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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.08.2008
Aktenzeichen: 13 A 4034/05
Rechtsgebiete: AMG, AMNG, VwGO


Vorschriften:

AMG § 29 Abs. 3
AMG § 105 Abs. 4 f
AMG § 109a Abs. 3
AMG F. 1994 § 105 Abs. 3a S. 2 Nr. 5
AMNG Art 3 § 7 Abs. 3a S. 2 Nr. 5
VwGO § 130a
Ist bei einer im arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren grundsätzlich nach Art 3 § 7 Abs. 3a S. 2 Nr. 5 AMNG (§ 105 Abs. 3a S. 2 Nr. 5 AMG Fassung 1994) zulässigen Änderung ("Monographieanpassung") der Inhalt der Monographie hinsichtlich der Anwendungsgebiete nicht vollständig übernommen worden, so hat dies jedenfalls dann zum vollständigen Erlöschen der fiktiven Zulassung des Arzneimittels geführt, wenn sich die angegebenen Anwendungsgebiete nicht ohne Weiteres in einen monographiekonformen und einen abweichenden Teil auftrennen lassen.
Tatbestand:

Die Klägerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, beantragte im Jahre 1989 die Nachzulassung nach dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts für ein von ihr vertriebenes pflanzliches Arzneimittel. Während des Nachzulassungsverfahrens tauschte sie die arzneilich wirksamen Bestandteile vollständig aus und änderte auch die Indikationen des Arzneimittels. Dabei berief sie sich auf eine Aufbereitungsmonographie. Später stützte die Klägerin ihren Antrag auf eine Position in der sog. "Traditionsliste" nach § 109a Abs. 3 AMG, der das in Rede stehende Arzneimittel entspreche. Der Streichung der betreffenden Position aus der Traditionsliste im Mai 2000 widersprach sie. Im Dezember 2001 lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Antrag der Klägerin auf Nachzulassung mit der Begründung ab, es sei keine vollständige Anpassung an die Aufbereitungsmonographie erfolgt. Die dagegen und gegen die Streichung aus der Traditionsliste gerichteten Klagen wies das VG ab. Die Berufung wurde durch das OVG zurückgewiesen.

Gründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er sie einstimmig für unbegründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Rechtssache weist auch keine außergewöhnlich großen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf, die einer Entscheidung durch Beschluss entgegenstehen könnten.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30.6.2004 - 6 C 28.03 -, BVerwGE 121, 211.

Dass der Senat die Zulassung der Berufung auch auf § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, also auf besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache, gestützt hat, steht dem nicht entgegen. Denn insoweit hat sich die Situation inzwischen durch die Urteile des BVerwG vom 21.5.2008 (3 C 14.07, 3 C 15.07) geändert. In diesen Entscheidungen sind die Rechtsfragen, die für das vorliegende Berufungsverfahren im Wesentlichen von Bedeutung sind, geklärt worden.

Die Beteiligten sind zu dieser Entscheidungsform unter Mitteilung des voraussichtlichen Ergebnisses gehört worden.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Soweit die Klage sich gegen die Streichung des Arzneimittels aus der "Traditionsliste" nach § 109a Abs. 3 AMG richtet, ist sie unzulässig, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Das Gesetz knüpft an die Aufnahme in die Traditionsliste sowohl materielle als auch verfahrensrechtliche Folgen. Bei der Aufstellung der Traditionsliste sowie späteren Änderungen befindet die Zulassungsbehörde über die Zuordnung von Stoffen/Stoff-kombinationen und Anwendungsgebieten. Sie legt fest, welche Stoffe/Stoffkombina-tionen zu welchen Anwendungsgebieten "passen", welche Stoffe und Stoffkombinationen also für welche Anwendungsgebiete therapeutisch wirksam sind. Die Feststellung der therapeutischen Wirksamkeit bestimmter Stoffe/Stoffkombinationen für bestimmte Anwendungsgebiete durch die Traditionsliste ist verbindlich. Das ergibt sich aus § 109a Abs. 3 S. 1 AMG, der ohne Einschränkung festschreibt, dass die Anforderungen an die therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels erfüllt sind, wenn es Anwendungsgebiete beansprucht, die Aufnahme in die Traditionsliste gefunden haben. Die Zulassungsbehörde hat in einem solchen Fall lediglich zu prüfen, ob eine entsprechende Listeneintragung vorliegt. Die Traditionsliste schichtet diesen Prüfungspunkt sozusagen ab. Gleichzeitig erlaubt eine Listenposition dem pharmazeutischen Unternehmer, Abstand zu nehmen von der ansonsten bestehenden Verpflichtung, die therapeutische Wirksamkeit seines Arzneimittels durch Vorlage der erforderlichen Unterlagen nachzuweisen. Alleiniger Sinn einer Aufnahme in die Traditionsliste ist die Herbeiführung dieser Rechtsfolgen.

Vgl. zu alldem BVerwG, Urteil vom 20.11.2003 - 3 C 29.02 -, NVwZ 2004, 349 (350).

Die Herbeiführung der dargelegten - allein das Nachzulassungsverfahren, nicht jedoch den Zugang zu diesem betreffenden - Rechtsfolgen einer Eintragung in die Traditionsliste brächten der Klägerin allenfalls dann einen Nutzen und begründeten, weil ein anderweitiges mit einer Aufnahme des arzneilich wirksamen Bestandteils des streitbefangenen Arzneimittels in die Traditionsliste verbundenen Interesse nicht erkennbar ist, demzufolge nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ihr bezüglich des Arzneimittels der Zugang zum Nachzulassungsverfahren nach §§ 105, 109a AMG überhaupt noch eröffnet wäre.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.5.2008 - 3 C 15.07 -, A & R 2008, 184; OVG NRW, Urteil vom 22.8.2006 - 13 A 4404/06 -, Pharma Recht 2006, 538.

Dies ist indes mangels Fortbestehens der fiktiven Zulassung des Arzneimittels - wie nachstehend ausgeführt wird - nicht der Fall.

2. Soweit die Klägerin begehrt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.12.2001 zu verpflichten, über den Antrag auf Verlängerung der Zulassung des streitbefangenen Arzneimittels unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, ist die Klage unbegründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags.

Nach § 105 Abs. 4f S. 1 Hs. 1 AMG ist die Zulassung nach Absatz 1 auf Antrag nach § 105 Abs. 3 S. 1 AMG um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Eine Verlängerung der Zulassung setzt daher - wie das VG zutreffend dargelegt hat - zunächst voraus, dass für das jeweilige Arzneimittel eine "Zulassung nach Absatz 1", also eine fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG bzw. (bis zum Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 9.8.1994, BGBl. I S. 2071) nach Art. 3 § 7 Abs. 1 AMNG entstanden ist und diese im Zeitpunkt des Verlängerungsbescheides noch fortbesteht. Nichts anderes gilt im Übrigen für das Zulassungsverfahren nach § 109a AMG i.V.m. § 105 AMG. Denn auch § 109a AMG nimmt ausdrücklich auf § 105 Abs. 3 AMG Bezug und enthält lediglich Modifikationen des in § 105 AMG geregelten Nachzulassungsverfahrens.

Das (ursprüngliche) Arzneimittel " L." ist zwar gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 S. 1 AMNG in der Fassung vom 24.8.1976 (BGBl. I S. 2445) ordnungsgemäß angezeigt worden, und auch die Verlängerung der fiktiven Zulassung nach Art. 3 § 7 Abs. 3 S. 1 AMNG in der soeben genannten Fassung (sog. "Kurzantrag") wurde fristgemäß beantragt. Gegenstand des am 28.10.1993 gestellten Antrages nach Art. 3 § 7 Abs. 4 S. 2 AMNG in der Fassung des Vierten AMG-ÄndG vom 11.4.1990 (BGBl. I S. 717) war jedoch nicht mehr das ursprünglich angezeigte und vom Kurzantrag umfasste Arzneimittel, sondern ein unzulässig geändertes Arzneimittel. Die fiktive Zulassung des ursprünglich angezeigten Arzneimittels erstreckt sich nicht auf das geänderte Arzneimittel, weil die im Oktober 1993 angezeigte Änderung den durch Art. 3 § 7 Abs. 3a S. 2 Nr. 5 AMNG in der auch insoweit maßgeblichen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 21.5.2008 - 3 C 14.07 -, juris, Urteil vom 21.5.2008 - 3 C 15.07 -, a.a.O.,

im Zeitpunkt der Änderung geltenden Fassung des Vierten AMG-ÄndG gesteckten Rahmen überschritten hat. Daraus folgt, dass das geänderte Arzneimittel mangels fortbestehender fiktiver Zulassung einer Neuzulassung bedarf.

Nach Art. 3 § 7 Abs. 3a S. 2 Nr. 5 AMNG in der genannten Fassung durfte ein nach Art. 3 § 7 Abs. 1 AMNG fiktiv zugelassenes Fertigarzneimittel bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung abweichend von § 29 Abs. 3 AMG mit geänderter Art und Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer Anzahl innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung in den Verkehr gebracht werden, wenn das Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 S. 1 AMG bekannt gemachten Ergebnis oder einem vom BfArM vorgelegten Muster für ein Arzneimittel angepasst und das Arzneimittel durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wurde.

Vorliegend beruft sich die Klägerin auf ein nach § 25 Abs. 7 AMG bekannt gemachtes Ergebnis, nämlich die Aufbereitungsmonographie "Hyperici herba (Johanniskraut)", bekannt gemacht im Bundesanzeiger vom 5.12.1984 (Nr. 228), berichtigt im Bundesanzeiger vom 2.3.1989 (Nr. 43). Es fehlt jedoch an einer "Anpassung" an diese Monographie. Die Forderung, das Arzneimittel "insgesamt" an die Aufbereitungsmonographie anzupassen, kann, wie nunmehr durch das BVerwG entschieden,

Urteil vom 21.5.2008 - 3 C 14.07 -, a.a.O.,

nur dahin verstanden werden, dass die Monographie vollständig zu übernehmen ist. Eine Übernahme unter Modifikationen läuft der gesetzgeberischen Intention zuwider, das BfArM zu entlasten und die Verzögerungen bei der Bearbeitung der Nachzulassungsverfahren zu reduzieren. Denn im Falle derartiger Modifikationen wäre das BfArM über den bloßen Abgleich des Wortlauts der Änderungsanzeige mit dem Text der Aufbereitungsmonographie hinaus gezwungen, in eine inhaltliche Prüfung einzusteigen. Die Auffassung der Klägerin, es müssten nur "die charakteristischen und wesentlichen Grundaussagen der Monographie beibehalten werden", ist aus diesen Gründen nicht haltbar.

Vgl. zum Problem der vollständigen Anpassung an die Monographie auch OVG NRW, Beschluss vom 15.7.2008 - 13 A 1707/05 -, juris.

Eine vollständige Übernahme der Monographie hat vorliegend nicht stattgefunden. Die in der Monographie genannten Anwendungsgebiete lauten für die hier in Rede stehende innerliche Anwendung "Psychovegetative Störungen, depressive Verstimmungszustände, Angst und/oder nervöse Unruhe". Demgegenüber hat die Klägerin im Oktober 1993 die Anwendungsgebiete "Zur Beruhigung und Entspannung bei psychovegetativer Dystonie, Angst, innerer Unruhe, Nervosität, innerer Angespanntheit, äußerer Abgeschlagenheit, Erregungszuständen, nervös bedingten Einschlafstörungen" angezeigt.

Dahin stehen kann, ob die Anpassung bereits deshalb unvollständig erfolgt ist, weil das in der Monographie genannte Anwendungsgebiet "depressive Verstimmungszustände" von der Klägerin nicht übernommen worden ist.

Vgl. zur Übernahme nur eines Teil der Indikationen BVerwG a.a.O.

Offen bleiben kann des Weiteren, ob die Umformulierung und Aufspaltung des monographierten Anwendungsgebietes "nervöse Unruhe" in die Indikationen "Zur Beruhigung und Entspannung bei ... innerer Unruhe" und "Zur Beruhigung und Entspannung bei ... Nervosität" zulässig war. Auch das Anwendungsgebiet "Zur Beruhigung und Entspannung bei ... Erregungszuständen" mag dem Anwendungsgebiet "nervöse Unruhe" der Monographie zuzuordnen sein. Ein Grund für diese Abweichungen von der Monographie ist freilich nicht vorgetragen worden. Dasselbe gilt für die Umformulierung des Anwendungsgebietes "Psychovegetative Störungen" in "Zur Beruhigung und Entspannung bei psychovegetativer Dystonie", wobei die Begriffe "Störung" und "Dystonie" offensichtlich synonym verwendet werden.

Der Senat teilt jedenfalls die Ansicht des VG, dass die Indikationen "Zur Beruhigung und Entspannung bei ... innerer Angespanntheit" und "Zur Beruhigung und Entspannung bei ... allgemeiner Abgeschlagenheit" in unzulässiger Weise über den Monographieinhalt hinausgehen. Wie auch die Klägerin inzwischen einräumt, können Angespanntheit und Abgeschlagenheit neben psychovegetativen auch verschiedene andere Gründe haben. Denkbare Ursachen für die Abgeschlagenheit sind zum Beispiel, wie allgemein bekannt ist, Hypotonie, Grippe, Störungen der Schilddrüsenfunktionen, Herzinfarkt u.s.w. Dass es sich bei den von der Klägerin genannten Anwendungsgebieten des streitbefangenen Arzneimittels lediglich um Angespanntheit und Abgeschlagenheit als psychovegetative Störungen handelt, kommt in dem in der Änderungsanzeige enthaltenen Text nicht zum Ausdruck. Schon rein sprachlich liegt diese Interpretation, worauf das VG zu Recht hingewiesen hat, fern. Die verschiedenen Indikationen werden in dem Text der Klägerin, durch Kommata getrennt, nebeneinander genannt; dass es sich dabei zum Teil um Konkretisierungen des Begriffs "psychovegetative Dystonie" handelt, ist daher sprachlich nicht erkennbar. Auch dem Satzteil "Zur Beruhigung und Entspannung bei" lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht entnehmen, dass es allein um Angespanntheit und Abgeschlagenheit als psychovegetative Störungen geht. Es handelt sich vielmehr - was sich insbesondere für die "Angespanntheit" aufdrängt - um eine Umschreibung der lindernden Wirkung, ohne dass sich Folgerungen für die Ursache der zu behandelnden Symptome erkennen ließen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigten, dass, wie oben aufgezeigt, die Behörde sich bei der Monographieanpassung im Wesentlichen auf einen Vergleich zwischen dem Monographietext und der Änderungsanzeige soll beschränken können. Das Vorgehen der Klägerin, das monographierte Anwendungsgebiet "psychovegetative Störungen" um einzelne Krankheitsbilder bzw. Beschwerden zu ergänzen, die nach ihrer Einschätzung als psychovegetative Störungen eingeordnet werden können, zwingt die über die Nachzulassung entscheidende Behörde jedoch dazu, sich mit der Richtigkeit dieser Einordnung auseinanderzusetzen. Dies läuft dem - auch vom BVerwG (a.a.O.) hervorgehobenen - Zweck der Verfahrenserleichterung und -beschleunigung zuwider und geht daher über eine nach Art. 3 § 7 Abs. 3a S. 2 Nr. 5 AMNG a.F. zulässige Änderung hinaus.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass es sich um ein zur Selbstmedikation bestimmtes Arzneimittel handele und dass den Anwendern daher in verständlicher Form aufgezeigt werden müsse, wann die Einnahme des Arzneimittels angezeigt sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Gerade bei einem Arzneimittel, dessen Anwendung regelmäßig ohne ärztliche Unterstützung erfolgt, kommt der Formulierung der Anwendungsgebiete große Bedeutung zu. Eine erhebliche Abweichung vom Text der Monographie, bei deren Abfassung die Bedürfnisse und der Verständnishorizont der Anwender bereits bedacht worden sind, kommt daher nicht in Betracht.

Aus den vorstehenden Gründen kann auch die Aufnahme des Anwendungsgebietes "Zur Beruhigung und Entspannung bei ... nervös bedingten Einschlafstörungen" nicht als zulässige Anpassung an die Monographie angesehen werden.

Hinsichtlich eines etwaigen Vertrauensschutzes der Klägerin macht der Senat sich die zutreffenden Überlegungen des VG zu eigen. Die Klägerin ist diesem Teil der erstinstanzlichen Entscheidung auch nicht entgegen getreten. Soweit sie in ihrem Schriftsatz vom 20.8.2008, also nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, noch vorträgt, die Formulierung der Anwendungsgebiete sei von der Beklagten vorgeschlagen worden, ist dies im Übrigen nicht nachvollziehbar. Ein solcher Vorschlag ist den Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen. Die Behörde hat die Klägerin lediglich aufgefordert, die angezeigte Änderung der Anwendungsgebiete den einzig in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für eine solche Änderung zuzuordnen, um der Änderungsanzeige eine rechtlich präzise Gestalt zu verleihen.

Soweit die Klägerin schließlich die Auffassung vertritt, die vom VG angenommene Abweichung von der Monographie hätte nur zu einer Teil-, nicht aber zu einer vollständigen Versagung der Nachzulassung führen dürfen, vermag der Senat ihr ebenfalls nicht zu folgen. Der Gesetzeswortlaut des § 105 AMG gibt für die Annahme einer solchen Teilbarkeit nichts her. Bezugsobjekt der einzelnen Regelungen ist hier jeweils das Fertigarzneimittel insgesamt, nicht aber ein Teil davon. Auch § 29 Abs. 3 AMG, der die Neuzulassungspflicht bei bestimmten Änderungen der Anwendungsgebiete und damit gleichsam die Kehrseite des vorliegenden Sachverhalts regelt, spricht davon, es sei bei einer Erweiterung der Anwendungsgebiete eine neue Zulassung des Arzneimittels - und nicht etwa eine Ergänzung der Zulassung - zu beantragen. All dies spricht dafür, dass die fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG im Falle unzulässiger Änderungen insgesamt erlischt.

Für ein solches Verständnis spricht auch der Zweck der in Art. 3 § 7 Abs. 3a S. 2 Nr. 5 AMNG bzw. § 105 Abs. 3a S. 2 Nr. 5 AMG geregelten, erleichterten Änderungsmöglichkeiten, wie ihn das BVerwG (a.a.O.) herausgestellt hat. Soll die Regelung nämlich der Entlastung der Behörde und der Verfahrensbeschleunigung dienen, so liegt eine Auslegung, die der Behörde über die Frage der Monographiekonformität hinaus vertiefte Überlegungen zur Frage der Teilbarkeit der Anwendungsgebiete zumutet, fern. Die aufgezeigte enge Auslegung des Änderungstatbestandes, welche der Behörde eine vertiefte Auseinandersetzung mit vorliegenden Abweichungen von der Monographie ersparen will, würde konterkariert, wenn die Behörde sich zur Klärung der Frage, ob und in welchem Umfang die fiktive Zulassung möglicherweise fortbesteht und eine Neuzulassungspflicht entfällt, mit der von der Monographie abweichenden Aufzählung der Anwendungsgebiete und ihrer Teilbarkeit dann doch im Einzelnen näher beschäftigen müsste.

Diese Überlegungen stehen jedenfalls im vorliegenden Fall der Annahme einer teilweise fortbestehenden fiktiven Zulassung entgegen. Denn die angegebenen Anwendungsgebiete lassen sich nicht ohne Weiteres in einen monographiekonformen und einen abweichenden Teil auftrennen. Dies beruht darauf, dass - mit Ausnahme der "Angst" - keine der Indikationen vollständig mit der Vorgabe der Monographie übereinstimmt und dass die einzelnen Indikationen in einer Weise miteinander verwoben sind, die, wie das Verwaltungs- und Klageverfahren zeigt, die Beurteilung der Monographieanpassung erschwert. So haben das VG auf der einen und die Beklagte auf der anderen Seite die Frage, welche Indikationen noch vom Monographiewortlaut erfasst sind und welche darüber hinausgehen bzw. dahinter zurückbleiben, recht unterschiedlich beantwortet. Dass nach dem Vortrag der Klägerin eine Teilbarkeit in der Sache gar nicht besteht, weil die zusätzlich eingefügten Anwendungsgebiete eine Konkretisierung des grundlegenden Anwendungsgebietes "psychovegetative Dystonie" darstellen sollen, kommt hinzu. All dies spricht gegen die Annahme einer Teilbarkeit.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass im öffentlichen Recht - anders als im Zivilrecht (§ 139 BGB) - eine Teilunwirksamkeit regelmäßig nicht die Gesamtunwirksamkeit zur Folge habe, führt dies im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter. Denn der genannte Grundsatz, der etwa in § 44 Abs. 4 VwVfG zum Ausdruck kommt, besteht in erster Linie im Interesse der Rechtssicherheit und des öffentlichen Interesses am Bestand von Hoheitsakten.

Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 44 Rdnr. 60 m.w.N.

Ist die Frage, für welchen Teil der Anwendungsgebiete nach der Änderung noch eine (fiktive) Arzneimittelzulassung besteht, aber - wie hier - nicht ohne Weiteres zu beantworten, so streitet das Prinzip der Rechtssicherheit eher gegen den teilweisen Fortbestand der fiktiven Zulassung, und auch das öffentliche Interesse am Bestand von Hoheitsakten lässt sich für die fiktive Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz nur bedingt ins Feld führen.

Ob sich die Annahme einer teilweise fortbestehenden fiktiven Zulassung auch in solchen Fällen verbietet, in denen sich die Aufteilung in monographiekonforme und abweichende Anwendungsgebiete aufdrängt, etwa weil zwei oder mehrere von einander völlig unabhängige Indikationen genannt sind, von denen eine den Inhalt der Monographie darstellt, oder ob in derartigen Fallen - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Übermaßverbotes - die Annahme einer Teilbarkeit geboten ist, braucht der Senat nach alledem nicht zu entscheiden.



Ende der Entscheidung

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