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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.04.2005
Aktenzeichen: 13 A 346/05.A
Rechtsgebiete: AsylVfG, AuslG


Vorschriften:

AsylVfG § 81
AsylVfG § 81 Satz 1
AuslG § 53
Zur Berechtigung einer Verfahrenseinstellung nach § 81 AsylVfG bei unterbliebener Reaktion auf eine gerichtliche Anfrage, ob die Klage zurückgenommen werde.
Tatbestand:

Nach der Ablehnung der Änderung eines früheren Bescheids zu § 53 AuslG durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhob der Kläger Klage und stellte Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nach der Ablehnung dieser Anträge fragte das VG bei ihm an, ob die Klage zurückgenommen werde. Der Kläger reagierte weder auf die Anfrage noch auf eine Erinnerungsverfügung und auch nicht auf eine Betreibensaufforderung nach § 81 AsylVfG. Das VG stellte daraufhin das Verfahren ein und stellte, nachdem der Kläger einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt hatte, durch Urteil fest, dass das Verfahren gemäß § 81 AsylVfG beendet sei.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die geltend gemachte Rüge der Verletzung des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG kann die Zulassung der Berufung nicht bewirken. Die Entscheidung des VG festzustellen, dass das gerichtliche Verfahren gemäß § 81 AsylVfG beendet ist, begegnet keinen Bedenken. Das VG hat zu Recht von § 81 AsylVfG Gebrauch gemacht.

Die Annahme der Rücknahmefiktion nach § 81 Satz 1 AsylVfG, der als solcher mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist, vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 -, NVwZ Beil. I/1999, 17, bzw. eine nach einem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens erfolgte gerichtliche Feststellung, dass das gerichtliche Verfahren beendet ist, ist nur gerechtfertigt, wenn sachlich begründete Anhaltspunkte für Zweifel am Fortbestehen des - für jede Klage erforderlichen - Rechtschutzinteresses bestehen und wenn dementsprechend die der Rücknahmefiktion vorangehende Betreibensaufforderung ordnungsgemäß war. Berechtigte Zweifel am Fortbestehen des Rechtschutzinteresses können sich dabei u. a. daraus ergeben, dass ein Kläger prozessuale Mitwirkungspflichten, die gerade auch in Asylverfahren und insbesondere hinsichtlich der gegen eine mögliche Abschiebung sprechenden persönlichen Umstände bestehen, nicht erfüllt und damit ein Desinteresse an der weiteren Verfolgung seines prozessualen Begehrens zeigt.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18.9.2002 - 1 B 103.02 -, NVwZ Beil. I/2003, 17, und vom 5.7.2000 - 8 B 119.00 -, NVwZ 2000, 1297 (zu § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO); OVG M.-V., Beschluss vom 16.1.2002 - 2 L 118/00 -, NordÖR 2002, 224; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 86 Rdnr.11,12.

So liegt der Fall hier. Auch wenn die Anforderungen an das Verhalten eines Rechtsschutzsuchenden, mit dem dieser sein fortbestehendes Interesse an einer gerichtlichen Sachentscheidung zum Ausdruck bringen muss, nicht überspannt werden dürfen, hat das VG zu Recht ein fehlendes Interesse des Klägers an der Durchführung des Klageverfahrens hinsichtlich der Feststellung, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bestehen, angenommen. Infolgedessen war auch die im angefochtenen Urteil (allein) enthaltene Feststellung gerechtfertigt, dass das gerichtliche Verfahren gemäß § 81 AsylVfG beendet ist.

Der Kläger, der sich seit Januar 1994 im Bundesgebiet aufhält, dessen erster Asylantrag im April 1997 unanfechtbar abgelehnt wurde, der anschließend zur Ausreise verpflichtet, der Ausreiseverpflichtung aber nicht nachgekommen war, hat nach dem eine Abänderung eines früheren Bescheides zu § 53 AuslG ablehnenden Bescheid des Bundesamts Klage erhoben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtschutz gestellt und dabei eine Vielzahl prozessualer Anträge geltend gemacht. Einen Teil der Anträge, nämlich die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes wurden durch Entscheidungen des VG ablehnend beschieden. Vor diesem Hintergrund und in Kenntnis des Umstands, dass in Asylverfahren die Kläger regelmäßig ein großes Interesse an einem Zeitgewinn haben und auch die Verfahrensweise des Bevollmächtigten des Klägers in diesen Verfahren häufig diesen Eindruck erweckt, bestand für das VG ein berechtigter Anlass für die Anfrage, ob die Klage zurückgenommen werde. Hat das VG in einem Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss bzw. in einem Beschluss wegen Erlasses einer einstweiligen Anordnung zum Ausdruck gebracht, dass das Vorbringen des Asylbewerbers oder des Abschiebungsschutz Begehrenden im Hauptsacheverfahren aus seiner Sicht unbegründet ist, darf es den Kläger eines Asylverfahrens auffordern, sich zu der Rechtsansicht des Gerichts zu äußern und damit auseinanderzusetzen, um dem Gericht Gelegenheit zu geben, eventuell in weitere Erwägungen einzutreten oder (Amts)Ermittlungen vorzunehmen. Es ist dem Kläger grundsätzlich zuzumuten, sich hierauf zu äußern, insbesondere mitzuteilen, ob er - auch wenn er sich mit der Ansicht des Gerichts nicht auseinandersetzen will - das Verfahren gleichwohl fortführen will, eben weil er die Rechtsansicht des Gerichts für falsch hält. Unabhängig davon, dass es für einen Prozessbeteiligten ohnehin selbstverständlich sein sollte, Anfragen des Gerichts und auch solche wegen Fortführung des Verfahrens zu beantworten, bezieht sich dies auch auf eine Antwort - evtl. mit einem schlichten "Ja" oder "Nein"- auf die in Frage stehende gerichtliche Anfrage, ob die Klage zurückgenommen wird. Äußert sich der Kläger - auch nach weiteren gerichtlichen Verfügungen - überhaupt nicht, kommt er seiner Mitwirkungspflicht nicht nach; daraus kann auf sein Desinteresse und seine (mögliche) Verzögerungsabsicht geschlossen werden. Das erlaubt den Schluss darauf, die Entscheidung des Gerichts und deren Begründung sei dem Kläger gleichgültig und es komme ihm nur auf eine Verzögerung des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens an. Ein solches Verhalten ist aber nicht schutzbedürftig; für einen solchen Fall ist vielmehr gerade die Regelung der Klagerücknahme-Fiktion des § 81 AsylVfG, der der Beschleunigung von Asylverfahren dient, einschlägig. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter nicht nur auf die erste verwaltungsgerichtliche Anfrage nicht reagiert, sondern auch auf die gerichtliche Verfügung, mit der an die Erledigung der ersten Verfügung erinnert wurde, nicht geantwortet hat. Auch dies rechtfertigte die Annahme des VG, der Kläger wolle möglicherweise den Abschluss seines Asylverfahrens hinauszögern, sei aber an einer schnellen Sachentscheidung nicht interessiert, und gab deshalb einen weiteren Grund für die Berechtigung der etwa zwei Monate nach der ersten Verfügung erfolgten Betreibensaufforderung im Rahmen des § 81 AsylVfG.

BVerwG, Beschluss vom 5.7.2000 - 8 B 119.00 -, a. a. O.; OVG M.-V., Beschluss vom 16.1.2002 - 2 L 118/00 -, a. a. O.

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