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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 15.07.2009
Aktenzeichen: 12 A 1488/08
Rechtsgebiete: PfG NRW, SGB XI


Vorschriften:

PfG NRW § 11
SGB XI § 9
SGB XI § 82 Abs. 3
Der Anspruch von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen auf bewohnerorientierte Aufwendungszuschüsse nach § 11 PfG NRW ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil diese den Nutzern ihrer Einrichtungen zusätzliche Investitionskosten gesondert in Rechnung stellen.
Tatbestand:

Die Klägerin betreibt eine Einrichtung der Tages- und Kurzzeitpflege, für welche sie von der Beklagten die Gewährung einer Förderung der bewohnerorientierten Investitionsaufwendungen nach dem Landespflegegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen begehrte. Zusätzlich stellte die Klägerin ihren Nutzern weitere Investitionsaufwendungen in Rechnung. Die Beklagte lehnte die Anträge der Klägerin mit der Begründung ab, dass eine solche Abrechnung gegenüber den Nutzern den Anspruch auf die beantragte Förderung nach dem Landespflegegesetz NRW ausschließe. Das VG hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Gründe:

Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil die Klägerin einen Anspruch auf die von ihr begehrten bewohnerorientierten Aufwendungszuschüsse hat (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 11 des Gesetzes zur Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes (Landespflegegesetz Nordrhein-Westfalen - PfG NRW) vom 19.3.1996 (GV. NRW, S. 137) in der ab 1.8.2003 geltenden Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Umsetzung des Pflegeversicherungsgesetzes vom 8.7.2003 (GV. NRW, S. 380). Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 PfG NRW wird Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen zur Finanzierung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen ein bewohnerorientierter Aufwendungszuschuss gewährt. Die als betriebsnotwendig anerkennungsfähigen Investitionskosten werden durch gesonderte Berechnung ermittelt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 PfG NRW). Diese richtet sich gemäß § 17 Abs. 2 PfG NRW bei Pflegeeinrichtungen, denen - wie der Klägerin - in der Zeit zwischen dem 1.7.1996 und dem 31.7.2003 eine Förderung der Investitionskosten gemäß der §§ 11, 12, 13 und 14 PfG NRW in der bisher geltenden Fassung bewilligt worden ist, nach § 15 PfG NRW in der früheren Fassung, der Verordnung über die gesonderte Berechnung nicht geförderterer Investitionsaufwendungen von Tages-, Nacht-, Kurzzeitpflegeeinrichtungen und vollstationären Pflegeeinrichtungen nach dem Landespflegegesetz vom 4.6.1996 - GesBerVO - (GV. NRW, S. 196) und § 5 Abs. 2 der Verordnung zur Förderung von Investitionen von Tages-, Nacht-, Kurzzeitpflegeeinrichtungen sowie von vollstationären Pflegeeinrichtungen vom 4.6.1996 - StatPflVO - (GV. NRW, S. 198). Gemäß § 11 Abs. 2 PfG NRW haben zugelassene Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen, die eine vertragliche Regelung nach § 85 SGB XI abgeschlossen haben, einen Anspruch gegen den zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe oder den überörtlichen Träger der Kriegsopferfürsorge auf Gewährung von Zuschüssen zu den Aufwendungen der Pflegeeinrichtungen nach § 82 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 SGB XI für die Plätze, die von Personen genutzt werden, die als pflegebedürftig im Sinne des SGB XI anerkannt sind.

Diese Voraussetzungen zur Gewährung des bewohnerorientierten Aufwendungszuschusses liegen nach Auffassung der Beteiligten unstreitig vor.

Der Anspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin den Nutzern ihrer Tagespflegeeinrichtung zusätzliche Investitionskosten gesondert in Rechnung stellt, die nach ihren Angaben durch den bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss nach § 11 PfG NRW nicht gedeckt sind. Der Wortlaut des Landespflegegesetzes NRW sieht einen solchen Ausschluss nicht vor. Er ergibt sich auch nicht aus dem Willen des Gesetzgebers unter Berücksichtigung des § 82 Abs. 3 und 4 SGB XI.

Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 PfG NRW besteht der Anspruch auf die Gewährung der Zuschüsse, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Zu diesen im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen zählt nicht, dass Nutzern keine zusätzlichen Investitionskosten gesondert in Rechnung gestellt werden. Dies folgt auch nicht aus der Höhe des Anspruchs der Tages-, Nacht- oder Kurzzeitpflegeeinrichtung, der sich nach § 11 Abs. 3 PfG NRW nach der Rechtsverordnung gemäß Absatz 4 bemisst und sich auf die anerkennungsfähigen Investitionsaufwendungen beläuft. Nach § 2 Satz 1 der Verordnung über die Förderung der Investitionen von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen sowie über den bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss vollstationärer Dauerpflegeeinrichtungen (Pflegewohngeld) - Pflegeeinrichtungsförderverordnung (PflFEinrVO) vom 15.10.2003 (GV. NRW, S. 613), der Rechtsverordnung aufgrund der §§ 11 Abs. 4, 12 Abs. 6 PfG NRW, beträgt der Förderzuschuss 100 vom Hundert der nach der Verordnung über die gesonderte Berechnung nicht geförderter Investitionsaufwendungen für Pflegeeinrichtungen (GesBerVO) ermittelten Aufwendungen pro Platz. Aus der Höhe der Förderung lässt sich aber nicht ableiten, dass die Förderung zu versagen ist, wenn neben dieser Investitionskostenförderung auch den Nutzern der Einrichtung (weitere) Investitionsaufwendungen in Rechnung gestellt werden. Eine solche Berechnung gegenüber den Nutzern führt insbesondere nicht zwingend zu einer Doppelfinanzierung der Investitionsaufwendungen der Einrichtung. Denn die vorgesehene einhundertpro-zentige Förderung der ermittelten Aufwendungen bedeutet aufgrund der nach der GesBerVO der Berechnung zugrunde zu legenden Pauschalen etwa zur Auslastung der Einrichtung und der Obergrenzen der betriebsnotwendigen Investitionskosten nicht notwendig, dass tatsächlich einhundert Prozent der nach den bundesrechtlichen Vorgaben grundsätzlich förderfähigen Aufwendungen gefördert werden.

Dass der Aufwendungszuschuss nach § 11 PfG NRW "bewohnerorientiert" ist, besagt nicht, dass mit seiner Bewilligung eine Freistellung der Bewohner von weiteren Belastungen mit Investitionsaufwendungen einhergeht und er voraussetzt, dass ihnen diese nicht berechnet werden. Daraus folgt lediglich, dass er nur für die Plätze der Einrichtungen der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen gewährt wird, die tatsächlich von Pflegebedürftigen genutzt werden, die als pflegebedürftig im Sinne des SGB XI anerkannt sind (vgl. § 11 Abs. 2 PfG NRW, § 1 Nr. 4 PflFEinrVO).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber die Gewährung der Zuschüsse davon abhängig machen wollte, dass den Nutzern keine (zusätzlichen) Investitionskosten in Rechnung gestellt würden. Er kam mit dem Landespflegegesetz seiner Verantwortung gemäß § 9 Satz 1 SGB XI für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur nach.

Vgl. LT-Drucks. 12/194, S. 1; LT-Drucks. 13/3498, S. 29.

Gemäß § 9 Satz 2 SGB XI wird das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen durch Landesrecht bestimmt. Einen Rechtsanspruch der Pflegeeinrichtungen auf Investitionsförderung gegen das Bundesland sieht die Vorschrift nicht vor. Die jeweils konkrete Förderung und Planung wird vielmehr in das Ermessen des Landesgesetzgebers gestellt.

Vgl. Gürtner, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: April 2009, § 82 Rn. 3; Mühlenbruch, in: Hauck/Wilde, SGB XI, Stand: Mai 2009, Bd. 2, § 82 Rn. 7.

An die Landesförderung knüpft § 82 Abs. 3 SGB XI an. Danach kann die Pflegeeinrichtung, soweit betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI durch öffentliche Förderung gemäß § 9 SGB XI nicht vollständig gedeckt sind, diesen Teil der Aufwendungen den Pflegebedürftigen gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung bedarf gemäß § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde. Eine Zustimmung zur gesonderten Berechnung sieht das nordrhein-westfälische Landesrecht in § 13 Abs. 2 PfG NRW vor.

Vgl. LT-Drucks. 13/3498, S. 37: "Die Ergänzung in Absatz 2, wonach die gesonderte Berechnung der Zustimmung der zuständigen Behörde bedarf, ist wegen der hierzu unterschiedlichen Regelungen in § 82 Absatz 3 und 4 SGB XI eine notwendige Klarstellung. Während nach Landesrecht geförderte Pflegeeinrichtungen gemäß § 82 Absatz 3 SGB XI eine Zustimmung der zuständigen Behörde zu ihrer gesonderten Berechnung benötigen, sind nicht geförderte Einrichtungen gemäß § 82 Absatz 4 SGB XI lediglich anzeigepflichtig. Da es sich bei dem bewoh-nerorientierten Aufwendungszuschuss gemäß § 11 und dem Pflegewohngeld gemäß § 12 jeweils um eine nachschüssige öffentliche Förderung handelt, ist die Zustimmung zur gesonderten Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionskosten erforderlich. Die Einrichtungen, die ihre gesonderte Berechnung lediglich angezeigt haben, haben damit keinen Anspruch auf den bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss oder auf Pflegewohngeld."; zur Zustimmungsbedürftigkeit der Förderung von Kurzzeitpflegeplätzen in Niedersachsen: Nds. OVG, Beschluss vom 7.3.2006 - 11 ME 217/05 -, juris.

Der Landesgesetzgeber schloss damit gerade nicht von vornherein eine gesonderte Berechnung (auch nicht bei Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen) gegenüber den Nutzern der Einrichtungen aus. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 13 Abs. 1 PfG NRW bzw. § 15 Abs. 1 PfG NRW in der früheren Fassung ("Als dem Pflegebedürftigen gesondert berechnungsfähige ...").

Dementsprechend kann auch dem Verweis in § 11 Abs. 1 Satz 2 PfG NRW auf § 13 PfG NRW (bzw. nach der Übergangsvorschrift in § 17 Abs. 2 PfG NRW auf § 15 PfG NRW in der früheren Fassung) nicht entnommen werden, dass die Förderung nach § 11 PfG NRW ausgeschlossen sein sollte, wenn den Bewohnern Investitionsaufwendungen in Rechnung gestellt werden. Mit dem Verweis ist vielmehr klargestellt, dass es einer entsprechenden Berechnung der Investitionskosten durch die Pflegeeinrichtung bedarf, um einen Anspruch auf den bewohnerorientierten Aufwendungszuschuss nach § 11 PfG NRW zu haben.

Vgl. auch LT-Drucks. 13/3498, S. 35: "Zudem wird festgelegt, dass die teilstationären Einrichtungen nur dann einen Anspruch auf einen Aufwendungszuschuss haben, wenn sie die betriebsnotwendigen Investitionskosten gemäß § 13 gesondert berechnen."

Die Auslegung, wonach die Förderung nach § 11 PfG NRW nicht ausgeschlossen ist, wenn Bewohnern zusätzlich Investitionsaufwendungen von der Pflegeeinrichtung in Rechnung gestellt werden, steht im Einklang mit § 82 SGB XI. Dieser unterscheidet in seinen Absätzen 3 und 4 zwischen einer teilweise öffentlichen Förderung und dem Fehlen einer öffentlichen Förderung. Pflegeeinrichtungen, die nicht nach Landesrecht gefördert werden, können ihre betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gemäß § 82 Abs. 4 Satz 1 SGB XI den Pflegebedürftigen ohne Zustimmung der zuständigen Landesbehörde gesondert berechnen. Die gesonderte Berechnung ist gemäß § 82 Abs. 4 Satz 2 SGB XI der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen. Nach der Konzeption des § 82 Abs. 3 SGB XI wird die öffentliche Förderung vorausgesetzt und dann, wenn diese die in § 82 Abs. 3 SGB XI genannten Investitionsaufwendungen nicht vollständig abdeckt, darf die Pflegeeinrichtung - nach der Zustimmung der zuständigen Landesbehörde - den Pflegebedürftigen (als Rechtsfolge) in Anspruch nehmen. Damit hängt die gesonderte Berechnung der Investitionsaufwendungen gegenüber dem Pflegebedürftigen vom Umfang der öffentlichen Förderung ab, nicht aber die öffentliche Förderung von dieser gesonderten Berechnung bzw. ihrem Fehlen.

Vgl. auch: Plantholz/Schmäing, in: Klie/Krahmer, SGB XI, 3. Auflage 2009, § 82 Rn. 14: "Die Pflegebedürftigen sind insofern nachrangiger Kostenträger für nicht durch öffentliche Fördermittel gedeckte Investitionsaufwendungen der Pflegeeinrichtung."

Für eine Auslegung des § 11 PfG NRW dahingehend, er setze als zusätzliches Tatbestandsmerkmal voraus, dass den Pflegebedürftigen von der Pflegeeinrichtung keine Investitionskosten in Rechnung gestellt werden, besteht schließlich auch zum Schutz der Nutzer der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen, sofern überhaupt eine Schutzbedürftigkeit angenommen wird, kein zwingender Bedarf. Diesem Schutz wird im Anwendungsbereich des § 82 Abs. 3 SGB XI Rechnung getragen durch das Erfordernis einer Zustimmung der zuständigen Landesbehörde zur gesonderten Berechnung des durch öffentliche Förderung nicht gedeckten Teils der genannten betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen. Dieses dient dazu zu verhindern, dass dem Heimbewohner Kostenanteile in Rechnung gestellt werden, die bereits durch öffentliche Förderung gedeckt sind.

Vgl. BSG, Urteil vom 24.7.2003, a. a. O.; Urteil vom 6.9.2007 - B 3 P 3/07 R -, BSGE 99, 57 ff.; LSG NRW, Urteil vom 22.8.2006 - L 6 (3) P 17/03 -, juris; Gürtner, a. a. O., § 82 Rn. 13; Mühlenbruch, a. a. O., § 82 Rn. 27; Udsching, SGB XI, 2. Auflage 2000, § 82 Rn. 9.

Diese Vermeidung einer Doppelfinanzierung kann insbesondere durch die Versagung der Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen erreicht werden, gegen die die Pflegeeinrichtung gegebenenfalls durch eine Klage auf Erteilung der Zustimmung vorgehen könnte, für welche die Sozialgerichte zuständig sind.

Vgl. zur Zuständigkeit der Sozialgerichte: BVerwG, Urteil vom 26.4.2002 - 3 C 41.01 -, Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 287 = NVwZ-RR 2002, 607 f.; Beschluss vom 30.6.2004 - 3 B 89.03 -, NVwZ-RR 2004, 911 = DVBl. 2004, 1492 f.

Die Frage, ob die Klägerin gegenüber den Nutzern ihrer Einrichtung zu Unrecht Investitionsaufwendungen in Rechnung stellt, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und kann dahingestellt bleiben.

Ende der Entscheidung

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