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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 05.02.2007
Aktenzeichen: 13 A 1714/04
Rechtsgebiete: PsychThG


Vorschriften:

PsychThG § 3 Abs. 1 Satz 1
PsychThG § 12
PsychThG § 12 Abs. 3
PsychThG § 12 Abs. 4
PsychThG § 12 Abs. 5
Der Widerruf einer Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin ist auch bei einem nach dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes aufgenommenen und abgeschlossenen Studium der Heilpädagogik gerechtfertigt.

Das Verwaltungsgericht kann seiner Entscheidung auch nach den Behördenbescheiden ergangene obergerichtliche Urteile zu Grunde legen.


Gründe:

Die Klägerin erhielt antragsgemäß im Mai 1999 eine Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin nach den Übergangsvorschriften des am 1.1.1999 in Kraft getretenen Psychotherapeutengesetzes. Die Beklagte nahm die Approbation Anfang 2000 zurück, weil die Klägerin den nach den Übergangsbestimmungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes erforderlichen Hochschulabschluss nicht nachgewiesen habe. Das VG wies die Klage gegen die Rücknahme der Approbation zurück. Die nachträgliche Hochschulqualifikation der Klägerin im Studiengang Heilpädagogik sei nicht berücksichtigungsfähig, die Klägerin habe für ihre Vortätigkeit auch keine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz gehabt.

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Widerruf der Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin hat seine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 PsychThG vom 16.6.1998 (BGBl. I S. 1311). Danach ist die Approbation u.a. zurückzunehmen, wenn bei ihrer Erteilung die nach § 12 PsychThG nachzuweisende Ausbildung nicht abgeschlossen war.

Dieser Rücknahmetatbestand, der wegen der Formulierung "... ist zurückzunehmen ..." der zuständigen Behörde kein Ermessen bei der Rücknahmeentscheidung eröffnet, ist bei der Klägerin gegeben.

§ 12 Abs. 5 PsychThG macht die Möglichkeit des Erhalts einer Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut im Rahmen der Übergangsvorschriften des § 12 PsychThG von einer bestandenen Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie an einer Universität oder einer gleichstehenden Hochschule oder im Studiengang Pädagogik oder Sozialpädagogik an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule abhängig. Einen solchen Hochschulabschluss konnte die Klägerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Psychotherapeutengesetzes nicht vorweisen.

Verfassungsrechtliche Bedenken, die dazu nötigen, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen (Art. 100 Abs. 1 GG), bestehen bezüglich der Übergangsvorschriften des § 12 PsychThG und der speziell darin vorgesehenen Erfordernisse eines Hochschulabschlusses in Psychologie bzw. bezüglich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Studiengang Pädagogik oder Sozialpädagogik nicht. Das BVerfG hat - zwar in Bezug auf psychologische Psychotherapeuten, aber dennoch mit gleichermaßen gegebener Verbindlichkeit bezüglich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten - ausgeführt, dass die in den Übergangsvorschriften des § 12 PsychThG vorgesehene Approbationsvoraussetzung eines abgeschlossenen (Psychologie- oder Pädagogik-) Studiums als subjektive Berufswahlregelung, die dem Schutz eines besonders wichtigen Gemeinwohlbelangs in Gestalt der Gesundheit der Bevölkerung zu dienen bestimmt ist, vor Art. 12 Abs. 1 GG Bestand hat und dass die Übergangsbestimmungen des Psychotherapeutengesetzes auch mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren sind.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16.3.2000 - 1 BvR 1453/99 -, NJW 2000, 1779, vom 30.5.2000 - 1 BvR 704/00 -, NJW 2000, 3416, und vom 22.3.2001 - 1 BvR 409/01 -, MedR 2001, 515.

Eine Wiederholung der insoweit maßgebenden Erwägungen, denen sich der Senat in mehreren - u. a. im Urteil des VG genannten - Entscheidungen angeschlossen hat, erscheint verzichtbar.

Der gestalterische Freiraum, der dem Gesetzgeber bei der Fixierung von Berufsbildern in einem berufsregelnden Gesetz zukommt, gilt auch in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung von Übergangsvorschriften in dem Gesetz. Im Falle des Anfang 1999 in Kraft getretenen Psychotherapeutengesetzes hat der Gesetzgeber nicht gänzlich von Übergangsvorschriften abgesehen, sondern im § 12 detaillierte Regelungen geschaffen unter Berücksichtigung der Interessen derjenigen, die bisher in den mit dem Gesetz neu geschaffenen Berufen tätig waren. Dass darin an eine zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bestandene Universitäts- oder gleichstehenden Hochschul-Abschlussprüfung angeknüpft und die Möglichkeit einer nachträglichen Hochschulqualifikation in den angegebenen Studiengängen nicht erwähnt wird, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Kennzeichnend und entscheidendes Kriterium bei der Ausgestaltung von Übergangsvorschriften in einem Gesetz allgemein und speziell bei Gesetzen mit neu fixierten Berufsbildern ist insbesondere auch deren Praktikabilität und die Verwaltungsvereinfachung.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.3.2000 - 1 BvR 1453/99 -, a. a. O.

Diese Gesichtspunkte tragen auch den Ausschluss der Berücksichtigung einer hochschulmäßigen Nachqualifizierung. Andernfalls hätte jedes für die Tätigkeit als Psychotherapeut in Betracht kommende Studium im Rahmen der Übergangsbestimmungen mit einer besonderen Bewertung bedacht werden müssen, da Unterschiede in Dauer, Umfang und Intensität der Studiengänge bestehen. Mithin hätten unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG alle im Rahmen des § 12 PsychThG relevanten Nachqualifizierungen berücksichtigt werden müssen, was zu einem zeitlich nicht begrenzten und nicht abzusehenden Übergangszeitraum geführt hätte. Dieser hätte das gesetzgeberische Anliegen, den Schutz des Gemeinwohls und der Transparenz für den Patienten durch die Schaffung von einheitlichen Anforderungen und Zugangsvoraussetzungen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zu fixieren, ausgehöhlt und hätte dementsprechend eine praktikable Gestaltung der Übergangsbestimmungen verhindert. Die Formulierung der Übergangsbestimmungen des § 12 Absätze 3 - 5 PsychThG lässt demnach auch keine andere Wertung als die zu, dass das maßgebende Studium vor dem 1.1.1999 abgeschlossen worden sein musste, um von den Übergangsregelungen profitieren zu können.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/98 -, BVerfGE 98, 265 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 2.2.2000 - 13 B 934/99 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.3.2002 - 9 S 1057/01 -, DÖV 2002, 876.

Eine andere Sichtweise ergibt sich für die Klägerin auch nicht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten. Die Klägerin kannte bei der Aufnahme des Diplom-Studiengangs Heilpädagogik an der Fachhochschule Hannover, die nach ihren Angaben unmittelbar nach der Bekanntgabe des Psychotherapeutengesetzes erfolgt ist, die für die Ausübung einer Tätigkeit als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin maßgebenden gesetzlichen Regelungen einschließlich der Übergangsbestimmungen des Gesetzes und die darin nicht vorgesehene Möglichkeit und Berücksichtigung einer nachträglichen Hochschulqualifikation. Sie konnte dementsprechend nicht davon ausgehen, dass ein nachträglicher Studienabschluss anerkannt und ihr zugute kommen würde. Auch in zeitlicher Hinsicht kann sich die Klägerin für die Aufnahme des Studiums nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, weil als insoweit maßgeblicher Zeitpunkt nicht das Datum des Psychotherapeutengesetzes (16.6.1998), sondern der Tag des Beschlusses des Gesetzes durch den Deutschen Bundestag und damit der 27.11.1997 in Betracht kommt, vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.5.2000 - 1 BvR 704/00 - a. a. O., und die Aufnahme ihres Studiums zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt war bzw. sich auch nicht unmittelbar an diesen Zeitpunkt angeschlossen hat.

Das VG hat auch zutreffend ausgeführt, dass es bei der Klägerin an einer psychotherapeutischen Vortätigkeit i.S.d. § 12 Abs. 3 bis 5 PsychThG gefehlt hat. Soweit das VG unter Hinweis auf das Urteil des BVerwG vom 28.11.2002 (- 3 C 44.01 -, DVBl. 2003, 677) für die Anrechenbarkeit einer Tätigkeit im psychotherapeutischen Bereich auf die Notwendigkeit des Vorliegens einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz abgestellt hat, ohne dass diese in den angefochtenen Bescheiden angesprochen wurde, begegnet auch dies keinen Bedenken. Die zeitlich spätere gerichtliche Überprüfung behördlicher Verwaltungsakte erfolgt auf der Grundlage der dabei vorliegenden Erkenntnisse und bringt es mit sich, dass dabei auch zwischenzeitlich neu oder zusätzlich entstandene Entscheidungskriterien und - zum Beispiel nach obergerichtlichen Entscheidungen erforderliche - rechtliche Erwägungen zu Grunde gelegt und berücksichtigt werden, die im Zeitpunkt der behördlichen Bescheide noch nicht bekannt oder relevant waren, die aber für die spätere Beurteilung von erheblicher Bedeutung sind. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung liegt darin nicht, zumal das VG außer auf den fehlenden fristgerechten Hochschulabschluss nur ergänzend auf das Argument, es hätte für eine Anrechnung einer psychotherapeutischen Vortätigkeit der Klägerin des Vorliegens einer Heilpraktikererlaubnis bedurft, abgestellt hat und die angefochtenen Bescheide dadurch keine Wesensänderung erfahren haben. Regelungsgegenstand der Bescheide ist auch mit der ergänzenden Erwägung des VG bezüglich der Heilpraktikererlaubnis die Rücknahme der Approbation der Klägerin, für die der fehlende Hochschulabschluss auch weiterhin bedeutsam ist.

Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, vor dem Erlass des Psychotherapeutengesetzes sei die psychotherapeutische Betreuung von Kindern nicht als Heilkunde angesehen worden. Dies und eine entsprechende Praxis der zuständigen Behörden, in der Vergangenheit die Notwendigkeit einer Heilpraktikererlaubnis nicht mit der notwendigen Konsequenz nachgehalten zu haben, mag zutreffen, ändert aber nichts am Erfordernis einer solchen Erlaubnis und an den sich aus dem Fehlen der Erlaubnis ableitenden Konsequenzen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.11.202 - 3 C 44.01 -, a. a. O.

Die Folgen der Rücknahme der Approbation für die Klägerin sind nicht von entscheidender Bedeutung. Ihr im Herbst 2001 abgeschlossenes Studium der Heilpädagogik führt angesichts des fehlenden nach den Übergangsbestimmungen des Psychotherapeutengesetzes erforderlichen zeitgerechten Hochschulabschlusses auch nicht dazu, dass die Rücknahme der Approbation (nunmehr) rechtswidrig wird. Einen der Rücknahme der Approbation entgegenstehenden Vertrauensschutz im Sinne eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes (vgl. § 48 VwVfG NRW) kann die Klägerin ebenfalls nicht für sich in Anspruch nehmen, weil es sich bei den Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation um in ihrer Sphäre liegende Umstände handelt und außerdem ein öffentliches Interesse daran besteht, dass nur diejenigen die Bezeichnung "Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin" führen, die die zugehörige Ausbildung nach dem Psychotherapeutengesetz absolviert haben oder die nach den Übergangsbestimmungen zur Führung dieser Berufsbezeichnung berechtigt sind.

Ende der Entscheidung

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