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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 17.11.2008
Aktenzeichen: 13 A 2287/06
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 29 Abs. 3
AMG § 105 Abs. 3a
AMG § 105 Abs. 5
AMG § 136 Abs. 2
Es spricht vieles dafür, als "Mitteilung von Mängeln bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit" im Sinne von § 136 Abs. 2 AMG nur einen förmlichen Mängelbescheid anzusehen; Mindestvoraussetzung ist jedenfalls, dass es sich um eine Mitteilung im eigentlichen Nachzulassungsverfahren handelt; eine Bekanntgabe von Gründen für die Ablehnung der Aufnahme in die Traditionsliste genügt insoweit nicht.
Tatbestand:

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin zeigte im Jahre 1978 ein von ihr vertriebenes, im Wesentlichen aus etherischen Ölen bestehendes Arzneimittel, das als "Aromaticum zum inneren und äußeren Gebrauch" bestimmt war, nach dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts an. Nachdem die Klägerin in den Jahren 1990 und 1993 die Anträge auf Verlängerung der fiktiven Zulassung ("Nachzulassung") des Arzneimittels gestellt hatte, regte sie im Jahre 1996 die Aufnahme in die Aufstellung nach § 109a Abs. 3 AMG ("Traditionsliste") an. Im April 2000 teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dem Rechtsvorgänger der Klägerin mit, dass die Stoffkombination nicht in die Traditionsliste aufgenommen worden sei, weil Risiken vorhanden seien, die eine eingehende Nutzen-Risiko-Abwägung erforderten, der Beitrag mehrerer arzneilich wirksamer Bestandteile nicht plausibel sei und das Arzneimittel nach Art und Menge einer positiven Monographie entspreche. Im Januar 2001 ging bei dem BfArM eine Änderungsanzeige der Klägerin ein, die eine Reihe von Änderungen, u. a. der Anwendungsgebiete, enthielt und das Präparat an eine Aufbereitungsmonographie anpassen sollte. Im Oktober 2003 lehnte das BfArM den Antrag auf Nachzulassung mit der Begründung ab, das Arzneimittel sei durch die angezeigten Änderungen unzulässig modifiziert worden, die fiktive Zulassung daher erloschen. Die auf Neubescheidung des Nachzulassungsantrags gerichtete Klage wurde vom VG abgewiesen. Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, die gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nur im Rahmen der Darlegungen der Klägerin zu prüfen sind, liegen nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). (...) Das VG hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, das Arzneimittel sei mit der Änderungsanzeige vom 26.1.2001 unzulässig geändert worden. Dies ergebe sich bereits daraus, dass keine Mitteilung von Mängeln im Sinne von § 136 Abs. 2 AMG vorgelegen habe. Zudem sei mit der Änderung der bisherige Anwendungsbereich verlassen worden. Die gegen diese Überlegungen vorgebrachten Einwände der Klägerin vermögen nicht zu überzeugen.

Der rechtliche Ausgangspunkt der Entscheidung des VG, dass eine Verlängerung der fiktiven Zulassung ("Nachzulassung") des Arzneimittels nicht mehr in Betracht kommt, wenn dieses unzulässig geändert worden ist, trifft zu und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen. Ebenfalls zutreffend ist die Annahme des VG, die Beurteilung der Zulässigkeit der Änderung habe auf der Grundlage des im Zeitpunkt der Änderung geltenden Rechts zu erfolgen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 21.5.2008 - 3 C 14.07 -, NVwZ-RR 2008, 692, und - 3 C 15.07 -, A & R 2008, 184; OVG NRW, Beschlüsse vom 27.8.2008 - 13 A 4034/05 -, juris, und vom 15.7.2008 - 13 A 1707/05 -, A & R 2008, 238.

Die am 30.1.2001 beim BfArM eingegangene Änderungsanzeige der Klägerin ist somit nach dem Arzneimittelgesetz in der Fassung des am 12.7.2000 in Kraft getretenen Zehnten AMG-Änderungsgesetzes vom 4.7.2000, BGBl. I S. 1002, (im Folgenden: AMG 2000) zu beurteilen. § 105 Abs. 3a AMG 2000 enthielt im Gegensatz zu der Vorgängerfassung privilegierende Regelungen für Änderungen der arzneilich wirksamen Bestandteile im Nachzulassungsverfahren nur noch für homöopathische Arzneimittel, so dass derartige Änderungen bei sonstigen Arzneimitteln - wie dem streitgegenständlichen - nunmehr gemäß § 29 Abs. 3 AMG 2000 zur Neuzulassungspflicht führten.

Der Klägerin kommt auch nicht die Übergangsregelung des § 136 Abs. 2 AMG 2000 zugute. Nach dieser Vorschrift findet § 105 Abs. 3a AMG in der bis zum 12.7.2000 geltenden Fassung bei Arzneimitteln Anwendung, bei denen dem Antragsteller vor dem 12.7.2000 Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit mitgeteilt worden sind. Der Senat teilt die Auffassung des VG, dass es sich bei dem - einzig in Betracht kommenden - Schreiben des BfArM an den Rechtsvorgänger der Klägerin vom 10.4.2000 nicht um eine Mitteilung von Mängeln in diesem Sinne handelt. Es spricht vieles dafür, als "Mitteilung" i. S. v. § 136 Abs. 2 AMG 2000 nur einen Mängelbescheid, also eine Beanstandung nach § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG anzusehen.

So auch Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: Dezember 2007, § 136 Anm. 3.

Dafür spricht abgesehen von dem - starken - Indiz, dass in dem offenbar als Ausnahme zu § 136 Abs. 2 AMG 2000 zu verstehenden § 136 Abs. 2a AMG 2000 der Begriff "Mängelbescheid" ausdrücklich verwendet wird, bereits die Annahme, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 136 Abs. 2 AMG 2000 den Text des im Mittelpunkt der Novelle stehenden § 105 AMG im Auge hatte. In diesem ist in Absatz 5 die Rede von "Mängeln" und "Mitteilung". Dafür, dass der Gesetzgeber nicht die hier geregelte, förmliche Mitteilung von Mängeln gemeint haben könnte, bestehen keine Anhaltspunkte. Dies gilt um so mehr, wenn man berücksichtigt, dass § 136 Abs. 2 AMG 2000 "den Unternehmen und Behörden die Anpassung der Verfahren an die neuen Regelungen erleichtern" sollte.

Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2292, S. 10.

Sähe man jeden förmlichen oder nicht förmlichen Hinweis des BfArM auf Mängel eines im Nachzulassungsverfahren befindlichen Arzneimittels, selbst wenn er in einem völlig anderen Kontext geäußert worden ist, als Mitteilung i. S. v. § 136 Abs. 2 AMG 2000 an, so bedeutete diese Regelung gerade keine Erleichterung für die Behörde. Denn diese müsste bei der späteren Beurteilung der Zulässigkeit von Änderungen zunächst ermitteln, ob der Antragsteller in irgendeinem Zusammenhang auf Mängel seines Arzneimittels aufmerksam gemacht worden ist.

Bei dem Schreiben des BfArM vom 10.4.2000 handelt es sich ersichtlich nicht um einen Mängelbescheid im förmlichen Sinne, was das BfArM am Ende des Schreibens auch ausdrücklich erklärt. Dass der Klägerin nach Ablauf einer "angemessenen Frist" i. S. v. § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG 2000 vorgehalten werden könnte, einer mitgeteilten Beanstandung nicht abgeholfen zu haben, ist nicht ansatzweise erkennbar.

Selbst wenn man jedoch - wovon die Klägerin offenbar ausgeht - den Begriff der Mitteilung von Mängeln nicht auf förmliche Mängelbescheide beschränken wollte, müsste man aus den vorgenannten Gründen jedenfalls verlangen, dass es sich um eine Mitteilung in dem eigentlichen Nachzulassungsverfahren handelt. Wird der Antragsteller in anderem Kontext auf einen Umstand hingewiesen, der (auch) als Mangel im Nachzulassungsverfahren relevant werden könnte, so kann dies für eine Anwendbarkeit des § 136 Abs. 2 AMG 2000 nicht ausreichen, soll die Übergangsregelung nicht völlig konturlos werden. Auch eine Mitteilung von Mängeln in dem so umschriebenen weiteren Sinne kann in dem Schreiben vom 10.4.2000 nicht erblickt werden.

Mit dem Schreiben wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die im streitgegenständlichen Arzneimittel enthaltene Stoffkombination nicht in die Traditionsliste aufgenommen worden sei. Bei dem Verfahren der Aufnahme eines Stoffs oder einer Stoffkombination - also nicht des Arzneimittels - in die Traditionsliste handelt es sich um ein eigenständiges, von dem Nachzulassungsverfahren zu unterscheidendes Verwaltungsverfahren.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.11.2003 - 3 C 29.02 -, NVwZ 2004, 349 (350).

Abgesehen davon, dass es sich somit um einen Hinweis außerhalb des eigentlichen Nachzulassungsverfahrens handelte, kann darin auch nicht die Mitteilung eines Mangels bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit gesehen werden. Zwar wurde zur Begründung der Ablehnung einer Aufnahme in die Traditionsliste auch auf Risiken hingewiesen, also die Unbedenklichkeit der Stoffkombination in Frage gestellt. Dadurch sollte aber nicht die Änderung eines "mangelhaften" Arzneimittels angestoßen, sondern die Einschätzung des BfArM begründet werden, dass es einer Prüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses im regulären Nachzulassungsverfahren bedarf. Dasselbe gilt für die Bemerkung, der Beitrag der Kombinationspartner bei der beanspruchten Indikation sei "nicht plausibel". Die vom BfArM selbst angenommene Plausibilität des Beitrags eines arzneilich wirksamen Bestandteils kann nur bei der Frage der Aufnahme in die Traditionsliste genügen. Für das reguläre Nachzulassungsverfahren bedarf es einer Begründung des Beitrags jedes einzelnen Wirkstoffs ( § 22 Abs. 3a AMG).

Für den in dem Schreiben vom 10.4.2000 in Verbindung mit dem beigefügten Prüfvermerk enthaltenen Hinweis, dass das Arzneimittel nach Art und Menge einer positiven Monographie entspreche, gilt nichts anderes. Auch hier handelt es sich nicht um die Mitteilung eines "Mangels bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit". Der Hinweis auf die Einschlägigkeit einer Aufbereitungsmonographie betrifft nicht die Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des Arzneimittels, also eine materiellrechtliche Voraussetzung der Nachzulassung, sondern einen Umstand, der nach Auffassung des BfArM bei der Bestimmung der einschlägigen Verfahrensart eine Rolle spielt.

Vgl. zu der Praxis des BfArM, Arzneimittel, die einer Monographie entsprechen, vom Traditionsverfahren auszuschließen Brixius/Schneider, Nachzulassung und AMG-Einreichungsverordnung, 2004, Anm. 14.2 (S. 205 f.), sowie BVerwG, Urteil vom 21.5.2008 - 3 C 15.07 -, a. a. O., unter Ziffer II 2 b) der Gründe.

Soweit die Klägerin schließlich argumentiert, da das BfArM in dem Schreiben vom 10.4.2000 (am Ende) darauf hinweise, dass es sich um "keine vollständige Mitteilung der Mängel" handele, liege doch ersichtlich eine teilweise Mitteilung von Mängeln vor, die sich unter § 136 Abs. 2 AMG 2000 subsumieren lasse, vermag der Senat ihr ebenfalls nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass es sich bei dem Absatz um einen ohne Rücksicht auf das konkrete Verfahren erstellten Textbaustein handelt, wie sich aus Formulierungen wie "Ihres(r) Präparat(e)" ersehen lässt, ist der in Rede stehende Satz in Verbindung mit dem vorangehenden und dem sich anschließenden Satz zu lesen. Das BfArM beschreibt in den drei Sätzen die Bedeutung der dem Schreiben beigefügten fachlichen Stellungnahme. Es stellt nochmals klar, dass es sich um eine Information über die wesentlichen Gründe für die Ablehnung der Aufnahme in die Traditionsliste handelt. Sodann folgen die Hinweise, dass es sich nicht um eine Aufzählung der Mängel handele und dass diese in einem Mängelbescheid erfolge, der Teil des regulären Nachzulassungsverfahrens sei. Insgesamt wird deutlich, dass das BfArM eine klare Abgrenzung zum regulären Nachzulassungsverfahren anstrebt und dass eine Mitteilung von Umständen, die der Aufnahme in die Traditionsliste entgegen stehen, die aber zugleich auch als "Mängel" im regulären Nachzulassungsverfahren relevant sein könnten, dem Antragsteller in einem noch zu erlassenden Mängelbescheid förmlich mitgeteilt werden würden. Auf diese Klarstellung könnte der Antragsteller sich berufen, wenn man ihm später vorhielte, einen Mangel gemäß § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG nicht innerhalb der Frist beseitigt zu haben. Im vorliegenden Zusammenhang muss er sie gegen sich gelten lassen.

Kann die Klägerin sich somit nicht auf die Übergangsregelung des § 136 Abs. 2 AMG berufen, so bedarf die Frage, ob die Voraussetzungen für eine zulässige Änderung nach § 105 Abs. 3a AMG in der bis zum Inkrafttreten des zehnten AMG-Änderungs-gesetzes geltenden Fassung vorliegen, keiner Entscheidung. Es spricht allerdings vieles dafür, dass die Annahme des VG, mit der in Rede stehenden Änderung sei der bisherige Anwendungsbereich des Arzneimittels verlassen worden, zutrifft. Denn selbst wenn man mit der Klägerin annehmen wollte, dass mit der früheren Indikationsformulierung "Aromaticum zum inneren und äußeren Gebrauch" ein bestimmter Bereich von Krankheiten angesprochen ist, hätte sich die nunmehr infolge der Monographieanpassung formulierte Aufzählung von Indikationen recht weit davon entfernt. Die von der Klägerin angeführten Hinweise auf das herkömmliche Verständnis des Begriffs "Aromaticum" beschreiben dessen Gebrauch bei Erkrankungen im gastroenterologischen Bereich. Zumindest die nunmehr aufgenommenen Indikationen "Katharre der oberen Luftwege" und - bei äußerlicher Anwendung - "Muskel- und Nervenschmerzen" haben mit diesem Bereich wenig zu tun. (...)

Schließlich liegt auch kein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Dies ergibt sich zwingend bereits daraus, dass diejenigen Teile ihres Vortrags, von denen die Klägerin annimmt, das VG habe sie nicht zur Kenntnis genommen, ausnahmslos die Frage des von der Änderung betroffenen "Anwendungsbereichs" betreffen. Auf einem Verfahrensfehler bei der Entscheidung dieser Frage kann das Urteil indes nicht beruhen, weil es auf zwei selbständig tragende Gründe gestützt ist. Die bereits für sich genommen die Klageabweisung rechtfertigende Annahme, dass die Übergangsregelung des § 136 Abs. 2 AMG nicht anwendbar ist, wäre von dem geltend gemachten Verfahrensfehler nicht betroffen.

Im Übrigen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das VG die aufgezeigten Teile des Klägervortrags nicht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt hat. Allein der Umstand, dass das VG bei der Auswertung der in das Verfahren eingeführten Literaturauszüge zu einem von der Einschätzung der Klägerin abweichenden Ergebnis gekommen ist, vermag eine solche Annahme nicht zu begründen. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Verfahrensbeteiligten auch zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.5.1999 - 6 B 65.98 -, NVwZ-RR 1999, 746 m. w. N.

Ende der Entscheidung

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