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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.10.2003
Aktenzeichen: 13 A 3696/02
Rechtsgebiete: RettG NRW, GewO, InsO, ZPO, VwGO


Vorschriften:

RettG NRW § 19
RettG NRW § 20
RettG NRW § 22
RettG NRW § 24
GewO § 12
InsO § 35
InsO § 36
ZPO § 240
ZPO § 857
VwGO § 173
Zur Behandlung von Genehmigungen für Krankentransportfahrten nach dem Rettungsrecht NRW im Insolvenzverfahren.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der allein geltend gemachte Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) ist nicht gegeben. Dabei kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht auf die Richtigkeit der Begründung an, sondern nur auf das Ergebnis. An diesem hat der Senat keine ernstlichen Zweifel.

Nach Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 207 InsO durch inzwischen wirksam gewordenen Beschluss des AG ist das auf eine Unterbrechung des Verwaltungsrechtsstreits nach § 173 VwGO i.V.m. § 240 ZPO und auf § 12 GewO bezogene Zulassungsvorbringen überholt. Es hätte auch nicht zu einer Zulassung geführt.

1. a) Wie das VG zutreffend ausgeführt hat, war es nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin gemäß §§ 173 VwGO, 240 Satz 1 ZPO gehindert (wegen Prozessunterbrechung) in der Sache selbst zu entscheiden. Der Anwendbarkeit dieser Regelung steht entgegen, dass Genehmigungen nach dem Rettungsgesetz NRW wegen ihres öffentlich-rechtlichen (und zudem höchstpersönlichen) Charakters, der sich nach § 19 Abs. 1 RettG NRW nicht nur aus dem Erfordernis der Gewährleistung der Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes (Nr. 1), sondern auch aus dem Erfordernis der fachlichen Eignung und Zuverlässigkeit der für die Führung der Geschäfte bestellten Person (Nr. 2) ergibt, nicht gem. §§ 35, 36 Abs. 1 S. 1 InsO in die Insolvenzmasse fallen würden. § 36 Abs. 1 S. 1 InsO bestimmt nämlich, dass "Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen", nicht zur Insolvenzmasse gehören, obwohl das Insolvenzverfahren nach § 35 InsO auch das gesamte Vermögen, das der Schuldner während des Verfahrens erlangt, erfasst.

Bei den Genehmigungen handelt es sich auch nicht um ein zwar unveräußerliches Recht, das in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung aber insoweit unterworfen sein kann, "als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann" (§ 857 Abs. 3 ZPO). Zwar hat der Senat erwogen, dass nach § 22 Abs. 1 Satz 3 RettG NRW "Eine Übertragung der Genehmigung ... ausgeschlossen" ist, jedoch "die Ausübung einem anderen überlassen werden kann", wie sich aus § 19 Abs. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 sowie § 24 Abs. 2 RettG NRW ergibt.

Gleichwohl ist § 857 Abs. 3 ZPO nicht anwendbar. In der Literatur wird vertreten, dass öffentlich-rechtliche Befugnisse wie die Befugnis zum Führen eines konzessionierten Gewerbes unpfändbar sind.

So Stein-Jonas, ZPO, 20. Aufl. 1986, Rz 8 zu § 857 mit Rechtsprechungsnachweisen zu Taxikonzessionen; Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2001, Rz 8 zu § 857; zur Aufhebung einer gewerberechtlichen Zulassung oder Gewerbeuntersagung ebenso Hess. VGH, Urteil vom 21.11.2002 - 8 UE 3195/01 -, NVwZ 2003, 626.

Dies gilt jedenfalls für rettungsrechtliche Genehmigungen der vorliegenden Art. Das ergibt sich aus der öffentlichen Aufgabe, die der Rettungsdienst nach § 6 RettG NRW darstellt, und daraus, dass deren Planbarkeit (§ 12 RettG NRW) und Erfüllung auch von den Genehmigungen für Private abhängt (vgl. die Funktionsschutzklausel für den öffentlichen Rettungsdienst nach § 19 Abs. 4 RettG). Auch die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der Betriebs- und Beförderungspflicht nach § 23 RettG NRW stehen der Anwendbarkeit des § 857 Abs. 3 ZPO entgegen, weil sie zur Folge hätte, dass wegen Pfändbarkeit die Ausübungsbefugnis in die Masse fiele.

Hiervon ausgehend wohl Eickmann u.a., InsolvenzO, 2. Aufl. 2001, Rz 18 zu § 35.

Dem öffentlichen Interesse gegenläufig ist insbesondere, dass die nach § 173 VwGO, § 240 ZPO automatisch eintretende Prozessunterbrechung zu einem "Schwebezustand" führen würde, dessen Beendigung die Aufnahme des Verfahrens oder die Aufhebung der Insolvenz voraussetzt, die aber von anderen Entscheidungen abhängt als solchen der Gefahrenabwehr, der das Rettungswesen dient.

Diesem Verständnis des § 240 ZPO steht auch die Intention des Insolvenzverfahrens nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen der Verwaltung, der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse Verbindlichkeiten begründen und gegenseitige Verträge abschließen kann mit der Folge, dass Verpflichtungen als Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 InsO, die nach § 53 InsO vorweg und damit privilegiert aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind, entstehen und nach § 61 Satz 1 InsO gegebenenfalls eine Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters ausgelöst wird. Diese Sichtweise ist zu eng. Hierzu hat der Beklagte zutreffend auf das Integritätsinteresse der mit der Tätigkeit eines Rettungsunternehmers in Berührung kommenden Personen, also der zu befördernden Patienten, hingewiesen und darauf, dass es nicht nur um die Absicherung von neubegründeten Verbindlichkeiten geht. Die Gewährleistung der Leistungsfähigkeit ist darüber hinaus und insbesondere auch aus Gründen der Prävention und der Qualitätssicherung zur Genehmigungsvoraussetzung gemacht worden. Es soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass finanziell angeschlagene Betriebe wirtschaftlichen Aspekten Vorrang vor fachlich-medizinischen geben, was Gesundheit und sogar Leben der Patienten schaden könnte.

Soweit die Antragsschrift geltend macht, der Verweis auf § 36 InsO werde den Umständen des Insolvenzverfahrens nicht gerecht, erst die Genehmigungen versetzten den Unternehmer in die Lage, das Krankentransportunternehmen in der von ihm gewünschten Weise auszuüben und sie seien deshalb auch Grundvoraussetzungen zur Aufnahme und Aufrechterhaltung des Betriebes im Insolvenzverfahren, das gerade die Fortführung des Unternehmens im Interesse der betroffenen Gläubiger vorsehe, folgt dem der Senat aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht.

b) Schließlich geht auch der Hinweis im Antragsvorbringen auf § 12 GewO fehl. Der Senat kann offen lassen, ob diese Vorschrift im Grundsatz auf ein Spezialgebiet wie den privaten Rettungsdienst Anwendung finden kann; die oben dargelegten öffentlich-rechtlichen Interessen dürften auch hier entgegenstehen. § 12 GewO ist im vorliegenden Fall jedenfalls schon deshalb nicht einschlägig, weil es nicht um die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung geht. Vielmehr will die Klägerin neue Genehmigungen erstreiten, die auch im Umfang nicht völlig identisch mit den ausgelaufenen sind. Der Senat sieht auch keine Möglichkeit, § 12 GewO auf diese Fallkonstellation analog anzuwenden. In der Gesetzesbegründung zu § 12 GewO - vgl. BT-Drs. 12/3803, Seite 104 - wird unter anderem folgendes ausgeführt:

"... der neue § 12 schließt daher die Anwendung der genannten Vorschriften der Gewerbeordnung für die Dauer des Insolvenzverfahrens aus. Dies gilt allerdings nur für das Gewerbe, das der Schuldner zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens betrieben hat; denn es soll dem Schuldner nicht ermöglicht werden, trotz mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit weitere Gewerbebetriebe zu eröffnen."

Hierzu führt Hahn (GewA 2000, 361, 362) Folgendes aus:

"Eindeutig erscheint, dass § 12 GewO keine Auswirkung auf den Antrag auf Erteilung einer gewerberechtlichen Zulassung hat. Ein solcher Antrag ist nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Rechts abzulehnen, wenn der Antragsteller wegen seiner ungeordneten Vermögensverhältnisse unzuverlässig ist. Es ist kein Grund erkennbar, einem Unzuverlässigen die Ausübung eines Gewerbes erst noch zu gestatten, die es ihm entgegen den vorrangigen Schutzzwecken des Gewerberechts ermöglichen würde, unter Umständen die Allgemeinheit, einzelne Geschäftspartner oder Arbeitnehmer zu schädigen. Deshalb fällt auch die Verhinderung eines ohne Zulassung betriebenen zulassungsbedürftigen Gewerbes gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO nicht unter den Tatbestand des § 12 GewO. Aus demselben Grund spricht auch nichts dafür, dass § 12 GewO in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO Bedeutung erlangen könnte."

Im Sinne dieser Aussage wird auch in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass das mehrere Wochen nach Einstellung eines Gewerbes begonnene Gewerbe - sogar der gleichen Tätigkeit (dort: Maler- und Lackiererhandwerk) - nicht das Gewerbe ist, "das zurzeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde".

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.2.2002 - 4 B 1611/01 -.

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