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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 01.03.2004
Aktenzeichen: 12 A 3543/01
Rechtsgebiete: AsylbLG, BSHG


Vorschriften:

AsylbLG § 7 Abs. 1 Satz 1
AsylbLG § 7 Abs. 1 Satz 2
BSHG § 16
BSHG § 122
Der Begriff des Familienangehörigen in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ist weit auszulegen. Er umfasst sowohl den Personenkreis des § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG als auch den des § 16 Satz 1 BSHG, also neben dem Ehegatten des Leistungsberechtigten auch seine Verwandten und Verschwägerten.
Tatbestand:

Die 1978 geborenen Klägerinnen zu 1) und 2) sowie die 1981 geborene Klägerin zu 3) sind Geschwister. Die Klägerin zu 3) ist, die Klägerinnen zu 1) und 2) waren bis zu ihrer nach 1997 erfolgten Einbürgerung syrische Staatsangehörige. Die Klägerinnen reisten im Jahr 1986 gemeinsam mit ihrem 1974 geborenen Bruder und ihrer Stiefmutter in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihr Asylantrag blieb ebenso erfolglos wie ein im Juli 1992 gestellter Folgeantrag. Die in den Bescheiden des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge enthaltenen Abschiebungsandrohungen wurden im September 1993 vollziehbar. Bereits im Juli 1990 war die 1962 geborene Schwester der Klägerinnen mit ihrem Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland eingereist; sie stellten ebenfalls einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte, der abgelehnt wurde. Dagegen erhoben die Schwester und der Schwager Klage, über die zunächst nicht entschieden wurde.

Am 9.11.1995 erteilte die Ausländerbehörde den Klägerinnen Bescheinigungen über die Aussetzung der Abschiebung (Duldungen), die im Jahr 1996 mehrfach erneuert wurden. Auch der Bruder der Klägerinnen verfügte über eine wiederholt erneuerte Duldung. Am 31.7.1996 erteilte die Ausländerbehörde den Klägerinnen und ihrem Bruder jeweils eine Aufenthaltsbefugnis. Die Aufenthaltsbefugnisse der Klägerinnen waren bis zum 31.1.1997 gültig und wurden am 29.1.1997 bis zum 31.1.1998 verlängert. Die Aufenthaltsbefugnis des Bruders war bis zum 18.12.1996 gültig. Am 6.1.1997 erteilte die Ausländerbehörde ihm eine weitere, bis zum 18.6.1997 gültige Aufenthaltsbefugnis.

Die Klägerinnen hatten Anfang September 1993 zusammen mit ihrem Bruder, ihrer Schwester und deren Ehemann eine Wohnung im städtischen Übergangsheim bezogen, in die sie vom Beklagten eingewiesen worden waren. Dieser gewährte den Klägerinnen zunächst Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des BSHG und ab dem 1.11.1993 Leistungen nach dem AsylbLG.

Im November 1995 erfuhr er, dass der Bruder der Klägerinnen im Oktober 1995 von der Krankenkasse Verletztengeld erhalten hatte und ihr Schwager seit Februar 1992 Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit als Lagerarbeiter erzielte. Daraufhin stellte er mit Bescheid vom 7.12.1995 die den Klägerinnen bisher gewährten Leistungen mit Wirkung ab dem 1.12.1995 ein. Gegen diesen Bescheid legten die Klägerinnen erfolglos Widerspruch ein.

Auf die dagegen erhobene Klage verpflichtete das VG den Beklagten, den Klägerinnen für den Zeitraum vom 1.12.1995 bis zum 31.1.1997 Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG und für den Zeitraum vom 1.2.1997 bis zum 31.5.1997 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die gegen die Verpflichtung zur Gewährung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG eingelegte Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Gründe:

Die Klage ist hinsichtlich des Zeitraums vom 1.12.1995 bis 31.1.1997 unbegründet. Die Klägerinnen haben für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Grundleistungen nach § 3 AsylbLG 1993. Zwar gehörten sie nach ihren Aufenthaltsverhältnissen zu dem durch das Asylbewerberleistungsgesetz berechtigten Personenkreis. Das nach Asylbewerberleistungsrecht zu berücksichtigende Einkommen schloss aber Leistungen nach diesem Gesetz aus.

Die grundsätzliche Leistungsberechtigung der Klägerinnen im Zeitraum vom 1.12.1995 bis 30.7.1996 ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG 1993, weil sie Ausländerinnen waren, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhielten und jedenfalls infolge des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4.8.1993 nach § 42 Abs. 1 und 2 AuslG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet waren. Für den Zeitraum vom 31.7.1996 bis 31.1.1997 waren sie gemäß § 1 Abs. 2 AsylbLG 1993 leistungsberechtigt. Diese Vorschrift bestimmt unter anderem, dass Personen nach Absatz 1 nicht für die Zeit leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind, für die ihnen eine Aufenthaltsgenehmigung mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die in Absatz 1 genannten Ausländer, denen - wie den Klägerinnen am 31.7.1996 - eine befristete Aufenthaltsgenehmigung mit einer Gesamtgeltungsdauer von (nur) bis zu sechs Monaten erteilt worden ist, nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt sind.

Vgl. Nds.OVG, Beschluss vom 4.2.1999 - 4 M 137/99 -, FEVS 51, S. 43.

Damit ist der Weg zur Anwendung der §§ 3 und 7 AsylbLG eröffnet.

Daran ändert auch § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG 1993 nichts. Nach dieser Regelung ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG 1993 das Bundessozialhilfegesetz auf Leistungsberechtigte entsprechend anzuwenden, wenn sie eine Duldung erhalten haben, weil ihrer freiwilligen Ausreise und ihrer Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die sie nicht zu vertreten haben.

Die Klägerinnen erfüllten diese Voraussetzung nicht. Sie waren zwar im Besitz von Duldungen, die die Ausländerbehörde ihnen am 9.11.1995 erteilt und im Jahr 1996 mehrfach erneuert hatte. Aus den Ausländerakten ergibt sich aber, dass die Klägerinnen die Duldungen nicht erhalten hatten, weil ihre Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich war oder nach § 53 Abs. 6 oder § 54 AuslG ausgesetzt werden sollte (vgl. § 55 Abs. 2 AuslG), sondern weil die Ausländerbehörde es ihnen offenbar ermöglichen wollte, bis zum Abschluss des Asylverfahrens ihrer Schwester in Deutschland zu bleiben.

Einem Anspruch der sonach im entscheidungserheblichen Zeitraum dem Leistungsrecht des Asylbewerberleistungsgesetzes zuzuordnenden Klägerinnen auf Gewährung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG 1993 steht indes § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG 1993 entgegen. Danach sind Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen. Die Einbeziehung der Familienangehörigen bedeutet, dass ein Leistungsberechtigter im Sinne des § 1 Abs. 1 AsylbLG 1993 erst dann Leistungen nach § 3 AsylbLG 1993 beanspruchen kann, wenn zuvor sein eigenes Einkommen und Vermögen sowie das - ihm zurechenbare - Einkommen und Vermögen seiner im selben Haushalt lebenden Familienangehörigen aufgebraucht worden sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.7.1996 - 8 B 771/96 -, abgedruckt in GK-AsylbLG, Stand: Dezember 2003, VII - zu § 7 Abs. 1 (OVG-Nr. 2); Hohm in GK-AsylbLG, § 7 Rn. 12; Birk in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 7 AsylbLG, Rn. 2.

Aus § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG 1993 folgt, dass - wie auch im Sozialhilferecht - derjenige keinen Anspruch auf Leistungen hat, der in der Lage ist, den Bedarf an notwendigem Lebensunterhalt entweder aus eigenem (bzw. ihm zurechenbaren) Einkommen oder aus eigenem (bzw. ihm zurechenbaren) Vermögen zu decken. Da das (Nicht-)Vorhandensein vorrangig einzusetzender eigener Mittel Voraussetzung für den Anspruch auch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist, obliegt es dem Hilfe suchenden Asylbewerber, darzulegen und nachzuweisen, dass er nicht über Einkommen oder Vermögen verfügt, das zur Deckung des Bedarfs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG 1993 eingesetzt werden kann. Die Nichtaufklärbarkeit dieser Anspruchsvoraussetzung geht zu seinen Lasten.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16.7.1996 - 8 B 771/96 -, a.a.O., und vom 17.6.1997 - 8 B 203/97 -, GK-AsylbLG VII - zu § 7 Abs. 1 (OVG-Nr. 3).

Auf Grund der nach diesen Grundsätzen getroffenen Feststellungen stand den Klägerinnen im entscheidungserheblichen Zeitraum zur Bedarfsdeckung ausreichendes Einkommen zur Verfügung. Die Klägerin zu 1) hat für den Zeitraum vom 1.10.1996 bis 31.1.1997 schon deshalb keinen Anspruch auf Grundleistungen nach § 3 AsylbLG 1993, weil sie während dieser Zeit eigenes Einkommen erzielt und nicht nachgewiesen hat, dass das Einkommen zur Deckung ihres Bedarfs nicht ausgereicht hat. (Wird ausgeführt)

Abgesehen davon konnten die Klägerin zu 1) wie auch die Klägerinnen zu 2) und 3) ihren Bedarf im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum aus dem Einkommen ihres Bruders und ihres Schwagers, die im selben Haushalt lebten, decken.

Das Einkommen des Bruders und des Schwagers reichte zur Deckung des Bedarfs aller im Haushalt lebenden Personen aus. (Wird ausgeführt)

Die Klägerinnen haben sich das Einkommen ihres Bruders und ihres Schwagers anrechnen zu lassen, weil es sich bei diesen Personen um ihre Familienangehörigen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG 1993 handelt. Familienangehörige in diesem Sinne sind entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung über den Ehegatten und die minderjährigen Kinder des Leistungsberechtigten hinaus generell Verwandte und Verschwägerte (vgl. § 16 BSHG).

Das Asylbewerberleistungsgesetz definiert den Begriff des Familienangehörigen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nicht. Eine Legaldefinition ergibt sich auch nicht mittelbar aus § 2 Abs. 2 AsylbLG 1993. Diese Vorschrift enthält eine Regelung über die Anwendung des Absatz 1 Nr. 2 auf "Familienangehörige im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3", der seinerseits nur Ehegatten und minderjährige Kinder eines leistungsberechtigten Ausländers nennt. Entsprechendes gilt für die durch das zweite Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 25.8.1998 (BGBl. I S. 2505) eingefügte Bestimmung des § 1a, in der von Leistungsberechtigten und ihren Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 die Rede ist. § 1 Abs. 1 Nr. 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5.8.1997 (BGBl. I S. 2022) - AsylbLG 1997 - erwähnt ebenfalls nur Ehegatten und minderjährige Kinder. Aus diesen Vorschriften wird abgeleitet, dass der Begriff "Familienangehörige" in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sich gleichfalls nur auf Ehegatten und minderjährige Kinder beziehe.

In diesem Sinne auch VG Münster, Beschluss vom 30.3.1995 - 5 L 326/95 -, GK-AsylbLG VII - zu § 7 Abs. 1 (VG-Nr. 1) = NVwZ 1996, S. 96; Hohm in GK-AsylbLG, § 7 Rn. 52 f.; ders. in W.Schellhorn/ H.Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, AsylbLG § 7 Rn. 12; Birk, a.a.O., § 7 AsylbLG, Rn. 2; Fasselt in Fichtner, BSHG, 2. Aufl. 2003, § 7 AsylbLG, Rn. 6 jeweils m.w.N.; in diese Richtung tendierend auch Nds. OVG, Beschluss vom 26.5.1999 - 4 L 2032/99 -, GK-AsylbLG VII - zu § 7 Abs. 1 (OVG-Nr. 4).

Diese Argumentation überzeugt nicht; im Gegenteil sprechen § 2 Abs. 2 AsylbLG 1993 und der 1998 eingefügte § 1a AsylbLG für eine weite Auslegung des Begriffs "Familienangehörige" in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG. Aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG 1993 bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG 1997 nur Ehegatten oder minderjährige Kinder eines leistungsberechtigten Ausländers nennt, kann nicht geschlossen werden, dass das Asylbewerberleistungsgesetz generell nur diesen Personenkreis meint, wenn es von "Familienangehörigen" spricht. Wenn das so wäre, hätte es des Zusatzes "im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3" in § 2 Abs. 2 AsylbLG 1993 bzw. "nach § 1 Abs. 1 Nr. 6" in § 1a AsylbLG 1998 nicht bedurft. Dass der Gesetzgeber diesen Zusatz für erforderlich gehalten hat, zeigt, dass er von einem weiter gefassten - dem allgemeinen - Begriffsverständnis ausgegangen ist und in § 2 Abs. 2 AsylbLG 1993 bzw. § 1a AsylbLG 1998 eine Regelung nur für bestimmte Familienangehörige, nämlich Ehegatten und minderjährige Kinder, treffen wollte. Da der Zusatz "im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3" in der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG 1993 fehlt, gibt es keine Grundlage für die Annahme, unter Familienangehörigen seien hier ebenfalls nur der Ehegatte und die minderjährigen Kinder des Leistungsberechtigten zu verstehen, zumal diese selbst nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG 1993 leistungsberechtigt sind, so dass es der gesonderten Erwähnung der Familienangehörigen insoweit nicht bedurft hätte.

Vgl. dazu VG Hamburg, Beschluss vom 13.10.1998 - 8 VG 3451/98 -, GK-AsylbLG VII - zu § 7 Abs. 1 (VG-Nr. 7) = NVwZ-RR 1999, S. 685.

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden als (Familien-)Angehörige auch Verwandte wie die Großeltern oder Onkel und Tante sowie Schwager und Schwägerin bezeichnet, wenn auch unter "Familie" nicht selten die aus Eltern und ihren minderjährigen Kindern bestehende Kleinfamilie verstanden wird.

Dieser allgemeine - an der Großfamilie orientierte - Gebrauch des Begriffs "(Familien-)Angehörige" hat in verschiedenen Gesetzen seinen Niederschlag gefunden. Das gilt etwa für § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wonach Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten der Geschwister, Geschwister der Ehegatten, Pflegeeltern und Pflegekinder Angehörige im Sinne des Strafgesetzbuches sind. Einen noch größeren Personenkreis umfassen die - gleichlautenden - Definitionen in § 20 Abs. 5 VwVfG und § 16 Abs. 5 SGB X. Nach § 2 Abs. 4 SGB VII sind Familienangehörige unter anderem Verwandte bis zum dritten Grade und Verschwägerte bis zum zweiten Grade. Diese Legaldefinitionen zeigen, dass der Gesetzgeber unter Familienangehörigen im allgemeinen neben dem Ehegatten nicht nur die minderjährigen Kinder, sondern Verwandte und Verschwägerte in einem weiteren - im einzelnen beschriebenen - Umfang versteht.

Im gleichen Sinne legen Rechtsprechung und Literatur den Begriff des Familienangehörigen aus, wenn Gesetze den Begriff gebrauchen, ohne ihn selbst zu definieren. Als Beispiel kann aus dem Sozialhilferecht, zu dem das Asylbewerberleistungsrecht eine gewisse Nähe aufweist, die Vorschrift des § 119 Abs. 2 BSHG angeführt werden, die nach Art. 68 Abs. 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 31.12.2003 außer Kraft getreten ist. Zur Erläuterung des dort verwendeten Begriffs "Familienangehörige" wird auf die weite Legaldefinition in § 16 Abs. 5 SGB X verwiesen,

so Birk, a.a.O., § 119 Rn. 3,

oder ausgeführt, Familienangehörige seien alle Verwandten und Verschwägerten ohne Rücksicht auf den Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft.

So Bräutigam in Fichtner, a.a.O., § 119 Rn. 6.

Auch für den Begriff des Familienangehörigen in § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 76 BSHG wird eine weite Auslegung befürwortet.

Vgl. W.Schellhorn/H.Schellhorn, a.a.O., VO zu § 76 BSHG, § 3 Rn. 7.

Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Gesetzgeber in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG an diesen weiten - im allgemeinen Sprachgebrauch und in der Rechtssprache vorgefundenen - Begriff des Familienangehörigen angeknüpft hat.

Allerdings wird dem Wortlaut vereinzelt ein erster Hinweis auf die Notwendigkeit einer engen Auslegung entnommen, da er nicht gleichzusetzen sei etwa mit der Formulierung: "Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten und seiner Familienangehörigen, über das sie verfügen können, ... sind aufzubrauchen."

So Hohm in GK-AsylbLG, § 7 Rn. 50; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.5.2000 - 3 G 2350/00 (V) -, GK-AsylbLG VII - zu § 7 Abs. 1 (VG-Nr. 18); zustimmend VG München, Urteil vom 23.2.2001 - M 6a K 00.5157 -, GK-AsylbLG VII - zu § 7 Abs. 1 (VG-Nr. 21).

Es ist einzuräumen, dass durch einen solchen Gesetzeswortlaut die Verpflichtung des Leistungsberechtigten, vor Eintritt von Asylbewerberleistungen auch Einkommen und Vermögen seiner Familienangehörigen aufzubrauchen, noch deutlicher zum Ausdruck hätte gebracht werden können. Dass sich aus den unterschiedlichen Formulierungen Konsequenzen für die Auslegung des Begriffs "Familienangehörige" ergeben, ist jedoch nicht ersichtlich.

Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich nicht entnehmen, dass mit dem Begriff "Familienangehörige" in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nur der Ehegatte und die minderjährigen Kinder des Leistungsberechtigten gemeint sind. In der Begründung zu § 6 des Regierungsentwurfs wird ausgeführt, dass der Leistungsberechtigte sein Vermögen ausnahmslos und sein Einkommen bis auf den Freistellungsbetrag nach Absatz 2 einzusetzen hat, bevor er Leistungen für sich und seine im selben Haushalt lebenden Familienangehörigen in Anspruch nimmt.

Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber, BT-Drucks. 12/4451, S. 10.

Diese Begründung betrifft lediglich die Frage, in welchem Umfang Einkommen und Vermögen einzusetzen sind, bevor Leistungen nach dem AsylbLG in Anspruch genommen werden können. Zu dem nach dem Gesetz auch denkbaren Fall, dass ein Familienangehöriger, der nicht Leistungsberechtigter im Sinne des Asylbewerberleistungsgesetzes ist und im selben Haushalt lebt, Einkommen und Vermögen hat, äußert sich die Gesetzesbegründung nicht. Sie enthält auch sonst keine Hinweise für das Verständnis des Begriffs "Familienangehörige". Insbesondere kann man aus der beiläufigen Verwendung des Possessivpronomens "sein" nicht folgern, dass sich die Aufbrauchpflicht nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur auf eigenes Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten bezieht.

So zutreffend VG Hamburg, Beschluss vom 13.10.1998 - 8 VG 3451/98 -, a.a.O.; a.A. Hohm in GK-AsylbLG, § 7 Rn. 51.

Für eine weite Auslegung des Begriffs "Familienangehörige" in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sprechen entscheidend Sinn und Zweck der Vorschrift und des gesamten Asylbewerberleistungsgesetzes. § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG dient gemeinsam mit § 8 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG 1997 und § 9 Abs. 2 AsylbLG 1993/1997 dem Zweck, den Nachrang der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gegenüber vorrangigen Leistungen Dritter zu gewährleisten.

Vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 13.10.1998 - 8 VG 3451/98 -, a.a.O.; Hohm in W.Schellhorn/ H.Schellhorn, a.a.O., AsylbLG § 7 Rn. 1.

Während § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 9 Abs. 2 AsylbLG den Nachrang der Asylbewerberleistungen gegenüber bestimmten Leistungsverpflichtungen Dritter regeln, knüpft § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG an die Erfahrungstatsache an, dass Familienangehörige, die in einem Haushalt zusammenleben, in der Regel zueinander stehen und sich gegenseitig unterstützen. Diese Unterstützungsbereitschaft besteht erfahrungsgemäß über den Bereich der Kernfamilie hinaus, vor allem in der besonderen Lebenssituation, in der sich Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz befinden, die in Deutschland als Asylbewerber, Flüchtlinge oder aus humanitären Gründen Aufnahme gefunden haben. Von daher ist eine weite Auslegung des Angehörigenbegriffs geboten, damit nur diejenigen Berechtigten nach § 1 AsylbLG staatliche Leistungen erhalten, die mangels anderweitiger Unterstützung darauf unbedingt angewiesen sind.

Vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 13.10.1998 - 8 VG 3451/98 -, a.a.O..

Die Erforderlichkeit einer weiten Auslegung ergibt sich vor allem aus dem vom Gesetzgeber mit der Schaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes verfolgten Ziel. Dieses Gesetz stellt eine vom Bundessozialhilfegesetz weitgehend abgekoppelte, an Vorschriften des Ausländer- und Asylrechts anknüpfende, eigenständige einfachgesetzliche Grundlage zur Sicherung des Mindestunterhalts von Asylbewerbern und sonstigen Ausländern mit noch nicht verfestigtem Bleiberecht für die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland dar.

Vgl. Hohm in W.Schellhorn/H.Schellhorn, a.a.O., AsylbLG, Vorbemerkung Rn. 1.

Durch das im Vergleich zu Sozialhilfeleistungen deutlich niedrigere Niveau der Asylbewerberleistungen und durch weitere Einschränkungen, z.B. den prinzipiellen Vorrang von Sachleistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG, sollte jeder Anreiz für Ausländer, aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen, beseitigt werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.12.2000 - 22 A 3164/99 -, S. 13 des Urteilsabdrucks, m.w.N.

Dem Gesetzeszweck, Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Bundessozialhilfegesetz herabzustufen und strengeren Beschränkungen zu unterwerfen, muss auch bei der Auslegung des § 7 AsylbLG Rechnung getragen werden. Die Vorschrift regelt nicht nur, in welchem Umfang Einkommen und Vermögen zur Bedarfsdeckung einzusetzen sind, sondern durch das Tatbestandsmerkmal "Familienangehörige" auch die Frage, wessen Einkommen und Vermögen bei der Prüfung, ob ein Leistungsanspruch nach § 3 AsylbLG besteht, zu berücksichtigen ist. Für Personen, die potenziell Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben, finden sich Regelungen betreffend die zuletzt genannte Frage in §§ 11 Abs. 1, 16 und 122 BSHG. Danach sind zu berücksichtigen das Einkommen und Vermögen des Ehegatten, der Eltern oder eines Elternteiles minderjähriger Kinder (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG), des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft (§ 122 BSHG) sowie - im Wege einer Vermutung - das Einkommen und Vermögen von Verwandten und Verschwägerten, mit denen der Hilfe Suchende in Haushaltsgemeinschaft lebt (§ 16 BSHG).

Hinsichtlich des von § 11 Abs. 1 und § 16 BSHG erfassten Personenkreises kann der Grundgedanke des Asylbewerberleistungsgesetzes, Leistungsberechtigte nach diesem Gesetz strengeren Regelungen zu unterwerfen als Sozialhilfeempfänger, zwanglos dadurch verwirklicht werden, dass man unter "Familienangehörige" sowohl die in § 11 Abs. 1 BSHG genannten Ehegatten und minderjährigen Kinder als auch die in § 16 BSHG genannten Verwandten und Verschwägerten versteht. Das führt zu dem Ergebnis, dass Leistungsberechtigte im Sinne des Asylbewerberleistungsgesetzes, die mit einem Verwandten oder Verschwägerten im selben Haushalt leben, sich dessen Einkommen und Vermögen uneingeschränkt zurechnen lassen müssen. Dadurch sind sie leistungsrechtlich schlechter gestellt als Sozialhilfeberechtigte, zu deren Lasten nach § 16 Satz 1 BSHG lediglich die widerlegbare Vermutung eingreift, dass sie von Verwandten oder Verschwägerten Leistungen zum Lebensunterhalt erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Außerdem setzt § 16 Satz 1 BSHG das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft voraus, an die höhere Anforderungen zu stellen sind als an ein Leben im selben Haushalt. Das bedeutet, dass § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG die Funktion des § 16 BSHG im Asylbewerberleistungsrecht übernimmt und die dort getroffene Regelung verschärft.

So VG Hamburg, Beschluss vom 13.10.1998 - 8 VG 3451/98 -, a.a.O.; vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch VG Braunschweig, Beschluss vom 30.3.1998 - 3 B 3071/98 -, ZfF 2000, S. 109 (110).

In diesem Zusammenhang ist dem jetzigen - 1998 eingefügten - Satz 2 des § 7 Abs. 1 AsylbLG ein Argument für eine weite Auslegung des Begriffs "Familienangehörige" zu entnehmen. § 7 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG in der seit dem 1.9.1998 geltenden Fassung ordnet die entsprechende Anwendung des § 122 BSHG an. Nach § 122 Satz 1 BSHG dürfen Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfanges der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden als Ehegatten. Da Asylbewerberleistungsberechtigte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG Einkommen und Vermögen ihres Ehegatten, der im selben Haushalt lebt, vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufbrauchen müssen, folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 122 Satz 1 BSHG, dass sie auch Einkommen und Vermögen einer Person, mit der sie in eheähnlicher Gemeinschaft leben, aufbrauchen müssen.

Vgl. etwa Hohm in W.Schellhorn/H.Schellhorn, a.a.O., § 7 Rn. 14.

Nach § 122 Satz 2 BSHG gilt § 16 entsprechend. Das bedeutet in Bezug auf einen Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, der in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, dass auch Einkommen und Vermögen von Verwandten des Partners vorrangig einzusetzen sind, wenn sie im selben Haushalt leben wie der Leistungsberechtigte. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 AsylbLG findet § 122 BSHG insgesamt, also auch dessen Satz 2, entsprechende Anwendung.

A.A. VG München, Urteil vom 23.2.2001 - M 6a K 00.5157 -, a.a.O., sowie Hohm in GK-AsylbLG, § 7 Rn. 87 ff.

Eine enge Auslegung des Begriffs "Familienangehörige" in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG hätte zur Folge, dass verheiratete Leistungsberechtigte demgegenüber privilegiert würden, weil sie nicht darauf verwiesen werden könnten, zunächst das Einkommen und Vermögen der im selben Haushalt lebenden Verwandten ihres Ehegatten aufzubrauchen. Ein derartiges Ergebnis entspräche nicht der Absicht des Gesetzgebers, der durch die 1998 erfolgte Ergänzung des § 7 Abs. 1 AsylbLG die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Ehegatten gleichstellen, nicht aber schlechter stellen wollte als diese.

Vgl. Hohm in GK-AsylbLG, § 7 Rn. 54; Fasselt, a.a.O., § 7 AsylbLG, Rn. 7.

Spricht demnach Überwiegendes dafür, Verwandte und Verschwägerte als Familienangehörige im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG anzusehen, lässt sich der vom Begriff erfasste Personenkreis eindeutig bestimmen. Es kann deshalb dahinstehen, ob die durch § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG begründete Verpflichtung, Einkommen nahezu vollständig und Vermögen ausnahmslos aufzubrauchen, einen Eingriff in den Schutzbereich des grundrechtlich gewährleisteten Eigentums der Familienangehörigen bewirkt, der einer hinreichend bestimmten einfachgesetzlichen Festlegung des in die Aufbrauchpflicht einbezogenen Personenkreises bedarf. Selbst wenn man diese Frage bejahte, folgte daraus nicht die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG im Sinne einer Verengung der Einsatzpflicht auf Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten, seines Ehegatten und der minderjährigen Kinder.

So aber VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.5.2000 - 3 G 2350/00 (V) -, a.a.O.; VG München, Urteil vom 23.2.2001 - M 6a K 00.5157 -, a.a.O.; VG Düsseldorf, Urteile vom 23.3.2001 - 13 K 7524/98 -, GK-AsylbLG VII - zu § 7 Abs. 1 (VG-Nr. 23), und vom 29.6.2001 - 13 K 2527/99 -, SAR-aktuell 2002, S. 31; Hohm in GK-AsylbLG, § 7 Rn. 59.

Denn durch das dargelegte Verständnis gewinnt der Begriff "Familienangehörige" eine scharfe Kontur, sodass er den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes genügt. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob die verfassungsrechtlichen Bedenken durch das Argument ausgeräumt werden können, § 7 Abs. 1 AsylbLG greife nicht unmittelbar in das Grundrecht der Familienangehörigen aus Art. 14 Abs. 1 GG ein, weil die Aufnahme eines Asylbewerberleistungsberechtigten in ihren Haushalt auf einer freiwilligen Entscheidung beruhe.

So VG Hamburg, Beschluss vom 13.10.1998 - 8 VG 3451/98 -, a.a.O; kritisch VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.5.2000 - 3 G 2350/00 (V) -, a.a.O., und Hohm in GK-AsylbLG, § 7 Rn. 60.

Der Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG im hier zugrundegelegten Sinne steht nicht entgegen, dass die Klägerinnen, ihr Bruder, ihre Schwester und ihr Schwager auf der Grundlage des Asylverfahrensgesetzes in das städtische Übergangsheim eingewiesen worden sind. Es fehlen nämlich jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Einweisungsverfügungen mit dem Ziel, die Folge des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG herbeizuführen, also missbräuchlich, erfolgt wären. Der Beklagte verfolgte mit der gemeinsamen Unterbringung der Klägerinnen mit ihrem Bruder, ihrer Schwester und deren Ehemann ersichtlich nicht den Zweck, öffentliche Mittel einzusparen; vielmehr sollte dadurch die Betreuung und Versorgung der damals minderjährigen Klägerinnen sichergestellt werden. Im Übrigen können Asylbewerber ihre Einweisung in eine Gemeinschaftsunterkunft mit Rechtsbehelfen angreifen, wenn sie der Ansicht sind, dass die Einweisung durch sachfremde Erwägungen motiviert ist.



Ende der Entscheidung

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