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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.02.2000
Aktenzeichen: 10 E 64/00
Rechtsgebiete: GKG, ZSEG


Vorschriften:

GKG § 8 Abs. 1
ZSEG § 3
1. Ist bei dem Ansatz der Gerichtskosten eine Entschädigung berücksichtigt, die die Gerichtskasse an einen Sachverständigen gezahlt hat, ist auf die Erinnerung des Gerichtskostenschuldners gegen den Gerichtskostenansatz nachzuprüfen, ob dem Sachverständigen eine Entschädigung in dieser Höhe nach Maßgabe der Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) zusteht.

2. Der Einwand der mangelnden Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens kann nur im Rahmen der Prüfung gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG auf offensichtliche und schwere Verfahrensfehler berücksichtigt werden.


Tatbestand:

Der Kläger erhob im Ausgangsverfahren Klage, mit der er die Verpflichtung des Beklagten begehrte, ihm eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Rankgerüstes auf dem Grundstück W. -H. -Straße 1 zu erteilen. Das Grundstück ist mit einer Villa bebaut. Diese und der sie umgebende Park sind als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt H. eingetragen. Der Beklagte hatte die beantragte Baugenehmigung mit der Begründung abgelehnt, das Rankgerüst störe das Erscheinungsbild des Denkmals (Einfriedung, Park und Villa). Aufgrund seines Beweisbeschlusses holte das VG ein Sachverständigengutachten zu der Frage ein, ob und gegebenenfalls wie sich die Errichtung und Begrünung eines Rankgerüstes unterschiedlicher Höhe auf den Park und die dazu gehörende Villa auswirken, soweit diese unter Denkmalschutz gestellt sind. Mit der Erstattung des Gutachtens beauftragte das VG den Landschaftsarchitekten D. und den Gartenbaudenkmalpfleger Dr. R. . Nach einer Ortsbesichtigung erstatteten die Sachverständigen ihr Gutachten. Sie reichten eine Kostenrechnung über 8.861,47 DM ein, die sie hinsichtlich des Zeitaufwands von 78 Stunden näher erläuterten. Aufgrund einer Auszahlungsanordnung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 17.9.1999 wurde die als sachlich und rechnerisch richtig festgestellte Entschädigung in Höhe des geltend gemachten Betrages von (gemäß § 12 ZSEG aufgerundet) 8.861,50 DM den Sachverständigen angewiesen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte durch Kostenrechnung vom 8.10.1999 Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 10.224,00 DM an. Der Kostenansatz umfasste die Entschädigung der Sachverständigen in Höhe von 8.861,50 DM.

Der Kläger legte Erinnerung gegen "die Festsetzung" der Entschädigung der Sachverständigen ein und beantragte, die Vergütung für die Sachverständigen herabzusetzen. Er hielt insbesondere den von den Sachverständigen angesetzten Zeitaufwand für nicht erforderlich gehalten.

Das VG wies durch den angefochtenen Beschluss die Erinnerung des Klägers gegen die "Festsetzung der Sachverständigenentschädigung vom 17.9.1999" zurück. Die Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluss hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Erinnerung war allerdings gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft. Sie richtete sich gegen den Ansatz der Gerichtskosten vom 8.10.1999, nicht hingegen gegen eine Festsetzung der Sachverständigenentschädigung vom 17.9.1999, wie das VG fälschlich angenommen hat. Zwar dürfte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle unter dem 17.9.1999 nicht nur die Sachverständigenentschädigung zur Auszahlung angewiesen, sondern mit seinem Vermerk "sachlich und rechnerisch richtig" auch festgesetzt haben. Diese Festsetzung ist indes verbindlich nur für das Verhältnis des Sachverständigen zur Gerichtskasse. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist sie nicht anfechtbar (vgl. für die richterliche Festsetzung § 16 Abs. 2 Satz 2 ZSEG). Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens erlangt die Sachverständigenentschädigung rechtliche Bedeutung erst, wenn sie als Teil der Gerichtskosten gemäß § 4 Abs. 1 GKG angesetzt wird. Die Entschädigung von Sachverständigen gehört gemäß § 11 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Nummer 9005 der Anlage 1 zu § 11 GKG zu den Gerichtskosten (Auslagen). Als Teil der Auslagen ist sie in der Kostenrechnung vom 8.10.1999 angesetzt. Gegen diesen Ansatz richtete sich die Erinnerung der Sache nach.

Die Erinnerung war unbegründet. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zu Recht die Sachverständigenentschädigung in der tatsächlich gezahlten Höhe von 8.861,50 DM als Auslagen angesetzt, die der Kläger als Gerichtskosten zu zahlen hat.

Die Sachverständigen können hier die von ihnen geltend gemachten 8.861,50 DM als Entschädigung beanspruchen. Eine Entschädigung in dieser Höhe ist deshalb mit Recht beim Ansatz der Gerichtskosten als Auslagen berücksichtigt worden. Die Einwendungen des Klägers gegen die Angemessenheit dieser Vergütung, insbesondere gegen die Erforderlichkeit des zu Grunde gelegten Zeitaufwandes, sind unberechtigt.

Der Kläger bestreitet die Notwendigkeit, zwei Sachverständige mit der Erstattung des Gutachtens zu beauftragen, insbesondere hält er die Hinzuziehung eines Landschaftsarchitekten neben einem Gartendenkmalpfleger nicht für erforderlich. Dieser Einwand gegen die Erforderlichkeit der angesetzten Sachverständigenentschädigung kann in diesem Verfahren indes nur eingeschränkt nachgeprüft werden. Die Auslagen des Gerichts für zwei Sachverständige beruhen auf dem Beweisbeschluss des VG, das zur Aufklärung der beweiserheblichen Frage eine gemeinsame Begutachtung durch einen Landschaftsarchitekten und einen Gartendenkmalpfleger für notwendig gehalten hat. Durch diese Entscheidung veranlasste Kosten können bei dem Ansatz der Gerichtskosten nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn sie bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die kostenverursachende Entscheidung des Gerichts im Erkenntnisverfahren ist nicht umfassend auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen. Lediglich ein offensichtlicher und schwerer Verfahrensfehler kann eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 GKG darstellen. Die Heranziehung von zwei Sachverständigen unterschiedlicher Fachrichtung für die Begutachtung einer komplexen Frage bietet keinen Anhalt für Überlegungen in diese Richtung.

Nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZSEG werden die Sachverständigen nach dem Zeitaufwand entschädigt, der für ihre Leistung erforderlich war. Die von den Sachverständigen hier angesetzte Zeit von insgesamt 78 Stunden war im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG erforderlich.

Welche Zeit erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des Sachverständigen ab. Sie ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen. Für ihn sind weder die Angaben des Sachverständigen noch die tatsächlich aufgewendete Zeit schlechthin maßgebend. Als erforderlich ist die Zeit anzusehen, die ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Erledigung eines Auftrags mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt. Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffes, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet sowie der Umfang seines Gutachtens angemessen zu berücksichtigen. Anhand dieses Maßstabes hat das Gericht nachzuprüfen, ob die von dem Sachverständigen berechnete Arbeitszeit für die ihm aufgetragene Leistung erforderlich war, OVG NRW, Beschluss vom 18.5.1999 - 12 E 52/99 -; Meyer/Höver, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, 18. Auflage, § 3 Rdnr. 21, jeweils mit weiteren Nachweisen.

Grundsätzlich wird jedoch davon auszugehen sein, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Dem Gericht fehlt insoweit in der Regel jede Möglichkeit der Überprüfung. Soweit es sich um die eigentliche Gutachtertätigkeit handelt, kann das Gericht nur schwer nachprüfen, welche Zeit ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung und durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt hätte. Das Gericht darf die Stundenzahl nicht abweichend von den Angaben des Sachverständigen nach freiem Ermessen festsetzen. Vielmehr bedarf es sorgfältiger Erwägungen, wie weit und aus welchen Gründen im Einzelfall entweder den Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich aufgewendete Zeit nicht gefolgt werden kann oder inwieweit etwa die tatsächlich verbrauchte Zeit das Maß des objektiv erforderlichen Zeitaufwands übersteigt. Ein Anlass zur Nachprüfung, ob die von dem Sachverständigen berechnete Zeit auch erforderlich war, wird in der Regel nur dann bestehen, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint. Eine ungewöhnliche Höhe des Zeitaufwands, undifferenzierte Gestaltung der Leistungsabrechnung und Unstimmigkeiten der Leistungsbeschreibung geben Veranlassung, dem Sachverständigen eine spezifizierte und nachvollziehbare Darlegung seines tatsächlichen Zeitaufwandes und dessen Erforderlichkeit abzuverlangen. Hält die Zeit, die der Sachverständige angegeben hat, sich hingegen innerhalb der Toleranzgrenzen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die berechnete Zeit auch erforderlich war.

vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.12.1986 - 23 W 213/85 - , MDR 1987, 419; Meyer/Höver, a.a.O., Rdnr. 22.

Gemessen hieran hat der Senat keinen vernünftigen Zweifel daran, dass die von den Sachverständigen hier angegebene Stundenzahl zur Erarbeitung des Gutachtens erforderlich war. Die Einwände des Klägers begründen derartige Zweifel nicht.

Die beiden Sachverständigen haben nicht einen jeweils eigenen selbstständigen Beitrag zur Beantwortung der ihnen gestellten Beweisfrage erarbeitet und diese je selbstständigen Beiträge zu dem von ihnen zu erstattenden Gutachten zusammengefügt. Sie haben vielmehr das Gutachten insgesamt gemeinschaftlich als einheitliches Gutachten erarbeitet. Diese gemeinschaftliche Erarbeitung des Gutachtens und seiner einzelnen Teile erklärt den gleichen Arbeitsaufwand der Sachverständigen für die einzelnen Abschnitte ihrer Tätigkeit.

Hiervon ausgehend ergeben sich gegen die einzelnen Ansätze keine Bedenken. Wie schon das VG mit Recht hervorgehoben hat, machte die Beweisfrage eine gemeinsame Ortsbesichtigung beider Sachverständiger erforderlich. Ebenfalls erforderlich war es dabei, das Umfeld des Baudenkmals zu erkunden und auszuwerten. Die Beweisfrage zielte gerade auf eine mögliche Beeinträchtigung des Denkmals durch das streitige Rankgerüst. Die Frage ließ sich sinnvoll nur nach einer Erkundung des Umfeldes beantworten. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus dem Gutachten nicht, dass eine solche Erkundung des Umfelds nicht stattgefunden hat, jedenfalls nicht mit dem angegebenen zeitlichen Aufwand. Der Kläger gibt insoweit das Gutachten unvollständig wieder. Im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zum Denkmalwert haben die Sachverständigen insbesondere auch auf die Betrachtung des Denkmals von außerhalb, z.B. von der W. verwiesen. Hierfür haben sie in dem Anhang zu ihrem Gutachten von ihnen angefertigte Fotografien aufgenommen.

Es liegt auf der Hand, dass es bei der Erarbeitung eines gemeinsamen Gutachtens nicht ausreicht, wenn die Sachverständigen ihre Informationen austauschen und sodann einer der beiden Sachverständigen allein die Zustandsbeschreibung des Denkmals, den kulturgeschichtlichen Rückblick und die Aussage zum Denkmalwert erarbeitet, wie der Kläger meint. Das VG hatte beide Sachverständige mit der Erstattung des Gutachtens beauftragt. Sie mussten - auch im Anschluss an einen Informationsaustausch - die einzelnen Teile gemeinschaftlich erarbeiten, damit sichergestellt war, dass der von ihnen je unterschiedlich repräsentierte Sachverstand sich in diesen Teilen des Gutachtens niederschlug.

Der Aufwand von sechs Stunden für die Dokumentation der Ergebnisse ist nicht überhöht. Wird ein Zeitaufwand von etwa 45 Minuten je Seite zu Grunde gelegt, vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 18.5.1999 - 12 E 52/99 -, hält sich der Ansatz von sechs Stunden für ein Gutachten von 15 Seiten innerhalb des Toleranzbereichs. Der Ansatz von 12 Stunden ist wiederum dadurch bedingt, dass beide Sachverständige die Dokumentation gemeinsam erarbeitet haben.

Ende der Entscheidung

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