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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 23.03.2009
Aktenzeichen: 12 A 3117/07
Rechtsgebiete: OEG, BVG, SGB VIII, SGB X, BSHG, SGB XII


Vorschriften:

OEG § 1
BVG § 25c
BVG § 25d
BVG § 25f
BVG § 27d
BVG § 31
SGB VIII § 10 Abs. 1
SGB X § 104
BSHG § 88 Abs. 3
SGB XII § 90 Abs. 3
Der Einsatz des Vermögens des Opfers einer Straftat, das aus einer angesparten monatlichen Grundrente (§ 1 OEG i. V. m. § 31 Abs. 1 BVG) stammt, stellt im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem Opferentschädigungsgesetz (§ 1 OEG i. V. m. § 27 d Abs. 1 Ziffer 3 BVG) eine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII dar und kann daher nicht verlangt werden.
Tatbestand:

Die Klägerin, die Trägerin der Jugendhilfe ist, begehrt von dem Beklagten als Träger der Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) die Erstattung der gesamten Kosten der jugendhilferechtlichen Leistungen, die sie für eine minderjährige Hilfeempfängerin, die Opfer von Gewalttaten geworden war, aufgewendet hatte. Der Beklagte war der Ansicht, dass bezüglich der Höhe des Erstattungsanspruchs das Vermögen der Hilfeempfängerin, das aus der Ansparung einer monatlichen Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz herrühre, anzurechnen sei. Zwar sei ein Rückgriff auf die Grundrente als monatliches Einkommen nicht zulässig. Werde diese jedoch nicht monatlich verbraucht, sondern angespart, handele es sich um Vermögen, das grundsätzlich nach § 25c Abs. 1 BVG einzusetzen sei. Der Einsatz dieses Vermögens stelle auch keine Härte im Sinne des § 25f Abs. 1 i. V. m. § 90 Abs. 3 SGB XII dar. Das VG gab der Klage statt, da es in dem Einsatz des aus Grundrente angesparten Vermögens eine Härte sah. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Gründe:

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten gemäß § 104 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) - Zehntes Buch (X) - ein Anspruch auf Erstattung der an die Hilfeempfängerin aufgewendeten Jugendhilfekosten auch im Umfang des vom Beklagten bisher nicht übernommenen Kostenanteils zu.

Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Diese Bestimmungen setzen das Bestehen miteinander konkurrierender Leistungsverpflichtungen unterschiedlicher Sozialleistungsträger voraus, die auf die Erbringung von Leistungen gerichtet sind, die gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind, Vgl. BVerwG, Urteile vom 2.3.2006 - 5 C 15.05 -, BVerwGE 125, 95, vom 23.9.1999 - 5 C 26.98 -, BVerwGE 109, 325, und vom 14.10.1998 - 5 C 2.98 -, BVerwGE 107, 269, jeweils m. w. N. auch zur Rechtsprechung des BSG; vgl. ferner Roos, in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 104 Rn. 11.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.

Der Nachrang der Verpflichtung der Klägerin ergibt sich aus der allgemeinen Subsidiarität jugendhilferechtlicher Leistungen gegenüber den Leistungen anderer Sozialleistungsträger gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) - Achtes Buch (VIII).

Vgl. Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 5. Auflage 2006, § 10 Rn. 15; Vondung, in: Kunkel, LPK-SGB VIII, 3. Auflage 2006, § 10 Rn. 11b.

Der Nachrang der Verpflichtung der Klägerin ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht auf den Teil der Aufwendungen beschränkt, die unter Anrechnung der angesparten Grundrente der Hilfeempfängerin hätten erbracht werden müssen.

In diesem Sinne, den Vorrang der Leistungen der Kriegsopferfürsorge mit Blick auf ggfls. weitergehende jugendhilferechtliche Leistungen beschränkend : Hoffmann, Jugendhilfe und Opferentschädigung, JAmt 2005, 329 (336), und Ansprüche auf Opferentschädigung im Einzelfall - Teil 2, JAmt 2006, 425 (426); VG Hamburg, Urteil vom 14.6.2007 - 13 K 211/06 - (vom Beklagten vorgelegt).

Denn zum einen ist der Vorrang zwischen den Leistungen Eingliederungshilfe einerseits und Hilfe zur Erziehung andererseits schon deshalb nicht auf einen bestimmten Anteil zu begrenzen, da jedenfalls die jugendhilferechtliche Leistung nicht in dem genannten Sinne teilbar ist; sie ist - anders als die Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz grundsätzlich nicht einkommens- und vermögensabhängig zu erbringen. Der Nachrang der Jugendhilfe wird vielmehr durch die - grundsätzlich nachträgliche - Kostenbeteiligung sichergestellt. Zum anderen verkennt der vom Beklagten vertretene Ansatz, dass die Frage des Einsatzes von Vermögen des Hilfeempfängers, die sich im Hinblick auf den Leistungsumfang nach dem Opferentschädigungsgesetz i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz auswirken kann, aber im Rahmen der Jugendhilfe lediglich bezüglich der nachträglichen Kostenbeteiligung des Hilfeempfängers eine Rolle spielt, ausschließlich eine Frage des Umfangs des Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 3 SGB X ist, nicht aber des Vorrangs der beiden Leistungsansprüche. Die Einbeziehung derartiger Überlegungen bezüglich des vermeintlich weitergehenden jugendhilferechtlichen Anspruchs würde im Übrigen dazu führen, dass der an sich vorrangig verpflichtete Leistungsträger Leistungen teilweise versagt, weil nach dem SGB VIII entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Dies aber verstößt gegen den Rechtsgedanken des § 10 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII.

Der Kostenerstattungsanspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe des noch verbleibenden, vom Beklagten noch nicht erstatteten Kostenanteils. Nach § 104 Abs. 3 SGB X richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Maßgeblich für den Leistungsumfang ist mithin alleine das Rechtsverhältnis zwischen dem vorrangig verpflichteten Sozialleistungsträger und dem Hilfeempfänger.

Der Anspruch der Hilfeempfängerin gegen den Beklagten ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Danach erhält derjenige, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.

Da die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Falle der Hilfeempfängerin offensichtlich vorliegen, ergibt sich der Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe nach der Rechtsfolgenverweisung des § 1 OEG, Heinz, Die Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung einerseits und die Grundrente des Opferentschädigungsgesetzes andererseits - anrechenbares Einkommen im Sinne der Existenzsicherung?, Behindertenrecht 2009, 13ff., aus einer entsprechenden Anwendung des § 27d Abs. 1 Ziffer 6 BVG (§ 27d a. F. - heute: § 27d Abs. 1 Ziffer 3 BVG). Der Umfang der Leistung bemisst sich in entsprechender Anwendung des § 25c Abs. 1 Satz 1 BVG dabei nach dem Unterschied zwischen dem anzuerkennenden Bedarf und dem einzusetzenden Einkommen und Ver-mögen, wobei sowohl der Bedarf als auch das einzusetzende Einkommen im vorliegenden Fall unproblematisch und unstreitig sind.

Die allein im Streit befindliche Frage nach dem einzusetzenden Vermögen ist nach § 1 OEG in entsprechender Anwendung des § 25f BVG zu beantworten. Nach § 25f Abs. 1 BVG in der zum streitgegenständlichen Zeitraum maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 22.1.1982 (BGBl. I S. 21) gelten für den Einsatz des Vermögens des Leistungsberechtigten §§ 88 Abs. 2 und 3, 89 BSHG (heute: § 90 Abs. 2 und 3, 91 SGB XII) und § 25c Abs. 3 BVG entsprechend.

In Anwendung dieser Vorschriften hat der Beklagte die Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß § 27d Abs. 1 Ziffer 6 BVG (a. F.) in voller Höhe ohne Anrechnung des aus der angesparten Grundrente nach § 1 OEG i. V. m. § 31 Abs. 1 BVG stammenden Vermögens der Hilfeempfängerin zu gewähren, da der Einsatz dieses Vermögens eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG, der im streitgegenständlichen Zeitraum einschlägig war, darstellt und daher nicht verlangt werden kann.

Nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz und von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber eine Härtevorschrift regelmäßig deshalb einführt, weil er mit den Regelvorschriften - hier der Vorschrift über das nicht einzusetzende Vermögen nach § 88 Abs. 2 BSHG - zwar den diesen zugrundeliegenden typischen Lebenssachverhalt gerecht werden kann, nicht aber dem atypischen. Hiernach kommt es bei der Bestimmung des Begriffs der Härte darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG nicht entsprechenden Ergebnis führen würden, Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.1.2000 - 22 A 4467/95 -, NVwZ-RR 2000, 685 ff. m. w. N.

Zwar spielt dabei grundsätzlich die Herkunft des Vermögens keine Rolle für die Beurteilung einer Härte, vgl. Schellhorn/Jirasek/ Seipp, BSHG, 15. Auflage 1997, § 88 Rn. 70; Brühl, in: LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, § 88 Rn. 78, doch gibt es Situationen, in denen die Herkunft des Vermögens dieses so prägt, dass eine Verwertung eine Härte darstellen kann. Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn das einzusetzende Vermögen aus angespartem Einkommen stammt, das seinerseits nicht als Einkommen im Rahmen der betreffenden Sozialleistung einzusetzen ist, sofern der Grund für die Nichtberücksichtigung des Einkommens auf das Vermögen durchschlägt, da es den selben Zwecken zu dienen bestimmt ist wie das frei zu lassende Einkommen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 28.3.1974 - V C 29.73 -, BVerwGE 45, 135 (Nachzahlungsbetrag aus Grundrente nach dem BVG), vom 18.5.1995 - 5 C 22.93 -, BVerwGE 98, 256 f. (angespartes Vermögen aus Schmerzensgeldzahlungen) und vom 4.9.1997 - 5 C 8.97 -, BVerwGE 105, 199 (Vermögen aus angespartem Erziehungsgeld); BSG, Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R -, FEVS 59, 441 ff. (angespartes Blindengeld), und zur Härtevorschrift des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II: BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 6/07 R -, FEVS 60, 1 ff. (Schmerzensgeldzahlungen).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Das in Rede stehende Vermögen entstammt aus angesparten Beträgen der Grundrente, deren Einsatz nach § 1 OEG i. V. m. § 25d Abs. 1 Satz 2 BVG als Einkommen im Rahmen von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz unzulässig ist. Hätte die Hilfeempfängerin das angesparte Vermögen, das aus den Leistungen der Grundrente stammte, für die ihr in dem streitgegenständlichen Zeitraum gegen den Beklagten zustehenden Leistungen einsetzen müssen, hätten ihr diese Mittel nicht mehr zu den Zwecken zur Verfügung gestanden, denen das Opferentschädigungsgesetz gewidmet ist. Dies hätte die Hilfeempfängerin hart im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG getroffen.

Denn der Zweck der Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz erledigt sich nicht dadurch, dass die gewährte Versorgungsleistung nicht monatlich verbraucht wird.

Die Opferentschädigung in Form der Grundrente ist zwar eine materielle Leistung, dient aber nicht vorrangig materiellen Zwecken. Zweck einer Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz ist es, dem Opfer einer Gewalttat eine Hilfe zu bieten, die den Betroffenen in die Lage versetzen soll, die schädigungsbedingten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Nachteile soweit wie möglich auszugleichen und so die durch die Gewalttat erlittenen Beeinträchtigungen möglichst weitreichend abzumildern. Dabei kommt der Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz insbesondere eine Wiedergutmachungsfunktion für das Versagen des Rechtsstaates in seiner Schutzfunktion seinen Bürgern gegenüber zu.

Vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG), Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27.8.1974 - BT-Drs. 7/2506, S. 7:

"Den Staat trifft eine besondere Verantwortung für Personen, die durch eine vorsätzliche Straftat geschädigt werden. Seine Aufgabe ist es, die Bürger namentlich vor Gewalttätern zu schützen. Kann er diese Pflicht nicht erfüllen, so muss er sich für die Entschädigung des Opfers verantwortlich fühlen. Zwar kann es nicht Aufgabe der Allgemeinheit sein, in diesen Fällen Schadensersatz einschließlich eines Schmerzensgeldes im Sinne des Zivilrechts zu leisten, weil es hier im Gegensatz zur Amtshaftung an einem schuldhaften Verhalten mangelt.......Die zu gewährenden Leistungen sollen nicht vollen Schadensersatz darstellen; sie müssen jedoch der sozialen Verantwortung der Allgemeinheit gerecht werden und über das Bedürftigkeitsprinzip des BSHG hinausgehen. Die Geschädigten müssen von der Allgemeinheit in einem solchen Umfang schadlos gehalten werden, dass ein soziales Absinken der Betroffenen, ihrer Familien und ihrer Hinterbliebenen vermieden wird."

Dieser gesetzgeberischen Zielsetzung folgend dient die Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz dazu, die im Einzelnen nicht wägbaren, durch die körperliche Versehrtheit bedingten Mehraufwendungen und Belastungen auszugleichen.

Vgl. Entwurf der Bundesregierung, a. a. O., S. 11.

Angesichts dieser betont an gesellschaftspolitischen, immateriellen Gesichtspunkten der Wiedergutmachung ausgerichteten Zielsetzung der Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz wird offenbar, dass die Grundrente, deren Umfang sich allein nach den Schädigungsfolgen bemisst, die unabhängig von Bedürftigkeit und pauschal gewährt wird und für die eine gesetzliche Ausgabeverpflichtung und/oder eine Ausgabebindung an einen bestimmten Zweck nicht besteht, nicht lediglich den Zweck hat, den Monat für Monat auftretenden materiellen Bedarf innerhalb dieses Zeitraumes abzudecken; vielmehr soll erkennbar auch ein Ausgleich für Bedarfe jenseits des Bedürftigkeitsprinzips des Bundessozialhilfegesetzes bewirkt werden.

Vgl. zum Erziehungsgeld: BVerwG, Urteil vom 4.9.1997 - 5 C 8.97 -, a. a. O.

Die Grundrente ist nach der genannten Zielsetzung zwar nicht mit einem zivilrechtlichen Anspruch auf Gewährung von Schmerzensgeld gleich zu setzen, sie kommt dessen Zielsetzung aber sehr nahe, indem sie gleichsam den materiellen Ausgleich für die enttäuschte Erwartung des Opfers in die Unverbrüchlichkeit der staatlichen Friedensordnung darstellt. Im Rahmen einer so verstandenen Versorgung der Opfer bleibt es dem Geschädigten selbst überlassen, welche Art des Ausgleichs für ihn hilfreich ist, um den erstrebten Ausgleich des schädigungsbedingten Mehrbedarfs letztlich zu erreichen. Hierzu muss es auch möglich sein, die Grundrente über einen längeren Zeitraum anzusparen, ohne das unter Verzicht auf die sofortige Ausgabe des Rentenbetrages angesparte Vermögen im Wege der Anrechnung auf sonstige staatliche Leistungen wieder zu verlieren. In diesem Sinne ist auch das BVerwG in seinem Urteil vom 28.3.1974 - V C 29.73 -, a. a. O., davon ausgegangen, dass ein Nachzahlungsbetrag aus einer Grundrente nach dem BVG (nicht nach dem OEG) jedenfalls zum überwiegenden Teil als im Rahmen des § 88 Abs. 3 BSHG zu verschonendes Vermögen wegen des Vorliegens eines Härtefalles anzusehen ist.

Der gesetzgeberische Grund für die Nichtberücksichtigung des durch eine Grundrente erworbenen Einkommens schlägt jedoch nicht nur hinsichtlich eines etwaigen Nachholbedarfes des Geschädigten auf das angesparte Vermögen durch, so aber bezüglich der Grundrente nach dem Kriegsopferfürsorgerecht: BVerwG, Urteil vom 28.3.1974 - V C 29.73 -, a. a. O., BayVGH, Urteil vom 24.9.1992 - 12 B 90.327 -, FEVS 44, 69 ff.; VG des Saarlandes, Urteil vom 28.2.2007 - 10 K 80/05 -, JAmt 2007, 594 ff., sondern auf Grund der besonderen Zielsetzung des Opferentschädigungsrechtes in vollem Umfang.

So schon für angesparte Vermögen aus Schmerzensgeldzahlungen: BVerwG, Urteil vom 18.5.1995 - 5 C 22.93 -, a. a. O.

Ob die spezifische Zweckbestimmung der Grundrente als Befriedigung der nach § 31 BVG anerkannten Bedarfe nach Ablauf des Rentenbezuges entfallen kann mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt aus der gewährten Grundrente angespartes Vermögen zur Anrechnung zur Verfügung steht, braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Hilfeempfängerin in dem hier maßgeblichen Zeitraum durchgängig Grundrente bezogen hat.

Vgl. zum Erziehungsgeld: BVerwG, Urteil vom 4.9.1997 - 5 C 8.97 -, a. a. O.

Muss damit im vorliegenden Fall der gesamte von der Hilfeempfängerin angesparte Betrag aus der nach dem Opferentschädigungsrecht bezogenen Grundrente nach § 88 Abs. 3 BSHG bei der Berechnung des Umfangs der Geldleistungen nach § 25c Abs. 1 BVG unberücksichtigt bleiben, so kommt es entgegen der Ansicht des Beklagten nicht darauf an, dass die Hilfeempfängerin einen Nachholbedarf, der sich durch den Nichtverbrauch der bezogenen Grundrentenbeträge aufgestaut haben könnte, nicht im Einzelnen dargetan hat. Dass in dem angesparten Betrag andere als die angesparten Grundrentenbeträge erfasst sind, hat der Beklagte weder substantiiert vorgetragen, noch ist dies sonst ersichtlich.

Soweit der Beklagte seine Rechtsauffassung auf ein Rundschreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 14.11.2007 an die für die Kriegsopferfürsorge und die für die Kinder- und Jugendhilfe zuständigen obersten Landesbehörden stützt, so kommt diesem Rundschreiben keine die Auslegung des Gesetzes durch das Gericht bindende Wirkung zu. Abgesehen davon enthält das vorgelegte Rundschreiben keine tragfähige Begründung für den angeblichen "Grundsatz, dass Vermögen aus angesparter Grundrente oberhalb des Vermögensschonbetrages anzurechnen" sei. In den Ausführungen zu diesem "Grundsatz" wird die wirtschaftliche Zielsetzung des Opferentschädigungsgesetzes, die sich nach Auffassung des Senates in dieser Form nach dem oben Gesagten weder dem Gesetz noch den dazu vorhandenen Materialien entnehmen lässt, in den Vordergrund gestellt. Die Formulierung in dem Rundschreiben "Außerdem bestehen in der Kriegsopferfürsorge bereits sehr großzügige Vorschriften zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen, die nicht noch ausgeweitet werden können." lässt zudem die von fiskalischen Interessen geleitete Auslegung erkennen.

Das vom Beklagten angeführte Urteil des VG Hamburg vom 14.6.2007 - 13 K 211/06 - lässt aus mehreren Gründen Rückschlüsse auf die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles nicht zu. Schon der Sachverhalt des dortigen Falles, in dem es um die Verwertung von Vermögen, das aus der Veräußerung des Nachlasses der Eltern des Hilfeempfängers stammte, ist hinsichtlich der zentralen Frage des Vorliegens einer Härte nach § 88 Abs. 3 BSHG grundlegend anders zu bewerten als die vorliegende Fallkonstellation einer Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz. Abgesehen davon führt die vom Verwaltungsgericht aufgestellte, gegen die Annahme der Härte im dortigen Fall angeführte Prämisse, dass die Kriegsopferfürsorge grundsätzlich vermögensabhängig ausgestaltet sei, was regelmäßig eine Anrechnung von Vermögen nach sich ziehe, für den hier zu entscheidenden Fall nicht weiter. Denn die hier in Rede stehende Grundrente ist gerade eine Leistung im Rahmen des Bundesversorgungsgesetzes, die einkommens- und vermögensunabhängig gewährt wird.

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