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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 16.07.2002
Aktenzeichen: 12 E 653/01
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 2 Abs. 2
SGB VIII § 5
SGB VIII § 37 Abs. 2
1. Der Anspruch der Pflegeperson aus § 37 Abs. 2 SGB VIII richtet sich auf Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt und verpflichtet dieses damit zu einer Dienstleistung im Sinne des § 11 SGB I.

2. Dieser Anspruch umfasst nicht die Übernahme der Kosten einer das Tätigwerden des Jugendamtes ersetzenden, also nicht in dessen Auftrag erfolgenden und von der Hilfe zur Erziehung abgekoppelten Betreuung durch einen privaten Träger.


Tatbestand:

Die Kläger begehrten Prozesskostenhilfe für eine Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, aus Mitteln der Jugendhilfe die ihnen dadurch entstandenen Kosten zu übernehmen, dass sie sich als Pflegeeltern von der E.-GbR haben beraten und betreuen lassen. Das VG lehnte den Prozesskostenhilfeantrag ab. Ihre Beschwerde blieb erfolglos.

Gründe:

Die Klage hat nicht die gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.8.2001 - 2 BvR 569/01 -, vom 30.10.1991 - 1 BvR 1386/91 -, NJW 1993, 889, und vom 13.3.1990 - 2 BvR 94/88 u.a. -, NJW 1998, 413; OVG NRW, Beschluss vom 27.9.2001 - 12 E 671/99 -.

Die vorliegende Klage hat nicht mehr als nur eine entfernte Erfolgschance. Aus der Auslegung des § 37 Abs. 2 SGB VIII ergibt sich ohne weiteres, dass der darin geregelte Anspruch der Pflegeperson auf Beratung und Unterstützung nicht auf die Übernahme der Kosten einer - wie hier - das Tätigwerden des Jugendamtes ersetzenden, also nicht in dessen Auftrag erfolgenden und von der Hilfe zur Erziehung abgekoppelten Betreuung durch einen privaten Träger gerichtet ist. Der Anspruch richtet sich vielmehr auf Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt und verpflichtet dieses damit zu einer Dienstleistung im Sinne des § 11 SGB I.

Vgl. die Begründung zu § 37 Abs. 2 im Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts, BT-Drucks. 11/5948, S. 75 und die Stellungnahme des Bundesrats hierzu, a.a.O., S. 133.

In begründeten Fällen kann sich das Jugendamt zur Erfüllung des Unterstützungsanspruchs der Hilfe Dritter, etwa privater Träger, bedienen. In diesem Rahmen kann der Anspruch Geldleistungen zum Inhalt haben, mit denen der Pflegeperson die Teilnahme an Fortbildungveranstaltungen oder die Inanspruchnahme externer Beratung ermöglicht wird.

Vgl. Schellhorn, SGB VIII/KJHG, § 37 Rdnr. 15.

Die so geartete Einschaltung eines Dritten stellt die Gesamtverantwortung des Jugendamts für die Beratung und Unterstützung nicht in Frage. Anders wäre es bei einer von der Hilfe zur Erziehung abgekoppelten Beratung und Betreuung, die an die Stelle der Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt träte. Diese ist vom Anspruch nach § 37 Abs. 2 SGB VIII nicht umfasst. Aus der Systematik der Regelungen zur Hilfe zur Erziehung durch Unterbringung in einer Pflegefamilie folgt, dass stets der Zusammenhang zwischen der Beratung der Pflegeperson nach § 37 Abs. 2 SGB VIII und der Arbeit mit der Herkunftsfamilie nach § 37 Abs. 1 S. 2 bis 4 SGB VIII erhalten bleiben soll.

Vgl. Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 37 Rdnr. 12.

Bei einer isolierten Beratung der Pflegeperson außerhalb der Gesamtverantwortung des Jugendamtes würde dieser Zusammenhang gelöst. Für die Fälle, in denen - anders als jedenfalls zunächst im vorliegenden Fall - die Betreuung des jungen Menschen in einer Pflegefamilie nicht im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung erfolgt, ist keine andere Auslegung des § 37 Abs. 2 SGB VIII möglich, da der Gesetzgeber diese Fälle ohne Differenzierung in den bei Gewährung von Hilfe zur Erziehung gegebenen Beratungsanspruch der Pflegeperson einbezogen hat.

Zu einer abweichenden Auslegung des § 37 Abs. 2 SGB VIII führt auch nicht § 5 Abs. 1 SGB VIII. Hiernach haben die Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Die Pflegepersonen sind nicht Leistungsberechtigte im Sinne dieser Bestimmung. Darunter sind vielmehr nur die Inhaber der sozialen Rechte in der Kinder- und Jugendhilfe zu verstehen, also junge Menschen und Personensorgeberechtigte (vgl. § 8 SGB I). Das wird auch aus § 6 Abs. 1 SGB VIII deutlich, nach dem (Leistungen nach diesem Buch( jungen Menschen, Müttern, Vätern und Personensorgeberechtigten von Kindern und Jugendlichen gewährt werden. Zwar normiert § 37 Abs. 2 SGB VIII einen einklagbaren Anspruch der Pflegeeltern.

Vgl. Schellhorn, SGB VIII/KJHG, § 37 Rdnr. 13; Wiesner, SGB VIII, § 37 Rdnrn. 34 f.

Dieser Anspruch unterscheidet sich aber insoweit von den sonstigen im Achten Buch des Sozialgesetzbuchs geregelten Ansprüchen, als er in erster Linie zum Zwecke möglichst optimaler Gestaltung der in Rede stehenden Hilfe, nämlich der Hilfe zur Erziehung durch Betreuung in einer Pflegefamilie, dem Leistungserbringer, also der Pflegeperson, eine subjektive Rechtsstellung verschafft. Die Stellung der Pflegepersonen als "wertvollen Helfern" in der Jugendhilfe soll gestärkt werden.

Vgl. Jans/Happe/Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand: Juni 2001, § 37 Rdnr. 37.

Die Pflegepersonen sind an dem durch die Hilfe zur Erziehung begründeten Leistungsverhältnis zwischen dem Jugendamt und dem Leistungsempfänger nicht beteiligt. Inhaber des Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung einschließlich wirtschaftlicher Hilfe gemäß §§ 27, 33, 39 SGB VIII ist der Personensorgeberechtigte.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.4.2001 - 12 A 924/99 -, FEVS 53, 251 ff., m.w.N.

Der Anspruch nach § 37 Abs. 2 SGB VIII in Fällen, in denen dem Kind oder Jugendlichen weder Hilfe zur Erziehung noch Eingliederungshilfe gewährt wird oder die Pflegeperson der Pflegeerlaubnis nach § 44 SGB VIII nicht bedarf, weist gar keinen Bezug mehr zum Leistungsrecht nach § 2 Abs. 2 SGB VIII auf.

Behauptet eine Pflegeperson, das Jugendamt leiste die ihr aus § 37 Abs. 2 SGB VIII geschuldete Beratung und Unterstützung nicht oder nicht in erforderlichem Umfang, steht ihr gegebenenfalls zur gerichtlichen Durchsetzung ihres Anspruchs gegen das Jugendamt der Klageweg, zur Abwehr einer ansonsten nicht abzuwendenden aktuellen Notlage auch der vorläufige Rechtsschutz, jeweils mit eventuell sich anschließender Vollstreckung zur Verfügung.

Unberührt bleibt selbstverständlich das Recht freier Träger, Pflegeeltern Beratung und Betreuung anzubieten, und das Recht der Pflegepersonen, sich durch private Träger beraten zu lassen.

Vgl. zum Pflegekinderdienst eines privaten Trägers: OVG NRW, Beschluss vom 3.12.2001 - 12 A 853/00 -, Sozialrecht aktuell 2002, 139.

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