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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.04.2004
Aktenzeichen: 13 A 3596/01
Rechtsgebiete: AMG, VwVfG


Vorschriften:

AMG § 31
VwVfG § 32
Nicht nur der erste, sondern alle Verlängerungsanträge für Arzneimittelzulassungen müssen nach § 31 AMG 3 Monate vor Ablauf des Zulassungs-Rhythmus von jeweils 5 Jahren gestellt werden.
Tatbestand:

Die Klägerin stellt ein Arzneimittel her. Die Bekanntgabe der diesbezüglichen Zulassungsbescheide vom 12./13.2.1985 erfolgte am 15.2.1985. Zuletzt verlängerte die Beklagte die Zulassungen mit Bescheiden vom 14.9.1995. Im August 1996 wurde die Klägerin Zulassungsinhaberin. Unter dem 21.1.2000 stellte die Klägerin Anträge auf weitere Verlängerung der arzneimittelrechtlichen Zulassung, die am 24.1.2000 bei der Beklagten eingingen.

Mit der Klägerin am 2.5.2000 bekanntgegebenem Bescheid vom 27.4.2000 lehnte die Beklagte die Verlängerungsanträge wegen Versäumung der Antragsfrist ab. Mit Fax vom 15.5.2000 beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil sie ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die gesetzliche Antragsfrist einzuhalten.

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wies das VG mit der Begründung ab, der Antrag auf Verlängerung der Zulassungsbescheide sei verspätet gewesen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne wegen Verschuldens nicht gewährt werden. Die zugelassene Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Wie das VG zutreffend entschieden hat, besteht der geltend gemachte Anspruch wegen Verfristung nicht (1), noch ist der Klägerin insofern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (2).

1) Die Klägerin hat den (zweiten) Verlängerungsantrag vom 21./22.1.2000 für die Zulassung der hier in Rede stehenden Arzneimittel zwar vor Erlöschen der Zulassungen, aber nach Ablauf der 3-Monats-Frist in § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG ("Die Zulassung erlischt ... 3) nach Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Erteilung, es sei denn, dass spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist ein Antrag auf Verlängerung gestellt wird, ..."), verspätet bei der Beklagten angebracht. Nach der vorstehend zitierten Vorschrift hätte der Antrag angesichts der Bekanntgabe der ersten Zulassungsbescheide am 15.2.1985 spätestens am 15.11.1999 bei der Beklagten anhängig gemacht werden müssen.

Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, die Erlöschensregel in § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG beziehe sich nur auf die erste Erteilung und die erste Verlängerung einer Zulassung, nicht aber auch auf die weiteren Verlängerungen einer Zulassung mit der Folge, dass die dort nur erwähnte Anknüpfung an die ursprüngliche Erteilung für sie, die Klägerin, nicht einschlägig sei, so dass ihre Verlängerungsanträge im Hinblick auf die letzte Verlängerung vom 14.9.1995 früher als nötig, jedenfalls rechtzeitig gestellt seien.

Für eine Auslegung im Sinne der Klägerin gibt es außer dem auslegungsbedürftigen und auslegungsfähigen Wort "Erteilung" und dem davon abweichenden Gebrauch des Wortes "Verlängerung" in § 31 AMG keinen Anhaltspunkt, wohl aber dafür, dass auch jede weitere Erteilung im Wege der Verlängerung von der Erlöschensregelung unter Anknüpfung an die erste Erteilung bei Schaffung eines 5jährigen Rhythmus erfasst sein soll. Schon der Gesetzeszweck der Medikamentensicherheit und somit des Gesundheitsschutzes sprechen für eine umfassende Erlöschensregelung, mag später auch möglicherweise insofern eine Gesetzesänderung erfolgen, wie die Klägerin geltend macht. Vor allem aber ergibt sich dieses Verständnis aus dem Zusammenhang der Regelungen in § 31 AMG:

§ 31 Abs. 3 AMG, der i.V.m. Abs. 2 das Verlängerungsverfahren regelt, bestimmt in seinem Satz 1 ("Die Zulassung ist auf Antrag nach Absatz 2 Satz 1 innerhalb von drei Monaten vor ihrem Erlöschen um jeweils fünf Jahre zu verlängern, ..."), dass die Zulassung auf Antrag innerhalb von drei Monaten vor ihrem Erlöschen um jeweils fünf Jahre zu verlängern ist, wenn kein Versagungsgrund vorliegt. Da der Satzteil "vor ihrem Erlöschen" inhaltlich auf das Erlöschen der Zulassung nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG Bezug nimmt - eine andere Erlöschensregelung ist nicht getroffen - muss der Begriff "Erteilung" in § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG auch so ausgelegt werden, dass er zu den Absätzen 2 und 3 stimmig ist. Da sich aus dem Wort "jeweils" in § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG ergibt, dass sich die Erlöschensregelung und die Verlängerungsregelungen zugleich auf alle Verlängerungen beziehen, ist nur eine Auslegung des Wortes "Erteilung" in § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG passend, die auch Erteilungen der Arzneimittelzulassungen im Wege der mehrfachen Verlängerungen umfasst. Ein Bezug von § 31 Abs. 3 AMG auf Abs. 1 der Vorschrift wird auch dadurch geschaffen, dass hier wie dort der Zeitraum von 3 Monaten vor dem Erlöschen der Zulassung in Absatz 3 und vor Ablauf der 5-Jahres-Frist in Absatz 1 zum Tatbestand gehört.

Da sich die Verlängerung jeweils an das Ende der vorhergehenden 5-Jahres-Frist um 24.00 Uhr des letzten Gültigkeitstages anschließt, kommt es für die Fristberechnung auf den Zugang eines Verlängerungsbescheides nicht an.

Ebenso OVG Berlin, Urteil vom 28.5.1998 - 5 B 82.96 - unter Darlegung der Entwicklung des § 31 AMG; Kloesel/Cyran, AMG, 69. Ergänzungslieferung, A 1.0 § 31 Anm. 4.

Nichts anderes als ein umfassender Anwendungsbereich der Regelung ergibt sich aus der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26.1.1965, Abl. 1965, 369, (RL), mit späteren Änderungen. Wie aus dem Wort "jeweils" in Art. 10 Nr. 1 RL (heute Art. 24 der RL 2001/83/EG vom 6.11.2001, Abl. L 311, 67, (Kodex)), mit dem Wortlaut "Die Genehmigung ist fünf Jahre gültig; sie kann auf einen mindestens drei Monate vor ihrem Ablaufen zu stellenden Antrag des Inhabers für jeweils fünf Jahre verlängert werden; diese Verlängerung erfolgt nach einer von der zuständigen Behörde vorzunehmenden Prüfung der Unterlagen, die insbesondere eine Übersicht über den Stand der Angaben zur Pharmakovigilanz und die übrigen für die Arzneimittelüberwachung maßgebenden Informationen enthalten" folgt, gilt auch dort die 3-Monats-Frist für die Stellung des Verlängerungsantrages nicht nur für die erstmalige Verlängerung, sondern auch für alle nachfolgenden Verlängerungen einer Zulassung.

Allerdings wirft Art. 10 Abs. 1 RL insofern ein Problem auf, als sich aus ihm nicht unmittelbar ergibt, dass es nicht auf den Zugang des letzten Verlängerungsbescheides für die Fristberechnung ankommt.

Anders als von der Beklagten vertreten sind europäische Richtlinien keineswegs "unverbindlich". Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH

- vgl. etwa Urteil vom 26.9.1996 - C - 168/95 -, Slg. 1996, I-4705, m. w. N. -

obliegen die "sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgegebene Ziel zu erreichen, sowie ihre Aufgabe gemäß aus Art. 5 EG-Vertrag, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten einschließlich der Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit" (Rz. 41 a.a.O.). Daraus folgert der EuGH, "dass ein nationales Gericht, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses Recht auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten muss, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 189 Absatz 3 EGV nachzukommen" (Rz. 41 a.a.O.).

Welche Zuständigkeitsgrenzen die Gerichte haben, ergibt sich aus dem nationalen Recht, u. a. seiner Auslegung durch die Gerichte. Der beschließende Senat wäre an einer richtlinienkonformen Auslegung des § 31 AMG dadurch gehindert, dass das BVerwG entschieden hat,

- vgl. Urteil vom 18.12.1997 - 3 C 46.96 -, LRE 34, 411, 414 -

das Gebot, Richtlinien soweit als möglich durch eine gemeinschaftskonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts Rechnung zu tragen, "rechtfertigt aber keine Auslegung der nationalen Gesetze, die im Widerspruch zu deren Sinngehalt steht." Den Sinn des § 31 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 AMG hat der Senat wie oben dargelegt ermittelt. Er wäre mit einer Auslegung von Art. 10 Abs. 1 RL zugunsten der Klägerin, d. h. im Sinne einer Anknüpfung der 3-Monats-Frist an den letzten Verlängerungsbescheid nicht vereinbar.

Das in Rede stehende Richtlinien-Recht ist aber ohnehin nicht eindeutig in dem Sinn, dass die 3-Monats-Frist zwingend an den Ablauf des letzten Verlängerungsbescheides anknüpfen müsste. Der Wortlaut ist auch offen für eine Fristberechnung im Sinne von § 31 AMG. Dadurch scheidet auch eine - von einer richtlinienkonformen Auslegung zu unterscheidende und nicht wie diese durch Wortlaut oder Sinn begrenzte - unmittelbare Richtlinien-Wirkung aus. Diese tritt nämlich - bei Gewährung eines subjektiven Rechts eines Einzelnen oder unabhängig davon als Bindung von Behörden und Gerichten - bei mangelnder oder fehlerhafter Umsetzung nur ein, wenn die fragliche Richtlinien-Regelung hinreichend genau und unbedingt ist.

Vgl. EuGH, Urteile vom 22.6.1989 - 103/88 -, Slg. 1989, 1839 (Rz. 28-33), vom 11.7.1991 - C - 87/90 u. a. -, Slg. 1991, I - 3757 (Rz. 11 - 16) und vom 11.8.1995 - C - 431/92 -, Slg. 1995, I - 2189 (Rz. 24 - 26); BVerwG, Urteil vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 -, BVerwGE 100, 238, 241 f.; vgl. zu den Begriffen "hinreichend genau und unbedingt" auch Schroeder, in: Streinz, EUV/EGV, 1. Aufl. 2003, Rz. 119 f, 124 zu Art. 249 m. w. N.

Soweit die Klägerin ausführt, § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG bedürfe der Auslegung im umfassenden Sinne deshalb nicht, weil sich ein Erlöschen der Zulassung im Falle der erfolgten Verlängerung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG aus ihrem Umfang von jeweils fünf Jahren ergebe, kann dem nicht gefolgt werden; die Erlöschenstatbestände sind nämlich in § 31 Abs. 1 AMG abschließend aufgezählt.

So auch Rehmann, AMG, 1999, § 31 Rz. 1.

Dem Argument der Klägerin, § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG hätte klarer gefasst sein können/müssen, etwa durch die Formulierung "Die Zulassung ist auf jeweils mindestens drei Monate vor ihrem Ablauf zu stellenden Antrag um fünf Jahre zu verlängern", ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber - wie das OVG Berlin zutreffend zur Entwicklung der Vorschrift ausgeführt hat - solches gar nicht ausdrücken, sondern nur der Behörde eine verlängerte Bearbeitungsmöglichkeit ohne Eingreifen der Erlöschensregelung wie nach der Vorgängerfassung des § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG zugestehen wollte. Ferner ist angesichts der klaren Formulierung in § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG ("...es sei denn, dass spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist ein Antrag auf Verlängerung gestellt wird") eine Wiederholung in Abs. 3 nicht geboten. Nach der vorstehenden Auslegung erweist sich § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG auch als die von der Klägerin unter Hinweis auf Rechtsprechung des BVerwG geforderte klare gesetzliche Ausschlussregelung. Das BVerwG hat nämlich zu § 32 Abs. 5 VwVfG entschieden, dass ein Wiedereinsetzungsausschluss nicht ausdrücklich im Gesetz festgelegt sein muss, dass vielmehr dieser Zweck durch Auslegung ermittelbar sein kann.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.1990 - 7 B 167.90 -, Buchholz 421.2 Nr. 133; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 32 Rz. 65.

Damit entfällt die Möglichkeit einer Nichtigkeit von § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG, auf die der Vortrag der Klägerin ebenfalls abzielt. Da Auslegungsnotwendigkeit bei Gesetzesfassung nicht immer vermeidbar und hinzunehmen ist, scheitert daran das Gebot der Gesetzesbestimmtheit nicht und ist den Erfordernissen von Verständlichkeit, Normklarheit und Justitiabilität

- vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.2.1978 - BvR 406/77 -, BVerfGE 47, 239, 247 m. w. N. -

trotzdem ausreichend Rechnung getragen.

2) Wie das VG zutreffend dargelegt hat, hat die Beklagte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 VwVfG zu Recht abgelehnt. (wird ausgeführt)



Ende der Entscheidung

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