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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 06.05.2005
Aktenzeichen: 10 B 2622/04
Rechtsgebiete: BauNVO


Vorschriften:

BauNVO § 3
BauNVO § 14 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 14 Abs. 2 S. 2
BauNVO § 15
1. Eine Mobilfunkstation ist in aller Regel keine Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, sondern eine fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO.

2. Eine Mobilfunkstation kann in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO bzw. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO) ausnahmsweise zulässig sein.

3. Bei der Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Ausnahme ist neben der Wertung des Verordnungsgebers in § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO zu berücksichtigen, dass der Nutzungszweck des reinen Wohngebiets als Regelfall erhalten bleiben und der gewerbliche Nutzungszweck der Mobilfunkstation den Charakter einer Ausnahmeerscheinung in dem betroffenen Gebiet behalten muss.

4. Betroffene Nachbarn können zwar nicht die Beeinträchtigung des Ortsbildes durch eine Mobilfunkstation, ggf. aber die Veränderung des Gebietscharakters durch die - auch optischen - Auswirkungen einer solchen Station erfolgreich geltend machen.


Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen die Errichtung einer Mobilfunkbasisstation auf einem viergeschossigen Wohnhaus in ihrer Nachbarschaft. Zur Erteilung der Baugenehmigung hierfür war der Antragsgegner durch ein rechtskräftiges Urteil auf Antrag des Rechtsvorgängers der Beigeladenen verpflichtet worden. Das VG wies den Nachbarantrag ab; die Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die von der Baugenehmigung erfasste Mobilfunkstation ist als fernmeldetechnische Nebenanlage auf dem Baugrundstück, das einem faktischen reinen Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 3, 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO) zuzuordnen ist, ausnahmsweise zulässig (dazu nachfolgend 1.). Gesichtspunkte, die im vorliegenden Fall eine Verletzung der nachbarlichen Rechte der Antragsteller begründen könnten und damit gegen die Zulässigkeit einer Ausnahme sprechen, sind nicht ersichtlich (dazu 2.); der Umstand, dass im Verfahren nicht eine Ausnahme, sondern eine Befreiung erteilt worden ist, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg (dazu 3.).

1. Die zur Genehmigung gestellte Anlage besteht neben einem in das Dachgeschoss des Wohnhauses Z.-Weg 5 eingebauten Technikraum aus einem etwa 14 m hohen Antennenmast, der 30 cm unterhalb der Firstlinie aus dem Dach austritt und von dort in einer Höhe von 9,99 m zuzüglich einer 40 cm langen Blitzfangstange aufragt. Der polygonale Stahlmast weist einen Durchmesser von durchschnittlich etwa 20 cm auf; daran sollen mindestens drei und - im Zuge eines Ausbaus des UMTS-Netzes - höchstens neun Antennen kreisförmig angeordnet in drei Ebenen übereinander montiert werden, die jeweils ungefähre Maße von 20 cm Breite, 15 cm Tiefe und zwischen 1,30 m und 1,94 m Höhe aufweisen sollen. Zwischen der Unterkante der am niedrigsten angebrachten Antenne und dem Dachfirst verbleibt ein Abstand von 4,75 m; der Durchmesser der aus Mast und montierten Antennen bestehenden Anlage wird - gemessen zwischen den Außenflächen der Antennen - etwa 1,05 m betragen. Auf der Außenseite der Dachhaut werden zusätzlich eine Dachgaube in einer Ausdehnung von etwa 50 x 50 cm für die Kabelführung, ein Dachflächenfenster als Ausstieg in den Maßen ca. 115 x 50 cm sowie eine Gitterplattform (80 x 100 cm) zur Aufnahme eines Klimaaußengeräts montiert. Das Klimaaußengerät (Höhe ca. 65 cm) wird auf dieser Gitterplattform aufrecht stehend angebracht, so dass es den Dachfirst um wenige Zentimeter überragt; zwischen dem Dachausstieg und der Gitterplattform werden fünf Trittstufen montiert. Die Antennen werden mit dem Technikraum durch bis zu 18 Kabel (je 1/2 Zoll) - durch die unmittelbar neben dem Dachfirst angebrachte Gaube geführt - verbunden. Diese Mobilfunkstation ist auf Grund ihrer Größe und weil im Hinblick auf die Anzahl der im Markt tätigen Netzbetreiber mit einer Häufung derartiger Stationen geringer Reichweite in den Baugebieten gerechnet werden muss von bodenrechtlicher Relevanz (§ 29 BauGB) - vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.2.2003 - 10 B 2417/02 -, S. 4; ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 6.12.2004 - 1 ME 256/04 -, juris - und nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO in einem faktischen reinen Wohngebiet - vom Vorliegen eines solchen geht der Senat aus - nicht zulässig.

Sie ist jedoch als fernmeldetechnische Nebenanlage einzustufen, § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO, und kann deshalb in einem reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig sein.

Nach § 14 BauNVO können in einem reinen Wohngebiet zusätzlich zu den in den §§ 3, 12 und 13 BauNVO genannten baulichen Anlagen Nebenanlagen zulässig sein. Neben in einem reinen Wohngebiet allgemein zulässigen untergeordneten baugrundstücksbezogenen und baugebietsbezogenen Nebenanlagen und Einrichtungen (§ 14 Abs. 1 BauNVO) sind nach Absatz 2 Satz 2 der Vorschrift u.a. fernmeldetechnische Nebenanlagen ausnahmsweise zulässig, wenn sie nicht bereits allgemein nach Absatz 1 Satz 1 als dem Nutzungszweck des Errichtungsgrundstücks oder des Baugebiets dienend zulässig sind.

Mobilfunkstationen der im vorliegenden Fall betroffenen Art sind in aller Regel keine baugrundstücks- und baugebietsbezogenen Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, weil sie regelmäßig nur in geringem Umfang dem Nutzungszweck eines Baugebiets oder Baugrundstücks dienend zu- und untergeordnet sind. Als Bestandteile eines Kommunikationssystems stellen sie unabhängig vom jeweiligen Nutzungszweck eines Baugebiets zum einen die lückenlose Erbringung von Kommunikationsdienstleistungen an diejenigen Personen sicher, die sich in dem Baugebiet ständig oder vorübergehend aufhalten und dienen zum anderen dazu, derartige Dienstleistungen für Personen zu erbringen, die keinerlei Verbindung zu dem Baugebiet haben, aber auf eine Durchleitung von Gesprächen und weiteren Kommunikationsinhalten angewiesen sind. Dem Nutzungszweck "Wohnen" (§ 3 Abs. 1 BauNVO) zu- und untergeordnet sind Mobilfunksendeanlagen nur, soweit sie es den im Baugebiet Wohnenden ermöglichen, als Ausprägung ihrer Wohnnutzung an der mobilen drahtlosen Kommunikation teilzuhaben; diese Funktion einer Mobilfunkstation tritt jedoch gegenüber den weiteren genannten Funktionen - Versorgung der das Baugebiet durchquerenden Personen mit Kommunikationsdienstleistungen, Weiterleitung von Kommunikationsinhalten ohne jeden Bezug zum Baugebiet - so weit in den Hintergrund, dass sich - auch bezogen auf ein reines Wohngebiet - eine Einstufung als Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO regelmäßig verbietet.

Vgl. Stock, in: König / Roeser / Stock, BauNVO, 2. Auflage, § 14 Rz. 8, 13a, 14; BVerwG, Beschluss vom 1.11.1999 - 4 B 3.99 -, BRS 62 Nr. 82.

Die betroffene Mobilfunkstation ist jedoch als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO einzustufen.

Ebenso Stock, in: König / Roeser / Stock, a.a.O., § 14 Rz. 35 (auch zur denkbaren Einstufung als gewerbliche Hauptanlage); Rathjen, Zur Zulässigkeit von Mobilfunksendeanlagen, ZfBR 2000, 304; noch offen gelassen in OVG NRW, Beschluss vom 25.2.2003 - 10 B 2417/02 -, BRS 66 Nr.89.

Sie ist Bestandteil eines aus einer Vielzahl baulicher Anlagen bestehenden Mobilfunknetzes und ist - ungeachtet des Umstands, dass für fernmeldetechnische Nebenanlagen je nach den Umständen des konkreten Falles auch eine Einstufung als gewerbliche Anlage in Frage kommt - als eine der in dem Mobilfunknetz in einer Vielzahl vorhandenen kleinsten baulichen Anlagen nicht selbst Hauptanlage, sondern Nebenanlage. Auch wenn der Verordnungsgeber bei Ergänzung des § 14 Abs. 2 BauNVO nicht an Anlagen der hier betroffenen Art, sondern lediglich an optisch deutlich untergeordnete Baukörper wie eingeschossige Fernmeldegebäude geringen Bauvolumens gedacht haben mag, sind Mobilfunkstationen trotz ihrer funktionsbedingt andersartigen baulichen Gestaltung (Dachmontage) und damit im Regelfall deutlichen optischen Wahrnehmbarkeit von Wortlaut und Normzweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO als typischerweise kleinste Bestandteile eines Fernmeldenetzes ohne weiteres erfasst. Wo genau die Grenze zwischen einer fernmeldetechnischen Neben- und Hauptanlage zu ziehen ist, kann im Hinblick auf die Größe der streitbefangene Anlage offen bleiben.

Zur Größe der Anlagen als maßgeblich für die Abgrenzung von Neben- und Hauptanlage vgl. Steinmetz, Steuerungsmöglichkeiten der Kommune bei der Ansiedlung von Mobilfunksendeanlagen, BWGZ 2001, 769; ebenso die Fachkommission Städtebau der ARGEBAU, InfHSTZ 2001, 60 ff.; Jung, Die baurechtliche Beurteilung von Mobilfunkbasisstationen, ZfBR 2001, 24 (27); anders Reidt, in: Gelzer / Bracher / Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Auflage 2004, Rz. 1261; wohl auch Nds. OVG, Beschluss vom 6.12.2004 - 1 ME 256/04 -, juris; Hess. VGH, Urteil vom 6.12.2004 - 9 UE 2582/03 -, ZfBR 2005, 278 (280).

2. Die von der Baugenehmigung erfasste Mobilfunkstation ist in ihrer Umgebung, die ein faktisches reines Wohngebiet darstellt, ausnahmsweise zulässig; Gesichtspunkte, die einer Zulässigkeit im vorliegenden Fall entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

Bei der im Ermessen der Genehmigungsbehörde stehenden Erteilung einer Ausnahme zur Genehmigung einer Mobilfunkstation in einem reinen Wohngebiet muss die Behörde auf der Grundlage einer vollständigen Ermittlung des relevanten Sachverhalts und am Gesetzeszweck der Norm orientiert einerseits die gesetzgeberische Wertung des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO beachten, andererseits dem Gebot der Wahrung des Gebietscharakters hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung Genüge tun; die Interessen betroffener Nachbarn sind in diese Entscheidung einzustellen und können von den Nachbarn ggf. mit Erfolg geltend gemacht werden.

Der Verordnungsgeber hat durch § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO eine Privilegierung fernmeldetechnischer Nebenanlagen bewirkt und damit grundsätzlich entschieden, dass derartige Anlagen - die regelmäßig gewerblichen Charakter haben - in allen Wohngebieten und somit auch in einem reinen Wohngebiet zumindest ausnahmsweise zulässig sein können. Im Hinblick auf den Gebietscharakter eines reinen Wohngebiets folgt daraus, dass der Kreis derjenigen gewerblichen baulichen Anlagen, die im reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig sind, aber über eine Gebietsversorgung hinausgehen, durch § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO ausgeweitet wird. Die Rechtfertigung für die damit verbundene zusätzliche gewerbliche Nutzung der reinen Wohngebiete liegt darin, dass Infrastruktursysteme, auch soweit sie nicht unmittelbar den Bewohnern eines reinen Wohngebiets dienen, im öffentlichen Interesse erforderlich sind und aus technischen Gründen auf die Inanspruchnahme von Flächen auch in reinen Wohngebieten angewiesen sein können.

Auf der anderen Seite muss die Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Ausnahme berücksichtigen, dass der Gebietscharakter des betroffenen reinen Wohngebiets trotz der Zulassung einer erkennbar als gewerbliche Anlage genutzten Mobilfunkanlage gewahrt bleiben muss. Der Nutzungszweck des Wohngebiets muss als Regelfall erhalten bleiben, während der Nutzungszweck der genehmigten Mobilfunkanlage den Charakter einer Ausnahmeerscheinung in dem betroffenen Gebiet behalten muss; soweit die Realisierung von Ausnahmen - namentlich bei einer Massierung - den Gebietscharakter verfälschen würde, muss die Erteilung einer Ausnahme versagt werden.

Kuschnerus, Das zulässige Bauvorhaben, 6. Auflage 2001, Rz. 89; Reidt, in: Gelzer / Bracher / Reidt, a.a.O., Rz. 1262, 1698 ff.

Die Entscheidung des Verordnungsgebers für die ausnahmsweise Zulässigkeit fernmeldetechnischer Nebenanlagen in allen Baugebieten bedeutet deshalb nicht, dass unabhängig von den Besonderheiten des jeweils betroffenen Standorts der geplanten Anlage regelmäßig ein Anspruch auf Errichtung und Betrieb von Mobilfunkstationen auch in reinen Wohngebieten bestünde. Vielmehr bedarf es einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände. Diese Prüfung muss sicherstellen, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen dem Gebietscharakter des reinen Wohngebiets und der gewerblichen Nutzung von Gebäuden und Gebietsteilen durch Nebenanlagen eines Mobilfunknetzes gewahrt bleibt und Nachbarbelange nicht verletzt werden; im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme sind auch solche Aspekte zu berücksichtigen, die eine zu prüfende Nutzung als rücksichtslos erscheinen lassen könnten.

Bei der Einzelfallprüfung können neben Belangen des Gesundheitsschutzes - Wahrung der erforderlichen Sicherheitsabstände - insbesondere auch die optischen Auswirkungen der Anlage auf das Ortsbild sowie weitere städtebauliche Gesichtspunkte wie die Einpassung in die Gebietsstruktur eine wesentliche Rolle spielen. Wo etwa die geplante Anlage für sich genommen oder zusammen mit vorhandenen weiteren gleichartigen Anlagen im Verhältnis zur vorhandenen Bausubstanz, Bauhöhe und Baugestaltung in der näheren Umgebung eine prägende Wirkung entfaltet, die den Regelfall der Wohnnutzung hin zu einer gemischten Wohn- und Gewerbenutzung verschiebt, kann der Gebietscharakter auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO verändert werden.

Vgl. Reidt, in: Gelzer / Bracher / Reidt, a.a.O., Rz. 1262; OVG NRW, Beschluss vom 25.2.2003 - 10 B 2417/02 -, S. 14 ff.; ähnlich auch Nds. OVG, Beschluss vom 6.12.2004 - 1 ME 256/04 -, juris; Hess. VGH, Urteil vom 6.12.2004 - 9 UE 2582/03 -, a.a.O. (280f.).

Das Gewicht dieses letztgenannten für die Ermessensausübung wesentlichen Gesichtspunkts wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Der Verordnungsgeber hat § 14 Abs. 2 BauNVO durch die 4. Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 127) ergänzt, weil fernmeldetechnische Infrastruktureinrichtungen - zu denen auch Telekommunikationsnetze zählen - nicht zu den bis zur Änderung der Vorschrift allein erfassten Anlagen zur Versorgung der Bevölkerung mit Elektrizität gehören. Er hat jedoch, wie sich aus der Amtlichen Begründung zur Änderungsverordnung ergibt, lediglich an untergeordnete Baukörper wie "Kabinen für Fernsehumsetzer und Breitbandverteilungsanlagen sowie kleinere eingeschossige Fernmeldegebäude" (Hervorhebungen nicht im Original) gedacht, die zudem regelmäßig ebenerdig errichtet oder angebracht werden und schon deshalb den Charakter eines reinen Wohngebiets kaum zu beeinträchtigen vermögen. Schon für diese Baukörper soll nach der Amtlichen Begründung gelten, dass die Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Ausnahme städtebauliche Aspekte unter Einschluss optischer Gesichtspunkte berücksichtigen muss, um beispielsweise eine Beeinträchtigung des Ortsbildes zu vermeiden.

BR-Ds 354/89 vom 30.6.1989, S. 57 (zu Nr. 12).

Dies gilt erst recht, wenn - wie es regelmäßig bei Mobilfunkstationen der Fall ist - eine Ausnahme für bauliche Anlagen beantragt ist, die allein wegen ihrer funktionsbedingt hervorgehobenen Höhe auf vorhandenen Gebäuden oder als selbstständige Anlagen mit entsprechender Gesamthöhe eine erhebliche Ausstrahlungswirkung auf die nähere Umgebung haben und damit den Gebietscharakter in besonderem Maße prägen können. Zu berücksichtigen ist auch der Umstand, dass der Verordnungsgeber für die in § 14 Abs. 2 Satz 2 genannten Infrastruktureinrichtungen nicht - wie beispielsweise in § 13 BauNVO - eine Regelzulässigkeit, sondern das Erfordernis einer Abweichung von der durch den Gebietscharakter bestimmten Regelnutzung der Baugebiete vorgesehen hat. Welche Gesichtspunkte in der zu treffenden Ermessensentscheidung jeweils zu berücksichtigen sind, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalles und bedarf im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens keiner abschließenden Festlegung.

Betroffene Nachbarn können sich gegen Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO jedenfalls insoweit wehren, als gesundheitliche Beeinträchtigungen etwa durch eine Unterschreitung der in der Standortbescheinigung festgelegten Mindestabstände zu befürchten sind oder insoweit sich die Nebenanlagen - wie hier - auf die Bewahrung des Gebietscharakters auswirken können, beispielsweise durch eine sich aus der Relation zur vorhandenen baulichen Umgebung ergebende optische Dominanz. Die Vorschrift gewährt ihnen ein auf die Art der baulichen Nutzung bezogenes Abwehrrecht; wenn die Anlage zu einer Veränderung des Gebietscharakters führt, besteht ein von individuellen Störungen unabhängiger nachbarlicher Abwehranspruch.

OVG NRW, Urteil vom 25.4.2005 - 10 A 2861/04 -; Beschluss vom 25.2.2003 - 10 B 2417/02 -, S. 12 m.w.N.; Hess. VGH, Urteil vom 6.12.2004 - 9 UE 2582/03 -, a.a.O. (280); zu § 14 allgemein BVerwG, Urteil vom 28.4.2004 - 4 C 10.03 -, NVwZ 2004, 1244; abweichend Nds. OVG, Beschluss vom 6.12.2004 - 1 ME 256/04 -, juris.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze sind im vorliegenden Fall allerdings keine Gesichtspunkte erkennbar, die zu einer Versagung der erforderlichen Ausnahme hätten führen müssen.

Bedenken hinsichtlich der von der Mobilfunkanlage zu erwartenden Emissionen bestehen nicht; die ausweislich der Standortbescheinigung erforderlichen Sicherheitsabstände von 1,66 m vertikal und 5,72 m horizontal sind eingehalten, so dass eine Beeinträchtigung des unmittelbar benachbarten Gebäudes Z.-Weg 7 nicht zu befürchten ist; dies gilt erst recht für die Gebäude Z.-Weg 9 und S.-Weg 68. Insbesondere ist der Antragsteller zu 1) nicht daran gehindert, das Dachgeschoss seines Hauses Z.-Weg 7 zu Wohnzwecken zu nutzen, weil auch dann der vertikale Sicherheitsabstand gewahrt bliebe. Die Frage, ob und in welchem Maße er bei einer zusätzlichen Nutzung des Luftraumes oberhalb seines Grundstücks durch eine Aufstockung beeinträchtigt sein könnte, stellt sich in diesem Eilverfahren nicht, weil der Antragsteller zu 1) konkrete Bauabsichten nicht dargetan hat. Denn nur bei einer Aufstockung um mehr als 3,09 m ab Firsthöhe wäre der durch die Standortbescheinigung vorgegebene Sicherheitsabstand unterschritten; in diesem Falle würde sich allerdings die Frage nach dem Erlöschen der Standortbescheinigung wegen Umfeldveränderung stellen (§ 7 Abs. 2 Alt. 2 der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder in der Fassung vom 20.8.2002, BGBl. I S. 3366).

Der Gebietscharakter des betroffenen faktischen reinen Wohngebiets wird durch die genehmigte Anlage nicht verändert. Das Baugrundstück und die unmittelbar benachbarten Wohngrundstücke sind mit viergeschossigen Gebäuden bestanden, die eine Firsthöhe von etwas unter 15 m aufweisen. Die auf einem dieser Gebäude errichtete Mobilfunkantenne wird trotz der geringen Dachneigung von nur etwa 33° vom Niveau der Straße aus zwar wahrnehmbar sein, jedoch weder das Baugrundstück, das darauf errichtete Gebäude noch die umliegenden Grundstücke derart dominieren, dass eine Beeinträchtigung des Ortsbildes - was von den Antragstellern als Nachbarn indes nicht geltend gemacht werden könnte - oder eine Mischnutzung von Wohnen und Gewerbe die Folge wäre. Dies gilt auch für die nicht unmittelbar benachbarten umliegenden Grundstücke. Sie sind mit Gebäuden unterschiedlicher Höhe bebaut. Neben Gebäuden mit einem bis zwei Vollgeschossen, teilweise mit ausgebautem Dachgeschoss, befinden sich u.a. auch das sieben- bzw. achtgeschossige Wohngebäude der Antragstellerin zu 3) sowie die viergeschossigen Wohnhäuser des Vorhabensgrundstücks und seiner unmittelbaren Nachbarschaft, so dass eine einheitliche und vorherrschende Gebäudehöhe nicht festzustellen ist. Hinsichtlich der Nutzungsart herrschen Wohngebäude vor, auch wenn in einer Entfernung von etwa 70 m zum Vorhabensgrundstück Gebäude eines Kindergartens, einer Turnhalle und einer Grundschule stehen. Diese eher als unruhig zu bezeichnende städtebauliche Situation wird durch das Hinzutreten einer einzelnen Mobilfunkstation voraussichtlich nicht zu Lasten des Wohngebietscharakters in Bewegung gebracht werden, da die Antennenanlage in Verbindung mit den weiteren auf der Dachfläche sichtbaren Installationen in Relation zu ihrer Umgebung kein nennenswertes Gewicht aufweist. Auch soweit die Anlage von den oberen Geschossen des von den Mitgliedern der Antragstellerin zu 3) bewohnten Gebäudes aus gut zu sehen sein wird, erreicht die durch die angegriffene Genehmigung ermöglichte bauliche Situation nicht ein Maß, das zu einer Veränderung des Gebietscharakters führen würde.

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