Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 13 A 228/08
Rechtsgebiete: AMG, VwGO, GG


Vorschriften:

AMG § 25 Abs. 2
AMG § 30 Abs. 1
AMG § 105 Abs. 3
AMG § 105 Abs. 5 Satz 1
AMG § 105 Abs. 5 Satz 2
VwGO § 44a Satz 1
VwGO § 45
VwGO § 46 Satz 1
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 2
GG Art. 20 Abs. 3
§ 105 Abs. 5 Satz 1 AMG enthält keine vom Antragsteller im Nachzulassungsverfahren unmittelbar zu beachtende Mängelbeseitigungsfrist und insbesondere keine ohne weiteren behördlichen Konkretisierungsakt zu beachtende Höchstfrist von zwölf Monaten. Der Antragsteller im Nachzulassungsverfahren muss sich vielmehr - allein - an der normkonkretisierenden behördlichen Fristsetzung orientieren.

Das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gebietet es, dass der Gesetzgeber Normen schafft, die auch in ihrem Zusammenwirken dem Grundsatz der Normenklarheit genügen. Gesetzliche Regelungen müssen demnach so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag.

§ 46 VwVfG ist auf Bescheidungsklagen im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend anwendbar.


Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Verlängerung der (fiktiven) Zulassung des pflanzlichen Fertigarzneimittels "I & T Abführtee". Anfang Oktober 2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zulassungsunterlagen mehrere "besonders gravierende Mängel" aufwiesen. Hierzu könne innerhalb eines Monats Stellung genommen werden. Später verlängerte die Beklagte die Frist bis Anfang April 2003. Die Klägerin überreichte innerhalb dieser Frist eine fachliche Stellungnahme zu den beanstandeten Mängeln. Sie wies aber zugleich darauf hin, dass die bestimmte Frist zu kurz sei, um die Bedenken der Beklagten ausräumen zu können. Ende 2004 versagte die Beklagte die Verlängerung der Nachzulassung. Ihre Beanstandungen seien bis zum gesetzten (und angemessenen) Termin nicht vollständig beseitigt worden. Die dagegen erhobene Klage auf Neubescheidung des Nachzulassungsantrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hatte Erfolg. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Gründe:

Das VG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Versagungsbescheid der Beklagten vom 6.12.2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf erneute Entscheidung über ihren Nachzulassungsantrag für das Fertigarzneimittel "I. & T. Abführtee" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).

Nach § 105 Abs. 4f AMG ist die (fiktive) Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG auf Antrag nach § 105 Abs. 3 Satz 1 AMG um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Auf einen solchen Versagungsgrund kann eine den Verlängerungsantrag ablehnende Entscheidung allerdings nur gestützt werden, wenn die Zulassungsbehörde zuvor das in § 105 Abs. 5 AMG vorgesehene Beanstandungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt hat. Nach dieser Vorschrift hat der Antragsteller bei Beanstandungen innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von zwölf Monaten nach Mitteilung der Beanstandungen, den Mängeln abzuhelfen; die Mängelbeseitigung ist in einem Schriftsatz darzulegen (Satz 1). Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen (Satz 2).

Welche Frist im Einzelfall angemessen im Sinne von § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG ist, wird allein durch den vom Zulassungsinhaber zu leistenden Aufwand bestimmt, der objektiv mit der Mängelbeseitigung verbunden ist. Deshalb ist eine umso längere Mängelbeseitigungsfrist einzuräumen, je stärker das nachzuzulassende Arzneimittel mit Mängeln behaftet ist. Das gilt auch und gerade für gravierende Mängel, die - was im Übrigen nicht selten vorkommen dürfte - nicht innerhalb der Höchstfrist von zwölf Monaten beseitigt werden können. Liegen solche Mängel vor, darf die Nachzulassung nicht ohne vorheriges Beanstandungsverfahren versagt werden. Deshalb rechtfertigt die Annahme der Zulassungsbehörde, der Antragsteller werde den Mangel auch nicht innerhalb von zwölf Monaten beseitigen können, weder die Gewährung einer die Höchstfrist unterschreitenden Mängelbeseitigungsfrist noch die Gewährung einer das Beanstandungsverfahren zu einer bloßen Förmelei herabstufenden einmonatigen Mängelbeseitigungsfrist. Dieses Verständnis folgt zwingend aus der Grundkonzeption des Nachzulassungsrechts. Der Gesetzgeber hat sich insoweit dafür entschieden, dass eine Nachzulassung nicht ohne vorheriges (ordnungsgemäßes) Beanstandungsverfahren versagt werden darf. Er hat sich insbesondere nicht veranlasst gesehen, Voraussetzungen für eine sofortige Versagung der Nachzulassung vorzusehen. Bei allen Mängeln, die nicht Gegenstand des Auflageverfahrens nach § 105 Abs. 5a Satz 1 bis 3 AMG sein können, muss das Beanstandungsverfahren deshalb so durchgeführt werden, dass den gerügten Mängeln auch in zeitlicher Hinsicht angemessen begegnet werden kann.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26.9.2006 - 13 A 2727/04 -, A & R 2007, 185, m. w. N., und vom 18.12.2008 - 13 A 1833/06 -, juris.

Dessen ungeachtet bleibt es der Zulassungsbehörde unbenommen, die (fiktive) Zulassung bei von ihr als besonders gravierend erachteten Mängeln unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 AMG aufzuheben, sofern das Arzneimittel aus ihrer Sicht im Interesse der Arzneimittelsicherheit und zum Schutz der Bevölkerung sofort oder jedenfalls zeitnah aus dem Verkehr genommen werden sollte und ein regelmäßig zeitaufwändiges Mängelbeseitigungsverfahrens nach § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG deshalb nicht angezeigt erscheint.

Vgl. wiederum OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2006 - 13 A 2727/04 -, a. a. O.

Nach diesen Maßstäben ist die Versagung der Verlängerung der Zulassung verfahrensfehlerhaft und damit formell rechtswidrig erfolgt. Sowohl die von der Beklagten zunächst gesetzte Monatsfrist als auch die mit Schreiben vom 20.12.2002 ausgesprochene Verlängerung bis zum 7.4.2003 sind unangemessen kurz. Die Beklagte ist ausweislich ihres Mängelschreibens vom 2.10.2002 der fachlichen Überzeugung, dass die mitgeteilten Mängel nach ihrem Gewicht und ihrer Tragweite besonders gravierend seien, weil ein Wirksamkeitsnachweis für den Kombinationspartner Kümmel in der hier in Rede stehenden niedrigen Dosierung bislang nicht geführt worden sei. Sie hat zugleich unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass der genannte Mangel von der Klägerin - wenn überhaupt - allenfalls mit ganz erheblichem (zeitlichen und finanziellen) Aufwand und keinesfalls innerhalb von zwölf Monaten zu beheben sei. Bei dieser Ausgangslage musste die Beklagte, die sich bislang noch nicht für eine Aufhebung der Zulassung nach § 30 Abs. 1 AMG entschieden hat, eine Frist von zwölf Monaten zur Mängelbeseitigung gewähren. Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte nunmehr vorträgt, die von der Klägerin beabsichtigten und mitgeteilten Mängelbeseitigungsmaßnahmen seien allesamt jedenfalls innerhalb der gewährten Fristverlängerung bis zum 7.4.2003 möglich gewesen. Denn für die Frage, welche Frist angemessen im Sinne des § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG ist, kommt es - wie dargelegt - nicht auf die subjektive Einschätzung der Klägerin, sondern allein auf den objektiv vom Zulassungsinhaber zu leistenden Mängelbeseitigungsaufwand an.

Der Antragsteller im Nachzulassungsverfahren muss bei der Mängelbeseitigung auch nicht gleichsam "hilfsweise" eine Frist von zwölf Monaten beachten. Eine solche Auffangfrist lässt sich § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG nicht entnehmen. Die Vorschrift enthält keine vom Antragsteller im Nachzulassungsverfahren unmittelbar zu beachtende Mängelbeseitigungsfrist und insbesondere keine ohne weiteren behördlichen Konkretisierungsakt zu beachtende Höchstfrist von zwölf Monaten.

Das ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus dem Wortlaut und der systematischen Verknüpfung der Vorschrift. Hierin heißt es, dass der Antragsteller den Mängeln "höchstens innerhalb von zwölf Monaten nach Mitteilung der Beanstandungen" abzuhelfen hat, was für sich betrachtet zunächst einmal dafür spricht, dass der Antragsteller den Mängeln auch bei abweichender und unangemessen kurzer Fristsetzung der Zulassungsbehörde spätestens innerhalb von zwölf Monaten nach Zugang des Mängelschreibens abhelfen müsste. Die Formulierung ist indessen sprachlich wie systematisch in die gesetzliche Hauptaussage des § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG eingebunden, wonach der Antragsteller den Mängeln innerhalb einer "angemessenen Frist" abzuhelfen hat. Damit hat der Gesetzgeber - wie im Übrigen auch in § 25 Abs. 4 Satz 2 AMG - sprachlich zum Ausdruck gebracht, dass die Aufgabe, eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung zu setzen, nicht von ihm selbst, sondern ausschließlich von der Zulassungsbehörde wahrgenommen wird. Die Zulassungsbehörde muss sich bei der Fristbestimmung zwar in den Grenzen des § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG bewegen und darf deshalb keinen über einen Zeitraum von zwölf Monaten hinausgehenden Termin bestimmen. In diesem Rahmen aber setzt sie die im Einzelfall angemessene Frist in eigener Zuständigkeit und Verantwortung fest. Daraus wiederum folgt, dass sich der Antragsteller im Nachzulassungsverfahren - allein - an der normkonkretisierenden behördlichen Fristsetzung zu orientieren hat und dass er deshalb sein weiteres Vorgehen nicht (auch) unmittelbar an der gesetzlichen Rahmenregelung ausrichten muss.

So schon VG Köln, Urteile vom 23.1.2007 - 7 K 2784/04 -, juris, und vom 29.11.2007 - 13 K 128/05 -, juris; vgl. auch VG Köln, Urteil vom 31.3.2004 - 24 K 10867/02 -, juris.

Dieses Normverständnis wird auch nicht durch den von der Beklagten in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellten Sinn und Zweck der Fristenregelung in § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG in Frage gestellt. Die Verkürzung der Mängelbeseitigungsfrist auf zwölf Monate durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 4.7.2000 (BGBl. I S. 1002) dient zwar in erster Linie der Beschleunigung des Nachzulassungsverfahrens. Die Gesetzesmaterialien lassen aber nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber eine unmittelbar gegenüber dem Antragsteller im Nachzulassungsverfahren geltende Höchstfrist von zwölf Monaten vorsehen wollte.

Die Gesetzesfassung beruht im Grundsatz auf dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 2.12.1999. Hierin war vorgesehen, dass der Antragsteller bei Beanstandungen innerhalb einer angemessenen Frist den Mängeln abzuhelfen habe und dass die Frist zur Behebung der Mängel sechs Monate nach Mitteilung der Beanstandungen nicht überschreiten dürfe, sofern sich der wissenschaftliche Erkenntnistand nicht geändert habe. Aus dieser (allerdings nicht Gesetz gewordenen) Formulierung und aus der Entwurfsbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass mit dem Gesetzentwurf eine unmittelbar vom Antragsteller im Nachzulassungsverfahren zu beachtende gesetzliche Höchstfrist festgesetzt werden sollte.

Vgl. BT-Drucks. 14/2292, S. 5 (Gesetzentwurf) und S. 9 (Begründung); siehe hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2008 - 13 A 1833/06 -, a. a. O.

Die in Kraft getretene Fassung des § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG entspricht der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages vom 10.5.2000, der insoweit vom Gesetzentwurf der Bundesregierung abwich, als er neben einer Mängelbeseitigungshöchstfrist von zwölf Monaten auch den Einschub "jedoch höchstens innerhalb von zwölf Monaten nach Mitteilung der Beanstandungen" vorsah. Der Ausschussbericht spricht in diesem Zusammenhang von einer "gesetzlich festgelegten Frist". Hieraus kann freilich nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber eine vom Antragsteller unmittelbar zu beachtende Mängelbeseitigungsfrist von zwölf Monaten vorsehen wollte, weil mit dem genannten Einschub in erster Linie klargestellt werden sollte, dass der Gesundheitsausschuss dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, der noch eine Fristenöffnungsklausel vorsah ("Änderung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes"), nicht folgt.

Vgl. BT-Drucks. 14/3320, S. 8 (Gesetzesentwurf) und S. 15 f. (Ausschussbericht); siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 18.12.2008 - 13 A 1833/06 -, a. a. O.

Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen hätte der Gesetzgeber die Absicht, eine unmittelbar geltende (Auffang-)Frist zu setzen, hinreichend klar und bestimmt formulieren müssen. Das folgt letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG, das gebietet, dass der Gesetzgeber Normen schafft, die auch in ihrem Zusammenwirken dem Grundsatz der Normenklarheit genügen. Gesetzliche Regelungen müssen danach so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag. Die gesetzlichen Regelungen sollen die Verwaltung binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß begrenzen, sowie die Gerichte in die Lage versetzen, die Verwaltung anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren. Die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit einer Ermächtigung richten sich nach der Art und der Schwere des Eingriffs und der jeweils zu erfüllenden Aufgabe. Sie sind erhöht, wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert. Aus dem Grundsatz der Normenwahrheit folgt, dass sich der Gesetzgeber an dem für den Normadressaten ersichtlichen Regelungsgehalt der Norm festhalten lassen muss. Jedoch ist es ausreichend, wenn der Rechtsunterworfene im Wege der Auslegung in zumutbarer Weise erkennen kann, ob eine Norm anwendbar ist.

Ständige Rechtsprechung des BVerfG; siehe z. B. Beschlüsse vom 2.6.2008 - 1 BvR 349/04 und 1 BvR 378/04 -, NVwZ 2008, 1229, und vom 9.4.2003 - 1 BvL 1/01 und 1 BvR 1749/01 -, BVerfGE 108, 52, jeweils m. w. N.

Eine solche hinreichend deutliche und dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und den Anforderungen der hier betroffenen Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und 14 GG entsprechende gesetzgeberische Vorgabe, dass unabhängig von der behördlichen Fristsetzung eine unmittelbar zu beachtende Mängelbeseitigungshöchstfrist von zwölf Monaten gelten solle, kommt im Wortlaut von § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG nicht zum Ausdruck. Die Klägerin konnte und musste deshalb davon ausgehen, dass nur die von der Beklagten gesetzte Frist und nicht auch eine gesetzliche Auffangfrist von zwölf Monaten für sie maßgeblich sein sollte. Da sie aber eine ihrer Auffassung nach unangemessen kurze Frist nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend machen kann (vgl. § 44a Satz 1 VwGO) und (auch) eine unangemessene Fristsetzung deshalb zunächst wirksam und beachtlich ist, ist es ihr nicht zuzumuten, gleichsam vorsorglich weitere zeit- und kostenintensive Maßnahmen der Mängelbeseitigung zu ergreifen, obwohl die daraus gewonnenen Erkenntnisse im weiteren Verfahren (zunächst) nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, weil die Klägerin mit den "verspäteten" Erkenntnissen nicht mehr gehört wird (vgl. § 105 Abs. 5 Satz 2 und 3 AMG).

Vgl. wiederum VG Köln, Urteile vom 23.1.2007 - 7 K 2784/04 -, a. a. O., und vom 29.11.2007 - 13 K 128/05 -, a. a. O.

Der Verfahrensfehler ist auch nicht gemäß § 45 VwVfG unbeachtlich. Dies gilt ungeachtet des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen schon deshalb, weil die unterbliebene Verfahrenshandlung - ein von der Beklagten zu verfügendes Mängelbeanstandungsverfahren von zwölf Monaten - nicht nachgeholt worden ist.

Der Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des Versagungsbescheides und Neubescheidung ihres Antrags ist auch nicht gemäß § 46 VwVfG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Die Vorschrift ist allerdings anwendbar. Die Klägerin beantragt auch im Rahmen der hier statthaften Bescheidungsklage nicht lediglich die Verpflichtung der Beklagten, über den Antrag auf Verlängerung der (fiktiven) Zulassung erneut zu entscheiden, sondern sie begehrt darüber hinaus ausdrücklich auch die Aufhebung des diese Nachzulassung ablehnenden Verwaltungsaktes, um eine Fortführung des Verwaltungsverfahrens überhaupt erst möglich zu machen. Auf diese - dem Neubescheidungsanspruch zugrundeliegende - Aufhebung findet § 46 VwVfG jedenfalls entsprechende Anwendung. Die verwaltungsverfahrensrechtliche Situation bei der Bescheidungsklage ist mit der einer klassischen Anfechtungsklage im vorliegenden Zusammenhang vergleichbar und es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die beiden Klagearten in Bezug auf § 46 VwVfG unterschiedlich behandeln wollte. Liegen die Voraussetzungen des § 46 VwVfG vor, ist der Aufhebungsanspruch ausgeschlossen, so dass der Antragsteller auch keinen sich darauf gründenden Anspruch auf Verpflichtung der Behörde hätte, über seinen Verpflichtungsbegehren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen des § 46 VwVfG nicht vor, ist der die Nachzulassung versagende Bescheid aufzuheben, so dass das - noch nicht spruchreife - Mängelbeanstandungsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzusetzen ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).

Die Anwendung des § 46 VwVfG auf Bescheidungsklagen bejahen ebenfalls OVG NRW, Beschluss vom 29.5.2007 - 13 A 5160/05 -, juris, Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2004, § 46 Rn. 15, und Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 46 Rn. 44, m. w. N. auch zur Gegenauffassung.

Die Regelung in § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG ist auch eine "Vorschrift über das Verfahren" im Sinne von § 46 VwVfG. Diese Bestimmung findet zwar keine Anwendung auf Verstöße gegen solche Vorschriften, die zu sog. absoluten Verfahrensfehlern führen. Ein solcher absoluter Verfahrensverstoß ist aber nur dann (ausnahmsweise) anzunehmen, wenn dem Betroffenen unabhängig von dem Entscheidungsergebnis bei Vorliegen eines Verfahrensmangels ein Anspruch vermittelt wird, den Verwaltungsakt aufheben zu lassen. Solche Verfahrensrechte sind Vorschriften, die nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs dienen, sondern dem Betroffenen eine eigene, unabhängig vom materiellen Recht selbständig durchsetzbare Rechtsposition gewähren wollen.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 12.11.1997 - 11 A 49.96 -, BVerwGE 105, 348 (353) = NVwZ 1998, 395 (398); OVG NRW, Beschluss vom 19.11.2008 - 13 A 2151/06 -, juris; Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 46 Rn. 18; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 45 Rn. 119 ff.; Ziekow, VwVfG, 2006, § 46 Rn. 6.

Diese Qualität hat die hier in Rede stehende Verfahrensnorm des Arzneimittelgesetzes nicht. Die Durchführung eines formell ordnungsgemäßen Mängelbeanstandungsverfahren nach § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG kann vom Antragsteller im Nachzulassungsverfahren nicht unabhängig von seinem materiellen Anspruchsbegehren gerichtlich eingefordert werden (vgl. wiederum § 44a Satz 1 VwGO). Er kann seine Verfahrensrechte vielmehr erst dadurch effektiv wahrnehmen, dass er ein formell rechtswidriges Beanstandungsverfahren im gerichtlichen Verfahren betreffend die Versagung der Verlängerung der Nachzulassung rügt.

Die weiteren Voraussetzungen des § 46 VwVfG liegen indessen nicht vor. Es ist nicht offensichtlich, dass die Verletzung der in § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG enthaltenen Verfahrensregelung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Offensichtlich nicht ausgewirkt hat sich ein Fehler dann, wenn in der Sache ohnehin eine andere als die getroffene Entscheidung rechtlich nicht zulässig gewesen wäre. Das ist anzunehmen, wenn der Verstoß seiner Art nach im konkreten Fall aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf die Entscheidung haben konnte. Bei nicht spruchreifen Entscheidungen ist im Regelfall die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die Behörde bei Beachtung des Verfahrensrechts zu einer anderen Entscheidung in der Sache hätte kommen können. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sich der formelle Fehler nachweislich nicht auf die Entscheidung ausgewirkt hat, wenn er also auf die Entscheidung in der Sache aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eindeutig ohne Einfluss geblieben ist.

Vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 46 Rn. 25 ff., m. w. N., siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 29.5.2007 - 13 A 5160/05 -, juris.

Auf dieser Grundlage ist nicht offensichtlich, dass der dargestellte Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Im vorliegenden Verfahren ist es zwar möglich und wohl auch wahrscheinlich, dass es der Klägerin auch in einem auf zwölf Monate festzusetzenden Beanstandungsverfahren nicht gelingen wird, die Bedenken der Beklagten in Bezug auf den zeitlich auseinanderfallenden Wirkungseintritt der Kombinationspartner Sennes und Kümmel bei der angegebenen Dosierung (1 x täglich) auszuräumen. Es ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand allerdings auch nicht schlechterdings ausgeschlossen, dass die Klägerin noch aussagekräftige und ihre Einschätzung bestätigende Studienergebnisse oder sonstige Belege vorlegt, die die Beklagte dazu veranlassen, die Nachzulassung ebenso zu befürworten wie es die Kommission E bereits im August 2004 einstimmig getan hat.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 29.11.2007 - 13 K 128/05 -, a. a. O.

Soweit der Senat in einer vergleichbaren Grundkonstellation ausgeführt hat, die Klägerin sei im dortigen Verfahren im Rahmen des Beanstandungsverfahrens auch bei unangemessen kurzer behördlicher Frist verpflichtet gewesen, jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist von zwölf Monaten die Mängel zu beseitigen,

OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2006 - 13 A 2727/04 -, a. a. O,

präzisiert der Senat seine damaligen Ausführungen. In der vorgenannten Entscheidung sollte keine - mit dem Gesetzeswortlaut wie gesagt unvereinbare - und vom Antragsteller im Nachzulassungsverfahren unmittelbar zu beachtende gesetzliche Auffangfrist angenommen werden. Die fallbezogenen Ausführungen im vorgenannten Beschluss sind vielmehr vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Senat seinerzeit der Auffassung war, dass es aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfall von vornherein ausnahmsweise auszuschließen war, dass sich der formale Fehler im Beanstandungsverfahren auf die Versagungsentscheidung ausgewirkt hat, so dass auch ein erneutes Mängelbeanstandungsverfahren mit Sicherheit zu keiner anderen Entscheidung im Sinne des § 46 VwVfG hätte führen können. Im Übrigen verbleibt es bei dem oben dargestellten Grundsatz, dass eine unangemessen kurze Frist zur Mängelbeseitigung in der Regel zur Aufhebung des Versagungsbescheides führt.

Ende der Entscheidung

Zurück