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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 13 A 2541/04
Rechtsgebiete: RettG NRW


Vorschriften:

RettG NRW § 19 Abs. 4
Im Rahmen der Funktionsschutzklausel des § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW ist grundsätzlich nicht vorab zu prüfen, ob überhaupt ein funktionsfähiger Rettungsdienst vorliegt, der beeinträchtigt werden kann (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).

Eine nach § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW relevante Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem funktionsfähigen Rettungsdienst liegt nur vor, wenn bei Gebrauch der beantragten Genehmigung ernstliche und schwerwiegende Nachteile für den öffentlichen Rettungsdienst im Sinne des § 6 RettG NRW zu befürchten sind.

Der zuständigen Behörde steht bei der Prognose, ob eine relevante Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem funktionsfähigen Rettungsdienst im Sinne des § 19 Abs. 4 RettG NRW zu erwarten ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zu.


Tatbestand:

Der Kläger betreibt ein Krankentransportunternehmen. Er beantragte bei dem Beklagten die Erteilung einer Genehmigung für die Aufgabe des Krankentransports mit einem Krankentransportwagen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Erteilung der Genehmigung das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst beeinträchtige. Die dagegen gerichtete Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Gründe:

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung noch auf Neubescheidung; beantragte Genehmigung in diesem Sinne ist die Erteilung einer Genehmigung nach § 18 RettG NRW für die Rettungsdienstbereiche V. und S.. Diesbezüglich wird in entsprechender Anwendung von § 130b Satz 2 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 6 des angegriffenen Urteils - die im Berufungsverfahren nicht angegriffen worden sind - Bezug genommen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Erteilung einer Genehmigung nach § 18 RettG NRW ist grundsätzlich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier durch das Berufungsgericht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.1995 - 3 C 10.94 -, NJW 1996, 1608; OVG NRW, Urteil vom 7.3.2007 - 13 A 3700/04 - juris, m.w.N.

Zwar besteht bei Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale - grundsätzlich - ein gebundener Genehmigungsanspruch aus §§ 18, 19 RettG NRW i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG. Jedoch steht dem Begehren des Klägers § 19 Abs. 4 RettG NRW entgegen. Nach § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW ist eine Genehmigung dann zu versagen, wenn zu erwarten ist, dass durch ihren Gebrauch das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst im Sinne von § 6 RettG NRW beeinträchtigt wird.

Vgl. zum gebundenen Anspruch nach §§ 18, 19 RettG NRW OVG NRW, a.a.O., m.w.N.

Der Anwendbarkeit des § 19 Abs. 4 RettG NRW steht Gemeinschaftsrecht nicht entgegen, insbesondere verstößt eine Anwendung von § 19 Abs. 4 RettG NRW weder gegen Art. 86 i.V.m. 82 EG noch gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff EG) oder die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff EG). Die Vorschrift des § 19 Abs. 4 RettG NRW ist auch verfassungsmäßig. Zwar greift die Regelung in die Freiheit der Berufswahl nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Sie ist jedoch dadurch gerechtfertigt, dass sie der Abwehr von nachweisbaren oder höchstwahrscheinlich bestehenden schweren Gefahren für ein überragend wichtiges Rechtsgut dient.

Vgl. zu alldem OVG NRW, a.a.O., m.w.N.

Nach § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW ist zu prüfen, ob zu erwarten ist, dass durch den Gebrauch der erteilten Genehmigung das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst im Sinne von § 6 RettG NRW beeinträchtigt wird. Insoweit ist im Rahmen der Prüfung der Anwendbarkeit des § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW nicht vorab zu prüfen, ob überhaupt ein funktionsfähiger Rettungsdienst vorliegt, der beeinträchtigt werden kann. Darauf deutet schon der Wortlaut des § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW hin. Nach der Vorschrift ist nämlich maßgeblich, ob durch den Gebrauch der Genehmigung das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst beeinträchtigt wird. Der Begriff des öffentlichen Interesses ist ein weiter; er kann sowohl auf den Erhalt bestimmter Gegebenheiten als auch auf deren künftige Erlangung/Herstellung gerichtet sein. So gesehen besteht aber auch und gerade dann ein öffentliches Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst, wenn dieser konkret - noch - nicht funktionsfähig ist, d.h. es besteht ein öffentliches Interesse an der Erlangung und nicht nur an der Sicherung eines funktionsfähigen Rettungsdienstes. Dass im Rahmen des § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW nicht vorab zu prüfen ist, ob überhaupt ein funktionsfähiger Rettungsdienst vorliegt, wird durch die Entstehungsgeschichte des § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW bestätigt. Die Vorschrift lautete im Gesetzentwurf der Landesregierung: "Die Genehmigung ist zu versagen, wenn eine flächendeckende Versorgung in Notfallrettung oder Krankentransport im Genehmigungsbereich gewährleistet ist und durch die Erteilung der Genehmigung das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes beeinträchtigt würde." Die Gesetz gewordene und nunmehr geltende Fassung erwähnt das "Tatbestandsmerkmal" der gewährleisteten flächendeckenden Versorgung jedoch nicht mehr, vielmehr wird nur noch von einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem funktionsfähigen Rettungsdienst gesprochen. Auf die Qualifizierung des im Entscheidungszeitpunkt gegebenen Rettungsdienstes kommt es daher nicht an. Dass mit der Änderung des Gesetzentwurfs Unternehmerinteressen habe Rechnung getragen werden sollen - so die Äußerung der Fraktionssprecherin der CDU, die den Gesetz gewordenen Antrag eingebracht hatte -, lässt jedenfalls in diesem Punkt keinen Hinweis auf das Prüfprogramm des § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW zu, da Unternehmerinteressen und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Rettungsdienstes unterschiedliche Gesichtpunkte betreffen. Das nämliche gilt für den Gesichtspunkt, dass sich die Vorschrift - möglicherweise - gegen Monopole wenden sollte.

Vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 19 Abs. 4 RettG NRW die LT-Drs. 11/4438.

Auch systematische Gründe sprechen gegen die Durchführung einer vorweggenommenen Funktionsfähigkeitsprüfung. Bei einer derartigen Prüfung entschieden sich die Streitfälle im Rahmen der "vorab vorgenommenen Funktionsfähigkeitsprüfung" an der Frage der Einhaltung der Eintreffzeiten (in der Notfallrettung). Die Einhaltung der Eintreffzeiten ist aber im Rahmen der Anwendung von § 19 Abs. 4 RettG NRW nur ein Kriterium unter verschiedenen, wie die Regelung des § 19 Abs. 4 Satz 3 RettG NRW zeigt. Daran ändert auch der Verweis von § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW auf § 6 RettG NRW nichts. Dieser Verweis soll ersichtlich nur den Begriff des Rettungsdienstes im Sinne des § 19 RettG NRW präzisieren; überdies beschreibt § 6 RettG NRW nur die Aufgaben des Rettungsdienstes und sagt nichts darüber, welche Folgen bei nicht hinreichender Aufgabenwahrnehmung eintreten. Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck der Norm dagegen, sie nur anzuwenden, wenn ein funktionsfähiger Rettungsdienst bereits vorliegt. Hinter dem öffentlichen Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst stehen elementare und höchstrangige Rechtsgüter (Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 1 Abs. 1 GG). Diese werden durch die Zulassung von Privaten aber nicht nur dann beeinträchtigt, wenn ein funktionsfähiger öffentlicher Rettungsdienst bereits vorliegt, sondern - grundsätzlich - auch dann, wenn ein (noch) nicht vollkommen funktionsfähiger öffentlicher Rettungsdienst betroffen wird. Denn die Zulassung von Privaten führt in diesem Fall dazu, dass gerade der ohnehin nicht vollkommen funktionsfähige Rettungsdienst in seiner Funktionsfähigkeit noch weiter beeinträchtigt wird. Dadurch werden die eben genannten elementaren Rechtsgüter noch weiter gefährdet.

Eine Ausnahme von dem Gesagten kann nur gemacht werden, wenn der öffentliche Rettungsdienst in dem Aufgabenbereich, für den die Genehmigung begehrt wird (Notfallrettung oder Krankentransport), offensichtlich außerstande ist, die diesbezügliche Nachfrage zu befriedigen, der private Unternehmer dies aber kann. Diese Ausnahme ist vor dem Hintergrund der Vermeidung einer Inländerdiskriminierung und aus grundrechtlichen Erwägungen heraus gerechtfertigt. Das Grundrecht des Unternehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG muss sich dann durchsetzen, wenn die maßgeblichen öffentlichen Belange durch die öffentliche Hand offensichtlich nicht wahrgenommen werden, der private Unternehmer diese hingegen befriedigen kann. Ein solcher Fall ("offensichtlich außerstande sein") kann etwa vorliegen, wenn der öffentliche Rettungsdienst die Nachfrage nach Notfallrettung oder Krankentransport nicht vollständig befriedigen will oder sie - auch nach einer etwa zuzubilligenden Aufbauphase - offensichtlich tatsächlich nicht nachhaltig befriedigen kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2007 - 13 A 3700/04 -, juris (auch zu den gemeinschaftsrechtlichen Implikationen); OVG NRW, Beschluss vom 2.8.1994 - 13 B 1085/94 -, NWVBl 1995, 26.

Nach alledem ist gem. § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW zu prüfen, ob zu erwarten ist, dass durch den Gebrauch der beantragten Genehmigung das öffentliche Interesse an einem nicht offensichtlich funktionsunfähigen Rettungsdienst im Sinne von § 6 RettG NRW beeinträchtigt wird. Dabei kann von einer Beeinträchtigung nur dann die Rede sein, wenn "ernstliche und schwerwiegende" Nachteile zu befürchten sind, d.h. es muss eine "Verträglichkeitsgrenze" überschritten werden. Das folgt daraus, dass ansonsten bei Berücksichtigung jeder - noch so geringen - Negativauswirkung auf die Pflicht zur flächendeckenden Vorhaltung und Auslastung des öffentlichen Rettungsdienstes eine Genehmigung nach § 18 RettG NRW praktisch nie erteilt werden könnte. Mit den §§ 18 ff. RettG NRW wollte der Gesetzgeber ersichtlich aber auch erreichen, dass das "duale System" der Leistungserbringung, jedenfalls im Bereich des Krankentransports, zumindest eine Chance der Realisierung hat. Dies wird dadurch gestützt, dass die Versagung der Genehmigung zum Krankentransport einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG darstellt, der nur dann gerechtfertigt ist, wenn die eingriffstützenden gegenläufigen Interessen ein gewisses Gewicht haben.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2007 - 13 A 3700/04 -, juris m.w.N.

Wann eine solche ernstliche und schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem funktionsfähigen Rettungsdienst zu erwarten ist, ergibt sich zunächst aus § 19 Abs. 4 Satz 2 und 3 RettG NRW. Nach diesen Vorschriften ist bei der Prüfung der zu erwartenden Beeinträchtigung insbesondere die Pflicht zur flächendeckenden Vorhaltung und Auslastung des öffentlichen Rettungsdienstes zu berücksichtigen. Die Einsatzzahlen, die Eintreffzeit und Dauer der Einsätze sowie die Entwicklung der Kosten- und Ertragslage sind dabei zugrunde zu legen. Dabei ist räumlich auf den vorgesehenen Betriebsbereich (§ 19 Abs. 4 Satz 2 RettG NRW) und sachlich auf den vorgesehenen Aufgabenbereich (Notfallrettung oder Krankentransport) abzustellen. Letzteres ergibt sich - ungeachtet faktischer Verbindungen zwischen den Aufgabenbereichen und der Verklammerung durch § 6 RettG NRW - daraus, dass die Genehmigung nach § 18 RettG NRW grundsätzlich nur für einen bestimmten Aufgabenbereich erteilt wird (§ 22 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW) und dass es im Rahmen der Prüfung einer Beeinträchtigung durch die Erteilung einer Genehmigung für einen Aufgabenbereich grundsätzlich keinen Sinn macht, auf einen anderen Aufgabenbereich abzustellen. Das Normprogramm des § 19 Abs. 4 Satz 2 und 3 RettG NRW sieht eine Beeinträchtigungsprüfung vor. Durch die Erteilung einer Genehmigung für einen Aufgabenbereich kann ein anderer unmittelbar aber nicht beeinträchtigt werden. Schließlich ist nicht einsichtig, weshalb der Umstand, dass ein Rettungsdienst mit besonders vielen RTW ausgestattet ist - um die ihm übertragene Aufgaben optimal zu erfüllen -, dazu führen sollte, dass Private dem Krankentransportdienst unter erleichterten Voraussetzungen Konkurrenz machen können.

Bei alledem ergibt sich aus der Formulierung "wenn zu erwarten ist", dass die Entscheidung nach § 19 Abs. 4 RettG NRW eine prognostische Entscheidung ist, bei der der Genehmigungsbehörde ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Prognosespielraum eingeräumt ist. Die eine Genehmigung versagende Entscheidung ist daher nur darauf zu überprüfen, ob die Behörde den maßgebenden Sachverhalt vollständig ermittelt, die maßgeblichen Gesichtpunkte erkannt und den möglichen Verlauf der Entwicklung vertretbar, d.h. nicht offensichtlich fehlerhaft, eingeschätzt hat.

Vgl. OVG NRW, a.a.O., m.w.N.

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Genehmigungsanspruch und ist die Genehmigungsversagung nicht zu beanstanden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte offensichtlich außerstande ist, die Nachfrage nach Krankentransporten zu befriedigen: Im Rettungsdienstbereich V. werden seit 2006 ca. 94% der Krankentransporte innerhalb einer Eintreffzeit von 12 Minuten durchgeführt; im Rettungsdienstbereich S. werden die Krankentransporte im Regelfall zwischen 20 und 60 Minuten bereitgestellt. Derartige Wartezeiten sind hinnehmbar. Einer in diesem Sinne hinreichenden Befriedigung der Nachfrage durch den Beklagten steht nicht entgegen, dass möglicherweise eine erhöhte Nachfrage nach vom Kläger durchgeführten Krankentransporten besteht; es liegt auf der Hand, dass diese Nachfrage mit der Preisgestaltung des Klägers zu tun hat.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2.8.1994 - 13 B 1085/94 -, NWVBl. 1995, 26, und vom 8.7.2004 - 13 B 1790/03 -, juris.

Dass diese Eintreffzeiten in ihren wesentlichen Grundlagen fehlerhaft ermittelt worden sind, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substantiiert gerügt; für den Rettungsdienstbereich V. erfolgte die Ermittlung aufgrund einer computerbasierten Berechnung. Auch hat der Beklagte ausweislich Ziffer 4.2.7.2 des Bedarfsplans für den Rettungsdienst im Kreis die Zeiten ausgehend von der Transportanmeldung bei der Kreisleitstelle berechnet, eine erhebliche Abweichung - d.h. von etwa über 10% - von diesen Zeiten ist weder vorgetragen noch springt sie ins Auge. Es spricht auch nichts dafür, dass in Zukunft von dem Gesagten substantiell abgewichen wird, die Streichung des Mehrzweck-KTW in S. ist zumindest auch vor dem Hintergrund der sinkenden Einsatzzahlen gerechtfertigt. Im Übrigen beantragt der Kläger die Erteilung einer Genehmigung für einen reinen KTW und es ist nicht ersichtlich, dass es durch Erteilung der Genehmigung zu einer Verkürzung der Wartezeiten insgesamt kommen würde, da der Betriebssitz des Klägers außerhalb der Rettungsdienstbereiche V. und S. liegt. Ob in den genannten Rettungsdienstbereichen die Nachfrage nach RTW befriedigt werden kann oder nicht, ist irrelevant; der Kläger begehrt eine Genehmigung zum Krankentransport und nicht zur Notfallrettung.

Weiter hat der Beklagte hier - wie sich schon aus dem umfangreichen Vortrag im Verwaltungs- und Klageverfahren ergibt - den Sachverhalt im Hinblick auf die Verträglichkeitsprognose umfassend ermittelt. Er hat - wie sich aus den angegriffenen Bescheiden und aus dem Vortrag im Klageverfahren ergibt - zu Recht weiter darauf abgehoben, dass durch den Gebrauch der beantragten Genehmigung das öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Rettungsdienst im Sinne von § 6 RettG NRW "ernstlich und schwerwiegend" beeinträchtigt wird. Er hat in diesem Rahmen zu Recht maßgeblich damit argumentiert, dass die Erteilung der beantragten Genehmigung zu verminderten Einsatzzahlen, einer geringeren Auslastung und höheren Kosten führe. Dies sind Gesichtspunkte, die nach § 19 Abs. 4 Satz 2 und 3 RettG NRW berücksichtigungsfähig sind. Schließlich hat der Beklagte den möglichen Verlauf der Entwicklung vertretbar, d.h. nicht offensichtlich fehlerhaft, eingeschätzt.

Der Ansatz des Beklagten, dass die Erteilung der beantragten Genehmigung dazu führen werde, dass die Einsatzzahlen (vgl. § 19 Abs. 4 Satz 3 1. Alt. RettG NRW) im Krankentransport in den Rettungsdienstbereichen V. und S. in dem Umfang, in dem die Genehmigung begehrt wird, sinken würden, ist nachvollziehbar. Auf der einen Seite ist es in den Rettungsdienstbereichen in den letzten Jahren zu einem Rückgang der Einsatzzahlen im Krankentransport gekommen, auf der anderen Seite war eine deutliche Steigerung der Krankentransporte durch den Kläger - im Rahmen der ihm erteilten Genehmigung - zu verzeichnen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich diese Entwicklung bei Erteilung einer weiteren Genehmigung nicht fortsetzen sollte, zumal der Kläger vorgetragen hat, dass eine hohe Nachfrage nach den von ihm durchgeführten Krankentransporten bestehe. Dieser Rückgang der Einsatzzahlen wäre auch ernstlich und schwerwiegend. In den genannten beiden Rettungsdienstbereichen werden derzeit insgesamt vier KTW vorgehalten; dass in Zukunft ein weiterer KTW/RTW eingesetzt werden soll, ist nicht ersichtlich. Der Kläger erstrebt eine Genehmigung für einen KTW. Das bedeutet, dass in den Rettungsdienstbereichen V. und S. mindestens die Kapazität von einem KTW entbehrlich würde, was einem Verlust von mindestens 25% der Krankentransporte entspricht. Dass diese Verluste durch eine steigende Nachfrage an Krankentransporten aufgefangen werden könnten, ist nicht ersichtlich.

Siehe zum Umstand, dass die Erteilung von Genehmigungen für den Krankentransport an Private zu Rückgängen beim öffentlichen Krankentransport führt, etwa BVerwG, Urteil vom 17.6.1999 - 3 C 20.98 -, DVBl 2000, 124; OVG NRW, a.a.O.

Die darauf aufbauende Folgerung des Beklagten, dass es dadurch zu einer erheblich geringeren Auslastung des öffentlichen Krankentransportdienstes komme (vgl. § 19 Abs. 4 Satz 2 2. Alt. RettG NRW) und in höherem Maß ungedeckte Kosten entstünden (vgl. § 19 Abs. 4 Satz 3 4. Alt RettG NRW), weil einerseits die Kapazität eines KTW nicht effektiv genutzt werden könne, andererseits aber der Abbau von Vorhaltekapazitäten angesichts des Sicherstellungsauftrags nicht möglich sei, ist ebenfalls zutreffend. Denn der Sicherstellungsauftrag des § 6 RettG NRW greift auch dann, wenn sich Private auf dem Markt befinden, die mit Genehmigungen nach §§ 18 ff. RettG NRW ausgestattet sind. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Sicherstellungsauftrag aus § 6 Abs. 1 RettG NRW auch und gerade vom öffentlichen Träger zu erfüllen ist; die Beteiligung Privater befriedigt den Sicherstellungsauftrag - vom Fall der Einbindung Privater nach § 13 RettG NRW abgesehen - grundsätzlich nicht.

Vgl. OVG NRW, a.a.O. m.w.N.

Dabei fällt die nach § 19 Abs. 4 Satz 2 2. Alt. RettG NRW zu berücksichtigende Verminderung des Auslastungsgrads hier besonders ins Gewicht, da der Krankentransportdienst in beiden Rettungsdienstbereichen in den letzten ca. 2 1/2 Jahren nur zu ca. 72% bzw. 37% (S.) bzw. ca. 61%, 70% und 76% (V.) ausgelastet war; warum sich diese Auslastung durch das - nicht geplante - Hinzutreten eines KTW/RTW erhöhen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Auch die nach § 19 Abs. 4 Satz 3 4. Alt. RettG NRW zu berücksichtigende und sich verstärkende Kostenunterdeckung wirkt sich erheblich aus, da der Rettungsdienst in beiden Rettungsdienstbereichen bei zusammenfassender Berechnung nach den vorgelegten Zahlen nicht kostendeckend arbeitet und da gerade der Rettungsdienstbereich S. unter einer Kostenunterdeckung leidet.

Schließlich ist auch die Folgerung des Beklagten, dass in den Rettungsdienstbereichen V. und S. nach Erteilung der begehrten Genehmigung infolge des Verlustes an Krankentransporten bei gleichzeitig notwendig bleibender Vorhaltung der KTW erheblich höhere ungedeckte Kosten anfallen würden, die nur durch eine erhebliche Erhöhung der Gebühren kompensiert werden könnten, nachvollziehbar. Erhöhte Kosten im Bereich des Rettungsdienstes können auf diejenigen, die den Rettungsdienst in Anspruch nehmen, umgelegt werden (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 RettG NRW und § 6 des KAG NRW). Dass dieses "können" jedenfalls angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte ein faktisches "müssen" darstellt, ist einleuchtend. Dabei kann dahinstehen, in welchem Umfang es hier zu einer Erhöhung der Gebühren kommen würde. Klar ist jedenfalls, dass angesichts der von dem Kläger erstrebten Genehmigung nicht unerhebliche Gebührenerhöhungen im Raum stehen. Solche Gebührenerhöhungen stellen aber eine Belastung der Allgemeinheit dar, gleichviel ob sie nun von den Betroffenen oder den Krankenkassen getragen werden.

Vgl. zu alledem BVerwG, a.a.O.

Im Übrigen würde sich hier eine weitere Gebührenerhöhung besonders belastend auswirken, da die Gebühren für den Krankentransport in beiden Rettungsdienstbereichen ohnehin erheblich gestiegen sind (S. - 2001: 119,64 €, 2007: 209,10 €; V. - 2001: 84,36 €, 2007: 106,10 €).

Schließlich spricht auch nichts dafür, dass in beiden Rettungsdienstbereichen - außerhalb von Stilllegungen, die mit § 6 RettG NRW nicht zu vereinbaren sind - Kosten gespart werden könnten, um so die durch genehmigte Betätigung Privater eintretenden Einnahmeausfälle auszugleichen. Es springt jedenfalls nicht ins Auge, dass der Rettungsdienst in diesen Rettungsdienstbereichen ineffektiv strukturiert - etwa überdimensioniert - wäre. Im Übrigen wäre die für einen Ausgleich notwendige Kosteneinsparung hier hoch, da etwa 25% der Kosten des KTW-Bereichs (abzüglich flexibler Kosten) ausgeglichen werden müssten. Dass ein derartiges Kosteneinsparungspotential besteht, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

Vgl. zur Notwendigkeit eines diesbezüglichen klägerischen Vortrags Hamb. OVG, Beschluss vom 19.1.2006 - 1 Bf 146/04 -, juris.

Nach alledem ist bezogen auf die beiden Rettungsdienstbereiche bei Erteilung der begehrten Genehmigung eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem funktionsfähigen Rettungsdienst zu erwarten. Daher kann dahinstehen, ob der Beklagte den potentiellen Betriebsbereich zu Recht mit den beiden genannten Rettungsdienstbereichen gleichgesetzt hat oder ob nur ein Betriebsbereich in den Blick zu nehmen gewesen wäre (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 2 RettG NRW).

Ende der Entscheidung

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