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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.08.2002
Aktenzeichen: 13 A 1253/01
Rechtsgebiete: GG, HPG, DVO-HPG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
HPG § 2 Abs. 1
DVO-HPG § 2 Abs. 1 der 1.
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
Die in einem Antrag auf Zulassung der Berufung aufgeworfene Frage, ob die aus dem Dritten Reich stammenden Vorschriften des Heilpraktikergesetzes - HPG - und der dazu ergangenen Durchführungsverordnungen weiter gelten, erfordert nicht die Durchführung eines Berufungsverfahrens.
Tatbestand:

Das VG wies die Klage der Klägerin auf Erteilung einer Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung, beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie, ab. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, der gem. § 194 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.d.F. des RmBereinVpG vom 20.12.2001 - BGBl. I S. 3987 - nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht zu beurteilen ist, hat keinen Erfolg.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht gegeben.

Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine über den Einzelfall hinausgehende, verallgemeinerungsfähige Frage tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwirft, die der Rechtsfortbildung und/oder Rechtsvereinheitlichung dienlich sowie in der Berufung klärungsbedürftig und klärungsfähig ist.

Eine derartige Frage wird im Zulassungsantrag auch mit dem Vorbringen, es sei zu klären, ob die aus dem Dritten Reich stammenden Vorschriften des Heilpraktikergesetzes und der 1. Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz weiter gelten würden, nicht aufgezeigt. In der Rechtsprechung, einschließlich der des BVerfG, ist geklärt, dass die maßgebenden, auch vom VG herangezogenen Bestimmungen des Heilpraktikergesetzes vom 17.2.1939 (RGBl. I S. 251) und der dazu ergangenen Durchführungsverordnungen vom 18.2.1939 (RGBl. I S. 259) bzw. vom 3.7.1941 (RGBl. I S. 368) auch weiterhin gelten und anwendbar sind. Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes und der in ihm gewährleisteten Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) wandelte sich die ursprüngliche Zielsetzung des Heilpraktikergesetzes, den Berufsstand der Heilpraktiker auf lange Sicht zu beseitigen und ein Ärztemonopol einzuführen. § 2 Abs. 1 HPG, welcher die Erlaubniserteilung in das Ermessen der Gesundheitsbehörde stellte, wurde vom BVerwG in verfassungskonformer Auslegung mit der Maßgabe für gültig erachtet, dass jeder Antragsteller zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung zuzulassen sei, wenn keiner der sich aus § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HPG ergebenden und nicht infolge ihres nationalsozialistischen Charakters außer Kraft getretenen Versagungsgründe vorliegt. Ebenso wurde von der Rechtsprechung entschieden, dass die Vorschrift über die Erlaubnispflicht nach Art. 123 Abs. 1 GG und Art. 125 i.V.m. Art. 74 Nr. 19 GG als Bundesrecht weiter gilt und dass die in § 2 Abs. 1 der 1. DVO-HPG geregelten Zulassungsbeschränkungen grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Ziel des Heilpraktikergesetzes, die Volksgesundheit durch einen Erlaubniszwang für Heilbehandler ohne Bestallung zu schützen, ist durch Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt und widerspricht daher nicht dem Grundgesetz. Bei der Gesundheit der Bevölkerung handelt es sich um ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz eine solche subjektive Berufszulassungsschranke nicht außer Verhältnis steht. Der mit dem Erlaubniszwang für die Ausübung der Heilpraktikertätigkeit verfolgte Zweck, die Patienten keinen ungeeigneten Heilbehandlern auszuliefern, behält seine Berechtigung und verleiht den verbleibenden Vorschriften nach wie vor einen vom Willen des Gesetzgebers gedeckten Sinn.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24.10.1994 - 1 BvR 1016/89 -, n.v., vom 10.5.1988 - 1 BvR 111/77 -, BVerfGE 78, 155, vom 10.5.1988 - 1 BvR 482/84 und 1 BvR 1166/85 -, BVerfGE 78, 179; BVerwG Urteile vom 21.12.1995 - 3 C 24.94 -, DÖV 1996, 963, vom 11.11.1993 - 3 C 45.91 -, NJW 1994, 3024, und vom 21.1.1993 - 3 C 34.90 -, BVerwGE 91, 356 = NJW 1993, 2395; OVG NRW, Urteile vom 24.8.2000 - 13 A 4790/97 -, DVBl. 2001, 755, und vom 2.12.1998 - 13 A 5322/96 -, DVBl 1999, 1057; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9.7.1991 - 9 S 961/90 -, MedR 1992, 54; Bay. VGH, Urteil vom 20.11.1996 - 7 B 95.3013 -, NVwZ-RR 1998, 113.

Vor diesem Hintergrund gibt der Zulassungsantrag keine Veranlassung, die Frage der Weitergeltung der Bestimmungen des Heilpraktikergesetzes und seiner Durchführungsverordnungen erneut in einem Berufungsverfahren zu klären, zumal es darin insoweit an einer substantiierten und detaillierten Auseinandersetzung mit der die Weitergeltung der maßgebenden Bestimmungen bejahenden Rechtsprechung fehlt.

Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache auch nicht im Hinblick auf die im Zulassungsantrag angesprochene Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV zu. Die Niederlassungsfreiheit ist, wie das VG ausgeführt hat, schon deshalb nicht tangiert, weil die beabsichtigte Ausübung der Heilkunde, beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie, durch die Klägerin als Inländerin/Deutsche nicht an dem Maßstab zu messen ist, der für Angehörige eines anderen Mitgliedstaats gilt, die diese Tätigkeit in Deutschland ausüben wollen. Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV bedeutet nicht, dass eine spezifische Tätigkeit, die in einem Mitgliedstaat keinen Regelungen unterliegt und für die dort keine besondere Qualifikation nachgewiesen werden muss, auch im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates ohne weiteres ausgeübt werden darf. Die Aufnahme und Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat kann vielmehr von der Beachtung bestimmter durch das allgemeine Interesse gerechtfertigter Rechts- und Verwaltungsvorschriften abhängig gemacht werden. Ist dies der Fall, so müssen diese Bedingungen von dem Betreffenden, der die Tätigkeit ausüben will, grundsätzlich erfüllt werden.

Vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94 -, NJW 1996, 579.

Dementsprechend ist auch die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nicht geboten.

Überdies ist in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt und somit nicht von grundsätzlicher Bedeutung, dass Fälle der sog. Inländer-Diskriminierung in der Regel keine Gleichstellung der betroffenen Deutschen nach Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG oder nach dem Verhältnismäßigkeitsgebot verlangen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.12.1998 - 13 A 2711/97 -, LRE 36, 150, 158.

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des VG (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist gleichfalls nicht zu bejahen bzw. nicht dargelegt worden. Bei diesem Zulassungsgrund, durch den die Einzelfallgerechtigkeit gewährleistet wird und der ermöglichen soll, unbillige oder ungerechte Entscheidungen zu korrigieren, kommt es nicht darauf an, ob die angefochtene Entscheidung in allen Punkten der Begründung richtig ist, sondern nur darauf, ob ernstliche Zweifel im Hinblick auf das Ergebnis der Entscheidung bestehen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 124 Rn. 7a; Sodan/Ziekow, VwGO, Stand:12.2001, § 124 Rnrn. 143 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 22.5.2002 - 13 A 853/02 -.

In diesem Sinne bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des VG. Dabei ist schon zweifelhaft, ob die im Zulassungsantrag genannte, die gerichtliche Überprüfung von Prüfungsentscheidungen betreffende Entscheidung des BVerfG, Beschluss vom 17.4.1991 - 1 BvR 419/81 und 213/81 -, BVerfGE 84, 34, in vollem Umfang einschlägig ist, weil es sich bei der Überprüfung im Rahmen des § 2 Abs. 1 Buchst. i der 1. DVO-HPG nicht um eine formalisierte Prüfung im herkömmlichen Sinne handelt, die eine zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringende Prüfungsleistung des Bewerbers zur Voraussetzung hat, sondern um die Umschreibung des Gegenstandes und des Zieles der der Behörde aufgegebenen Sachverhaltsermittlung.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.1.1993 - 3 C 34/90 -, a.a.O.

Ende der Entscheidung

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