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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 21.07.2006
Aktenzeichen: 13 A 2483/04
Rechtsgebiete: BtMG


Vorschriften:

BtMG § 3
Eine Ausnahmegenehmigung zum Anbau von Cannabispflanzen nach § 3 BtMG kann nicht mit der Begründung beansprucht werden, die Legalisierung des Umgangs mit Cannabisprodukten liege im öffentlichen Interesse.
Tatbestand:

Der Kläger beantragte die Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von 20 weiblichen Pflanzen der Gattung Cannabis sativa L. zwecks Eigenkonsums. Er machte geltend, es liege im öffentlichen Interesse, die derzeit praktizierte, aus seiner Sicht verfehlte Prohibitionspolitik in Bezug auf den Umgang mit Cannabisprodukten aufzugeben und den Umgang mit diesen Produkten, mithin auch den Anbau von Cannabispflanzen zwecks Eigenkonsums zu erlauben, um so 1. eine Stärkung und Stabilisierung der Normakzeptanz und Normtreue der Bevölkerung, 2. eine Reduzierung der Kosten der Strafverfolgung und des Justizwesens bei gleichzeitiger Steigerung der Effizienz dieses Sektors, 3. eine Reduzierung von Kriminalität und Kriminalitätsangst und 4. die Verbesserung der Volksgesundheit und damit eine Reduzierung der Kosten im Gesundheitswesen zu erreichen.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte den Antrag ab. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers hatten keinen Erfolg.

Gründe:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von 20 weiblichen Pflanzen der Gattung Cannabis sativa L. zum Zwecke des Eigenkonsums.

Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers ist § 3 BtMG. Danach bedarf einer Erlaubnis des BfArM, wer Betäubungsmittel anbauen will (Abs. 1 Nr. 1). Für die in Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Betäubungsmittel kann die Erlaubnis nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilt werden (Abs. 2). Cannabis gehört - abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen - nach wie vor zu den in dieser Anlage genannten nichtverkehrsfähigen Betäubungsmitteln. Der Anbau von Cannabispflanzen ist mithin erlaubnispflichtig, aber nur unter den genannten Voraussetzungen erlaubnisfähig. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Der Kläger begehrt die Erlaubnis - wie er selbst vorträgt - nicht zu wissenschaftlichen Zwecken. Die beanspruchte Erlaubnis dient auch nicht anderen berücksichtigungsfähigen öffentlichen Interessen im Sinne des § 3 Abs. 2 BtMG.

Die Anerkennung des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabispflanzen zwecks Eigenkonsums würde nach seiner Zielvorstellung - unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - zur Erteilung zahlreicher weiterer Erlaubnisse und damit letztlich zu einer nach seiner Ansicht im öffentlichen Interesse liegenden Legalisierung des Anbaus von Cannabispflanzen für den Eigenkonsum führen. Dahingestellt bleiben kann zum einen, ob der Kläger die beanspruchte Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabisprodukten zum Eigenkonsum überhaupt auf - überdies allenfalls mittelbar berührte - Belange der Allgemeinheit stützen kann und zum anderen, ob nicht bereits die Zielvorstellung des Klägers der Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 2 BtMG entgegensteht. Jedenfalls begründen die vom Kläger angeführten Belange kein öffentliches Interesse im Sinne von § 3 Abs. 2 BtMG.

Dem Wortlaut nach umfasst § 3 Abs. 2 BtMG zwar jegliche im öffentlichen Interesse liegende Zwecke. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sowie des Betäubungsmittelgesetzes in seiner Gesamtheit fordern - nicht zuletzt mit Blick auf das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung - jedoch eine restriktive Auslegung dahingehend, dass die Erteilung einer Erlaubnis ausschließlich zu solchen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken in Betracht kommt, die dem mit dem Betäubungsmittelgesetz verfolgten Regelungskonzept des Gesetzgebers nicht zuwiderlaufen. Nur so kann vermieden werden, dass dieses durch eine dem Willen des Gesetzgebers widersprechende Auslegung und Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes ins Gegenteil verkehrt wird.

Zweck und Ziel des Betäubungsmittelgesetzes ist es u.a., dem Schutz der menschlichen Gesundheit zu dienen, den Verkehr mit Betäubungsmitteln so zu regeln, dass dessen Sicherheit und Kontrolle gewährleistet, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sichergestellt und der Missbrauch von Betäubungsmitteln sowie das Entstehen oder Erhalten einer Betäubungsmittelabhängigkeit verhindert wird.

Vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts, BT-Drucks. 8/3551, S. 23 f., und 9/27, S. 25.

Bezüglich des Umgangs mit Cannabisprodukten bedarf es nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers zur Erreichung dieses Ziels nach wie vor zum einen der Strafbewehrung des unerlaubten Umgangs mit diesem Stoff und zum anderen eines absoluten Verkehrsverbots, das nur in Ausnahmefällen vom BfArM aufgehoben werden kann.

Die vom Kläger letztlich erstrebte generelle Legalisierung des Anbaus von Cannabispflanzen für den Eigenkonsum steht im Widerspruch zu diesem Regelungskonzept. Die aus seiner Sicht mit dieser Legalisierung verbundenen positiven Effekte können folglich keine im Rahmen des § 3 Abs. 2 BtMG berücksichtigungsfähigen öffentlichen Interessen begründen. Der Kläger stellt im Kern das bezüglich des Umgangs mit Cannabisprodukten bestehende Regelungskonzept des Gesetzgebers in Frage und begehrt eine konzeptionelle Änderung und damit auch eine Änderung der maßgeblichen Vorschriften. Ein derartiges Begehren geht über das in § 3 Abs. 2 BtMG eröffnete Verwaltungsverfahren hinaus und betrifft Bereiche, über die der Gesetzgeber und im Rahmen des § 1 Abs. 2 und 4 BtMG der Verordnungsgeber zu befinden haben.

Körner, BtMG/AMG, 5. Aufl. 2001, § 3 Rdnr. 34.

Die Aufstellung und normative Umsetzung eines Drogenkonzepts ist Sache des Gesetzgebers, dem grundsätzlich eine Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative zukommt. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Umgang mit Cannabisprodukten generell unter Strafe zu stellen und das Recht des potenziellen Konsumenten auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit durch Cannabisgenuss zurückzudrängen, ist weiterhin zu respektieren.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30.6.2005 - 2 BvR 1772/02 -, PharmR 2005, 374 (375), vom 29.6.2004 - 2 BvL 8/02 -, DVBl. 2004, 1108 (1110), und vom 9.3.1994 - 2 BvL 43, 51, 63, 64, 70, 80/92, 2 BvR 2031/92 -, BVerfGE 90, 145 (181 f.); BVerwG, Urteile vom 19.5.2005 - 3 C 17.04 -, NJW 2005, 3300 (3303), und vom 21.12.2000 - 3 C 20.00 -, BVerwGE 112, 314 (320).

Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die geeignet sind, das vom Gesetzgeber hinsichtlich des Umgangs mit Cannabisprodukten gewählte Prohibitionskonzept gänzlich in Frage zu stellen, liegen nicht vor. Eine generelle Ungefährlichkeit des Konsums von Cannabis behauptet auch der Kläger nicht. Die von ihm hervorgehobenen Ergebnisse einer im Jahre 1997 erschienenen Studie von Kleiber und Kovar, nach der Cannabis weitaus weniger gefährlich sei als dies noch überwiegend angenommen werde, ist auch nach Auffassung des BVerfG für sich genommen nicht aussagekräftig.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.6.2004 - 2 BvL 8/02 -, DVBl. 2004, 1108 (1109 f.).

Auch insoweit erklärt sich, dass das Bundesministerium für Gesundheit zwischenzeitlich die Studie "Auswirkungen von Cannabiskonsum und -missbrauch - eine Expertise zu gesundheitlichen und psychosozialen Folgen" in Auftrag gegeben hat. Die erwartete Studie wird unter Verwendung anerkannter wissenschaftlicher Kriterien die Ermittlung, Darstellung und Bewertung der relevanten Studien, die in der Zeit zwischen 1995 und 2004 zum Thema publiziert worden sind, umfassen.

Vgl. Drogen- und Suchtbericht 2006 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, S. 123 f.

Letztlich ist zu beachten, dass sich die nationale gesetzliche Regelung, die auf eine möglichst weitgehende Einschränkung des Verkehrs mit Cannabisprodukten zielt, in ein System internationaler Abkommen einfügt. So haben die Vereinten Nationen in Art. 3 Abs. 1 des Suchtstoffübereinkommens 1988 (BGBl. 1993 II S. 1137, 1141) das vorsätzliche Anbauen der Cannabispflanze zum Zwecke der Gewinnung von Suchtstoffen als strafwürdige Handlung deklariert und die Vertragsparteien zu entsprechenden Regelungen verpflichtet. Die Einschätzung des Bundesgesetzgebers, das generelle Verbot des Verkehrs mit Cannabisprodukten sei erforderlich, um Gesundheit und Wohl der Menschen vor ernstlichen Gefahren zu bewahren, deckt sich folglich mit der Ansicht eines großen Teils der Völkergemeinschaft und mit einer von der Beklagten völkerrechtlich übernommenen Verpflichtung.

BVerwG, Urteil vom 21.12.2000 - 3 C 20.00 -, a. a. O., 320.

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