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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.09.2006
Aktenzeichen: 13 A 2727/04
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
AMG § 30 Abs. 1
Zu den Anforderungen an die Unterzeichnung einer Klageschrift.

Ein Antrag auf Nachzulassung eines Arzneimittels muss die Zulassungsbehörde veranlassen, vor dem eigentlichen Nachzulassungsverfahren zu prüfen, ob die bisherige fiktive Zulassung - etwa nach § 30 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG - aufzuheben ist.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, das eigentliche Nachzulassungsverfahren zu beenden, nämlich das sog. Auflageverfahren (vgl. § 105 Abs. 5a Sätze 1 bis 3 AMG) und das sog. Beanstandungsverfahren (vgl. § 105 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AMG).

Die Annahme der Zulassungsbehörde, der Zulassungsinhaber werde für die Mängelbeseitigung einen über die Höchstfrist hinausgehenden Zeitraum benötigen, rechtfertigt weder die Gewährung einer die Höchstfrist unterschreitenden Mängelbeseitigungsfrist noch die Gewährung einer das Beanstandungsverfahren zu einer bloßen Förmelei herabstufenden einmonatigen Mängelbeseitigungsfrist.


Tatbestand:

Die Klägerin beantragte die Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels D. Mit Schreiben vom 26.6.2002 übersandte die Beklagte der Klägerin einen Mängelbericht und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats. Die Beklagte führte aus, die mitgeteilten Mängel seien besonders gravierend, weshalb eine Mängelbeseitigung selbst bei Gewährung der gesetzlichen Höchstfrist von 12 Monaten nicht möglich sei. Mit Bescheid vom 27.11.2002 versagte sie die Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels mit der Begründung, die beanstandeten Mängel seien nicht bis zum Ablauf der im Mängelschreiben gesetzten Frist behoben worden.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das VG statt. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Gründe:

Die Klage ist teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.

Die Klage ist - wie das VG zutreffend dargelegt hat - als eine auf Neubescheidung gerichtete Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO statthaft. Dieses Klageziel ist der Klagebegründung der nicht anwaltlich vertretenen Klägerin unschwer zu entnehmen und von ihr entsprechend klargestellt worden. Es ist ferner anzunehmen, dass im Falle der Versagungsgegenklage in der Verpflichtungsklage der Antrag auf Aufhebung des vorausgegangenen Verwaltungsakts enthalten ist. Ansonsten könnte keine widerspruchsfreie Lösung erreicht werden.

Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 113 Rdnr. 407; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 113 Rdnr. 185.

Es fehlt nicht bereits an einer zulässigen Klageerhebung. Die Klageschrift ist vom vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerin unterschrieben worden, so dass das Erfordernis der Schriftlichkeit der Klageerhebung (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gewahrt ist.

Durch die eigenhändige Unterschrift soll die verlässliche Zurechenbarkeit der Klageschrift sichergestellt werden. Es soll gewährleistet sein, dass nicht nur ein Entwurf, sondern eine gewollte Prozesserklärung vorliegt und diese von einer bestimmten Person herrührt, die für deren Inhalt die Verantwortung übernimmt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 6.12.1988 - 9 C 40.87 -, BVerwGE 81, 32 (33).

Eine Unterschrift setzt einen aus Buchstaben einer üblichen Schrift bestehenden Schriftzug voraus, der nicht leserlich sein muss. Erforderlich, aber auch genügend ist das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden hinreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzuges, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt.

Vgl. BGH, Urteil vom 22.10.1993 - V ZR 112/92 -, NJW 1994, 55, Beschluss vom 8.10.1991, XI ZB 6/91 -, NJW 1992, 243, Urteil vom 9.11.1988 - I ZR 149/87 -, NJW 1989, 588, Beschluss vom 29.10.1986 - IV a ZB 13/86 -, NJW 1987, 1333 (1334), Urteil vom 11.2.1982 - III ZR 39/81 -, NJW 1982, 1467, und Beschluss vom 13.7.1967 - Ia ZB 1/67 -, NJW 1967, 2310.

Nach diesen Maßstäben ist der die Klageschrift abschließende Schriftzug als hinreichende Vollunterschrift zu werten. Dem steht nicht bereits entgegen, dass der Klageschrift eine (lesbare) Wiedergabe des Namens des Geschäftsführers der Klägerin nicht zu entnehmen ist und demzufolge nur anhand der äußeren Gestaltung des Schriftzuges festzustellen ist, ob es sich hierbei um eine den vorstehenden Anforderungen genügende Unterschrift handelt. Der Schriftzug besteht aus dem ersten Buchstaben des Vornamens sowie mehreren flüchtig geschriebenen Buchstaben des Familiennamens, trägt durchaus individuelle Züge und stellt sich bei der gebotenen großzügigen Betrachtungsweise ersichtlich als Wiedergabe des vollen (Familien-) Namens und nicht etwa nur als Paraphe dar. Die Zuordnung der Unterschrift zu einer bestimmten Person ist somit ohne weiteres möglich. Dass diese Unterschrift das Gericht nicht ohne Nachfrage erkennen ließ, wer für die Klageschrift die Verantwortung trägt, ist ein Mangel ohne rechtliche Folgen. Da der Urheber der Klageschrift bestimmbar ist, ist allein durch dessen handschriftliche Unterschrift dem Erfordernis der schriftlichen Klageerhebung genügt.

Die Klage ist jedoch mangels fortbestehenden Rechtsschutzinteresses unzulässig, soweit sie auf die Verpflichtung der Beklagten, über den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Zulassung für das streitbefangene Arzneimittel unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, gerichtet ist.

Im Rahmen des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ist Ziel des Rechtsschutzes die (Neu-) Bescheidung des Antrags mit der Chance einer dem Kläger günstigen Entscheidung.

Vgl. Wolff, a.a.O., § 113 Rdnr. 446.

Einem Bescheidungsbegehren wird demzufolge dann die Grundlage entzogen, wenn der Behörde außer dem Erlass eines ablehnenden Bescheides keine Handlungsalternative (mehr) eröffnet ist. So liegt es hier.

Die Verlängerung der Zulassung des streitbefangenen Arzneimittels kam bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des VG und kommt erst recht gegenwärtig nicht mehr in Betracht. Sie ist nach § 105 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AMG zwingend zu versagen, weil die Klägerin den ihr mit Schreiben vom 26.6.2002, zugestellt am 28.6.2002, mitgeteilten Mängeln nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Höchstfrist von 12 Monaten abgeholfen, sich vielmehr auch noch nach Ablauf der Höchstfrist darauf beschränkt hat, die Beseitigung der mitgeteilten Mängel, deren Existenz und Gewicht sie nicht, geschweige denn substantiiert in Frage gestellt hat, anzukündigen. So teilte sie dem BfArM unter dem 31.7.2003 lediglich mit, Literaturrecherchen seien in Auftrag gegeben worden, neueste Veröffentlichungen würden eingebaut, die Rohdaten und die Qualitätsdossiers würden in die aktuellen Formate eingearbeitet und die fehlenden pharmakologischen bzw. klinischen Gutachten würden erstellt. Anhaltspunkte dafür, dass der Versagungsbescheid vom 27.11.2002, der zu diesem Zeitpunkt - wie im Weiteren ausgeführt wird - noch nicht hätte erlassen werden dürfen, sie veranlasst haben könnte, die Bemühungen um die Mängelbeseitigung einzustellen, sind nicht ersichtlich. Das genannte Schreiben vom 31.7.2003 deutet eher darauf hin, dass die Erstellung der angekündigten Unterlagen vor dem Hintergrund des Versagungsbescheides vom 27.11.2002 forciert worden ist.

Der Einwand der Klägerin, das BfArM habe ihr eine unangemessen kurze Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt, stellt das Fristversäumnis nicht in Frage. Die Klägerin konnte jedenfalls keine über die Höchstfrist von 12 Monaten hinausgehende Mängelbeseitigungsfrist beanspruchen (vgl. § 105 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AMG).

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Frist des § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG um eine Ausschlussfrist, so: VG Köln, Urteil vom 9.11.2004 - 7 K 2931/00 -, juris; a.A. Sander, Arzneimittelrecht, Stand: März 2006, Bd. 2, § 105 AMG, Anm. 16, handelt, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässt (vgl. § 32 Abs. 5 VwVfG). Denn eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand käme vorliegend - ungeachtet der Tatsache, dass keine Anhaltspunkte für eine schuldlose Fristversäumnis gegeben sind - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine solche nicht beantragt worden ist und, nachdem seit dem Ende der versäumten Frist zwischenzeitlich mehr als ein Jahr verstrichen ist, auch nicht mehr beantragt werden kann (vgl. § 32 Abs. 3 VwVfG).

Soweit die Klage auf die Aufhebung des Versagungsbescheides des BfArM vom 27.11.2002 gerichtet ist, ist sie zulässig, aber unbegründet. Der Versagungsbescheid beruht zwar auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 105 Abs. 5 und 5a AMG (1.). Die Klägerin kann jedoch mit ihrem Aufhebungsbegehren nicht mehr durchdringen (2.).

1. Der Versagungsbescheid ist verfrüht ergangen. Das Arzneimittelgesetz lässt eine (sofortige) Versagung der Nachzulassung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren nicht zu (a). Der Versagungsbescheid konnte im Zeitpunkt seines Erlasses nicht auf § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG gestützt werden, weil der Klägerin zuvor nur eine unangemessen kurze Mängelbeseitigungsfrist eingeräumt worden ist (b).

a) Das Arzneimittelgesetz lässt eine (sofortige) Versagung der Nachzulassung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren nicht zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten eröffnet das Arzneimittelgesetz der Zulassungsbehörde nur zwei Möglichkeiten zur Beendigung des Nachzulassungsverfahrens, nämlich das sog. Auflageverfahren (vgl. § 105 Abs. 5a Sätze 1 bis 3 AMG) und das sog. Beanstandungsverfahren (vgl. § 105 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AMG). Hiervon unberührt bleibt die im Falle eines Mangels etwa im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG unabhängig vom Nachzulassungsverfahren bestehende und vorrangig von der Zulassungsbehörde in den Blick zu nehmende Verpflichtung zur Aufhebung der fiktiven Zulassung (vgl. § 30 Abs. 1 AMG), wenn das Arzneimittel sofort aus dem Verkehr genommen werden soll; mit der Aufhebung der fiktiven Zulassung erledigt sich das Nachzulassungsverfahren.

Weder der Wortlaut noch die Systematik des § 105 AMG lassen darauf schließen, dass, selbst im Falle des Vorliegens von besonders gravierenden Mängeln, der Zulassungsbehörde die Befugnis eingeräumt ist, die Nachzulassung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren zu versagen. Soweit § 105 Abs. 4f Satz 1 Halbsatz 1 AMG bestimmt, dass die Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG auf Antrag nach § 105 Abs. 3 Satz 1 AMG um fünf Jahre zu verlängern ist, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt, folgt im Umkehrschluss daraus bereits mit Blick auf das in § 105 Abs. 5 AMG geregelte, der Versagung der Nachzulassung vorgeschaltete Beanstandungsverfahren gerade nicht die Ermächtigung zur (sofortigen) Versagung der Nachzulassung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren. Der Wortlaut des § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG lässt ebenfalls nicht zwingend den Schluss zu, der Zulassungsbehörde sei im Nachzulassungsverfahren die Handlungsalternative der (sofortigen) Versagung der Zulassung eröffnet. Die Versagung der Nachzulassung ist die Konsequenz des fruchtlosen Ablaufs der angemessenen Mängelbeseitigungsfrist (vgl. § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG), so dass sich die Erwähnung der Versagung der Verlängerung der Zulassung in § 105 Abs. 5a Satz 2 a.E. AMG auch insoweit erklärt.

Die Systematik des § 105 AMG deutet vielmehr darauf hin, dass der Zulassungsbehörde im Nachzulassungsverfahren die Möglichkeit der (sofortigen) Versagung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren nicht eröffnet ist. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen des Auflage- und des Beanstandungsverfahrens im Rahmen des § 105 Abs. 5 und 5a AMG geregelt, sich jedoch nicht veranlasst gesehen hat, die Voraussetzungen einer (sofortigen) Versagung der Nachzulassung, insbesondere die Schwere des sie rechtfertigenden Mangels zu regeln, obwohl eine solche Maßnahme mit einer im Vergleich zum Auflage- und Beanstandungsverfahren stärkeren Belastung des Zulassungsinhabers verbunden ist.

Die Auswertung der Gesetzgebungsmaterialien unterstützen die vorstehenden Erwägungen. Demnach sollen der Zulassungsbehörde grundsätzlich (nur) zwei Wege offen stehen, um auf mängelbehaftete Nachzulassungsunterlagen zu reagieren. Soll der Mangel vor der Zulassung behoben werden, teilt die Zulassungsbehörde dem pharmazeutischen Unternehmer die Beanstandungen mit und ermöglicht ihm, diesen innerhalb einer angemessenen Frist abzuhelfen (Beanstandungsverfahren nach § 105 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AMG). Soll der Mangel hingegen erst nach der Nachzulassung behoben werden, verbindet die Zulassungsbehörde die Nachzulassung mit einer Auflage (Auflageverfahren nach § 105 Abs. 5a Sätze 1 bis 3 AMG). Beim Beanstandungsverfahren erhält der pharmazeutische Unternehmer die Nachzulassung erst und nur dann, wenn er die mitgeteilten Mängel innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist behoben hat, während die Nachzulassung beim Auflageverfahren sogleich erteilt wird, ihr Fortbestand aber von der fristgerechten Erfüllung der Auflage abhängt.

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 14/3320, S. 15 f.

Das Beanstandungsverfahren kommt dann zum Zuge, wenn es um mit gravierenden Mängeln behaftete Unterlagen geht, deren Gewicht und Tragweite zum einen die Anwendung des Auflageverfahrens und zum anderen, bevor sie nicht beseitigt sind, die Erteilung der begehrten Nachzulassung ausschließen. Demzufolge ist im Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Handlungsalternativen der Zulassungsbehörde im Nachzulassungsverfahren - wie es letztlich in § 105 Abs. 5a Satz 2 AMG auch zum Ausdruck kommt - nur zwischen den Kategorien der die Erteilung einer Nachzulassung unter Auflagen ermöglichenden nicht gravierenden und der vor Erteilung der Nachzulassung ein Beanstandungsverfahren erfordernden gravierenden Mängel differenziert worden.

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, a. a. O., S. 16.

Das gesetzgeberische Konzept sieht demnach auch im Falle des Vorliegens besonders gravierender Mängel die Möglichkeit der (sofortigen) Versagung der Verlängerung der Nachzulassung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren nicht vor. Insoweit fügt sich nicht zuletzt, dass im Gesetzgebungsverfahren für den Fall, dass Unterlagen schwere oder schwerste Mängel aufweisen, allein auf die Möglichkeit des Verzichts auf die Nachzulassung und die Beantragung der Neuzulassung des Arzneimittels während der zweijährigen Abverkaufsfrist hingewiesen wurde.

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, a. a. O., S. 16.

Dass diese Möglichkeit dort, obwohl der Verzicht vom Inhaber der Zulassung zu erklären ist, als "Ultima ratio" bezeichnet worden ist, indiziert im Übrigen, dass diese - nicht jedoch die (sofortige) Versagung der Nachzulassung ohne Beanstandungsverfahren - neben dem Auflage- und dem Beanstandungsverfahren als weitere Handlungsalternative gesehen worden ist. Die Handlungsalternativen der Zulassungsbehörde im Nachzulassungsverfahren, nämlich das Auflageverfahren und das Beanstandungsverfahren, werden nach dem gesetzgeberischen Konzept demzufolge allein durch die Option des Zulassungsinhabers, den Verzicht auf die Nachzulassung zu erklären, ergänzt.

Das gesetzgeberische Konzept erschließt sich im Übrigen nicht zuletzt mit Blick darauf, dass der 18. Abschnitt des Arzneimittelgesetzes, zu dem auch § 105 AMG zählt, Überleitungs- und Übergangsvorschriften für die Zulassung von Arzneimitteln enthält, die sich - wie das streitbefangene Arzneimittel - bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.8.1976 (BGBl. I S. 2445, 2482), also am 1.1.1978 im Verkehr befunden haben (vgl. § 105 Abs. 1 AMG). Einerseits darf der diesen Vorschriften und mithin auch dem § 105 AMG immanente Gedanke des Bestandsschutzes nicht aus dem Blick geraten. Andererseits liegt die Straffung und Beschleunigung des Nachzulassungsverfahrens nach wie vor im öffentlichen Interesse. Bei Mängeln im Nachzulassungsverfahren hat der Gesetzgeber im Rahmen des § 105 Abs. 5 AMG einen sachgerechten Interessenausgleich dadurch erreicht, dass er dem Interesse des pharmazeutischen Unternehmers am Erhalt seines mit gravierenden Mängeln behafteten Arzneimittels (nur) bis zum Ablauf der angemessenen Mängelbeseitigungsfrist den Vorrang einräumt. Die Zubilligung des damit verbundenen Bestandsschutzes ist nach dem Willen des Gesetzgebers aber nach dem Ablauf einer angemessenen Mängelbeseitigungsfrist nicht mehr gerechtfertigt. Dann überwiegt vielmehr das öffentliche Interesse an einer zügigen Abwicklung des Nachzulassungsverfahrens.

Dass der Gesetzgeber den Bestandsschutz der Arzneimittelsicherheit, auf die die Beklagte ihr Vorgehen im Wesentlichen stützt, nicht bereits während einer angemessenen Mängelbeseitigungsfrist unterordnen will, ergibt sich auch daraus, dass dem Zulassungsinhaber - wie dargelegt - im Gesetzgebungsverfahren für den Fall, dass dessen Unterlagen schwere und schwerste Mängel aufweisen, die Option des Verzichts auf die Nachzulassung zugestanden worden ist, deren Wahrnehmung zur Folge hat, dass das Arzneimittel noch während der zweijährigen Abverkaufsfrist in den Verkehr gebracht werden kann.

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, a. a. O., S. 16.

Nach der im § 30 Abs. 3 Sätze 2 bis 3 AMG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist aber dann kein Raum mehr für - insbesondere mit einem Rechtsmittelverfahren verbundene - zeitliche Zugeständnisse, überwiegt mithin ausnahmslos die Arzneimittelsicherheit, wenn bei einem Arzneimittel der begründete Verdacht besteht, dass es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein vertretbares Maß hinausgehen (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG a.F.) bzw. das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG n.F.). Liegt dieser Versagungsgrund vor, ist die Zulassungsbehörde - auch im Nachzulassungsverfahren - verpflichtet, die fiktive Zulassung aufzuheben (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 1 AMG). Die Entscheidung ist sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 30 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AMG). Nicht nachvollziehbar ist vor diesem Hintergrund, dass das BfArM, obwohl es die Versagung der Nachzulassung u.a. auf § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG a.F. gestützt hat, von der an diesen Versagungsgrund zwingend anknüpfenden Aufhebung der Zulassung abgesehen und demzufolge darauf verzichtet hat, dafür zu sorgen, dass das nach ihren Ausführungen besonders gravierende Mängel aufweisende und aus seiner Sicht die Arzneimittelsicherheit erheblich gefährdende Arzneimittel mit sofortiger Wirkung nicht mehr in den Verkehr gebracht werden darf.

Festzuhalten ist nach alledem, dass eine (sofortige) Versagung der Nachzulassung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren nicht in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob - wofür allerdings wenig spricht - mit Bescheid vom 27.11.2002 überhaupt eine sofortige Versagung der Nachzulassung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren ausgesprochen worden ist.

Das BfArM hat vorliegend mit dem Erlass des Versagungsbescheides vom 27.11.2002 im Übrigen konkludent festgestellt, dass die Klägerin der nach § 105 Abs. 4a Satz 1 AMG bestehenden Vorlagepflicht nachgekommen ist. Soweit die Beklagte erstmals im Klageverfahren eingewendet hat, bei den vorgelegten Unterlagen handele es sich um Scheinunterlagen, die Klägerin müsse so gestellt werden, als habe sie diese nicht vorgelegt, so dass die Zulassung des streitbefangenen Arzneimittels nach § 105 Abs. 4a Satz 4 AMG erloschen sei, überzeugt dieser Einwand schon deshalb nicht, weil das BfArM sich nach mehrmaliger Prüfung der Unterlagen aufgrund der dortigen gewichtigen Mängel lediglich veranlasst gesehen hat, die Nachzulassung zu versagen, nicht jedoch das Erlöschen der Zulassung festzustellen. Die eingereichten Unterlagen waren demnach zwar mängelbehaftet, ließen den Fortbestand der Zulassung des Arzneimittels aber unberührt und rechtfertigten auch aus der Sicht des BfArM damit eine Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der fiktiven Zulassung.

b) Der Versagungsbescheid vom 27.11.2002 konnte im Zeitpunkt seines Erlasses nicht auf § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG gestützt werden, weil die Beklagte - wie das VG zutreffend dargelegt hat - der Klägerin zuvor nur eine unangemessen kurze einmonatige Frist zur Mängelbeseitigung eingeräumt hat.

Nach § 105 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 AMG hat der Antragsteller bei Beanstandungen innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von 12 Monaten nach Mitteilung der Beanstandungen, den Mängeln abzuhelfen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen (§ 105 Abs. 5 Satz 2 AMG). Demnach kann die Versagung der Nachzulassung nur dann auf § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG gestützt werden, wenn dem Zulassungsinhaber zuvor eine angemessene Frist von bis zu 12 Monaten zur Mängelbeseitigung zugestanden worden ist.

Welche Frist im Einzelfall angemessen ist, wird allein durch den vom Zulassungsinhaber zu leistenden Aufwand bestimmt, der objektiv mit der Mängelbeseitigung verbunden ist. Demzufolge ist eine umso längere Mängelbeseitigungsfrist einzuräumen, je stärker das nachzuzulassende Arzneimittel mit Mängeln behaftet ist (sofern diese Mängel nicht - wie ausgeführt - zur Aufhebung der fiktiven Zulassung Anlass geben). Diese Tendenz ist dem dargelegten gesetzgeberischen Konzept immanent und unabweisbar. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, eine (sofortige) Versagung der Nachzulassung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren nicht zuzulassen, sondern für alle Mängel, die nicht Gegenstand des Auflageverfahrens sein können, die Durchführung eines Beanstandungsverfahrens vor der Versagung der Nachzulassung vorzusehen. Er hat damit auch derart gravierende Mängel eingeschlossen, die - was im Übrigen nicht selten vorkommen dürfte - nicht innerhalb der Höchstfrist von 12 Monaten beseitigt werden können, und im Falle des Vorliegens solcher Mängel die (sofortige) Versagung der Nachzulassung ohne vorheriges Beanstandungsverfahren ebenfalls nicht zugelassen. Schon vor diesem Hintergrund rechtfertigt die Annahme der Zulassungsbehörde, der Zulassungsinhaber werde für die Mängelbeseitigung einen über die Höchstfrist hinausgehenden Zeitraum benötigen, weder die Gewährung einer die Höchstfrist unterschreitenden Mängelbeseitigungsfrist noch die Gewährung einer das Beanstandungsverfahren zu einer bloßen Förmelei herabstufenden einmonatigen Mängelbeseitigungsfrist.

2. Die Klägerin kann jedoch mit ihrem Aufhebungsbegehren nicht mehr durchdringen. Da die Versagung der Nachzulassung - wie bereits dargelegt - jedenfalls seit dem Ablauf der Mängelbeseitigungshöchstfrist nach § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG zwingend hätte erfolgen müssen und die mit Bescheid vom 27.11.2002 ausgesprochene Versagung damit seit dieser Zeit im Einklang mit den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes steht, ist es der Klägerin nunmehr verwehrt, sich auf die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG zu berufen und die Aufhebung des Versagungsbescheids vom 27.11.2002 zu beanspruchen.

Ende der Entscheidung

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