden Altgebäude hatte. Die Erweiterung würde auch in diesem Fall etwa die Hälfte des Bestandes ausmachen und sich damit nicht deutlich unterordnen.

Nach allem ist die durch die Neubebauung vollzogene Verfestigung des auf dem Grundstück K-Straße vorhandenen Siedlungssplitters mangels deutlicher Unterordnung unter den vorhandenen Bestand wegen der daraus abzuleitenden Unvereinbarkeit mit einer geordneten Siedlungsstruktur zu missbilligen und damit im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB "zu befürchten". Die Neubebauung leistet einer unerwünschten Zersiedelung des Außenbereichs Vorschub.

Der Umstand, dass die Neubebauung den vorstehend beschriebenen öffentlichen Belang beeinträchtigt, führt insgesamt zur Unzulässigkeit des Vorhabens. Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht auf die Begünstigung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB berufen, wonach der Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle - das heißt der Errichtung eines Ersatzbaus - unter anderem nicht entgegengehalten werden kann, sie lasse die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten, wenn sie im Übrigen außenbereichsverträglich ist und die in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) bis d) BauGB aufgeführten Voraussetzungen gegeben sind.

Die Voraussetzung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) BauGB, wonach der Eigentümer das vorhandene Gebäude seit längerer Zeit selbst genutzt haben muss, um in den Genuss der Begünstigung zu gelangen, ist nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin - woran nach Lage der Akten ganz erhebliche Zweifel bestehen - überhaupt jemals in dem durch den Neubau ersetzten alten Wohnhaus in der Weise gewohnt hat, dass sie ihren Lebensmittelpunkt dort hatte. Jedenfalls hat die Nutzung des alten Wohnhauses durch die Klägerin nicht "seit längerer Zeit" stattgefunden, wobei "seit längerer Zeit" einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren meint, in denen sich der Eigentümer mit den ungenügenden Wohnverhältnissen in dem Altgebäude zufrieden gegeben haben muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.1982 - 4 C 59.78 -, BRS 39 Nr. 89 und Beschluss vom 22.2.1996 - 4 B 25.96 -, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 321).

Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Anhörung zur beabsichtigten Rücknahme der Baugenehmigungen mit Schriftsatz vom 26.9.1996 eingeräumt, erst nach der teilweisen Renovierung der Erdgeschossräume des Altgebäudes dort regelmäßig - nämlich mehr als die Hälfte aller Tage - übernachtet und die Übernachtungen bereits im Herbst 1989 wieder aufgegeben zu haben. Damit scheidet eine den Anforderungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c) BauGB genügende Eigennutzung des Altgebäudes durch die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag aus.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens lässt sich schließlich auch nicht aus Bestandsschutzerwägungen herleiten. Einen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz gibt es außerhalb der gesetzlichen Regelungen nicht. Der Gesetzgeber hat in § 35 BauGB für Vorhaben im Außenbereich eine Regelung geschaffen, die danach differenziert, ob es sich um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des Abs. 1, ein sonstiges Vorhaben im Sinne des Abs. 2 oder ein begünstigtes Vorhaben im Sinne des Abs. 4 handelt. Damit hat er für die bauliche Nutzung des Außenbereichs eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG getroffen. Sind die in § 35 BauGB genannten Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt, so scheidet Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Grundlage für einen Zulassungsanspruch von vornherein aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.3.1998 - 4 C 10.97 -, BRS 60 Nr. 98).

Erweisen sich die Baugenehmigungen vom 5.9. und 14.11.1991 mithin als rechtswidrig, kommt grundsätzlich ihre Rücknahme unter den Voraussetzungen des § 48 VwVfG NRW in Betracht.

Insoweit hat der Senat nach § 114 Satz 2 VwGO zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Der Beklagte hat das ihm gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW eingeräumte Rücknahmeermessen korrekt ausgeübt. Einen Ermessensfehler im vorgenannten Sinne vermag der Senat nicht festzustellen.

Entgegen der Rechtsauffassung des VG sind auch in den Fällen des § 48 Abs. 3 VwVfG NRW, das heißt in Fällen, bei denen es um die Rücknahme von Verwaltungsakten geht, die nicht eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewähren oder hierfür Voraussetzung sind (§ 48 Abs. 2 VwVfG NRW), Vertrauensschutzgesichtspunkte zu Gunsten des von der Rücknahmeentscheidung Betroffenen bei der Ermessensausübung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW zu berücksichtigen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 48 Rdn. 181; Ramsauer, in: Kopp/ Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2003, § 48 Rdn. 121f; Meyer, in: Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2004, § 48 Rdn. 108ff).

Für die Frage, ob die Behörde von der Möglichkeit der Rücknahme Gebrauch machen will, kann es nämlich wegen der Rechtsfolgen des § 48 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW von Bedeutung sein, ob der Begünstigte in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und ihm dadurch Vermögensnachteile entstanden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.11.2000 - 8 B 137/00 -, NVwZ-RR 2001, S. 198; OVG Berlin, Beschluss vom 8.6.2000 - 2 SN 15.00 -, BRS 63 Nr. 183).

Selbst bei Anwendung des § 50 VwVfG, der die Geltung des § 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bis 4 VwVfG ausschließt, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgehoben und dadurch dem Widerspruch oder der Klage abgeholfen wird, ist im Rahmen der nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG unverändert gebotenen Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, in welcher Weise der Bauherr auf den Bestand vertraut und hierbei bereits Belastungen auf sich genommen hat. Der Gesetzgeber ist in § 50 VwVfG nur von der "regelhaften" Beurteilung des Vertrauens nach § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG abgerückt. Er hat aber die Behörde nicht davon befreit, die Umstände des Einzelfalles im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.2.1994 - 4 B 26/94 -, NVwZ 1994, S. 896 (zu Art. 48 und 50 BayVwVfG)).

Auch wenn schutzwürdiges Vertrauen in den Fällen des § 48 Abs. 3 VwVfG - anders als in den Fällen des § 48 Abs. 2 VwVfG - die Rücknahme des rechts-widrigen Verwaltungsaktes nicht von vornherein ausschließt und es insoweit bei der freien Rücknehmbarkeit nach pflichtgemäßem Ermessen bleibt, ist die Berücksichtigung der Vertrauensschutzaspekte - wie die Berücksichtigung sämtlicher wesentlicher Gesichtspunkte - im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gleichwohl verfassungsrechtlich geboten. Der Vertrauensschutz hat aus rechtsstaatlicher Sicht einen hohen Stellenwert für die Rechtsordnung. Gerade der Schutz der im Vertrauen auf den Bestand eines Verwaltungsaktes getroffenen Dispositionen - wofür die Ausnutzung einer Baugenehmigung ein typisches Beispiel ist - ist regelmäßig der gewichtigste Gesichtspunkt, der gegen eine Rücknahme des Verwaltungsaktes spricht. Zudem ist nicht selten das Interesse des von der Rücknahme Betroffenen vorrangig auf die Erhaltung des Bestandes und nicht nur auf bloßen Geldersatz gerichtet, sodass sich ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen durch die Zuerkennung finanzieller Ausgleichsansprüche nicht immer angemessen kompensieren lässt.

Im Ergebnis hat der Beklagte ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Baugenehmigungen vom 5.9. und 14.11.1991 verneint. Die Erwägungen, mit denen er - ergänzt durch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid - den Wegfall des Vertrauensschutzes begründet hat, sind nicht zu beanstanden.

Zu Recht ist er davon ausgegangen, dass der Ehemann der Klägerin im Zusammenhang mit den Baugenehmigungen Bestechungsgelder an den damaligen städtischen Bediensteten N. gezahlt hat. Dass solche Zahlungen tatsächlich erfolgt sind, ist erwiesen. Der Ehemann der Klägerin ist insoweit durch Urteil des LG B. vom .... wegen Bestechung rechtskräftig verurteilt worden. Nach den Feststellungen im Strafurteil hat er insgesamt 20.000 DM an die Zeugen R. und N. gezahlt. Die Vernehmung der beiden Zeugen hat den Sachverhalt der Bestechung bestätigt. Sie haben übereinstimmend ausgesagt, vom Ehemann der Klägerin 20.000 DM für die Einwirkung auf das noch anhängig gewesene Bauvorbescheidsverfahren erhalten zu haben, mit dem Ziel, die begehrte Baugenehmigung zu beschaffen. Auch der Ehemann der Klägerin hat im Zuge der Beweisaufnahme die Zahlung von Bestechungsgeldern eingeräumt. Er hat erklärt, es sei die größte Dummheit seines Lebens gewesen, 20.000 DM an die Zeugen R. und N. gezahlt zu haben. Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW kann der Begünstigte nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen, wenn er diesen durch Bestechung erwirkt hat. Der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG ist damit grundsätzlich auf den Fall beschränkt, dass sich der Begünstigte an der im Einzelfall einschlägigen verwerflichen Handlung beteiligt hat. Dafür, dass die Klägerin - die als Grundstückseigentümerin und Bauherrin alleinige Begünstigte der Baugenehmigungen vom 5.9. und 14.11.1991 ist - an der Bestechung, sei es in Form der Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe beteiligt war, ist den Akten keinerlei Nachweis zu entnehmen. Die Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sowie die Vernehmung der Zeugen hat ebenso wenig einen solchen Nachweis erbracht. Der Senat vermag auch nicht sicher festzustellen, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung von der zuvor begangenen Bestechung Kenntnis hatte.

Gleichwohl ist die Widerspruchsbehörde - den Ausgangsbescheid ergänzend - zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Klägerin die Bestechungshandlung ihres Ehemannes zurechnen lassen muss und sich nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, weil der Ehemann im Baugenehmigungsverfahren als ihr Vertreter aufgetreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.2.1994 - 8 C 2.92 -, DVBl 1994, 810 (zur Anwendbarkeit der Vertretungsregeln im öffentlichen Recht)).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin ihren Ehemann - zumindest stillschweigend - bevollmächtigt hatte, sie in allen Angelegenheiten, die mit der Bauvoranfrage beziehungsweise dem Bauantrag zur Errichtung des neuen Wohnhauses und des zugehörigen Garagengebäudes auf dem Grundstück K-Straße zusammenhingen, gegenüber den Behörden und auch sonst zu vertreten. Die dem Ehemann der Klägerin in diesem Zusammenhang eingeräumte Vertretungsmacht war unbeschränkt. Er ist mit Wissen und Wollen der Klägerin als Vertreter in den angesprochenen Verwaltungsverfahren aufgetreten und von den Behörden auch als solcher angesehen worden.

Diese Feststellungen haben ihren Ursprung in der die Ehe der Klägerin bestimmenden Rollen- und Aufgabenverteilung, die ihre Tochter im Rahmen ihrer Vernehmung als "konservativ" bezeichnet hat. Ihr Vater sei seinem Beruf und dem Gelderwerb nachgegangen während sich ihre Mutter, die Klägerin, ausschließlich um den Haushalt und die Familie gekümmert habe. Die Klägerin selbst und ihr Ehemann haben diese Angaben in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die Klägerin hat zwar angegeben, sie habe das Grundstück K-Straße mit eigenen Mitteln aus dem elterlichen Nachlass erworben, um - da niemand wissen könne, ob eine Ehe dauerhaft halte - etwas Eigenes zu haben, doch hat sie nicht glaubhaft vermitteln können, dieses Grundstücksgeschäft eigenverantwortlich und ohne regelnden Einfluss ihres Ehemannes abgewickelt zu haben. Sie war nicht in der Lage, auch nur annähernd zu beziffern, welchen Verkaufspreis sie bei Veräußerung des ererbten Mehrfamilienhauses erzielt und welche Summe sie für den Erwerb des Grundstücks K-Straße aufgewendet hat. Auch zu den näheren Umständen des Grundstückserwerbs vermochte sie keine Einzelheiten zu schildern.

Die Klägerin hat weiterhin erklärt, sie sei lediglich bei zwei Ortsterminen auf dem Baugrundstück dabei gewesen; an weiteren Terminen mit Vertretern der Stadt- oder Kreisverwaltung habe sie nicht teilgenommen. Ihr Ehemann oder der Architekt Dr. B. habe sie vertreten. Auf die Frage, ob sie sich zu irgendeiner Zeit in irgendeiner Weise um den Fortgang der Bauvoranfrage gekümmert habe, hat die Klägerin angegeben, sie habe sich bei ihrem Ehemann oder dem Architekten nach dem Stand der Bauvoranfrage erkundigt. Das sei zu der Zeit gewesen, als ihrem Ehemann mitgeteilt worden sei, zusätzlich müsse das als Lager für Elektroanlagenteile genehmigte Gebäude abgerissen werden. Der Ehemann der Klägerin hat ausgesagt, im Rahmen des Bauvorbescheids- beziehungsweise Baugenehmigungsverfahrens mehrfach telefonisch oder im direkten Gespräch Kontakte zu verschiedenen Behördenvertretern und Politikern gehabt zu haben. Alles, was anlässlich der besagten Verwaltungsverfahren in Richtung Rathaus unternommen worden sei, habe er allein unternommen und nicht mit der Klägerin besprochen.

Die Erkenntnisse, die die mündliche Verhandlung insoweit erbracht hat, stimmen überein mit der Aktenlage, wonach neben dem Architekten Dr. B. ausschließlich der Ehemann der Klägerin gegenüber den Behörden im Zusammenhang mit der Bauvoranfrage und dem nachfolgenden Bauantrag persönlich in Erscheinung getreten ist. Ein Vermerk in den Baugenehmigungsakten weist aus, dass er an dem Gespräch am 7.1.1991 teilgenommen hat, bei dem es unter Leitung des Planungsamtsleiters S. darum ging, die Möglichkeiten für den begehrten Bauvorbescheid auszuloten und den Inhalt einer neuen Sitzungsvorlage für die zuständigen Ausschüsse des Rates zu entwerfen. Einem weiteren Vermerk zu Folge hat der Ehemann zusammen mit dem Architekten Dr. B. am 8.7.1991 ein Gespräch mit dem Leiter des Bauordnungsamtes geführt, in dessen Verlauf gegenüber dem Behördenvertreter auf eine Erteilung des Bauvorbescheides verzichtet wurde. Die damals zuständige Sachbearbeiterin beim Oberkreisdirektor des Kreises hat bei ihrer Vernehmung durch die Kriminalpolizei am 15.9.1995 erklärt, der Ehemann der Klägerin habe sie sehr häufig angerufen und gefragt, wann denn die Zustimmung des Kreises erteilt werde. Die Aussagen der übrigen Zeugen bekräftigen das so gezeichnete Bild von der Vertretung der Klägerin durch ihren Ehemann. Der Zeuge N. hat auf die Frage, ob ihm bewusst gewesen sei, dass es sich um das Vorhaben der Klägerin und nicht um das ihres Ehemannes gehandelt habe, erklärt, es sei für ihn zunächst der Bauantrag K. gewesen und nur mit Herrn K. habe er verhandelt. Der Zeuge B. - damals Vorsitzender des Planungsausschusses der Stadt - konnte sich an ein Gespräch mit dem Ehemann der Klägerin, bei dem das Bauvorhaben erörtert worden sei, erinnern.

Letztendlich unterstreicht auch der bei der Ortsbesichtigung im Vorfeld der mündlichen Verhandlung gewonnene Eindruck, den der Berichterstatter den übrigen Senatsmitgliedern vermittelt hat, die vorstehenden Feststellungen. Die Klägerin hat sich im Verlauf der Ortsbesichtigung und bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage vollständig im Hintergrund gehalten und ihren Ehemann, der neben dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin allein das Wort führte, wenn Erklärungen abzugeben, die Örtlichkeit zu beschreiben und Umstände zu erläutern waren, frei schalten und walten lassen.

Dass die Klägerin von den Bestechungshandlungen ihres Ehemannes möglicherweise nichts gewusst hat, ändert an der Zurechenbarkeit der Bestechung im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW nichts. Maßgeblich für die Zurechnung und damit den Wegfall des Vertrauensschutzes ist der Umstand, dass die Bestechung aus dem Verantwortungsbereich des Begünstigten heraus und nicht durch einen "Dritten" begangen worden ist (vgl. Sachs, a.a.O., Rdn. 156; Ramsauer, a.a.O., Rdn. 100).

Zum Verantwortungsbereich des Begünstigten gehört auch das Handeln seines Vertreters. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Begünstigte, der den Vertreter damit betraut hat, sich um die Erteilung des begehrten Verwaltungsaktes zu bemühen, diesen insoweit mit unbeschränkter Vollmacht ausstattet, ihm die Auswahl der Mittel und Wege überlässt, das Ziel zu erreichen und nachfolgend jegliche Kontrolle des Vertreterhandelns unterlässt.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Baugenehmigungen vom 5.9. und 14.11.1991 durch die der Klägerin zuzurechnende Bestechung "erwirkt" worden sind. Die notwendige Kausalität zwischen der Bestechung und der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigungen folgt daraus, dass das Bauvorbescheidsverfahren, das auf Grund der zunächst korrekten Negativbeurteilung des Vorhabens durch den Planungsausschuss unmittelbar vor einem für die Klägerin negativen Abschluss stand, durch die Bemühungen des bestochenen Zeugen N. erneut angestoßen wurde, was dazu führte, dass das Verfahren eine gänzlich andere Richtung erhielt und letztlich die umstrittenen rechtswidrigen Baugenehmigungen erteilt wurden. Der Zeuge N. hat jedenfalls insoweit glaubhaft ausgesagt, er habe, nachdem der Zeuge R. ihm Geld dafür angeboten habe, das technische Dezernat angerufen und in der Angelegenheit der Klägerin um ein Gespräch gebeten. Mit dem Ziel, die Anfertigung einer positiven Beschlussvorlage für den Planungsausschuss zu erreichen, habe er gegenüber den Vertretern der am Gespräch vom 7.1.1991 beteiligten Ämter dahingehend argumentiert, dass es darum gehe, auf der Grundlage einer allgemeinen Absprache mit der Verwaltungsspitze die Probleme des Unternehmers zu lösen. Er hat weiter ausgesagt, zusammen mit dem Ehemann der Klägerin ein Gespräch mit dem Zeugen B. geführt zu haben, in dem die positive Beschlussvorlage, die im Anschluss an das Gespräch vom 7.1.1991 angefertigt worden war, erörtert worden sei. Diese Aussagen haben die Zeugen R., K., S. und B. bestätigt. Der Zeuge N. ist mithin mehrfach unmittelbar tätig geworden, um seinen Einfluss auf die beteiligten Ämter und Ausschüsse auszunutzen und mit dem Gewicht des Argumentes "Wirtschaftsförderung" das eigentlich beendete Verwaltungsverfahren wieder in Gang zu bringen. Er war mit diesem Anliegen auch erfolgreich, denn er hat eine negative Bescheidung der von der Klägerin gestellten Bauvoranfrage verhindert und erreicht, dass die zuständigen Ämter nochmals in eine Prüfung des Vorhabens eingetreten sind und einen Weg gesucht haben, dem Bauvorhaben zum Erfolg zu verhelfen. Diese durch das Tätigwerden des Zeugen N. angestoßene Suche hat zu einem jedenfalls objektiv rechtswidrigen Ergebnis geführt, das sich letztlich in der Erteilung der rechtswidrigen Baugenehmigungen niedergeschlagen hat. Angesichts der vorstehend beschriebenen und durch die Beweisaufnahme belegten tatsächlichen Abläufe, wird die Ursächlichkeit der Bestechung nicht durch die Äußerung des Zeugen N. in Frage gestellt, die Baugenehmigungen wären nach seiner Einschätzung auch ohne sein Eingreifen erteilt worden. Abgesehen davon, dass der Zeuge diese Einschätzung durch keine Tatsachen untermauert, widerlegt er sie sogar selbst, indem er an anderer Stelle betont, er wolle nicht sagen, dass er durch seinen Einfluss nichts bewirkt habe. Auch hat er den vom Ehemann der Klägerin erhaltenen "Auftrag" dahin präzisiert, er habe für die Erteilung einer Baugenehmigung sorgen sollen.

Da der Ehemann der Klägerin im Baugenehmigungsverfahren als ihr Vertreter gehandelt hat und die von ihm begangene Bestechung für die Erteilung der Baugenehmigungen ursächlich war, ist gegen die Ermessensausübung im Rücknahmebescheid - soweit sie ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Baugenehmigungen verneint - nichts zu erinnern. Dass der Beklagte beziehungsweise die Widerspruchsbehörde auch die weiteren Ausschlusstatbestände des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 VwVfG NRW für gegeben erachten, spielt für die Ordnungsgemäßheit der Ermessensausübung keine Rolle, da nach dem Willen der Behörden, der sowohl den Formulierungen in den Bescheiden als auch den inhaltlichen Ausführungen zu entnehmen ist, jeder einzelne Ausschlusstatbestand die Verneinung eines schutzwürdigen Vertrauens selbstständig tragen soll und auch trägt.

Es kommt mithin nicht darauf an, ob der Beklagte beziehungsweise die Widerspruchsbehörde zu Recht angenommen haben, dass die Klägerin die zurückgenommenen Baugenehmigungen durch arglistige Täuschung erschlichen, durch unvollständige oder unrichtige Angaben erwirkt oder jedenfalls von ihrer Rechtswidrigkeit gewusst hat.

Auch im Übrigen ist gegen die Ermessensausübung nichts zu erinnern.

Der Beklagte hat im Hinblick auf die im Zusammenhang mit den Baugenehmigungen erfolgte Bestechung richtigerweise eine starke Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses für den Fall gesehen, dass die rechtswidrigen Verwaltungsakte fortbestehen sollten. Das Vertrauen der Bürger in die Unbestechlichkeit von Amtsträgern der Verwaltung ist ein hohes Gut, das erheblichen Schaden nehmen würde, wenn die zuständige Behörde, nachdem sie das rechtwidrige Zustandekommen erkannt hat, untätig bliebe und es bei den Verwaltungsakten beließe. In der Öffentlichkeit könnte der Eindruck entstehen, dass sich rechtswidriges Verhalten letztlich doch auszahle, zumal die von der Klägerin im Außenbereich geschaffene Wohnsituation geeignet ist, auch bei anderen, die über entsprechende finanzielle Mittel verfügen, Begehrlichkeiten zu wecken. Demgegenüber muss das Interesse der Klägerin an einer Aufrechterhaltung der Legalisierungswirkung der Baugenehmigungen und der damit verbundenen Folgewirkungen zurücktreten.

Alle übrigen Ermessensgesichtspunkte, die die Klägerin benannt hat, durfte der Beklagte - auch unter Verhältnismäßigkeitsüberlegungen - im Hinblick auf den von ihr zu verantwortenden schwerwiegenden Eingriff in den Ablauf ordnungsgemäßer Verwaltung zurückstellen, da sie eine Aufrechterhaltung der Legalisierungswirkung der Baugenehmigung in keinem Fall rechtfertigen.

Die besagten Ermessensgesichtspunkte sind allerdings bei einer nachfolgenden Beseitigungsanordnung zu beachten. Die Rücknahme der Baugenehmigungen vom 5.9. und 14.11.1991 war unbefristet zulässig. Die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW galt nicht, da die Genehmigungen durch Bestechung erwirkt worden sind und der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW eingreift (§ 48 Abs. 4 Satz 2 VwVfG).

Ende der Entscheidung

Zurück