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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.07.2007
Aktenzeichen: 13 A 2745/04.A
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 108 Abs. 1 Satz 1
1. Vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist sowohl die Würdigung des Vorbringens des Asylbewerbers im Hinblick auf Glaubwürdigkeit und Wahrheitsgehalt des dargestellten Sachverhalts als auch bei Geltendmachung gesundheitlicher Beeinträchtigungen die Wertung vorliegender ärztlicher Atteste und Stellungnahmen umfasst.

2. Verneinung des Vorliegens einer Posttraumatischen Belastungsstörung durch einen Sachverständigen (Einzelfall einer Frau aus dem Kosovo).


Tatbestand:

Der erste Asylantrag der aus dem Kosovo stammenden Klägerin, die erstmals 1993 in die Bundesrepublik eingereist war, wurde Anfang 2000 rechtskräftig abgelehnt. Die Klägerin hielt sich anschließend mit ihrer Familie ca. 1 1/2 Jahre im Kosovo auf und stellte im Februar 2002 einen Asylfolgeantrag. Nach der Ablehnung durch das Bundesamt erhob die Klägerin Klage und machte geltend, an einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden. Das VG gab der Klage wegen Bestehens eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG statt. Auf die Berufung der Beklagten änderte das OVG die Entscheidung und wies die Klage ab. Das BVerwG (- 1 B 118.05 -, NVwZ 2007, 345) hob den Beschluss des OVG auf und verwies die Sache an das OVG zurück. Das OVG beauftragte einen medizinischen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage des Krankheitszustands der Klägerin, der das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung nicht feststellte, und wies unter Änderung der Entscheidung des VG die Klage auf Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots für die Klägerin (erneut) ab.

Gründe:

Das VG hat der Verpflichtungsklage der Klägerin auf Zuerkennung von Abschiebungsschutz zu Unrecht teilweise stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, der ab 1.1.2005 an die Stelle des früher geltenden § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG getreten ist und dessen Voraussetzungen nach denselben Kriterien wie denjenigen zu der letztgenannten Bestimmung zu beurteilen sind. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts erweist sich danach auch im maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) als rechtmäßig.

Der Klägerin ist weder auf der Grundlage von § 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG noch nach §§ 51 Abs. 5, 48, 49 VwVfG, zu den Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vgl. BVerwG, Urteile vom 21.3.2000 - 9 C 41.99 -, BVerwGE 111, 77, 82, und vom 20.10.2004 - 1 C 15.03 -, BVerwGE 122, 103, 105 ff., der begehrte Abschiebungsschutz zuzuerkennen. In beiden Fällen fehlt es jedenfalls an den erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin bei Rückkehr in ihre Heimat Kosovo als Folge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten oder sonstiger Gründe alsbald wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde.

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Verfahrensgrundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass das Gesetz dem Richter grundsätzlich - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger ausdrücklicher Regelungen wie etwa § 98 VwGO i. V. m. §§ 415 - 419 ZPO - keine festen Regeln für seine Überzeugungsgewinnung bzw. Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorschreibt. Sinn und Zweck der freien richterlichen Beweiswürdigung ist es gerade, das Gericht nicht an starre Regeln zu binden, sondern ihm zu ermöglichen, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden. Die Grenze freier Beweiswürdigung ist erst überschritten, wenn das Gericht von einem unrichtigen und unvollständigen Sachverhalt ausgeht, sich als entscheidungserheblich aufdrängende Umstände übergeht und bei der Würdigung die Grenzen einer objektiven willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie die allgemeinen Erfahrungssätze beachtenden Wertung verletzt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 8.2.2005 - 1 C 29.03 -, NVwZ 2005, 1087; OVG NRW, Beschlüsse vom 26.4.2006 - 8 A 4323/03.A -, AuAS 2006, 165, vom 30.4.2006 - 13 A 2820/04.A, - und vom 5.6.2007 - 13 A 4569/05.A -.

Vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung umfasst ist sowohl die Würdigung des Vorbringens des Asylbewerbers im asylrechtlichen Verfahren, insbesondere im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit und den Wahrheitsgehalt des vom Schutzsuchenden dargestellten Sachverhalts, als auch bei Geltendmachung gesundheitlicher Beeinträchtigungen die Wertung und Bewertung vorliegender ärztlicher Atteste und Stellungnahmen sowie die Überprüfung darin getroffener Feststellungen und Schlussfolgerungen auf ihre Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit. Eine besondere medizinische Sachkunde ist dazu regelmäßig nicht erforderlich. Die Würdigung ärztlicher Atteste und Stellungnahmen, insbesondere zum Vorliegen psychischer Erkrankungen von Asylbewerbern, ist vielmehr eine gerade in Asyl- und Abschiebungsschutzklagen sich ständig wiederholende Aufgabe. Im Falle einer - wie hier - geltend gemachten PTBS ist dabei die Feststellung eines behaupteten traumatisierenden Ereignisses Gegenstand der gerichtlichen Sachverhaltswürdigung.

vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.7.2001 - 1 B 118.01 -, DVBl. 2002, 53; OVG NRW, Beschlüsse vom 5.6.2007 - 13 A 4569/05.A, - vom 26.4.2006 - 8 A 4323/03.A -, a. a. O., und vom 5.1.2005 - 21 A 3093/04.A -, NVwZ-RR 2005, 358; VGH Bad-Württ., Beschluss vom 20.10.2006 - A 9 S 1157/06 -, AuAS 2007, 8.

Der Senat legt der Bewertung des Gesundheitszustands bzw. des Krankheitsbildes der Klägerin das psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. R. zu Grunde, auf das Bezug genommen wird. Das Gutachten ist in sich schlüssig, lässt Fehler nicht erkennen und ihm kann u.a. - gerade auch wegen der sachlich-kritischen Auseinandersetzung mit anderen ärztlichen Bescheinigungen für die Klägerin - ein hoher Aussagewert beigemessen werden; das wertende Ergebnis der Begutachtung ist deshalb nachvollziehbar. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach dem Gutachten darauf hingewiesen hat, die Krankenakten über deren zwei stationäre Aufenthalte in der Westfälischen Klinik W. seien bei der Begutachtung nicht berücksichtigt worden, und die Klägerin habe vor dem männlichen Sachverständigen und dem männlichen Dolmetscher eine erfolgte Vergewaltigung nicht offenbaren können, vermag dies den Aussagewert des Gutachtens nicht zu mindern oder in Frage zu stellen. Die Krankenakten über die früheren Klinikaufenthalte der Klägerin sind, wovon auch die Klägerin ausgeht, in der Klinik in W. unauffindbar. Dass sie für die abschließende Beurteilung des Gesundheitszustands der Klägerin von entscheidender Bedeutung sind und die psychiatrische Begutachtung ohne sie nicht aussagekräftig ist, ist angesichts dessen, dass der Sachverständige sich zu einer abschließenden Begutachtung der Klägerin auch ohne diese Klinikberichte in der Lage gesehen hat und die entsprechenden Erkenntnisse dabei in Form von Behandlungskurzberichten jedenfalls indirekt zur Verfügung standen und verwertet werden konnten, nicht erkennbar. Der nach dem psychiatrischen Gutachten von der Klägerin bzw. ihrem Bevollmächtigten angesprochene Umstand einer früheren Vergewaltigung, die sie vor dem männlichen Untersuchungs- und Dolmetscherpersonal nicht habe offenbaren können, erscheint dem Senat schlichtweg als unglaubhaft und deshalb als nicht geeignet, den Aussagewert des Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Von einer Vergewaltigung hat die Klägerin weder im ersten Asylverfahren, das im Juni 1993 eingeleitet wurde, noch in dem im Februar 2002 eingeleiteten Asylfolgeverfahren auch nur andeutungsweise berichtet. Des Weiteren hat sie auf ausdrückliches Befragen des Sachverständigen bei der entscheidenden Begutachtung angegeben, eine Vergewaltigung sei nicht erfolgt und komme als traumatische Erfahrung nicht in Betracht. Wegen dieser ausdrücklichen Nachfrage hätte es aber auch bei der Begutachtung und Dolmetschertätigkeit durch männliche Personen nahegelegen und hätte von der Klägerin trotz ihres kulturellen Hintergrundes erwartet werden müssen - auch schon nach Erhalt des gerichtlichen Beweisbeschlusses vor der eigentlichen persönlichen Begutachtung -, entsprechende Andeutungen zu machen und eventuell die Bitte um Begutachtung durch eine weibliche Person und Hinzuziehung einer Dolmetscherin zu äußern, zumal sie zum ersten Untersuchungstermin u. a. in Begleitung ihrer 14-jährigen Tochter erschienen war und diese sich als ihre Begleiterin bei der Untersuchung angeboten hatte. Die nachträgliche nach dem Gutachten und erst ca. 14 Jahre nach dem vermeintlichen Vorfall erklärte Behauptung der Klägerin als unmittelbar betroffene Person, vergewaltigt worden zu sein und dies sei das traumatisierende Ereignis, ist somit nicht nachvollziehbar und nicht überzeugend. Vor diesem Hintergrund kann der nachträgliche (anwaltliche) Hinweis auf eine Vergewaltigung deshalb nur als - erfolgloser - Versuch gewertet werden, die Aussagen des für die Klägerin und im Hinblick auf eine behauptete PTBS negativen psychiatrischen Gutachtens zu erschüttern.

Auf der Grundlage des psychiatrischen Gutachtens des Prof. Dr. R. geht der Senat davon aus, dass der psychische Zustand der Klägerin als Erkrankung anzusehen ist und dass die Krankheit auch durch das Schicksal der Klägerin und Erlebnisse im Kosovo mit ausgelöst wurde. Das Gutachten hat - für den Senat überzeugend - in der Zusammenfassung und Beurteilung der Beweisfragen dargelegt, dass eine PTBS bei der Klägerin mangels eines auslösenden traumatischen Ereignisses - insbesondere sei eine behauptete Vergewaltigung nicht nachvollziehbar - nicht mit genügender Sicherheit zu diagnostizieren ist und dass die Diagnosen einer chronifizierten schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (F 32.2 nach den Internationalen Klassifikationen der Krankheiten - ICD-10 -), einer Somatisierungsstörung (F 45.0 nach ICD-10) und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (F 45.4 nach ICD-10) gerechtfertigt sind. Die in vorhergehenden ärztlichen Bescheinigungen enthaltene Annahme einer PTBS beruhe offensichtlich auf der unkritischen und ungeprüften Übernahme von Angaben begleitender Familienangehöriger der Klägerin zu den Traumatisierungen und der posttraumatischen Symptomatik und es sei dabei von nicht zutreffenden Voraussetzungen bezüglich der Traumatisierung, einer Retraumatisierung im Rahmen des erneuten Aufenthalts der Klägerin im Kosovo sowie der Suizidversuche ausgegangen worden. Diese Wertung hat die Klägerin nicht entscheidend in Frage stellen können. Nach dem Gutachten wird das Krankheitsbild der Klägerin maßgeblich bestimmt durch die Schmerzsymptomatik und dabei insbesondere durch die Kopfschmerzen, "unter denen sie am meisten leide", und die die Klägerin in Zusammenhang sieht mit einem Übergriff serbischer Polizisten im Jahre 1992, bei dem - von ihr beobachtet - ihr Schwiegervater misshandelt und sie auf den Kopf geschlagen wurde; in diesem von ihr erlebten Übergriff durch die serbische Polizei sieht die Klägerin auch die alleinige Ursache für ihre Beschwerden. Diese beiden Themenkomplexe stehen im Vordergrund der Darstellung ihres Beschwerdebildes und sind auch bestimmend für die gutachterliche Bewertung ihres Krankheitsbildes. Dem Gutachten ist darüber hinaus zu entnehmen, dass auch andere Faktoren als die Ereignisse und Erlebnisse der Klägerin im Kosovo für das Krankheitsbild mitbestimmend und mitbedingend sind, indem darauf hingewiesen wird, dass "Diagnostik und Therapie" (und damit auch das Krankheitsbild) "von Anfang an eng mit dem Verfahren um die Abschiebung verbunden war". Dies gewinnt Bedeutung vor dem Hintergrund, dass offenbar bisher mit Rücksicht auf die Krankheit der Klägerin von einer konsequenten Umsetzung der Ausreisepflicht der Familienangehörigen, die sich - soweit ersichtlich - nicht auf ein Bleiberecht in Deutschland berufen können, abgesehen wurde. Demnach hat das Krankheitsbild der Klägerin nahezu zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Perspektive der Klägerin und ihrer Familie, ob sie in den Deutschland bleiben können oder in den Kosovo zurückkehren müssen. Dieser Umstand begründet, so verständlich und nachvollziehbar er auch ist, nicht ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, so dass ihm auch keine Bedeutung im Verfahren vor dem Bundesamt zukommt.

Die neuesten Schriftsätze der Klägerin bzw. ihres Bevollmächtigten mit dem Hinweis auf stationäre Behandlungen der Klägerin in 2006 und 2007 bedingen hinsichtlich der Beurteilung ihres Krankheitszustandes keine andere Wertung. Ein darin vermuteter Zusammenhang der Krankenhausaufenthalte, die zudem nicht in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie in W. erfolgt sind, mit einer PTBS ist nicht anzunehmen. Die Bescheinigung des Krankenhauses M., W., weist als Diagnosen bei den Krankenhausaufenthalten der Klägerin "Kopfschmerzen, einen fieberhaften bronchopulmonalen Infekt und einen grippalen Infekt" aus; eine psychische Erkrankung wird hingegen darin auch nicht andeutungsweise erwähnt. Zudem hat der hinzugezogene Sachverständige das Vorliegen einer PTBS bei der Klägerin ohnehin nicht festgestellt, so dass die Krankenhausaufenthalte auch schon deshalb nicht in Zusammenhang mit einem solchen Krankheitsbild stehen. Angesichts dessen bedarf es auch nicht mehr des Abwartens einer Erklärung der Klägerin zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, weil die Diagnosen für die neuerlichen Krankenhausaufenthalte der Klägerin bekannt sind und insoweit in Verwertung der Entbindungserklärung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Dies gilt insbesondere vor dem erkennbaren Hintergrund, dass das Vorbringen der Klägerin bzw. ihres Bevollmächtigten zu den Krankenhausaufenthalten zum Teil mit deutlicher zeitlicher Verzögerung erfolgt ist und deshalb bei diesen Verfahrensbeteiligten offenbar der Faktor der Zeitgewinnung eine Rolle spielt.

Es ist unwahrscheinlich, dass sich der psychische Zustand der Klägerin bei Rückkehr in den Kosovo bis hin zu Gesundheitsgefahren von wesentlicher Intensität verschlechtern wird. Der Sachverständige hat eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin (nur) angenommen für den Fall des Wegfalls aller therapeutischen Maßnahmen für die Klägerin nach Rückkehr in den Kosovo. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Der Senat hat, ebenso wie andere für diese Materie zuständige Senate, mehrfach festgestellt, dass psychische Krankheiten wie PTBS oder schwere Depressionen im Kosovo in den öffentlichen Institutionen der Gesundheitsversorgung und den Institutionen der privaten Organisationen sowie von niedergelassenen Therapeuten landesangemessen medikamentös und gesprächsweise behandelt werden können, der ausreisepflichtige Ausländer eine Behandlung nach westeuropäischem Standard nicht beanspruchen kann und die erforderlichen Medikamente im Kosovo erhältlich sind.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5.6.2007 - 13 A 4569/05.A -, vom 10.1.2007 - 13 A 1138/04.A -, und vom 20.9.2006 - 13 A 1740/05.A -.

Dabei entspricht es anerkannter Rechtsprechung, eine Krankheitsverschlechterung von abschiebungsrelevanter Intensität für einen ausreisepflichtigen Ausländer bei Rückkehr in seine Heimat dann nicht anzunehmen, wenn er dort eine im Wesentlichen gleiche Behandlung wie in Deutschland erhalten kann.

Nach den vorliegenden Erkenntnismaterialien, vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Kosovo vom 15.2.2007; Deutsches Verbindungsbüro Kosovo Pristina an VG Düsseldorf vom 21.7.2006, stehen im öffentlichen Gesundheitswesen im Kosovo sieben Zentren für geistige Gesundheit und in fünf Krankenhäusern Abteilungen für stationäre Psychiatrie inklusive angeschlossener Ambulanzen zur Behandlung von psychischen Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen zur Verfügung. Die Einrichtungen der staatlichen/quasi-staatlichen Gesundheitsvorsorge und privater Organisationen im Kosovo bieten in der Regel eine medikamentöse Behandlung u. a. bei PTBS und Depressionen an und es steht eine Reihe von gängigen Psychotherapeutika zur Verfügung. Soweit gesprächsweise Therapie angeboten wird, erfolgt diese regelmäßig begleitend und unterstützend - supportive Gespräche -; lediglich in Ausnahmefällen wird eine regelgerechte zielgerichtete Psychotherapie angewandt. Ambulante Behandlungen und Medikamente sind gegen eine Eigenbeteiligung zwischen 1 € und 4 € bzw. von bis zu 2 € erhältlich. Im Übrigen kann jedes Medikament über Apotheken gegebenenfalls aus dem Ausland - dann gegen erhöhtes Entgelt - bezogen werden. Soweit niedergelassene Therapeuten reguläre Psychotherapie ggf. mit medikamentöser Behandlung bei PTBS und Depression anbieten, ist das jedoch je nach Verhandlung mit Kosten von sogar über 50,- € pro Sitzung verbunden. Zudem unterhält das Kosovo Rehabilitaton Center of Torture Victims (KRCT) u.a. in Skenderaj, einem dem Heimatort Prekaz der Klägerin und ihrer Familie nahegelegenen Ort, eine Betreuungseinrichtung, in der von den Mitarbeitern regelmäßig Therapiemaßnahmen angeboten werden.

Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Kosovo vom 15.2.2007, Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, Auskunft vom 21.7.2006 an VG Düsseldorf.

Dass die genannten Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo der Klägerin nicht zur Verfügung stehen könnten, ist nicht erkennbar und wird von ihr nicht substantiiert geltend gemacht. Zwar wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen eine medikamentöse, psychotherapeutische und soziotherapeutische Elemente umfassende Behandlung der Klägerin ideal. Tatsächlich hat die Klägerin in Deutschland eine Behandlung ihrer Beschwerden mit Antidepressiva erfahren, hilfreich war zudem eine Einbindung in das soziotherapeutische Programm einer Tagesstätte. Eine psychotherapeutische Behandlung konnte auf Grund von Mängeln der deutschen Sprache nur in sehr begrenztem Umfang stattfinden. Diese Barriere wird sich im Kosovo für die Klägerin nicht mehr ergeben, weil dort eine Behandlung in ihrer Muttersprache stattfinden kann und dies einen größeren Erfolg psychotherapeutischer Maßnahmen erwarten lässt. Die in Deutschland erfolgte Einbindung der Klägerin in das Programm einer Tagesstätte für die Betreuung psychisch Kranker hat auch bisher nicht zu einer deutlichen Reduktion der bei ihr bestehenden Symptomatik geführt, so dass der Schluss gerechtfertigt erscheint, dass das Entfallen einer solchen Möglichkeit im Kosovo nicht von entscheidender Bedeutung für den Verlauf ihrer psychischen Erkrankung ist. Bezüglich der Einnahme von Psychopharmaka und Antidepressiva ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin im Kosovo nicht ähnliche oder vergleichbare Medikamente wie in Deutschland erhalten kann. Die im Sachverständigengutachten genannten Medikamente Amitryptilin, Cipramil, Fluctin und SSRI Sertralin sind im Kosovo erhältlich.

Vgl. Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, Pristina, vom 18.1.2006 an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Asyldatenbank "MILo" des Bundesamts.

Amitryptilin kann die Klägerin über die "essenttial drug list" beziehen. Im Gutachten des Sachverständigen wird diesbezüglich ausgeführt, die Klägerin sei schon mit Amitryptilin behandelt worden, der Erfolg habe dem einer Behandlung mit SSRI nicht signifikant nachgestanden. Damit ist bei Rückkehr der Klägerin eine wesentliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustands nicht zu erwarten. Im Übrigen kann der Klägerin für die Zeit bis zu einer möglichen Behandlung der Krankheit im Kosovo notfalls ein Medikamentenvorrat mitgegeben werden.

Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Kosovo vom 15.2.2007; OVG NRW, Beschluss vom 22.1.2007 - 18 E 274/06 -, NVwZ 2007, 611; Hess. VGH, Beschluss vom 23.2.2006 - 7 UZ 269/06.A -, NVwZ 2006, 1203.

Der Senat sieht auch im Hinblick auf eine ernste Suizidgefahr, die mit der Erwägung, ob eine solche ausgeschlossen werden könne, wesentliches Kriterium in der zurückverweisenden Entscheidung des BVerwG war, keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Gesundheitsgefahr bei der Klägerin bei Rückkehr in den Kosovo. Unabhängig davon, dass - wie auf Fachtagungen von fachkundiger Seite erklärt worden ist - ein Suizid von einem Therapeuten oder Gutachter nie ganz "ausgeschlossen" werden kann, bestehen nach den Ausführungen des Sachverständigen, anders als zum Teil in früheren ärztlichen Erklärungen angenommen, auch keine verifizierbaren Anhaltspunkte für eine ernsthafte Suizidgefahr bei der Klägerin. Die Klägerin hat danach bisher keine Suizidversuche unternommen. In der Vergangenheit aufgetretene Suizidgedanken standen in Zusammenhang mit anderen Lebenssachverhalten als mit einer Zwangsrückkehr in den Kosovo, nämlich mit der in Verbindung mit den Schlägen auf den Kopf zu sehenden Auskunft von Ärzten im Kosovo in 1992, es werde ihr in Zukunft wohl noch schlechter ergehen, und mit ihrer erstmaligen Einreise nach Deutschland und der damit verbundenen Trennung von ihrem Vater. Suizidgedanken in Zusammenhang mit der Rückkehr in den Kosovo hat die Klägerin hingegen offenkundig nicht geäußert. Im Übrigen ist insoweit - als gegen eine ernste Suizidgefahr sprechender Umstand - von Bedeutung, dass von einer Rückkehr der gesamten Familie der Klägerin in den Kosovo ausgegangen werden kann, so dass die Klägerin dort im vertrauten Umfeld ihrer Familie, von deren Zusammenbleiben sie ausgeht, leben wird. Dies wird auch einer Therapie wegen ihrrer Erkrankung entgegenkommen.

Ende der Entscheidung

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