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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 29.01.2002
Aktenzeichen: 10a D 98/99.NE
Rechtsgebiete: GG, BauGB, BBergG, AbgrG NRW, StrWG NRW, LStrAusbauG


Vorschriften:

GG Art. 14
BauGB § 1 Abs. 6
BBergG § 3 Abs. 2
BBergG § 3 Abs. 4
AbgrG NRW § 2 Abs. 1
AbgrG NRW § 2 Abs. 3 Satz 1
StrWG NRW § 38 Abs. 4
LStrAusbauG § 1 Abs. 1
LStrAusbauG § 1 Abs. 4
LStrAusbauG § 5
1. Die fehlende Aufnahme einer geplanten Straße in den Landesstraßenbedarfsplan führt nicht in jedem Fall zur Verneinung des Erfordernisses eines diese Straße festsetzenden Bebauungsplans.

2. Zur Frage, inwieweit das Recht auf Abgrabung und Verfüllung einer Sandgrube abwägungsbeachtlich ist.

3. Zur Bedeutung der Situationsgebundenheit eines Grundstücks (hier: landschaftsrechtliche Schutzbedürftigkeit) in der Abwägung.


Tatbestand:

Die Antragstellerin wandte sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin, der ihre Grundstücke, auf denen seit mehreren Jahrzehnten Sand abgebaut wird, u.a. mit einer Trasse für eine Umgehungsstraße und mit öffentlicher Grünfläche überplant. Die Antragstellerin rügte insbesondere, dass die Straßenplanung mangels Aufnahme der Umgehungsstraße in den Landesstraßenbedarfsplan nicht erforderlich sei und dass das Interesse an einem weiteren Sandabbau sowie der anschließenden Verfüllung der Grube nicht ordnungsgemäß in der Abwägung berücksichtigt worden sei. Der Normenkontrollantrag hatte keinen Erfolg.

Gründe:

1. Die nach § 1 Abs. 3 BauGB notwendige städtebauliche Erforderlichkeit der Planung ist gegeben. (wird ausgeführt)

Die Planungskonzeption der Antragsgegnerin beruht auf legitimen und nachvollziehbaren städtebaulichen Zielen. Sie beabsichtigt in erster Linie, durch die Verlegung der L ... eine Entlastung der alten Ortslage H. vom Durchgangs- und Schwerlastverkehr herbeizuführen und die Immissionsbelastungen - die Lärmpegel an Gebäudefronten in unmittelbarer Randlage zur heutigen L ... weisen Werte bis zu 76,4 dB(A) am Tag und 65,5 dB(A) in der Nacht auf - auf ein für Wohnnutzung verträgliches Maß zu reduzieren. Aus Anlass dieser Planung soll ferner der gesamte Bereich zwischen H.-Nord und H.-Süd städtebaulich neu geregelt und geordnet werden.

Das Erfordernis der Planung lässt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht mit der Begründung verneinen, es handele sich um eine "Vorratsplanung", deren Verwirklichung gänzlich ungewiss sei, weil die geplante Straße nicht im Landesstraßenbedarfsplan enthalten und insoweit mit einer Änderung auf absehbare Zeit nicht zu rechnen sei. Allerdings vermag ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder Rechtsgründen der Vollzugsfähigkeit entbehrt, die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen und verstößt deshalb gegen das in § 1 Abs. 3 BauGB enthaltene Gebot der Erforderlichkeit der Planung. Ein Bebauungsplan, dessen Verwirklichung im Zeitpunkt seines Inkrafttretens dauerhafte Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstehen, ist nichtig.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.8.1997 - 4 NB 12.97 -, BRS 59 Nr. 29 = Buchholz 406.11 § 6 BauGB Nr. 7 m.w.N.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Erforderlichkeit um einen "groben Maßstab" handelt. Für die Erforderlichkeit reicht es aus, wenn der Plan "vernünftigerweise geboten" ist.

Vgl. BVerwG, Urteil v. 25.1.1993 - 8 C 46.91 -, NVwZ 1993, 1102 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 15.3.2001 - 1 K 2405/00 -, BauR 2002, 51.

Zwar kann sich die planende Gemeinde durch einen Bebauungsplan die konkrete Entscheidung nicht für einen völlig unbestimmten Zeitraum offen halten; das wäre mit dem Sinn der Bauleitplanung unvereinbar. Andererseits kann im Einzelfall ein Bebauungsplan auf die Deckung eines langfristigen Bedarfs gerichtet sein, zum Beispiel einer weit vorausschauenden Flächensicherung dienen.

Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 15.3.2001 - 1 K 2405/00 -, a.a.O., und Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl. 1995, S. 328, Rdn. 14 zu § 1.

Erscheint die Realisierung eines Straßenbauvorhabens wegen Fehlens der erforderlichen Finanzmittel auf Dauer ausgeschlossen, fehlt es an der Planrechtfertigung, weil die Planung nicht "vernünftigerweise" geboten ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.8.1997 - 4 NB 12.97 -, a.a.O., und Urteil vom 20.5.1999 - 4 A 12.98 -, NVwZ 2000, 555 = DVBl. 1999,1514.

Nach diesen Maßstäben kann die Erforderlichkeit der streitigen Planung nicht verneint werden. Die Realisierung der Straßenplanung der Antragsgegnerin ist nicht deshalb (auf Dauer) ausgeschlossen oder nahezu chancenlos, weil das Projekt L ...n nicht in dem aktuellen Straßenbedarfsplan aufgeführt ist. Zum einen kommt eine Verwirklichung des Straßenbauvorhabens durch die Antragsgegnerin auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes in Betracht. Die nach diesem Gesetz mit Landeszuwendungen aus Finanzhilfen des Bundes geförderten Projekte bedürfen ohnehin keiner Aufnahme in den Landesstraßenbedarfsplan. Im Übrigen steht aber auch die derzeitige Nichtaufnahme der L ...n in den Bedarfsplan einer späteren Verwirklichung durch den Baulastträger nicht auf Dauer entgegen. Das ergibt sich aus Folgendem:

Gesetzliche Grundlage für den Landesstraßenbedarfsplan ist § 1 Abs. 1 Satz 1 LStrAusbauG. Der Landesstraßenbedarfsplan, der eine Darstellung der Straßen des Landes im Netzzusammenhang (unter besonderer farbiger Hervorhebung der geplanten Straßen, unterschieden nach Dringlichkeitsstufen) enthält und Teil des Gesetzes ist, ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 LStrAusbauG für die Linienbestimmung nach § 37 und die Planfeststellung nach § 38 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) "verbindlich". Die Verbindlichkeit der Bedarfsfeststellung für die Linienbestimmung und die Planfeststellung bedeutet indessen nur, dass die gesetzliche Vorentscheidung in den nachfolgenden Verfahren nicht mehr mit Erfolg in Frage gestellt werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 -, NVwZ-RR 1998, 292 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131(für den Bundesstraßenbedarfsplan); Walprecht/Cosson, Straßen- und Wegegesetz des Landes NRW, 2. Auflage, 1986, § 37 Rn. 331.

Der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 LStrAusbauG lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass die Feststellung des Bedarfs durch Aufnahme einer geplanten Straße in den Landesstraßenbedarfsplan unabdingbare rechtliche Voraussetzung für die Linienbestimmung und das Planfeststellungsverfahren wäre. Gegen eine solche Annahme spricht bereits § 5 LStrAusbauG, wonach bei unvorhergesehenem Bedarf das für das Straßenwesen zuständige Ministerium über Ausnahmen vom Landesstraßenbedarfsplan im Benehmen mit dem Verkehrsausschuss des Landtags entscheidet. Dass eine geplante Straße nicht in den Straßenbedarfsplan aufgenommen ist, hat lediglich zur Folge, dass die Chance ihrer Verwirklichung aus finanziellen Gründen herabgesetzt ist. Denn die Bedarfsplanung ist auch ein Instrument der Finanzplanung, die haushaltsmäßige und zeitliche Prioritäten zum Ausdruck bringt und deshalb indizielle Bedeutung für die Finanzierbarkeit prioritärer Vorhaben besitzt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.5.1999 - 4 A 12.98 -, a.a.O.

Auch wenn man die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 LStrAusbauG im Hinblick darauf, dass Bebauungspläne gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 StrWG NRW die Planfeststellung ersetzen, auf kommunale Straßenplanungen übertragen wollte, würde sich nach den vorstehenden Ausführungen aus der fehlenden Aufnahme der Straße in den Landesstraßenbedarfsplan kein gesetzliches Hindernis für eine Straßenplanung durch Bebauungsplan herleiten lassen.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18.10.1985 - 4 C 21.80 -, BRS 44 Nr. 96 (In dem entschiedenen Fall hatte die Gemeinde durch Bebauungsplan eine alternative Fernstraßentrasse rechtlich gesichert, obwohl eine andere Trasse bereits planfestgestellt war. Das Bundesverwaltungsgericht hat ein Planungserfordernis nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern von der - im entschiedenen Fall bejahten - Voraussetzung abhängig gemacht, dass die Prognose über die Realisierbarkeit der Alternativplanung nicht erschüttert ist.)

Der Satzungsgeber ist demzufolge im Grundsatz nicht gehindert, trotz unterbliebener Festschreibung des Bedarfs im Landesstraßenbedarfsplan und geringer Realisierungschancen der Planung für die Geltungsdauer des Landesstraßenbedarfsplans - dieser soll gemäß § 1 Abs. 4 LStrAusbauG (erst) nach fünf Jahren fortgeschrieben werden - eine Straßenplanung durch Bebauungsplan vorzunehmen. Denn eine Gemeinde ist gemäß § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB regelmäßig befugt, durch bauplanerische Festsetzungen im Rahmen der Selbstverwaltung eine gemeindliche "Verkehrspolitik" zu betreiben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.4.1997 - 4 BN 1.97 -, BRS 59 Nr. 1 = NVwZ-RR 1998, 217, und Urteil vom 7.6.2001 - 4 CN 1.01 -, DVBl. 2001, 1845 = ZfBR 2002, 70

Dazu gehört auch, dass sie aus ihrer Sicht wünschenswerte Änderungen der Verkehrsführung planerisch vorbereitet, selbst wenn die Umsetzung der Planung nicht gesichert ist. Ein Erfordernis der Planung ließe sich nur dann verneinen, wenn diese objektiv nicht realisierungsfähig wäre.

Vgl. für eine fernstraßenrechtliche Planung BVerwG, Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, BVerwGE 84, 123 = NVwZ 1990, 860; Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 5. Auflage, 1998, § 17 Rn. 133.

Das ist hier nicht der Fall.

Auszugehen ist davon, dass in die Bewertung, die zur Aufnahme einer Straße in den Bedarfsplan führt, unterschiedliche Gesichtspunkte einfließen, etwa Prognosen der Verkehrsentwicklung und Verkehrsströme, Beiträge zur Verkehrssicherheit sowie sonstige bei der Bedarfsplanung berührte Belange, insbesondere die der Raumordnung, des Umweltschutzes und des Städtebaus, die voraussichtlichen Investitions- und Unterhaltungskosten sowie die zu erwartenden öffentlichen Mittel.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 -, a.a.O.

Nicht ohne Bedeutung für die Aufnahme von Straßen in den Landesstraßenbedarfsplan ist ferner, wie sich aus der von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung überreichten Sitzungsvorlage der Bezirksregierung D. für den Regionalrat betreffend die Fortschreibung des Bedarfsplans ergibt, auch der planungsrechtliche Status des Vorhabens. Die Anlage B, 3b, in der die Einstufungskriterien für Straßenbauvorhaben aufgeführt sind, enthält unter dem Stichwort "Bearbeitungsstand" insgesamt 15 verschiedene Planungsstadien, in denen sich das Vorhaben befinden kann. Es liegt auf der Hand, dass ein planungsrechtlich abgesichertes Vorhaben bei gleichen sonstigen Einstufungskriterien (Dringlichkeit, Finanzierbarkeit etc.) eine größere Chance auf Aufnahme in den Landesstraßenbedarfsplan hat als ein Projekt, dessen planungsrechtliches Schicksal ungewiss ist.

Häufig ist die Entscheidung über das Bestehen eines Bedarfs aber in erster Linie eine Frage politischen Wollens und Wertens.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 -, a.a.O; Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Auflage, 1999, Kapitel 32 Rn. 3; BT-Drucks. 12/3480 S. 4 ff.

Eine Fortschreibung des aus dem Jahre 1993 stammenden Landesstraßenbedarfsplans ist entgegen der gesetzlichen Vorgabe des § 1 Abs. 4 LStrAusbauG, der eine Fortschreibung nach fünf Jahren vorsieht, bislang nicht erfolgt. Für den Fall der Fortschreibung des Bedarfsplans erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass das von der Antragsgegnerin durch Bebauungsplan festgesetzte Straßenbauvorhaben Berücksichtigung findet und in den Bedarfsplan aufgenommen wird. (Wird ausgeführt)

Das Erfordernis der Planung lässt sich auch nicht mit der Begründung verneinen, der angegriffene Bebauungsplan, der einen Planfeststellungsbeschluss ersetze (vgl. § 38 Abs. 4 Satz 1 StrWG NRW), erfülle nicht die an einen solchen zu stellende gesetzliche Anforderung einer zeitgerechten Umsetzung. Insoweit verweist die Antragstellerin darauf, Planfeststellungsbeschlüsse für Landesstraßen träten spätestens außer Kraft, wenn mit der Durchführung des Planes nicht innerhalb von 10 Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen worden sei (§ 75 Abs. 4 VwVfG NRW, § 39 Abs. 1 und Abs. 7 Satz 1 StrWG NRW).

Vgl. zu der entsprechenden Problematik des § 17 Abs. 7 Satz 1 FStrG: BVerwG, Urteil vom 20.5.1999 - 4 A 12.98 -, a.a.O.

Sie meint weiter, es sei in keiner Weise absehbar, ob die L ...n vor Ablauf einer Zehnjahresfrist in Angriff genommen werden könne, so dass die Planung einer realistischen Grundlage entbehre. Die Auffassung der Antragstellerin geht von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz aus. Die Grundsätze, die im Planfeststellungsrecht Geltung beanspruchen, lassen sich nicht unbesehen auf die Bauleitplanung übertragen. Wenn der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Wahl zwischen Bebauungsplan und Planfeststellung eröffnet, dann billigt er es auch, dass sich im Falle der Festsetzung des Vorhabens durch Bebauungsplan die inhaltlichen Anforderungen an den Plan nach den Regelungen des Baugesetzbuchs bestimmen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 -, BRS 57 Nr.2.

Diese sehen keinen bestimmten Realisierungszeitraum für eine im Bebauungsplan festgesetzte Straße vor. Anders als ein Planfeststellungsbeschluss, der Objektplanung und damit - unter Begründung einer Verpflichtung des Baulastträgers - auf baldige Umsetzung angelegt ist, stellt ein Bebauungsplan eine Angebotsplanung dar, d.h. er eröffnet nur die Befugnis zur tatsächlichen Verwirklichung, begründet aber insoweit keine Verpflichtung.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, a.a.O., 860, und vom 26.8.1993 - 4 C 24.91 -, BRS 55 Nr. 17.

Der Plan wahrt auch die Anforderungen des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 6 BauGB.

...

Die Abwägung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als der Bebauungsplan mit der Festsetzung der Trasse der L ...n die Privatnützigkeit eines Teils der Grundstücke der Antragstellerin beseitigt.

Die mit der Planung u.a. verfolgte Zielsetzung eines verbesserten Lärmschutzes der Wohnbevölkerung durch Änderung der Trassenführung kann es grundsätzlich auch rechtfertigen, die Belange privater Grundeigentümer zurückzusetzen und ihr Eigentum mit einer zu verlegenden öffentlichen Verkehrsfläche und den zugehörigen Anlagen (Lärmschutzwälle etc.) zu überplanen.

Die Inanspruchnahme privaten Grund und Bodens der Antragstellerin für die genannten Zwecke ist von gewichtigen, oben näher erläuterten öffentlichen Belangen getragen. Diesen durfte die Antragsgegnerin in der Abwägung Vorrang geben.

Allerdings ist das private Eigentum als ein in hervorgehobener Weise abwägungsbeachtlicher Belang zu berücksichtigen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.10.1992 - 4 NB 36.92 -, BRS 54 Nr. 57.

Besondere Beachtung ist der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelten und geschützten Rechtsposition in der Abwägung dann zu geben, wenn privates Eigentum für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen werden soll.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.8.1993 - 4 C 24.91 -, BVerwGE 94, 100; Beschluss vom 3.6.1998 - 4 BN 25.98 -, BRS 60 Nr. 8 = NVwZ-RR 1999, 425.

In derartigen Fällen hat die Gemeinde das private Interesse am Erhalt bestehender und damit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallender Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse an einer städtebaulichen Neuordnung des Plangebiets abzuwägen. In die Abwägung ist einzustellen, dass sich der Entzug der Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine Teilenteignung auswirken kann und dass dem Bestandsschutz daher ein den von Art. 14 Abs. 3 GG erfassten Fällen vergleichbares Gewicht zukommt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.2.1999 - 1 BvR 565/91 -, BRS 62 Nr. 69.

Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Abwägung das Interesse der Antragstellerin an einer Erhaltung des Eigentums an ihrem Grundstück nicht verkannt. Dem Rat der Antragsgegnerin war bewusst, dass eine Inanspruchnahme des Grundstücks für den Trassenverlauf der L ...n eine Nutzung als Sandabbaustätte ausschließen würde. Er musste diesem Aspekt aber angesichts der besonderen Umstände des Falles kein gesteigertes Gewicht beimessen. (wird ausgeführt)

Im Übrigen kam dem Interesse an einem weiteren Sandabbau aber auch aus rechtlichen Gründen kein Gewicht zu, das in der Abwägung einen Verzicht auf die Inanspruchnahme des Grundstücks für die Trasse der L ...n nahe gelegt hätte.

Zu den der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallenden Nutzungsrechten gehört allerdings grundsätzlich - als Ausfluss des Eigentums am Grundstück - das Recht zum Abbau von Bodenbestandteilen, die nicht dem Bergregal unterliegen (sog. "grundeigene" Bodenschätze, § 3 Abs. 2 Satz 1 BBergG).

Vgl. BGH, Urteil vom 26.1.1984 - III ZR 216/82 -, BGHZ 90, 17 = NVwZ 1984, 397; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.5.1996 - U (Baul) 2/95 -, NVwZ 1998, 996.

Da Kiese und Kiessande im Regelfall zu den grundeigenen und nicht zu den "bergfreien" (nicht mit dem Eigentum an dem Grundstück verbundenen, § 3 Abs. 2 Satz 2 BBergG) Bodenschätzen gehören (§ 3 Abs. 4 BBergG), für Ausnahmefälle vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.1993 - 7 C 36 und 37.92 -, BVerwGE 94, 23, folgt das Recht zum Abbau grundsätzlich aus dem Eigentum am Grundstück. Dies gilt ungeachtet einer etwa erforderlichen Abgrabungsgenehmigung.

Vgl. BGH, Urteil vom 26.1.1984 - III ZR 216/82 -, a.a.O.

Die eigentumsähnliche Ausgestaltung des Nutzungsrechts erfährt allerdings insoweit Einschränkungen, als dem Eigentümer kein Recht zusteht, im Rahmen der Grundstücksnutzung - hier des Abbaus von Sand - auf das Grundwasser einzuwirken. Das Wasserhaushaltsgesetz schließt Eingriffe in das Grundwasser prinzipiell vom Inhalt des Grundeigentums aus.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.7.1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300 = BRS 45 Nr. 142.

Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Eingriff die Nutzung des Grundwassers selbst zum Ziele hat oder ob die Benutzung des Grundwassers lediglich eine lästige Begleiterscheinung einer anderen Zwecken dienenden Maßnahme ist. Das Grundstückseigentum umfasst nicht die Befugnis zur Nutzung des Erdkörpers, die nur im Rahmen einer zulassungspflichtigen Grundwasserbenutzung verwirklicht werden kann.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.7.1981 - 1 BvL 77/78 -, a.a.O.

(Es wird ausgeführt, dass der Rat der Antragsgegnerin von einer weitgehenden Erschöpfung des Sandvorkommens und einer damit einhergehenden Gefährdung des Grundwassers ausgehen durfte.)

Der Rat der Antragsgegnerin hat auch das Interesse der Antragstellerin an einer Verfüllung der Sandgrube erkannt und mit dem ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. (wird ausgeführt)

Ein Recht der Antragstellerin bzw. der Firma D. zur Verfüllung der Sandgrube, das in der Abwägung zu beachten gewesen wäre, folgt nicht aus dem Grundeigentum. Die Befugnis zur Verfüllung ist nicht Bestandteil der sog. Eigentümernutzung, sondern kann sich allenfalls aus sonstigen subjektiv-öffentlichen Rechten ergeben, beispielsweise aus einer wasserrechtlichen Erlaubnis.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.1993 - 7 B 53.93 -, Buchholz 445.4 § 15 WHG Nr. 10.

Die in Rede stehende Nutzung unterfällt daher von vornherein nicht dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.1993 - 7 B 53.95 -, a.a.O.

Auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten stand ihr ein solcher Anspruch nicht zu. Dieser lässt sich insbesondere nicht aus § 2 Abs. 1 AbgrG NRW herleiten. Nach dieser Vorschrift ist, wer Bodenschätze abbaut (Unternehmer), zur unverzüglichen Herrichtung "verpflichtet". Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AbgrG ist auch der Eigentümer zur Herrichtung verpflichtet, soweit der Unternehmer seine Pflicht zur Herrichtung nicht erfüllt. Aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung besteht damit kein Recht, sondern nur eine Pflicht zur Herrichtung. Auch wenn diese gegebenenfalls die Verfüllung des Geländes einschließen kann, dient die Herrichtungspflicht durch Oberflächengestaltung und Wiedernutzbarmachung des Geländes allein öffentlichen Interessen an der Behebung von Landschaftsschäden, die durch die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen eingetreten sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.1.2001 - 8 A 1850/99 -, NWVBl. 2001, 395 = NuR 2001, 532.

Die Pflicht zur Behebung von Landschaftsschäden im Wege der Verfüllung und Rekultivierung kann unter Umständen entfallen, wenn Schäden nicht (mehr) zu besorgen sind. Das kann u.a. der Fall sein, wenn sich in der Abgrabungsfläche ein ökologisch wertvoller Lebensraum für Tiere und/oder Pflanzen gebildet hat, der die Struktur und ökologische Wertigkeit der Landschaft neu bestimmt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.1.2001 - 8 A 1850/99 -, a.a.O.; OLG Hamm, Urteil vom 2.3.1989 - 22 U 106/88 -, NuR 1991, 43.

Ein bei Genehmigung der Abgrabung erwarteter Landschaftsschaden ist trotz Durchführung der Abgrabung auch dann zu verneinen, wenn der Landschaftsteil einer anderen als der ursprünglichen Zweckbestimmung zugeführt werden soll. Es fehlt dann ebenfalls an den Voraussetzungen für die Annahme einer fortbestehenden Herrichtungspflicht des Eigentümers oder Unternehmers, weil die Umsetzung der geänderten Planungsvorstellungen höher einzuschätzen ist als der Wert einer durch Verfüllung und Rekultivierung wiederhergestellten Abgrabungsfläche. Im vorliegenden Fall hat sich die Zweckbestimmung geändert. Das Gelände soll teilweise als Straßentrasse (in Tieflage), teilweise der Sicherung der Belange von Natur und Landschaft, teilweise als geologisch-erdgeschichtliches Anschauungsobjekt und teilweise als naturnahe Kinderspielfläche dienen.

War aber weder ein Herrichtungsrecht noch eine -pflicht der Antragstellerin bzw. der Firma D. (mehr) gegeben, hatte ihr privates Interesse an einer Verfüllung der Sandgrube - dieses bestand darin, durch eine (Teil-)Verfüllung des Abgrabungsgeländes die Kosten der Rekultivierung übersteigende wirtschaftliche Gewinne zu erzielen - dementsprechend nur einen geringen Stellenwert. Die Möglichkeit der Verfüllung der Sandgrube hatte von Beginn an ohnehin nur den Charakter einer Chance, die - neben dem Erfordernis der Herrichtungsbedürftigkeit der Grube - zusätzlich belastet war mit zu erwartenden wasser-, abfall- und landschaftschutzrechtlichen Anforderungen. Der Rat durfte in der Abwägung die gewandelte Eigenart und Funktion des Grundstücks und dessen daraus folgende Situationsgebundenheit berücksichtigen. Denn jedes Grundstück wird durch seine Lage und Beschaffenheit sowie die Einbettung in seine Umwelt, also durch seine jeweilige Situation, geprägt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.1993 - 7 C 26.92 -, BVerwGE 94, 1 = DVBl. 1993, 236.

Sind beispielsweise - wie hier - die natürlichen oder landschaftsräumlichen Gegebenheiten eines Grundstücks im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswert und bedürfen sie des Schutzes, so ergibt sich hieraus eine Art immanenter, d.h. dem Grundstück selbst anhaftender Beschränkung der Eigentümerbefugnisse, die durch natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen lediglich nachgezeichnet wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.1993 - 7 C 26.92 -, a.a.O.

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