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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 16.07.2002
Aktenzeichen: 12 A 2866/01
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 92c
BSHG § 29
Wird erweiterte Hilfe i.S.v. § 29 BSHG gewährt, besteht kein Anspruch auf Kostenersatz durch den Erben nach § 92c BSHG.
Tatbestand:

Die Klägerin ist Erbin ihres 1995 verstorbenen Vaters. Nach einem längeren Krankenhausaufenthalt kam dieser 1991 in vollstationäre Pflege. Der Beklagte gewährte ihm Hilfe zur Pflege nach § 68 BSHG durch Übernahme der Heimpflegekosten unter Berücksichtigung eines monatlichen Kostenbeitrags. 1993 verließ der Vater das Pflegeheim und kehrte in sein Haus zurück. Nach seinem Tod verkaufte die Klägerin das Hausgrundstück. Unter Bezugnahme auf § 92c BSHG zog der Beklagte die Klägerin zum Ersatz der für ihren Vater übernommenen Kosten heran. Widerspruch und Klage gegen den Heranziehungsbescheid blieben erfolglos. Das OVG bewilligte der Klägerin Prozesskostenhilfe für die zugelassene Berufung.

Gründe:

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts im Sinne der nach § 166 VwGO entsprechend geltenden §§ 114 ff. ZPO liegen vor. Insbesondere bietet die im Berufungsverfahren beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg: Es spricht viel, wenn nicht alles dafür, dass der Leistungsbescheid des Beklagten vom 18.7.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.3.1996 und der Abänderung vom 25.4.2001 entsprechend dem Antrag der Klägerin, d.h. soweit der Beklagte die Erstattung eines über 9.600,- DM hinausgehenden Betrages verlangt hat, aufzuheben ist. Der Bescheid dürfte rechtswidrig sein und die Klägerin in ihren Rechten verletzen.

Hat der Beklagte dem Vater der Klägerin erweiterte Hilfe im Sinne des § 29 BSHG gewährt (1.), besteht kein Anspruch nach § 92c BSHG (2.). Ein deswegen fehlerhafter Leistungsbescheid des Beklagten könnte nicht im Wege der Umdeutung als Verwaltungsakt, mit dem eine Forderung von Aufwendungsersatz auf der Grundlage von § 29 Satz 2 BSHG geltend gemacht wird, aufrecht erhalten werden (3.).

Zu einem ähnlichen Fall vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.1998 - 24 A 3441/94 -.

1. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte dem Vater der Klägerin Hilfe anders als in der Form der erweiterten Hilfe im Sinne des § 29 BSHG gewährt hat. Maßgeblich ist insoweit der dem Vater gegenüber erlassene Bescheid vom 2.4.1991 (a). Anderweitige Regelungen ihm gegenüber lassen sich weder den Verwaltungsvorgängen noch dem Vorbringen der Beteiligten entnehmen (b).

a) Der Bescheid vom 2.4.1991 enthält seinem Wortlaut und seinem Aufbau nach allein die Gewährung erweiterter Hilfe nach § 29 BSHG. So ist darin die Übernahme der Heimpflegekosten mit einem von dem Vater der Klägerin wegen seines Einkommens zu leistenden Kostenbeitrag gekoppelt und zum Einsatz des Vermögens angeführt, die Hilfegewährung sei "zunächst als erweiterte Hilfe gem. § 29 BSHG geboten". Das im Widerspruchsverfahren an den Landschaftsverband gerichtete Schreiben des Beklagten vom 12.2.1996 belegt, dass der Beklagte den Bescheid subjektiv entsprechend dem zuvor festgestellten objektiven Erklärungsgehalt bewertet, d.h. ihn als auf der Grundlage von § 29 BSHG erlassen betrachtet. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte der Hilfeleistung an den Vater eine andere Grundlage hätte geben können, als er die zuvor der Klägerin und der Enkelin ihres Vaters gegenüber erlassenen Überleitungsanzeigen zurückzog. Es fehlte jedenfalls an der erforderlichen Bekanntmachung gegenüber dem Leistungsempfänger, dem Vater der Klägerin, zu dessen Lebzeiten. Mit seinem Tod war die Umwandlung der Hilfegewährung ausgeschlossen.

b) Als anderweitige Regelung scheiden sowohl der in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindliche Darlehensvertrag als auch die Zahlungsmitteilung über die Gewährung von Sozialhilfe an das Pflegeheim sowie die Durchschrift hiervon an den Landschaftsverband aus, auch wenn der Vater der Klägerin darin als Darlehensempfänger bezeichnet ist. Ungeachtet der nicht ersichtlichen Unterzeichnung des Darlehensvertrages durch den Beklagten - die vorhandene Unterschrift bezieht sich auf die Beglaubigung der eigenhändigen Unterschrift des Vaters der Klägerin - fehlt es jedenfalls an einem zumindest Art, Dauer und Umfang der darlehensweisen Sozialhilfeleistungen bestimmenden Bescheid. Insoweit scheidet der Bescheid vom 2.4.1991 aus, weil die Hilfegewährung nach § 29 BSHG eine darlehensweise Hilfebewilligung ausschließt. Auch die Zahlungsmitteilung an das Pflegeheim und die Durchschrift hiervon an den Landschaftsverband sind keine an den Vater der Klägerin gerichteten Bescheide. Dass in ihnen gleichwohl angegeben ist, die Hilfe werde als Darlehen gewährt, erklärt sich aus dem zeitlichen Kontext zu dem Bescheid vom 2.4.1991 und konnte nicht mehr verdeutlichen, als dass der Beklagte davon ausging, die Kosten nicht endgültig zu tragen.

2. Spricht damit alles dafür, dass dem Vater der Klägerin erweiterte Hilfe nach § 29 BSHG gewährt wurde, erweist sich der Bescheid des Beklagten vom 18.7.1995 als rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten verletzend. Von der Regelung des § 92c BSHG, auf die der Bescheid gestützt ist, werden - wie das BVerwG unter Hinweis auf den ausschließlich auf Kostenersatz beschränkten Regelungsbereich der Bestimmungen im 6. Abschnitt des BSHG dargelegt hat, vgl. das Urteil vom 20.1.1977 - V C 18.76 -, FEVS 25, 177 (182), nur Leistungen erfasst, die als zuschussweise gewährte "echte" Sozialhilfe - vgl. dazu auch Giese, Zum Übergang der Aufwendungsersatzverpflichtung nach § 29 Satz 2 BSHG auf den Erben, ZfF 1976, 175 (176) - grundsätzlich nicht zurückzufordern sind. Sie erstreckt sich hingegen nicht auf im Wege erweiterter Hilfe erbrachte Leistungen nach § 29 BSHG, vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 8.7.1982 - 5 C 39.81 -, FEVS 32, 1 (7), - wie sie hier in Rede stehen -, die sozialhilferechtlich nicht zu einem Ersatz von "Kosten" sondern nur zu einem Ersatz von "Aufwendungen" führen können. Ansprüche über den Ersatz von Aufwendungen finden ihre Grundlage allein in den im Zusammenhang mit den Bestimmungen über die Gewährung der Leistungen jeweils getroffenen eigenständigen Regelungen, hier etwa § 29 Satz 2 BSHG.

3. Die Umdeutung des fehlerhaften Leistungsbescheides nach § 43 SGB X in einen Verwaltungsakt, mit dem eine Forderung von Aufwendungsersatz auf der Grundlage von § 29 Satz 2 BSHG geltend gemacht wird, scheidet schon deshalb aus, weil sich wegen des Nichteingreifens der anspruchsbeschränkenden Regelungen des § 92c BSHG ungünstigere Rechtsfolgen für die Klägerin ergäben (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB X).

Vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 21.10.1987 - 5 C 39.85 -, FEVS 37, 1 (8).

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