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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 21.11.2002
Aktenzeichen: 11 D 32/02.AK
Rechtsgebiete: FStrG, VwVfG NRW


Vorschriften:

FStrG § 17 Abs. 6
VwVfG NRW § 74
§ 17 Abs. 6, erster Halbsatz FStrG regelt abschließend, dass die individuelle Zustellung eines Planfeststellungsbeschlusses mit Rechtsbehelfsbelehrung (nur) an den Träger des Vorhabens und an diejenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, zu erfolgen hat. Eine weitergehende Verpflichtung zur Zustellung auch an "bekannte Betroffene", wie etwa in § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW normiert, besteht bei fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen nicht.
Gründe:

Die im Februar 2002 erhobene Klage ist unzulässig, weil sie verfristet ist.

Die Klägerin hat die Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses versäumt (vgl. § 74 Abs. 1 VwGO).

Die Beurteilung der Frage, ob der Planfeststellungsbeschluss vom 19.9.1997 auch der Klägerin gegenüber rechtswirksam bekannt gegeben worden ist, hat auf der Grundlage des § 17 Abs. 6 FStrG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.4.1994 (BGBl. I S. 854), im maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.6.1997 (BGBl. I S. 1452), zu erfolgen; diese Bestimmung gilt derzeit unverändert fort. Hiernach ist der Planfeststellungsbeschluss dem Träger des Vorhabens und denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, mit Rechtsbehelfsbelehrung zuzustellen; die Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze über die Bekanntgabe von Planfeststellungsbeschlüssen bleiben im Übrigen unberührt.

Die Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses erfolgte der Klägerin gegenüber dadurch, dass gemäß § 17 Abs. 6, zweiter Halbsatz FStrG i. V. m. § 74 Abs. 4 Sätze 2 und 3 VwVfG NRW in der Fassung des Gesetzes vom 22.11.1994 (GV. NRW. S. 1064) eine Ausfertigung dieses Planfeststellungsbeschlusses nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 18.11.1997 bis zum 2.12.1997 bei der Gemeinde R. zur Einsicht ausgelegen hat.

Eine besondere, individuelle Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses mit Rechtsbehelfsbelehrung an die Klägerin war nicht erforderlich. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 6, erster Halbsatz FStrG muss der Planfeststellungsbeschluss mit Rechtsbehelfsbelehrung neben dem Vorhabenträger nur denjenigen (förmlich) zugestellt werden, über deren Einwendungen entschieden worden ist. Einwendungen gegen die Planung sind von der Klägerin nixhr erhoben worden. (wird ausgeführt)

Das Erfordernis einer besonderen Zustellung an die Klägerin selbst ergab sich auch nicht aus § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW, wonach der Planfestellungsbeschluss zusätzlich auch den "bekannten Betroffenen" zuzustellen ist. Diese Vorschrift findet nur dann Anwendung, wenn und soweit Fachplanungsgesetze keine inhaltsgleichen oder (ganz bzw. teilweise) entgegenstehenden Rechtsvorschriften enthalten.

Vgl. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Aufl. (2001), § 74 Rdnr. 114; siehe auch Dürr, in Kodal/Krämer (Hrsg.), Kap. 35 Rdnr. 13.31, S. 1147.

§ 17 Abs. 6, erster Halbsatz FStrG ist im Verhältnis zu § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW eine solche spezialgesetzliche Regelung mit einem eindeutigen Wortlaut.

Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers des Bundesfernstraßenrechts, dass neben dem Vorhabenträger und denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, der Planfeststellungsbeschluss nicht zusätzlich auch den bekannten Betroffenen zuzustellen ist. § 17 Abs. 6, erster Halbsatz FStrG geht zurück auf die inhaltsgleiche Bestimmung des § 18a Abs. 4 Satz 1 FStrG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenrechts (2. FStrGÄndG) vom 4.7.1974, BGBl. I S. 1401. Diese Bestimmung hatte ihre Fassung im Wesentlichen auf Vorschlag des Bundesrates erhalten. Der Bundestag hat lediglich die Zustellung an den Träger der Straßenbaulast hinzugefügt. Demgegenüber hat der Bundesrat die erweiterte Fassung des Regierungsentwurfs abgelehnt, in der zusätzlich die Zustellung an die bekannten Betroffenen vorgesehen war.

Vgl. BT-Drucks. 7/1265, S. 11 und 23 einerseits sowie S. 31 f. andererseits; BT-Drucks. 7/1828, S. 5 und 23; BT-Drucks. S. 7/2152; siehe auch Schroeter, in: Marschall/Schroeter/Kastner (Hrsg.), Bundesfernstraßengesetz, Kommentar, 4. Aufl. (1977), § 18a Rdnr. 6.1.

Auf Grund der Reform des Bundesfernstraßenrechts durch das Dritte Rechtsbereinigungsgesetz vom 28.6.1990, BGBl. I S. 1221, wurde § 17 Abs. 6 FStrG unter gleichzeitiger Aufhebung u.a. des § 18a FStrG a. F. neu gefasst (vgl. Bekanntmachung der Neufassung des Bundesfernstraßengesetzes vom 8.8.1990, BGBl. I S. 1714). Seither war bzw. ist § 17 Abs. 6 FStrG n. F. unverändert in allen weiteren Fassungen des Bundesfernstraßengesetzes enthalten. Die Regelung, dass ebenso wie bei § 18a Abs. 4 Satz 1 FStrG a. F. auch in § 17 Abs. 6 FStrG der Kreis der Zustellungsempfänger nicht auf die "bekannten Betroffenen" erweitert wurde, geht erneut auf den Bundesrat zurück. Entgegen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte der Bundesrat als damals geplanten Absatz 7 im Wesentlichen den Wortlaut des heutigen Absatzes 6 des Fernstraßengesetzes vorgeschlagen. Zur Begründung ist ausgeführt:

"Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 18a Abs. 4 Satz 1 des Bundesfernstraßengesetzes. Die Verwaltungsverfahrensgesetze sehen die Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses mit Rechtsbehelfsbelehrung auch an Žbekannte BetroffeneŽ vor. Soweit deren Einwendungen nach § 17 Abs. 5 n. F. FStrG ausgeschlossen sind, ist dies entbehrlich. Auch ohne die Einführung der materiellen Präklusion ist diese Regelung aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Der Kreis der Žbekannten BetroffenenŽ im Sinne des Gesetzes ist bei Straßenbauvorhaben nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Deshalb ist die Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses wie bisher auf diejenigen zu beschränken, die Einwendungen erhoben haben. Andernfalls wäre der Planfeststellungsbeschluss in vielen Fällen auf lange Zeit anfechtbar, da die Rechtsbehelfsfrist nicht in Gang gesetzt wird. Diese Rechtsunsicherheit ist angesichts der in der Regel hohen investiven Kosten aus Gründen des öffentlichen Interesses nicht vertretbar".

Die Bundesregierung hat diesem Vorschlag mit einer klarstellenden Ergänzung zugestimmt.

Vgl. BT-Drucks. 11/4310, S. 96 ff., einerseits und 11/4311, S. 16 ff., andererseits; siehe auch Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BT-Drucks. 11/6805, S. 20.

Das nach § 17 Abs. 6, erster Halbsatz FStrG fehlende Erfordernis einer Zustellung des Planfestellungsbeschlusses gemäß § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW auch an die "bekannten Betroffenen" ergibt sich ebensowenig aus dem Verweis in § 17 Abs. 6, zweiter Halbsatz FStrG. Hiernach bleiben die Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze über die Bekanntgabe von Planfeststellungsbeschlüssen im Übrigen unberührt. Aus der Formulierung "im übrigen" ergibt sich, dass eine Anwendung der allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen über die Bekanntgabe von Planfeststellungsbeschlüssen nur erfolgt, soweit nicht bereits das Bundesfernstraßengesetz eine abschließende und besondere Bestimmung - hier: § 17 Abs. 6, erster Halbbsatz FStrG - trifft. Unberührt bleiben unter anderem die Regelungen für die Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses gegenüber den übrigen Betroffenen durch Offenlegung nach § 74 Abs. 4 Sätze 2 und 3 VwVfG NRW sowie für die Möglichkeit einer öffentlichen Bekanntgabe nach Absatz 5 der vorgenannten Bestimmung bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen.

Der verschiedentlich im Schrifttum vertretenen Auffassung, ein fernstraßenrechtlicher Planfeststellungsbeschluss sei auch den "bekannten Betroffenen" zuzustellen - vgl. etwa Kühling, Fachplanungsrecht, 1. Aufl. (1988), Rdnr. 329; Ronellenfitsch, in: Marschall/Schroeter/Kastner (Hrsg.), Bundesfernstraßengesetz, Kommentar, 5. Aufl. (1998), § 17 Rdnr. 183 -; kann nach dem vorstehend Dargelegten nicht gefolgt werden. Im Übrigen wird in den zitierten Literaturhinweisen für die dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes zuwider laufende Meinung keine Begründung gegeben.

Ende der Entscheidung

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